Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 II 265



125 II 265

26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17.
Juni 1999 i.S. A.J. gegen Departement des Innern und Verwaltungsgericht
des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(OHG): Opferstellung; Kosten des kantonalen Rechtsmittelverfahrens;
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege.

    1. Opferstellung gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG (E. 2):

    a) Die Beeinträchtigung der körperlichen, sexuellen oder psychischen
Integrität muss von einem gewissen Gewicht sein. Die strafrechtliche
Qualifikation einer Tat als einfache Körperverletzung oder als Tätlichkeit
ist nicht ausschlaggebend, sondern lediglich ein Indiz für oder gegen
die Opferstellung (E. 2a/aa und 2e/bb).

    b) Anforderungen an den Nachweis einer die Opferstellung begründenden
Straftat: Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten einer bereits
geleisteten Beratungshilfe genügt es, wenn im Zeitpunkt der Inanspruchnahme
dieser Hilfe vom Vorliegen einer Straftat auszugehen war (E. 2c/bb).

    2. Weder Art. 3 Abs. 4 noch Art. 16 OHG gewähren dem Opfer einen
Anspruch auf ein kostenloses kantonales Rechtsmittelverfahren im Bereich
der Beratungshilfe (E. 3).

    3. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im
kantonalen Opferhilfeverfahren gemäss Art. 4 BV (E. 4) - im vorliegenden
Fall wegen Aussichtslosigkeit des Begehrens zu verneinen (E. 4d).

Sachverhalt

    Am 1. Juli 1998 ersuchte J.J. namens ihres minderjährigen Sohnes A.J.
(geb. 1988) um die Gewährung von Opferhilfe, und zwar von Soforthilfe in
Höhe von mindestens Fr. 1' 000.- und Langzeithilfe von mindestens Fr. 5'
000.- für die anwaltschaftliche Vertretung und Beratung sowie die nicht
anderweitig gedeckten medizinischen Kosten. Sie gab an, ihr Nachbar
C.U. habe ihren Sohn A.J., der durch eine Teillähmung des rechten Armes
behindert ist, am 10. Mai 1998 geschüttelt und gezerrt, an den Haaren
gezogen, am Kopf geschlagen und dreimal zu Boden gestossen. Ihr Sohn
beklage sich über Schmerzen im Bereich des Nackens und des rechten
Schulterblatts. Dr. med. W. habe am 12. Mai 1998 eine Prellung über
dem Schulterblatt rechts und eine Schürfung im Bereich des Halses
festgestellt, sowie eine leichte Bindehautentzündung am rechten Auge,
die durch längeres Weinen verursacht sein könnte. Am 6. Juli 1998 stellte
J.J. namens ihres Sohnes Strafantrag gegen C.U. wegen qualifizierter
einfacher Körperverletzung.

    Mit Verfügungen vom 7. August 1998 lehnte das Departement des Innern
des Kantons Solothurn (im Folgenden: Departement) die Übernahme sowohl
der Sofort- als auch der Langzeithilfe ab, weil die Beeinträchtigung
der körperlichen und psychischen Integrität nicht in der für die
Beitragsleistungen nach dem Opferhilfegesetz notwendigen Schwere
stattgefunden habe. Hiergegen reichte A.J. am 20. August 1998 zwei
Beschwerden beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn ein. Er
beantragte die Erteilung der Kosten- gutsprache für juristische und
medizinische Aufwendungen im Rah- men der Sofort- und der Langzeithilfe
in Höhe von mindestens je Fr. 1' 000.-.

    Am 3. September 1998 stellte die Untersuchungsrichterin das Er-
mittlungsverfahren gegen C.U. ein, weil zwei Zeuginnen glaubhaft berichtet
hätten, dass er lediglich die beiden tätlich streitenden, gleichaltrigen
Kinder A.J. und B.U. getrennt habe. Die gegen diese Verfügung erhobene
Beschwerde wies die Anklagekammer des Obergerichts am 4. Januar 1999 ab.
Eine hiergegen erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde sowie
eine staatsrechtliche Be- schwerde wegen Versagung der unentgeltlichen
Rechtspflege blieben erfolglos.

    Am 11. Januar 1999 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
die Beschwerden von A.J. gegen die Ablehnung der Opferhilfegesuche ab. Das
Verwaltungsgericht wies auch das Ge- such um Gewährung unentgeltlicher
Rechtspflege und Verbeiständung ab und legte A.J. die Gerichtskosten von
insgesamt Fr. 600.- auf.

    Hiergegen erhob A.J. am 15. Februar 1999 Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ans Bundesgericht.

    Gleichzeitig erhob A.J. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung
sowie des Willkürverbots. In beiden Verfahren ersuchte er um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall ist vor allem streitig, ob der
Beschwerdeführer Opfer im Sinne des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über
die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz [OHG; SR 312.5]) ist.

    a) Opfer i.S.v. Art. 2 Abs. 1 OHG ist jede Person, die durch eine
Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität
unmittelbar beeinträchtigt worden ist, unabhängig davon, ob der Täter
ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat.

    aa) Die Beeinträchtigung muss von einem gewissen Gewicht sein:
Bagatelldelikte wie zum Beispiel Tätlichkeiten, die nur unerhebliche
Beeinträchtigungen bewirken, sind daher vom Anwendungsbereich des OHG
grundsätzlich ausgenommen (BGE 120 Ia 157 E. 2d/aa und bb S. 162 f.; EVA
WEISHAUPT, Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes
(OHG), unter besonderer Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf das
Zürcher Verfahrensrecht, Diss. Zürich 1998, S. 30 f.; ULRICH WEDER, Das
Opfer, sein Schutz und seine Rechte im Strafverfahren, ZStrR 113/1995
S. 42; BERNARD CORBOZ, Les droits procéduraux découlant de la LAVI,
SJ 118/1996 S. 58; GÉRARD PIQUEREZ, La nouvelle loi sur l' aide aux
victimes d' infractions: quels effets sur la RC et la procédure pénale?,
Revue jurassienne de jurisprudence 6/1996 S. 21). Entscheidend ist jedoch
nicht die Schwere der Straftat sondern der Grad der Betroffenheit der
geschädigten Person (PETER GOMM, Der Opferbegriff gemäss OHG, Plädoyer
1995 2 S. 32; CORBOZ, aaO S. 56 und 58; PIQUEREZ, aaO, S. 19). So kann
etwa eine Tätlichkeit die Opferstellung begründen, wenn sie zu einer
nicht unerheblichen psychischen Beeinträchtigung führt. Umgekehrt
ist es denkbar, dass eine i.S. des Opferhilfegesetzes unerhebliche
Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität angenommen
wird, obwohl der Eingriff strafrechtlich als leichte Körperverletzung
(Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu qualifizieren ist. Entscheidend
ist, ob die Beeinträchtigung des Geschädigten in seiner körperlichen,
sexuellen oder psychischen Integrität das legitime Bedürfnis begründet,
die Hilfsangebote und die Schutzrechte des Opferhilfegesetzes - ganz oder
zumindest teilweise - in Anspruch zu nehmen.

    bb) Die Beeinträchtigung muss unmittelbare Folge einer Straftat
sein. Dies setzt voraus, dass der objektive Tatbestand einer Strafnorm
erfüllt ist und kein Rechtfertigungsgrund vorliegt (Botschaft zum
Opferhilfegesetz vom 25. April 1990, BBl 1990 II 977; PETER GOMM/PETER
STEIN/DOMINIK ZEHNTNER, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Bern 1995, Art. 2
N. 18; CORBOZ, aaO S. 57/58).

    b) Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass es am Abend des
10. Mai 1998 zu einem Streit zwischen dem damals neunjährigen A.J. und
der gleichaltrigen B.U. gekommen sei. Die Kinder hätten gerauft,
sich gegenseitig geboxt und getreten. Dies hätten die Eltern von B.U.
beobachtet. Sie hätten befürchtet, dass sich B.U., die sich wenige Tage
zuvor einer Zahnkorrektur unterzogen hatte, an den Zähnen verletzen könne.
Sie hätten daher zunächst versucht, die Kinder durch Zurufe zu trennen. Als
dies nichts genutzt habe, habe C.U. den Buben von seiner Tochter mit
Schwung weggezogen; dieser habe das Gleichgewicht verloren und sei
zu Boden gefallen. Er sei aber von C.U. nicht geschlagen worden. Das
Verwaltungsgericht nahm an, dass die Verletzungen höchstwahrscheinlich
von der Prügelei mit der gleichaltrigen B.U. herrührten und nicht von C.U.
verursacht worden seien.

    An diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts
ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden. Es gibt auch keine
Anhaltspunkte dafür, dass der festgestellte Sachverhalt offensichtlich
falsch oder unvollständig sei: Er stützt sich im Wesentlichen auf die
Aussage von M., einer Anwohnerin, die Zeugin der Auseinandersetzung
zwischen den Kindern und des Eingreifens von C.U. war, und stimmt mit
den Feststellungen der Strafbehörden überein. Entgegen der Auffassung
des Beschwerdeführers hat das Verwaltungsgericht auch nicht einfach das
Ergebnis des Ermittlungsverfahrens übernommen und damit in unzulässiger
Weise den im Strafverfahren geltenden Grundsatz «in dubio pro reo» auf
das opferhilferechtliche Verfahren angewendet. Es ist vielmehr aufgrund
der Ermittlungsakten und der darin vorhandenen Beweismittel zum selben
Ergebnis gekommen wie die Strafbehörden, ohne die Maxime «in dubio pro reo»
als Beweiswürdigungsregel anzuwenden.

    c) Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, es dürfe im
vorliegenden Verfahren nicht auf Zeugenaussagen im Ermittlungsverfahren
abgestellt werden, die im Zeitpunkt der Anhebung der Opferhilfegesuche
und der Verfügungen des Departements noch nicht bekannt gewesen seien. Es
sei bundesrechtswidrig, dem Be- schwerdeführer ex post, aufgrund der
sich mittlerweile ergebenen Aktenlage der Untersuchungsrichterin, den
Anspruch auf Opferhilfe abzusprechen. Für die Beurteilung von Gesuchen
um Gewährung von Soforthilfe und weiterer Hilfe nach Art. 3 OHG sei
vielmehr eine Betrachtungsweise ex ante angebracht: Massgebend sei,
wie der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter die Erfolgsaussichten
aufgrund der damals verfügbaren Aktenlage und aufgrund einer summarischen
Vorprüfung einschätzen durften und mussten.

    aa) Die Anforderungen an den Nachweis einer die Opferstellung
begründenden Straftat sind je nach dem Zeitpunkt sowie nach Art und Umfang
der beanspruchten Hilfe unterschiedlich hoch (BGE 122 II 315 E. 3d S. 321).
Während die Zusprechung einer Genugtuung oder einer Entschädigung gemäss
Art. 11 ff. OHG den Nachweis der Opferstellung und damit auch einer
tatbestandsmässigen und rechtswidrigen Straftat voraussetzt (BGE 122 II
211 E. 3d S. 216), genügt es für die Wahrnehmung der Rechte des Opfers
im Strafverfahren nach den Art. 5 ff. OHG, dass eine die Opferstellung
begründende Straftat in Betracht fällt (BGE 122 II 211 E. 3c S. 216,
315 E. 3d S. 321; vgl. auch BGE 121 II 116 E. 2 S. 120 betreffend
Vorschuss nach Art. 15 OHG). Gleiches gilt für die Soforthilfen nach
Art. 3 OHG: Damit diese ihren Zweck erfüllen können, müssen sie rasch
gewährt werden, bevor endgültig feststeht, ob ein tatbestandsmässiges
und rechtswidriges Verhalten des Täters zu bejahen ist oder nicht
(BGE 122 II 315 E. 3d S. 321; VPB 59/1995 Nr. 32 E. 5 S. 264). Dagegen
kann die Gewährung von Langzeithilfe u.U. von den ersten Ergebnissen des
Ermittlungsverfahrens abhängig gemacht werden (FRANÇOIS BOHNET, L'avocat,
l'indigent et la victime, in: Festschrift SAV, Bern 1998, S. 168 f.). Kommt
die Beratungsstelle im Verlaufe der Betreuung einer Person zum Schluss,
dass das OHG im konkreten Fall - entgegen ihrer ersten Einschätzung -
nicht anwendbar ist, sieht sie von weiteren Hilfeleistungen ab (VPB
59/1995 Nr. 32 E. 5 S. 264; WEISHAUPT, aaO S. 44). Dagegen kann die
bereits geleistete Hilfe grundsätzlich nicht zurückgefordert werden,
es sei denn, der Gesuchsteller habe sich rechtsmissbräuchlich, unter
Vorspiegelung falscher Tatsachen, als Opfer ausgegeben (BOHNET, aaO,
S. 168/169; GOMM/STEIN/ZEHNTNER, OHG-Kommentar, Art. 3 N. 67; Entscheid des
Regierungsrats des Kantons Aargau vom 20. Dezember 1995, ZBl 98/1997 E.
2b/cc S. 42; zur Parallele bei der unentgeltlichen Rechtshilfe vgl. BGE
101 Ia 34 E. 2 S. 37 f.).

    bb) Dieselben Massstäbe müssen auch angelegt werden, wenn - wie im
vorliegenden Fall - erst nach Abschluss des Strafverfahrens über die
Übernahme der Kosten einer bereits geleisteten Beratungshilfe entschieden
wird. Auch hier darf nicht einfach auf den Ausgang des Straf- bzw.
Ermittlungsverfahrens abgestellt werden, sondern es muss berücksichtigt
werden, ob im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beratungshilfe vom
Vorliegen einer Straftat auszugehen war. Ist dies zu bejahen, besteht
grundsätzlich ein Anspruch auf unentgeltliche Beratungshilfe, auch wenn
sich zwischenzeitlich ergeben hat, dass keine tatbestandsmässige und
rechtswidrige Straftat vorliegt (Entscheid des Regierungsrats des Kantons
Aargau vom 20. Dezember 1995, ZBl 98/1997 E. 2b/cc S. 42).

    cc) Im vorliegenden Fall sind jedoch im Verlauf des Ermittlungs-
verfahrens keine neuen Erkenntnisse oder Beweismittel aufgetaucht, die
nicht schon zuvor bekannt waren. Aus der Strafanzeige der Kantonspolizei
Solothurn vom 22. Mai 1998 ergibt sich, dass Frau M. schon damals als
Auskunftsperson ausgesagt hatte, C.U. habe die streitenden Kinder lediglich
getrennt und habe A.J. nicht geschlagen. Es bestand somit kein Grund für
das Verwaltungsgericht, diese Zeugenaussage unberücksichtigt zu lassen. Im
Übrigen waren dem Beschwerdeführer alle wesentlichen Umstände von Anfang
an be- kannt und er hat, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen
Entscheid festgestellt hat, bei Einreichung des Opferhilfegesuchs einen
wesentlichen Teil des Sachverhaltes verschwiegen.

    d) Das Verwaltungsgericht nahm an, das Verhalten von C.U. habe keinen
Straftatbestand erfüllt; schon aus diesem Grund sei eine Opferstellung
des Beschwerdeführers zu verneinen. Diese Schluss- folgerung ist jedoch
nicht zwingend: Auch wenn C.U. keine Straftat begangen hat, können die
Verletzungen des Beschwerdeführers doch von einer Straftat der B.U.
herrühren, wenn ihre Beteiligung an der Balgerei als tatbestandsmässige
und rechtswidrige Körperverletzung zu qualifizieren wäre. Das jugendliche
Alter von B.U. führt lediglich zur Anwendung des Kinderstrafrechts
(Art. 82 ff. StGB), hat aber keinen Einfluss auf Tatbestandsmässigkeit
und Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens. Auch der Umstand, dass der
Beschwerdeführer sich selbst an der Prügelei beteiligt hat und ihn ein -
möglicherweise grobes - Mitverschulden trifft, schliesst die Opferstellung
nicht aus (vgl. BGE 122 II 315 E. 4b S. 322; EVA WEISHAUPT, aaO S.
32/33; RUTH BANTLI KELLER/ULRICH WEDER/KURT MEIER, Anwendungsprobleme
des Opferhilfegesetzes, Plädoyer 1995 5 S. 31, wonach grundsätzlich beide
Kontrahenten einer Schlägerei die gesetzlichen Opferrechte beanspruchen
können). Allerdings wird weder in der Strafanzeige noch im Strafantrag
von einer strafbaren Handlung des Mädchens ausgegangen. Es erscheint somit
zweifelhaft, ob eine solche hier in Betracht fällt. Die Frage kann jedoch
offen bleiben:

    e) Entscheidend ist, ob die Blessuren des Beschwerdeführers
schwerwiegend genug waren, um die Anwendung des Opferhilfegesetzes zu
rechtfertigen. Dies wurde vom Departement verneint. Das Verwaltungsgericht
liess diese Frage zwar formell offen; es führte an anderer Stelle aber
aus, dass eine Balgerei zwischen zwei gleichaltrigen Kindern mit den
daraus resultierenden, nicht sonderlich schwerwiegenden Blessuren nicht
nach der Anwendung des Opferhilfegesetzes rufe und der Beeinträchtigung
der psychischen und physischen Integrität des Beschwerdeführers kaum die
Intensi- tät zugebilligt werden könne, welche eine Hilfeleistung nach
OHG erforderlich mache.

    aa) Aufgrund des Arztzeugnisses steht fest, dass noch zwei Tage nach
der Auseinandersetzung eine Prellung über dem rechten Schulterblatt und
eine Schürfung im Bereich des Halses feststellbar waren. Dieser Befund
wurde von Dr. W. am 11. September 1998 wie folgt präzisiert: «Über dem
Schulterblatt bestand eine lokale Druckschmerzhaftigkeit, ein Bluterguss
und eine Umgebungsrötung (im ersten Arztzeugnis als Prellung bezeichnet),
daneben eine Schürfung im Bereiche des Halses, entsprechend dem Abdruck des
Hemdkragens infolge heftigen Zerrens desselben». Damit lag eine gewisse,
wenn auch nicht schwerwiegende, physische Beeinträchtigung vor.

    bb) Bei derartigen Beeinträchtigungen ist die Abgrenzung zwischen der
blossen Tätlichkeit i.S.v. Art. 126 StGB und der einfachen Körperverletzung
i.S.v. Art. 123 StGB schwierig (vgl. BGE 117 IV 14 E. 2a/bb und cc
S. 16 f.; 119 IV 1 E. 4 S. 2 ff., 25 E. 2a S. 26 f. mit Beispielen). In
Grenzfällen legt sich das Bundesgericht eine gewisse Zurückhaltung auf und
anerkennt einen Beurteilungsspielraum der kantonalen Behörden (BGE 119
IV 1 E. 4a S. 2, 25 E. 2a S. 27). Ein derartiger Beurteilungsspielraum
ist den kantonalen Instanzen auch bei der Frage zuzugestehen, ob die
Intensität der körperlichen und psychischen Beeinträchtigung für die
Anwendung des Opferhilfegesetzes genügt. Hierbei ist die strafrechtliche
Qualifikation der Tat als einfache Körperverletzung oder als Tätlichkeit
nicht allein ausschlaggebend, sondern lediglich ein Indiz für oder gegen
die Opferstellung (vgl. oben, E. 2a/aa).

    cc) Der Beschwerdeführer erlitt leichte Blessuren an Hals und Schulter.
Immerhin kam es zu einem Bluterguss, was für die Qualifikation als
Körperverletzung sprechen könnte (vgl. BGE 119 IV 25 E. 2a S. 27). Im
zitierten Gerichtsentscheid ging es allerdings um ein Hämatom infolge eines
Faustschlags im Gesicht, der erfahrungsgemäss mit besonderen Schmerzen
verbunden ist, während es hier um eine Prellung am rechten Schulterblatt
und eine leichte Schürfung am Hals geht. Der Kassationshof nahm an, dass
es sich bei diesen Blessuren um blosse Tätlichkeiten handeln dürfte (nicht
publizierter Entscheid vom 29. März 1999 [6S.65/1999] E. 2b). Ferner ist
zu berücksichtigen, dass es um die Folgen einer Prügelei zwischen Kindern
geht, einem alltäglichen Verhalten, das - wie das Verwaltungsgericht
zu Recht angenommen hat - in aller Regel nicht nach der Anwendung des
Opferhilfegesetzes ruft. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte für eine
psychische Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch den Vorfall;
insbesondere hat seine Teilbehinderung bei der Auseinandersetzung
keine Rolle gespielt. Die kantonalen Instanzen haben somit ihren
Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als sie davon ausgingen,
der Beschwerdeführer sei nicht Opfer i.S.v. Art. 2 OHG.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer wendet sich ferner gegen den Kosten-
entscheid des Verwaltungsgerichts. Er macht geltend, das Verfahren nach
OHG sei gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG grundsätzlich kostenlos. Zwar sei es nach
Bundesrecht zulässig, dem im Rechtsmittelverfahren unterliegenden Opfer
die Kosten aufzuerlegen, hierzu bedürfe es jedoch einer ausdrücklichen
kantonalen Gesetzesgrundlage, die im Solothurner Recht nicht vorhanden sei.

    a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht jedoch
eine derartige kantonale Gesetzesgrundlage: Gemäss § 77 des Gesetzes
vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen
(Verwaltungsrechtspflegegesetz; VRG/SO) werden die Gerichts-
und Parteikosten im Verfahren vor Verwaltungsgericht nach den
Grundsätzen der Zivilprozessordnung den Parteien auferlegt. § 101
Abs. 1 der Zivilprozessordnung vom 11. September 1966 (ZPO/SO) sieht
vor, dass die unterlegene Partei sämtliche Gerichtskosten trägt. §
28 der kantonalen Verordnung zur Einführung des Opferhilfegesetzes
vom 17. März 1993 bestimmt, dass Verfügungen des Departements mittels
Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden können, ohne
die Kostenlosigkeit dieses Verfahrens anzuordnen. Damit bleibt es bei
der üblichen Kostenregelung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch
für Beschwerden über Opferhilfeansprüche. Fraglich kann somit nur sein,
ob diese kantonale Regelung mit dem eidgenössischem Opferhilfegesetz
vereinbar ist bzw. ob eine bundesrechtliche Regelung vorgeht.

    b) Gemäss Art. 3 Abs. 4 Satz 1 OHG sind die Leistungen der
Beratungsstellen kostenlos; diese Bestimmung bezieht sich jedoch nicht
auf das Rechtsmittelverfahren (so auch Botschaft, BBl 1990 II 979
a.E.). Art. 16 OHG bestimmt, dass die Kantone ein einfaches, rasches
und kostenloses Verfahren vorsehen. Diese Bestimmung, die auch die
Kostenlosigkeit des Rechtsmittelverfahrens umfasst (vgl. BGE 122 II 211
E. 4 S. 217 ff.), gehört jedoch zum vierten Abschnitt «Entschädigung
und Genugtuung» und bezieht sich ihrem Wortlaut (vgl. Abs. 3) und
ihrer systematischen Stellung nach lediglich auf das Entschädigungs-
und Genugtuungsverfahren.

    c) Gomm/Stein/Zehntner vertreten allerdings die Auffassung, vom
Zweck des Gesetzes her, wirksame Hilfe an die Opfer von Straftaten zu
leisten, sollte Art. 16 OHG für alle Verfahren nach dem Opferhilfegesetz
gelten (OHG-Kommentar, Art. 16 N. 1-3). Dies entspricht jedoch nicht
den Intentionen des Gesetzgebers, der im 3. Abschnitt des OHG bewusst
auf Bestimmungen über die Kosten und Entschädigung im Strafverfahren
verzichtet hat (Votum Bundesrat Koller, AB 1991 N 15 oben) und sich im
2. Abschnitt des OHG (Beratung) auf eine rudimentäre Regelung beschränkt
hat, um den Kantonen einen möglichst grossen Spielraum bei der Organi-
sation dieser Hilfe zu belassen (Votum Bundesrat Koller, AB 1991 N 14;
Botschaft, BBl 1990 II 967 Ziff. 122). Im Bereich der Beratung verfügt
der Bund auch, worauf das Bundesamt für Justiz in seiner Vernehmlassung
hinweist, über weniger Kompetenzen als im Bereich der Entschädigung
(vgl. Botschaft, BBl 1990 II 967 Ziff. 122 und 968 Ziff. 124). Angesichts
dieser bewusst differenzierten Regelung gibt es keinen Grund, Art. 16 OHG
auch auf die Beratungshilfe nach Art. 3 OHG auszudehnen. Hierzu besteht
auch insofern kein zwingender Grund, als das Opfer, sofern es bedürftig
ist und sein Begehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch auf Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege hat.

    d) Der Entscheid des Verwaltungsgerichts, dem Beschwerdeführer
die Gerichtskosten aufzuerlegen, verstösst somit nicht gegen das
Opferhilfegesetz.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, er habe nach Art. 4
BV Anspruch auf die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie der
unentgeltlichen Verbeiständung.

    a) Art. 4 BV verschafft einer bedürftigen Partei in einem für sie nicht
aussichtslosen Verfahren den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege,
der auch die Vertretung durch einen unentgeltlichen Rechtsbeistand umfasst,
sofern ein solcher zur gehörigen Interessenwahrung erforderlich ist. Es ist
unstreitig, dass der Beschwerdeführer bedürftig ist. Das Verwaltungsgericht
nahm jedoch an, seine Beschwerde sei von Anfang an aussichtslos gewesen:
Der Beschwerdeführer habe sich bewusst sein müssen, dass er bei der
Einreichung des Gesuchs um Opferhilfe einen wesentlichen Teil des
Sachverhaltes verschwiegen habe: Bevor C.U. Hand an ihn gelegt habe,
habe er sich mit dessen Tochter geprügelt und auf Zurufe nicht von dieser
abgelassen. Es habe ihm und seiner Mutter klar sein müssen, dass er unter
diesen Voraussetzungen nicht als Opfer einer Straftat gelten könne. Auch
der Beeinträchtigung seiner psychischen oder physischen Integrität könne
kaum die Intensität zugebilligt werden, welche eine Hilfeleistung nach OHG
erforderlich machten. Die Gewinnchancen des Beschwerdeführers könnten unter
diesen Gesichtspunkten als minim bezeichnet und das Beschwerdeverfahren
als aussichtslos bezeichnet werden.

    b) Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich
geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft
bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos,
wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage
halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist,
ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich
bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE
124 I 304 E. 2c S. 306; 122 I 267 E. 2b mit Hinweisen). Die Rüge einer
bedürftigen Partei, ihr verfassungsmässiger Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege sei verletzt, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht
frei, in tatsächlicher dagegen nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür
(BGE 124 I 304 E. 2c S. 306 f. mit Hinweisen). Ob im Einzelfall genügende
Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen im
Zeitpunkt, in welchem das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt
wurde (BGE 124 I 304 E. 3c S. 307; 101 Ia 34 E. 2 S. 37 f.).

    c) Im vorliegenden Fall hatte das Departement das Opferhilfe-gesuch
abgelehnt, weil die Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen
Integrität nicht die für Beitragsleistungen nach dem OHG notwendige
Schwere gehabt habe. Hiergegen führte der Beschwerdeführer Beschwerde
an das Verwaltungsgericht. Wie oben (E. 2e/bb) dargelegt worden ist,
ist die Abgrenzung zwischen der im Sinne des OHG erheblichen und der
nicht erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität nicht
leicht; bei dieser Beurteilung steht den kantonalen Instanzen ein
gewisser Beurteilungsspielraum zu. Es bestand somit bei Einreichung
des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege durchaus die Möglichkeit, das
Verwaltungsgericht werde die vom Beschwerdeführer erlittenen Blessuren für
erheblich halten und ihn als Opfer i.S. des Opferhilfegesetzes anerkennen.
Die Beschwerde konnte daher unter diesem Blickwinkel nicht von vornherein
als aussichtslos betrachtet werden, und zwar unabhängig von der Frage,
ob die Blessuren von der Prügelei mit B.U. oder der Auseinandersetzung
mit ihrem Vater stammten.

    d) Zu prüfen ist jedoch, ob die Beschwerde aus einem anderen Grund von
Anfang an aussichtslos war. Das Departement hat in seinen Vernehmlassungen
darauf hingewiesen, dass es die Kosten-übernahme für die Rechtsberatung
auch deshalb ablehne, weil es den vom Beschwerdeführer eingeschlagenen
Weg als völlig unzweckmässig betrachte. Für Kinder dieses Alters würden in
erster Linie psychologische Hilfestellungen gewährt, um eine Aufarbeitung
der Erlebnisse zu ermöglichen und neue, konstruktive Bewältigungs- und
Verhaltensweisen aufzubauen. Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers
eingeleiteten juristischen Interventionen seien zwecklos gewesen und
stellten eine zusätzliche Belastung für das Kind und dessen Eltern dar.

    aa) Zunächst ist klarzustellen, dass es im vorliegenden Fall
ausschliesslich um die Übernahme der Anwaltskosten für die erste Be-
ratung des Beschwerdeführers (Soforthilfe) sowie seine anwaltliche
Vertretung im Ermittlungsverfahren bzw. im Rechtsmittelverfahren gegen den
Einstellungsbeschluss (Langzeithilfe) geht. Medizinische Kosten, für die
ursprünglich ebenfalls um Kostenübernahme ersucht wurde, sind anscheinend
nicht entstanden oder sie wurden anderweitig gedeckt. Jedenfalls hat der
Beschwerdeführer derartige Kosten weder geltend gemacht noch dargelegt.

    bb) Die von der Beratungsstelle erbrachte oder vermittelte und
finanzierte Hilfe soll den Bedürfnissen des Opfers und seiner jeweiligen
Situation entsprechen; dies gilt nicht nur für die Langzeit- sondern auch
für die Soforthilfe (BOHNET, aaO S. 170/171). Im vorliegenden Fall ist
schwer ersichtlich, welchen Nutzen der minderjährige Beschwerdeführer
und seine Mutter aus der Einleitung eines Strafverfahrens und der
Anfechtung des Einstellungsbeschlusses durch alle Instanzen, verbunden
mit einem Prozess um die dadurch entstandenen Anwaltskosten bis vor
Bundesgericht, haben sollten. Zwar ist anerkannt, dass das Opfer eines
Gewaltverbrechens ein eigenes schützenswertes Interesse an der Überführung
des Täters hat, weil dessen Ermittlung und Bestrafung zur besseren und
schnelleren psychischen Verarbeitung von Verbrechenstraumata beim Opfer
beitragen können und die Eruierung des Täters auch Auswirkungen auf die
Zusprechung von allfälligen Entschädigungs- und Genugtuungsansprüchen
haben kann. Bei nur geringfügigen, folgenlosen Verletzungen durch eine
alltägliche Auseinandersetzung - zumal zwischen Kindern - kann hiervon
jedoch keine Rede sein. Hinzu kommt, dass die strafrechtlichen Schritte
des Beschwerdeführers von vornherein kaum Aussicht auf Erfolg hatten. Das
Bundesgericht hat aus diesem Grund schon die staatsrechtliche Beschwerde
gegen die Versagung der unentgeltlichen Rechtspflege im obergerichtlichen
Verfahren abgewiesen. Hätte der Beschwerdeführer sich zunächst an eine
staatliche Beratungsstelle gewendet, wie dies Art. 3 Abs. 2 OHG an
sich vorsieht, hätte diese sicher keine juristische Hilfe durch einen
Rechtsanwalt empfohlen und vermittelt. Die Beratungsstelle durfte deshalb
auch das Gesuch auf Übernahme der Anwaltskosten mit dem Argument ablehnen,
dass diese offensichtlich nutzlos aufgewendet erschienen (vgl. BGE 121
II 209 E. 3b S. 212/213). Eine hiergegen gerichtete Beschwerde hätte kaum
Aussicht auf Erfolg gehabt.

    cc) Auf dieses rechtliche Argument hat sich zwar weder das Departement
in seinen Verfügungen noch das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid
gestützt. Dennoch handelt es sich nicht um einen völlig neuen, für den
Beschwerdeführer überraschenden Rechtsstandpunkt, zu dem er nochmals
angehört werden müsste (BGE 124 I 49 E. 3c S. 52; 123 I 63 E. 2d S. 69; je
mit Hinweisen). Das Departement hat nämlich schon in seiner Vernehmlassung
vor Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, dass es die Einleitung eines
Strafverfahrens als für den Beschwerdeführer und für dessen Mutter wenig
hilfreich erachte; das strafrechtliche Vorgehen der Kindsmutter sei keine
adäquate Lösung der nachbarschaftlichen Probleme und trage - entgegen der
Auffassung des Anwalts - auch kaum zur «Rehabilitierung, materiellen und
seelischen Wiedergutmachung und Überwindung des Hilflosentraumas» bei.

    e) Nach dem Gesagten war die Beschwerde vor Verwaltungs-gericht von
vornherein aussichtslos. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht Art. 4
BV verletzt, als es dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung versagt hat.