Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 II 440



125 II 440

44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4.
Juni 1999 i.S. Josef Gunsch und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat sowie
Kantonsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Waldbegriff -- Art. 2 ÜbBest. BV; kantonales Ausführungsrecht zu
Art. 2 Abs. 4 WaG und Art. 1 WaV; Überprüfung im Rahmen einer abstrakten
Normenkontrolle.

    Legitimation virtuell betroffener Nachbarn zur staatsrechtlichen
Beschwerde (E. 1c).

    Eine kantonale Regelung, welche die quantitativen Mindestkriterien für
die Anerkennung einer Bestockung als Wald festlegt und dabei ausschliess-
lich die oberen Grenzen der in Art. 1 Abs. 1 WaV enthaltenen Werte
schematisch übernimmt, ist unvollständig und missverständlich. Sie
kann aber bundes- und verfassungsrechtskonform ausgelegt und angewendet
werden, da die im Bundesrecht enthaltenen qualitativen Waldkriterien den
quantitativen Mindestkriterien vorgehen (E. 3).

Sachverhalt

    Am 7. Juni 1998 beschlossen die Stimmberechtigten des Kantons Zürich
ein kantonales Waldgesetz (KWaG). Dessen § 2 lautet wie folgt:
      «Begriff des Waldes Eine mit Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockte
      Fläche gilt als Wald,

    wenn sie folgende Minimalerfordernisse aufweist:
      a) 800 m2 Fläche mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes,
      b) 12 m Breite mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes, c)
      ein Alter von 20 Jahren bei Einwuchsflächen.»

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 24. Juli 1998 verlangen Josef
Gunsch und drei Mitbeteiligte die Aufhebung dieser Bestimmung, eventuell
nur der lit. a. Sie rügen eine Verletzung der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV), da § 2 KWaG dem Art. 2 des Bundesgesetzes
über den Wald vom 4. Oktober 1991 (WaG; SR 921.0) widerspreche.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist zulässig gegen kantonale
Erlasse wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84
Abs. 1 lit. a OG). Die Beschwerdeführer bezeichnen die umstrittene
kantonale Gesetzesbestimmung als bundesrechtswidrig und rügen einen
Verstoss gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts, welche
aus Art. 2 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung abgeleitet
wird und nach ständiger Rechtsprechung als verfassungsmässiges Recht
anerkannt ist. Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die
behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel
beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde geltend gemacht werden
kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Da ein kantonaler Erlass angefochten wird, ist
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen. Unzulässig ist auch die
Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat, da die Beurteilung der Rüge der
Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV in die Zuständigkeit des Bundesgerichts
fällt (Art. 73 Abs. 2 lit. a VwVG; BGE 122 I 70 E. 1a; 119 Ia 197 E. 1b S.
200). Beim angefochtenen Gesetz handelt es sich, da der Kanton Zürich
die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle nicht kennt, um einen
letztinstanzlichen kantonalen Hoheitsakt (Art. 86 OG; BGE 124 I 145 E. 1a),
der mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann.

    b) Die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 89 Abs. 1 OG zur
Anfechtung des Gesetzes begann mit der Publikation des kantonsrätlichen
Erwahrungsbeschlusses im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 21. August 1998
(vgl. BGE 124 I 145 E. 1b). Die vorliegende Beschwerde wurde am 24. Juli
1998 und mithin verfrüht erhoben, was den Beschwerdeführern aber nicht
schadet (BGE 110 Ia 7 E. 1c S. 12).

    c) Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass
ist legitimiert, wer durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar oder
virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später
einmal) in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist. Das
Anrufen bloss tatsächlicher oder allgemeiner öffentlicher Interessen
genügt zur Begründung der Legitimation nicht (BGE 125 I 173 E. 1b; 124
I 145 E. 1c S. 148; 123 I 41 E. 5b S. 43, je mit Hinweisen).

    Die Beschwerdeführer machen geltend, sie seien aktuell und virtuell
betroffen, wenn Gehölze im Nahbereich ihrer aktuellen oder künftigen
Wohnlage im Kanton Zürich aufgrund der angefochtenen Bestimmung des Zürcher
Waldgesetzes, die sie als bundesrechtswidrig erachten, beseitigt werden
könnten, weil den Gehölzen nicht Waldqualität zugesprochen werde. Damit
würde ihnen der Anblick des Waldes, die frische Luft aus dem Wald
und auch die nach Art. 699 ZGB rechtlich geschützte Möglichkeit, den
Wald zu betreten und darin Pilze und Beeren zu sammeln, entzogen. Ein
Beschwerdeführer sei zudem Eigentümer einer wenige Schritte von einem
solchen Gehölz gelegenen Liegenschaft und wäre damit von dessen allfälliger
Beseitigung besonders betroffen.

    Soweit die Beschwerdeführer sich auf ihre aktuelle oder mögliche
künftige Situation als Nachbarn berufen, ist ihre Legitimation unter
Beachtung der Beschwerdebefugnis von Nachbarn bei Nutzungsplanfestsetzungen
zu beurteilen. Demnach sind sie zur Erhebung der staatsrechtlichen
Beschwerde befugt, soweit sie geltend machen, die umstrittene Umschreibung
des Waldbegriffs verletze sie in verfassungsmässigen Rechten, weil dadurch
Normen, die auch dem Schutz der Nachbarn dienten, nicht mehr oder in
geänderter Form gelten würden (vgl. BGE 119 Ia 362 E. 1b; 112 Ia 90 E. 3,
je mit Hinweisen).

    Die Anerkennung bestockter Flächen als Wald kann mitunter
nachbarschützende Wirkung haben und insofern im Lichte von Art. 88
OG massgebende rechtlich geschützte Interessen begründen, die
durch die angefochtene Bestimmung tangiert werden (vgl. BGE 96 I 544
E. 1). Insbesondere in Bezug auf die Einhaltung des Walderhaltungsgebots
(Art. 3 WaG) und der Waldabstandsvorschriften (Art. 17 WaG) können nebst
den öffentlichen Interessen auch rechtlich geschützte Interessen von
Nachbarn bestehen, da Wald- und Waldabstandsflächen im Siedlungsgebiet
kraft der Waldeigenschaft der Bestockung grundsätzlich nicht baulich
genutzt werden dürfen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 19. September
1997 in ZBl 99/ 1998 S. 444 ff.). Die umstrittene kantonalrechtliche
Umschreibung des Waldbegriffs kann somit Nutzungsbeschränkungen
bewirken. Nutzungsbeschränkenden Vorschriften wird nach der Rechtsprechung
nachbarschützende Wirkung zuerkannt, soweit deren Auswirkungen auf das
Grundstück des Nachbarn in Frage stehen (BGE 119 Ia 362 E. 1b; 112 Ia 90
E. 3, je mit Hinweisen). Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle muss
diesbezüglich wie erwähnt eine virtuelle Nachbareigenschaft genügen. Die
Beschwerdeführer machen geltend, aufgrund der angefochtenen Bestimmung
des Zürcher Waldgesetzes könnten Gehölze beseitigt werden, die bisher
als Wald galten, weil ihnen neu keine Waldqualität mehr zugesprochen
würde. Insoweit sind sie als aktuelle oder zumindest mögliche zukünftige
Nachbarn einer nach der umstrittenen Gesetzesbestimmung nicht mehr als
Wald zu qualifizierenden Bestockung zur staatsrechtlichen Beschwerde
legitimiert.

    d) Wird mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung von Art. 2
ÜbBest. BV gerügt, prüft das Bundesgericht frei, ob die beanstandete Norm
mit dem Bundesrecht vereinbar ist (BGE 123 I 313 E. 2b S. 317). Im Rahmen
einer abstrakten Normenkontrolle hebt es ein Gesetz aber nur auf, wenn
dieses sich jeder verfassungskonformen Anwendung und Auslegung entzieht,
nicht jedoch, wenn es einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich
ist. Dabei ist mit zu berücksichtigen, unter welchen Umständen die
betreffende Bestimmung zur Anwendung gelangen wird. Der Verfassungsrichter
hat die Möglichkeit einer verfassungskonformen Anwendung nicht nur abstrakt
zu untersuchen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit verfassungstreuer
Anwendung miteinzubeziehen. Er darf deshalb auch die Erklärungen der
Behörden über die beabsichtigte künftige Anwendung der Vorschrift
berücksichtigen. Die blosse Möglichkeit, dass in besonders gelagerten
Einzelfällen die Anwendung der Norm zu einem verfassungswidrigen Ergebnis
führen kann, lässt den Erlass als solchen noch nicht verfassungswidrig
werden (BGE 125 I 65 E. 3b S. 67 f.; 124 I 193 E. 3c S. 196, je mit
Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerde ist in erster Linie gegen § 2 lit. a KWaG
(Schwellenwert von 800 m2 Fläche) gerichtet. Die Beschwerdeführer sind
aber der Meinung, auch lit. c (Schwellenwert von 20 Jahren) verletze
Bundesrecht. Jedenfalls müsse der ganze § 2 KWaG aufgehoben werden, da
diese Bestimmung nach blosser Aufhebung von lit. a keinen Sinn mehr ergebe.

    a) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2
ÜbBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung
abschliessend regelt, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In
Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die
Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und
Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen
oder vereiteln (BGE 125 II 56 E. 2b S. 58).

    Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass der Kanton Zürich ein
Waldgesetz erlassen und darin ergänzende Vorschriften zu Art. 2 WaG
aufnehmen darf. Sie sind aber der Meinung, § 2 lit. a KWaG widerspreche
Art. 2 WaG, verstosse gegen Sinn und Geist dieser Vorschrift und
beeinträchtige damit den Zweck des Waldgesetzes des Bundes, welcher unter
anderem darin bestehe, den Wald in seiner Fläche und Funktion zu erhalten
(Art. 1 WaG). Analoges gelte für § 2 lit. c KWaG.

    b) Gemäss Art. 3 WaG soll die Waldfläche der Schweiz nicht vermindert
werden. Das Waldgesetz soll den Wald in seiner Fläche und seiner räumlichen
Verteilung erhalten sowie als naturnahe Lebensgemeinschaft schützen
(Art. 1 Abs. 1 lit. a und b WaG) und überdies dafür sorgen, dass er
seine Funktionen, namentlich seine Schutz-, Wohlfahrts- und Nutzfunktion
(Waldfunktionen) erfüllen kann (Art. 1 Abs. 1 lit. c WaG). Art. 2 WaG
umschreibt den Begriff des Waldes. Als Wald gilt jede Fläche, die mit
Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockt ist und Waldfunktionen ausüben
kann. Entstehung, Nutzung und Bezeichnung im Grundbuch sind nicht
massgebend (Abs. 1). Nicht als Wald gelten unter anderem isolierte
Baum- und Strauchgruppen, Hecken, Garten-, Grün- und Parkanlagen sowie
Baumkulturen, die auf offenem Land zur kurzfristigen Nutzung angelegt
worden sind (Abs. 3).

    Innerhalb des vom Bundesrat festgelegten Rahmens können die Kantone
bestimmen, ab welcher Breite, welcher Fläche und welchem Alter eine
einwachsende Fläche sowie ab welcher Breite und welcher Fläche eine andere
Bestockung als Wald gilt (Art. 2 Abs. 4 Satz 1 WaG). Diesen Rahmen legte
der Bundesrat in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 30. November 1992 über
den Wald ( WaV; SR 921.01) wie folgt fest:
      «a) Fläche mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes: 200-800 m2;
      b) Breite mit Einschluss eines zweckmässigen Waldsaumes: 10-12 m;
      c) Alter der Bestockung auf Einwuchsflächen: 10-20 Jahre.»

    Erfüllt die Bestockung in besonderem Masse Wohlfahrts- oder
Schutzfunktionen, so sind die kantonalen Kriterien nicht massgebend,
und sie gilt unabhängig von ihrer Fläche, ihrer Breite oder ihrem Alter
als Wald (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG und Art. 1 Abs. 2 WaV).

    c) Das Bundesgericht hat in BGE 122 II 72 E. 3b/bb S. 80 in
einem Fall betreffend die Gemeinde Kilchberg ZH ausgeführt, es sei
bundesrechtswidrig, wenn ein Kanton in seiner Ausführungsgesetzgebung
den ihm in Art. 1 Abs. 1 WaV vorgesehenen Regelungsbereich schematisch
und undifferenziert für Bestockungen der unterschiedlichsten Art und Lage
im ganzen Kantonsgebiet ausschöpfe, indem er die Höchstwerte von 800 m2
Fläche und 12 m Breite sowie das Alter der Bestockung von 20 Jahren als
in allen Fällen massgeblich erkläre. Dies widerspreche Sinn und Zweck der
quantitativen Kriterien für die Waldfeststellung und damit dem qualitativen
Waldbegriff, wie er in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt
und dem eidgenössischen Waldgesetz zugrunde gelegt worden sei. Danach
könnten bestockte Flächen ab einer Grösse von etwa 500 m2, einer Breite von
12 m und einem Alter von 15 Jahren regelmässig Waldfunktionen erfüllen,
und auch diese Werte dürften nicht zu schematisch und nicht ohne die
Qualität der Bestockung entsprechend zu würdigen angewendet werden. Die
Werte, welche die Kantone innerhalb des ihnen nach Art. 1 Abs. 1 WaV zur
Verfügung stehenden Rahmens in ihrer Ausführungsgesetzgebung zum neuen
Waldgesetz des Bundes festlegten, könnten nur dazu dienen, den unbestimmten
(qualitativen) Rechtsbegriff des Waldes bei kleineren Bestockungen zu
konkretisieren. Sie hätten in erster Linie die Bedeutung, dass dort,
wo sie erreicht würden - aussergewöhnliche Verhältnisse vorbehalten -,
die Waldqualität zu bejahen sei. Sie würden daher zu Recht auch als
Mindestkriterien bezeichnet. Hingegen dürfe der Umkehrschluss, wo sie
nicht erreicht seien, liege kein Wald vor, nicht ohne weiteres gezogen
werden. Ein solcher Schematismus widerspräche dem gesetzlich festgelegten
qualitativen Waldbegriff und würde diesen aushöhlen. Die quantitativen
Hilfskriterien dürften die Beurteilung der Waldqualität eines Gehölzes ein
Stück weit schematisieren und vereinfachen. Sie müssten jedoch so gewählt
werden, dass sie im Ergebnis den qualitativen Waldbegriff konkretisierten
und nicht aushöhlten. Je weiter die Kantone den ihnen durch Art. 1 Abs. 1
WaV eingeräumten Spielraum ausschöpften, umso differenziertere Regelungen
müssten sie daher treffen (BGE 122 II 72 E. 3b S. 79 f.). Daran ändere
Art. 1 Abs. 1 WaV, der es erlaube, die Mindestfläche bis auf 800 m2
und das Mindestalter bis auf 20 Jahre festzusetzen, nichts, und diese
Bestimmung sei selber auch nicht gesetzwidrig. Wenn die kantonale Regelung
genügend differenziere, sei es denkbar, dass diese Grenzwerte in besonders
dafür geeigneten Fällen ausgeschöpft werden könnten, ohne den gesetzlich
festgelegten, qualitativen Waldbegriff zu verletzen (BGE 122 II 72 E. 3b/cc
S. 80 f.).

    In BGE 124 II 165 E. 2c S. 170 hat das Bundesgericht diese
Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer Streitigkeit aus der Gemeinde
Flims GR bestätigt und ausgeführt, das in der bundesgerichtlichen Praxis
entwickelte Mindestkriterium, wonach Bestockungen ab einer Fläche von 500
m2 regelmässig Waldfunktionen erfüllten, müsse auch dort Platz greifen, wo
die kantonale Gesetzgebung den von Art. 1 Abs. 1 WaV vorgegebenen Spielraum
schematisch und undifferenziert für Bestockungen der unterschiedlichsten
Art und Lage im ganzen Kantonsgebiet ausschöpfe und den Höchstwert von
800 m2 als in allen Fällen massgeblich erkläre.

    d) Die Beschwerdeführer beanstanden die Zürcher Regelung, weil
sie in der vorerwähnten Art schematisch und undifferenziert und damit
bundesrechtswidrig sei.

    Der Regierungsrat und das Büro des Kantonsrats halten hingegen eine
bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung von § 2 KWaG für möglich. In
der Abstimmungszeitung sei darauf hingewiesen worden, dass der Waldbegriff
bundesrechtlicher Natur sei, dass der Kanton nur Mindestkriterien
festsetzen könne und dass eine Bestockung, welche diese Kriterien erfülle,
immer als Wald gelte. Es sei aber gleichzeitig darauf hingewiesen worden,
dass daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden dürfe, eine Fläche
von weniger als 800 m2 gelte nicht als Wald. Der Regierungsrat vertritt
sodann die Auffassung, die vom Bundesgericht verlangte Differenzierung
müsse nicht zwingend im Gesetz erfolgen; sie könne durchaus auch in der
konkreten Anwendung vorgenommen werden. Da für die Waldfeststellung die
kantonalen Forstbehörden zuständig seien, sei Gewähr geboten, dass die
angefochtene Bestimmung bundesrechtskonform angewendet werde. Dies werde
zusätzlich da- durch gewährleistet, dass Waldfeststellungsverfügungen
vom Bundesamt für Wald und Landschaft, von der betroffenen Gemeinde,
den Umweltvereinigungen und von Nachbarn angefochten werden könnten. Die
Verfügungen würden den Beschwerdeberechtigten auch regelmässig zugestellt.

Erwägung 3

    3.- a) Der Sinn von § 2 KWaG lässt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung
allein nicht zweifelsfrei ermitteln. Die Beschwerdeführer befürchten, die
Norm werde dahingehend ausgelegt, dass nur jene bestockten Flächen als
Wald anerkannt würden, welche die Kriterien der lit. a-c erfüllen oder
übertreffen. Der Regierungsrat hingegen vertritt die Auffassung, nach §
2 KWaG sei die Waldqualität einer Bestockung jedenfalls immer dann zu
bejahen, wenn die dort genannten Kriterien erfüllt seien, was aber nicht
ausschliesse, dass auch Bestockungen, die diese Kriterien nicht erfüllten,
Waldqualität aufweisen könnten. Der Regierungsrat schliesst aber auch
nicht aus, dass die Vorschrift in dem Sinne verstanden werden könnte,
dass Bestockungen, welche die Kriterien von § 2 KWaG erfüllen, in der
Regel Wald sind, wobei dies ausnahmsweise nicht zuzutreffen brauche,
was jedoch nicht ausschliesse, dass schon kleinere Bestockungen Wald
darstellen. Für seine Betrachtungsweise kann sich der Regierungsrat auf
die Beratungen im Kantonsrat sowie auf die Abstimmungszeitung berufen, wo
deutlich gesagt worden ist, dass aus der Bestimmung nicht der Umkehrschluss
gezogen werden dürfe, Flächen von weniger als 800 m2 gälten nicht als Wald,
da die qualitativen Kriterien des Bundes den quantitativen immer vorgingen.

    b) Die vom Regierungsrat vorgenommene Auslegung von § 2 KWaG kann
nicht als bundesrechtswidrig bezeichnet werden. Obwohl die Vorschrift
doppeldeutig ist und vom unbefangenen Leser im Sinne der von den
Beschwerdeführern befürchteten Interpretation missverstanden werden
kann, lässt sie sich, wie dies der Regierungsrat tut, im Einklang mit
den bundesrechtlichen Bestimmungen auslegen und anwenden (vgl. BGE 122
II 72 E. 3b S. 79 unten). Sie ist indessen unvollständig, weil sie den
unzutreffenden Eindruck erweckt, das Vorliegen von Wald hänge lediglich
von quantitativen Kriterien ab. Tatsächlich stehen diese quantitativen
Kriterien jedoch unter dem Vorbehalt der im Bundesrecht enthaltenen
qualitativen Kriterien (s. Art. 2 WaG; BGE 122 II 72 E. 3b S. 80). Zudem
gilt auch der ebenfalls von Bundesrechts wegen zu beachtende Vorbehalt,
dass eine Bestockung unabhängig von den drei quantitativen Kriterien
Fläche, Breite und Alter als Wald gilt, wenn sie in besonderem Masse
Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen erfüllt (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG,
Art. 1 Abs. 2 WaV).

    c) Der Erlass einer derart unvollständigen und missverständlichen
Bestimmung ist im Hinblick auf das Anliegen einer klaren, transparenten und
verständlichen Gesetzgebung nicht unbedenklich, da sie mit den Geboten der
Rechtssicherheit und der Voraussehbarkeit staatlichen Handelns in Konflikt
zu geraten droht. Es ist zweifelhaft, ob ein blosser Hinweis auf das
Bundesrecht in der Abstimmungszeitung für eine zutreffende Interpretation
der Norm genügt. Das Bundesgericht hat indessen als Verfassungsgericht zu
beurteilen, ob sich die Bestimmung bundesrechts- und verfassungskonform
auslegen und anwenden lässt, was wie erwähnt zu bejahen ist. Im Folgenden
ist zudem noch zu prüfen, ob damit gerechnet werden kann, dass die Norm
tatsächlich in Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht angewendet wird
(s. vorne E. 1d).

    d) Der Regierungsrat und die kantonale Volkswirtschaftsdirektion
beteuern in ihren Beschwerdeantworten, dass sie bzw. die ihnen
unterstellten kantonalen Forstbehörden den § 2 KWaG bundesrechtskonform,
d.h. nicht schematisch anwenden werden. Es gibt keinen ausreichenden Grund,
diese Zusicherungen, auf welchen die kantonalen Behörden zu behaften sind,
zu bezweifeln. Die kantonalen Behörden werden sich im Anwendungsfall einem
Bürger gegenüber, der in Bezug auf § 2 KWaG eine Auslegung vertritt, nach
welcher Gehölze unterhalb der kantonalen Schwellenwerte nicht Wald seien,
nicht nur auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, sondern auch auf die
Abstimmungszeitung berufen können. Auch interessierte Umweltorganisationen
sowie betroffene Nachbarn werden aufgrund ihrer Parteirechte in der Lage
sein, dem bundesrechtskonformen Vollzug Nachachtung zu verschaffen und
ihn nötigenfalls auf dem Beschwerdeweg durchzusetzen. Die Gefahr allein,
dass die Bestimmung in einzelnen Fällen nicht korrekt angewendet werden
könnte, ist kein hinreichender Grund für ihre Aufhebung (s. vorne E. 1d).

    e) Legt der kantonale Gesetzgeber wie hier die nach Art. 1 Abs. 1
WaV höchstmöglichen Schwellenwerte schematisch fest, ist die Gefahr eines
eher grosszügigen Umgangs mit dem bundesrechtlichen Wald-Qualitätsbegriff
grösser, als wenn tiefere oder differenzierte Schwellenwerte festgelegt
worden wären. Dieses Risiko hat der Bundesgesetzgeber in Kauf genommen, als
er die Kantone ermächtigte, innerhalb eines vom Bundesrat festzusetzenden
Rahmens zu bestimmen, ab welcher Fläche, Breite und Alter eine Bestockung
als Wald zu gelten habe (Art. 2 Abs. 4 WaG). Es kann jedoch nicht gesagt
werden, der Bundesrat habe die an ihn delegierte Kompetenz überschritten,
indem er eine Bandbreite festlegte, deren Grenzen einerseits etwas über
und andererseits etwas unter den vom Bundesgericht unter der Herrschaft
des Forstpolizeigesetzes entwickelten Werten liegen. Wie der Bundesrat in
seiner Botschaft zum Waldgesetz ausführte, sollten diese Werte für die
durch ihn abzugrenzenden quantitativen Kriterien bloss wegleitend sein
und sollte der nach Art. 2 Abs. 4 WaG festzulegende Rahmen dazu dienen,
allzu grosse Abweichungen in der Praxis der Kantone zu vermeiden (BBl 1988
III 189). Indem der Kanton Zürich diesen Rahmen voll ausgeschöpft hat,
hat er nicht gegen Bundesrecht verstossen. Eine mit der Zürcher Bestimmung
vergleichbare Vorschrift haben im Übrigen auch zahlreiche andere Kantone
erlassen (vgl. z.B. Art. 3 KWaG BE [BSG 921.11] und die Übersichten bei
ALOIS KEEL/WILLI ZIMMERMANN, Der Waldgesetzgebungsprozess in den Kantonen,
in: Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 148/1997 S. 9; dieselben,
Die neuen Waldgesetze der Kantone, Der aktuelle Stand, in: Wald und Holz
1/1998 S. 21 f. sowie PETER M. KELLER, Erste Erfahrungen mit der neuen
Waldgesetzgebung, in: Schweizerische Vereinigung für Landesplanung, Raum &
Umwelt 1995, S. 17).