Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 451



125 III 451

76. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom17. September 1999
i.S. SodaStream Ltd. gegen Urs Jäger AG und Instruktionsrichter des
Handelsgerichts des Kantons Aargau(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 24 LugÜ; Zuständigkeit zur Anordnung einstweiliger Massnahmen
im Fall des Bestehens einer Gerichtsstandsvereinbarung; Zulässigkeit
von Leistungsverfügungen.

    Trotz Gerichtsstandsvereinbarung kann vor einem anderen als dem
ausschliesslich prorogierten Gericht um einstweiligen Rechtsschutz
nachgesucht werden, wenn dieses andere Gericht allein in der Lage ist,
eine sofort vollstreckbare Massnahme rechtzeitig anzuordnen (E. 3a).

    Die Anordnung vorläufiger Erfüllung darf nur unter einschränkenden
Voraussetzungen als einstweilige Massnahme im Sinne von Art. 24 LugÜ
erfolgen; Umschreibung dieser Voraussetzungen (E. 3b).

    Zulässigkeit der Anordnung vorläufiger Erfüllung eines
Vertriebsvertrages im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach
kantonalem Recht und Bundesrecht (E. 3c).

Sachverhalt

    Die Urs Jäger AG schloss im Dezember 1991 mit der Soda-Stream
Ltd. einen als "Distributorship Agreement" bezeichneten Vertrag über
die Vermarktung von Geräten zur Anreicherung von Leitungswasser mit
Kohlensäure sowie von Kohlendioxid-Zylindern, Aromazusätzen und sonstigem
Gerätezubehör. Der Vertrag sollte mindestens bis 31. Dezember 1997 gelten
und anschliessend beidseits mit einer Frist von drei Monaten kündbar
sein. In einer Zusatzvereinbarung vom 26. Februar 1997 verlängerten die
Vertragsparteien die Kündigungsfrist auf sechs Monate und erstreckten
die Mindestvertragsdauer bis zum 31. Dezember 1999.

    Mit Schreiben vom 22. Februar 1999 liess die SodaStream Ltd. den
Vertrag fristlos kündigen und stellte ihre Lieferungen an die Urs Jäger AG
ein. Als diese die Rechtmässigkeit und Wirksamkeit der Kündigung bestritt,
stellte ihr die SodaStream Ltd. in Aussicht, die vor dem 22. Februar 1999
bestellten Waren zu liefern, was jedoch in der Folge unterblieb.

    Am 30. März 1999 ersuchte die Urs Jäger AG das Handelsgericht
des Kantons Aargau, die SodaStream Ltd. im Sinne einer vorsorglichen
Massnahme zur Lieferung bestimmter Waren zu verpflichten. Im Laufe des
Verfahrens ergänzte sie ihre Begehren dahin, dass der SodaStream Ltd. zu
verbieten sei, ihre Produkte der Marken "SODASTREAM" und "SODASTAR"
in der Schweiz auf anderen Vertriebswegen, insbesondere über die Firma
Mélior SA in Le Mont-sur-Lausanne, zu vertreiben. Mit vorsorglicher
Verfügung vom 16. April 1999 verpflichtete der Instruktionsrichter des
Handelsgerichts die SodaStream Ltd. unter Strafandrohung, die Urs Jäger
AG bis zu bestimmten Daten mit bestimmten Waren zu beliefern.

    Weiter verbot er der SodaStream Ltd. mit sofortiger Wirkung, ihre
Produkte der Marken "SODASTREAM" und "SODASTAR" in der Schweiz auf anderen
Vertriebswegen als über die Urs Jäger AG zu vertreiben, insbesondere
die Firma Mélior SA zu beliefern. Die Urs Jäger AG wurde hinsichtlich der
vorsorglich angeordneten Belieferung zu Sicherheitsleistungen von insgesamt
2,5 Mio. Franken und hinsichtlich des der SodaStream Ltd. auferlegten
Lieferverbots zu einer Sicherheitsleistung von Fr. 50'000.-- verhalten.

    Das Bundesgericht weist die von der SodaStream Ltd. gegen die
vorsorgliche Verfügung erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit
es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde vor allem
auch dagegen, dass der Instruktionsrichter des Handelsgerichts seine
Zuständigkeit zur vorsorglichen Anordnung einer Lieferverpflichtung
bejaht hat. Sie macht in diesem Zusammenhang einerseits eine Verletzung
von Art. 24 des Lugano-Übereinkommens (LugÜ; SR 0.275.11), anderseits
Willkür bei der Anwendung von § 302 lit. b ZPO/AG geltend.

    a) Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid haben die
Parteien in ihrem Vertriebsvertrag vom Dezember 1991 vereinbart, dass zur
Beurteilung der aus dem Vertragsverhältnis entstehenden Streitigkeiten
die englischen Gerichte zuständig sein sollen. Es ist unbestritten,
dass diese Gerichtsstandsvereinbarung den Anforderungen von Art. 17
LugÜ entspricht. Mit dem Instruktionsrichter des Handelsgerichts
ist davon auszugehen, dass sich die Derogationswirkung einer
Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 17 LugÜ grundsätzlich
auch auf Massnahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes bezieht. Das
derogationswidrig angerufene Gericht kann sich deshalb für vorsorgliche
Massnahmen nicht auf eine nach dem Lugano-Übereinkommen gegebene
Zuständigkeit stützen (JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht,
6. Aufl., Heidelberg 1998, N. 109 zu Art. 17; REINOLD GEIMER/ROLF
A. SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, München 1997,
N. 192 zu Art. 17; HANS REISER, Gerichtsstandsvereinbarungen nach
IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, Zürich 1995, S. 92 f.; ISAAK
MEIER, Besondere Vollstreckungstitel nach dem Lugano-Übereinkommen,
in: Schwander (Hrsg.), Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen 1990,
S. 170; INGO SAENGER, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen
nach EuGVÜ und LugÜ, Zeitschrift für Zivilprozess (Köln) 110/1997,
S. 496; a.M. PETER F. SCHLOSSER, EuGVÜ, Europäisches Gerichtsstands-
und Vollstreckungsübereinkommen mit Luganer Übereinkommen und den Haager
Übereinkommen über Zustellung und Beweisaufnahme, München 1996, N. 42
zu Art. 17). Zu beachten bleibt jedoch der Vorbehalt von Art. 24 LugÜ
(DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. III, Bern 1998, S. 918 Rz. 6495;
KROPHOLLER, aaO). Nach dieser Bestimmung können die im Recht eines
Vertragsstaats vorgesehenen einstweiligen Massnahmen einschliesslich
solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, bei den Gerichten dieses
Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der
Hauptsache die Gerichte eines anderen Vertragsstaats zuständig sind.

    Ob und unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass die Parteien
den damit vorbehaltenen nationalen Zuständigkeitsregeln ebenfalls
rechtswirksam derogiert haben, beurteilt sich nach dem jeweiligen
nationalen Recht (vgl. REISER, aaO, S. 93). Auch in diesem Zusammenhang
ist - jedenfalls für das schweizerische Recht - zunächst festzuhalten, dass
die in der Gerichtsstandsvereinbarung enthaltene Derogation grundsätzlich
auch für den einstweiligen Rechtsschutz gelten muss. Denn soll die Abrede,
Streitigkeiten ausschliesslich vor dem prorogierten Gericht auszutragen,
nicht ausgehöhlt werden, so darf es nicht ins Belieben einer Partei
gestellt bleiben, der Gegenpartei gegen deren Willen ein Massnahmeverfahren
vor einem anderen Gericht aufzudrängen. Auf der anderen Seite ist jedoch
nicht anzunehmen, dass die übereinstimmende Regelungsabsicht der Parteien
dahin ging, einen effektiven Rechtsschutz überhaupt zu vereiteln; deshalb
muss es trotz der Gerichtsstandsvereinbarung möglich bleiben, wenigstens
dann vor einem anderen als dem ausschliesslich prorogierten Gericht
um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, wenn dieses andere Gericht
allein in der Lage ist, eine sofort vollstreckbare Massnahme rechtzeitig
anzuordnen (REISER, aaO, S. 91; vgl. auch MEIER, aaO, S. 170 f.).

    Aufgrund der gesamten Umstände des Falles, insbesondere aufgrund
der Tatsache, dass die umfangreichen vorprozessualen Verhandlungen
zwischen in der Schweiz ansässigen Rechtsanwälten erfolgten und alle
diesbezügliche Korrespondenz in deutscher Sprache geführt worden
ist, geht der Instruktionsrichter des Handelsgerichts davon aus,
dass es der Beschwerdegegnerin nicht möglich gewesen wäre, den Erlass
vorsorglicher Massnahmen rechtzeitig vor dem in der Hauptsache zuständigen
englischen Gericht zu erwirken. Das führt ihn zum Schluss, dass es der
Beschwerdegegnerin unbenommen sein müsse, einstweiligen Rechtsschutz vor
dem bei objektiver Anknüpfung gestützt auf Art. 113 IPRG innerstaatlich
zuständigen schweizerischen Gericht zu suchen.

    Die tatsächliche Feststellung, dass das in der Hauptsache zuständige
englische Gericht nicht in der Lage gewesen wäre, vorsorgliche Massnahmen
rechtzeitig anzuordnen, beanstandet die Beschwerdeführerin in ihrer
Beschwerde nicht. Sie behauptet auch nicht, dass der Instruktionsrichter
des Handelsgerichts die Gerichtsstandsklausel im Vertriebsvertrag
vom Dezember 1991 unzutreffend ausgelegt hätte. Hingegen macht sie
geltend, die in der angefochtenen Verfügung angeordnete Belieferung
der Beschwerdegegnerin laufe auf die Vollstreckung bestrittener
Leistungsansprüche im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz hinaus. Das
aber ist nach Ansicht der Beschwerdeführerin sowohl mit Art. 24 LugÜ
(E. b hienach), als auch mit dem Willkürverbot von Art. 4 BV unvereinbar
(E. c hienach).

    b) Die Rüge der Verletzung von Art. 24 LugÜ ist im vorliegenden
Verfahren zulässig; sie ist zudem nicht bloss der Willkürprüfung,
sondern freier Prüfung zugänglich (vgl. Art. 84 Abs. 1 lit. c
und d OG). Zur Auslegung von Art. 24 LugÜ werden in der Lehre
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Umstritten ist namentlich, ob
gestützt auf diese Bestimmung auch - im nationalen Recht vorgesehene -
einstweilige Massnahmen angeordnet werden können, die nicht nur auf
Sicherung eines gefährdeten Anspruchs, sondern auf dessen vorläufige
Befriedigung abzielen. Ein Teil der Lehre möchte solche sogenannten
Leistungsverfügungen aus dem Anwendungsbereich von Art. 24 LugÜ ausklammern
(DONZALLAZ, aaO, Bd. I, Bern 1996, S. 605 f. Rz. 1595; GEROLD ZEILER,
Europäisches Sicherungsverfahren: Die Regelungen der Europäischen
Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen über einstweilige
Massnahmen, Juristische Blätter (Wien) 118/1996, S. 637 ff.; derselbe,
Einstweiliger Rechtsschutz: Ermöglichen die Europäischen Gerichtsstands-
und Vollstreckungsübereinkommen europaweite einstweilige Verfügungen, in:
Bajons/Mayr/Zeiler (Hrsg.), Die Übereinkommen von Brüssel und Lugano,
Wien 1997, S. 240 f.; vgl. ferner auch HAIMO SCHACK, Internationales
Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., München 1996, S. 167 Rz. 425; LAWRENCE
COLLINS, Provisional and Protective Measures in International Litigation,
in: Collected Courses of the Hague Academy of International Law, Bd. 234
(1992 III), S. 57 f.). Andere Autoren halten demgegenüber dafür, dass im
Rahmen von Art. 24 LugÜ grundsätzlich auch Leistungsverfügungen zulässig
sind (KROPHOLLER, aaO, N. 5 zu Art. 24; GEIMER/SCHÜTZE, aaO, N. 20
ff. zu Art. 24; SCHLOSSER, aaO, N. 7 zu Art. 24; MEIER, aaO, S. 159;
wohl auch ANDREAS SCHMUTZ, Massnahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes im
Lugano-Über-einkommen aus schweizerischer Sicht, Diss. Bern 1993, S. 28
ff.; unentschieden DANIÈLE ALEXANDRE, Convention de Bruxelles (Compétence),
1998, in: Encyclopédie Dalloz, Répertoire de droit communautaire, S. 45
Rz. 298), wobei allerdings zum Teil betont wird, dass die Anordnung
vorläufiger Erfüllung strikte auf jene Fälle zu beschränken ist,
in denen sich der Antragsteller auf ein besonderes Eilbedürfnis und
auf ein besonderes Schutzbedürfnis berufen kann (GEIMER/SCHÜTZE, aaO,
N. 22 zu Art. 24; ähnlich SCHLOSSER, aaO; zu "Zurückhaltung" mahnt auch
KROPHOLLER, aaO).

    Das Lugano-Übereinkommen schliesst sich eng an das für die
Länder der Europäischen Union geltende Brüsseler Übereinkommen an
(Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
vom 27. September 1968; EuGVÜ). Die zu dessen parallelen Bestimmungen
ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) ist bei der Auslegung des Lugano-Übereinkommens mitzuberücksichtigen
(BGE 125 III 108 E. 3c S. 110; 124 III 188 E. 4b S. 191, 382 E. 6c und e
S. 394 ff., je mit Hinweisen). Der EuGH umschreibt in einem Urteil aus
dem Jahre 1992 den Begriff der "einstweiligen Massnahmen" im Sinne von
Art. 24 des Brüsseler Übereinkommens dahin, dass darunter Massnahmen
zu verstehen sind, die eine Sach- oder Rechtslage erhalten sollen, um
Rechte zu sichern, deren Anerkennung im Übrigen bei dem in der Hauptsache
zuständigen Gericht beantragt wird (Urteil vom 26. März 1992 i.S. MARIO
REICHERT u.a. gegen Dresdner Bank AG, Rs. C-261/90, Slg. 1992 I-2149,
E. 34 S. 2184). In einem Urteil vom 17. November 1998 (i.S. Van Uden
Maritime BV gegen Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u.a., Rs.
C-391/95, Slg. 1998 I-7091; bestätigt in einem Urteil vom 27. April
1999 i.S. Hans-Hermann Mietz gegen Intership Yachting Sneek BV,
Rs. C-99/96; siehe dazu EuZ 1999, S. 97 f.) hält der EuGH sodann fest,
es könne nicht zum Vornherein abstrakt und generell ausgeschlossen
werden, dass die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen
Hauptleistung, auch wenn ihr Betrag dem des Klageantrags entspreche, zur
Sicherstellung der Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache erforderlich
sei und gegebenenfalls angesichts der Parteiinteressen gerechtfertigt
erscheine. Die Anordnung einer vorläufigen Leistung könne jedoch ihrem
Wesen nach die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Ausserdem
könnten die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens umgangen
werden, wenn dem Antragsteller das Recht eingeräumt würde, die vorläufige
Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung beim Gericht seines Wohnsitzes
zu erwirken und die Anordnung sodann im Staat des Antragsgegners anerkennen
und vollstrecken zu lassen. Deshalb stelle die Anordnung der vorläufigen
Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung nur dann eine einstweilige
Massnahme im Sinne von Art. 24 des Übereinkommens dar, wenn die Rückzahlung
des zugesprochenen Betrags an den Antragsgegner in dem Fall, dass der
Antragsteller nicht in der Hauptsache obsiege, gewährleistet sei und
wenn die beantragte Massnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände des
Antragsgegners betreffe, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich
des angerufenen Gerichts befinden oder befinden müssten (aaO, E. 45-47,
S. 7136 f.).

    Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH und der Lehre ist davon
auszugehen, dass von einem anderen als dem in der Hauptsache zuständigen
Gericht vorsorglich angeordnete Leistungsmassnahmen unter dem Blickwinkel
von Art. 24 LugÜ nicht zum Vornherein unzulässig sind. Darauf weist
im Übrigen auch bereits der Wortlaut dieser Bestimmung hin. Wenn dort
von "einstweiligen Mass-nahmen einschliesslich solcher, die auf eine
Sicherung gerichtet sind," die Rede ist, so ergibt sich daraus, dass sich
die Bestimmung jedenfalls nicht nur auf sichernde Massnahmen bezieht
(so KROPHOLLER, aaO, N. 5 zu Art. 34). Nicht zu übersehen ist jedoch,
dass Leistungsverfügungen im praktischen Ergebnis häufig endgültige
Zustände schaffen (GEIMER/SCHÜTZE, aaO, N. 22 zu Art. 24). Die
Anordnung vorläufiger Erfüllung ist daher nur unter einschränkenden
Voraussetzungen als einstweilige Massnahme im Sinne von Art. 24
LugÜ anzuerkennen. Zunächst ist vorauszusetzen, dass die vorgezogene
Befriedigung des Gläubigers zur Sicherstellung der Wirksamkeit des
Urteils in der Hauptsache sachlich erforderlich und zeitlich dringend
ist. Dabei rechtfertigt sich die Begründung einer vom sonst geltenden
Gerichtsstand abweichenden Zuständigkeit für einstweiligen Rechtsschutz
nur, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht nicht in der Lage ist,
rechtzeitig vorsorgliche Mass-nahmen zu erlassen, die sicherstellen, dass
der praktische Wert der im Hauptverfahren geltend zu machenden Ansprüche
erhalten bleibt, bis ein rechtskräftiges Haupturteil vorliegt. Der
Rechtsuchende muss mithin darauf angewiesen sein, ein anderes Gericht
anrufen zu können, das im Gegensatz zum in der Hauptsache zuständigen
Gericht den für einen rechtzeitigen und wirksamen einstweiligen
Rechtsschutz nötigen nahen Bezug zum Gegenstand der beantragten
Massnahme hat (vgl. ZEILER, aaO Einstweiliger Rechtsschutz, S. 236
ff.). Ausserdem ist im Hinblick darauf, dass Leistungsverfügungen zu einer
vorgezogenen Anspruchserfüllung führen, zu verlangen, dass die Massnahmen
zumindest insoweit einstweiligen Charakter behalten, als für den Fall des
Unterliegens des Antragstellers im Hauptverfahren die Schadloshaltung des
Antragsgegners gewährleistet ist. Das Gericht hat deshalb die Anordnung
der Massnahmen von entsprechenden Sicherheitsleistungen des Antragstellers
abhängig zu machen (vgl. EuGH, Urteil "van Uden", aaO, E. 38 und 41,
S. 7134 f.).

    Die genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der
Instruktionsrichter des Handelsgerichts hat die Beschwerdegegnerin
im Hinblick auf allfällige Schäden der Beschwerdeführerin aus den
vorsorglich angeordneten Lieferungen zu Sicherheitsleistungen im Umfang
von insgesamt 2,5 Mio. Franken verhalten. Dass damit eine entsprechende
Schadloshaltung für den Fall, dass die Beschwerdegegnerin im Hauptprozess
vor den englischen Gerichten unterliegen sollte, nicht gewährleistet wäre,
behauptet die Beschwerdeführerin nicht; sie bezeichnet in ihrer Beschwerde
vielmehr bloss die zusätzliche Sicherheitsleistung von Fr. 50'000.--
als zu niedrig, welche der Instruktionsrichter des Handelsgerichts der
Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit dem an die Beschwerdeführerin
gerichteten Verbot der Belieferung Dritter auferlegt hat (dazu E. 5d
hienach). Weiter ist aufgrund der - insoweit unbeanstandet gebliebenen
- Feststellungen des Instruktionsrichters des Handelsgerichts davon
auszugehen, dass angesichts der gesamten Umstände eine vorsorgliche
Anordnung vertragsgemässer Belieferung vor den englischen Gerichten nicht
rechtzeitig hätte erlangt werden können. Die im angefochtenen Entscheid
angeordnete Leistungsmassnahme erweist sich deshalb im Hinblick auf einen
effektiven Rechtsschutz als unerlässlich. Es liegt auf der Hand, dass die
Beschwerdegegnerin auf die Lieferungen der Beschwerdeführerin angewiesen
ist, um sich ihre Stellung als Vertreiberin von deren Produkten auf dem
schweizerischen Markt erhalten zu können. In diesem Sinne dient die vom
Instruktionsrichter des Handelsgerichts getroffene Leistungsmassnahme
durchaus der einstweiligen Erhaltung einer Sachlage. Nur durch die
vorläufige Belieferung der Beschwerdegegnerin lässt sich verhindern,
dass die vertraglichen Lieferungsansprüche, die Gegenstand des vor den
englischen Gerichten zu führenden Hauptverfahrens bilden, ihren praktischen
Wert verlieren, bevor ein vollstreckbares Haupturteil vorliegt. Von einer
Verletzung von Art. 24 LugÜ kann daher keine Rede sein.

    c) Zu prüfen bleibt, ob und wieweit das innerstaatliche Recht die
Anordnung der vorläufigen Erfüllung eines Vertriebsvertrags im Rahmen
des einstweiligen Rechtsschutzes zulässt. Dabei kann die Frage, ob
sich die Zulässigkeit derartiger Massnahmen nach kantonalem oder nach
Bundesrecht bestimmt (vgl. dazu VINCENT PELET, Mesures provisionnelles:
droit fédéral ou cantonal?, Diss. Lausanne 1987, S. 19 ff.), offen
bleiben. Nach § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG können vorsorgliche Verfügungen
allgemein zur Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Zustandes oder zur
Abwehr eines drohenden, nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils
getroffen werden. Einschränkungen in Bezug auf den Inhalt vorsorglicher
Verfügungen lassen sich dieser Bestimmung nicht entnehmen. Nach Ansicht
der Kommentatoren ermöglicht sie denn durchaus auch den Erlass von
Leistungsverfügungen (BÜHLER/EDELMANN/KILLER, Kommentar zur aargauischen
Zivilprozessordnung, N. 9 zu § 302; EICHENBERGER, Zivilrechtspflegegesetz
des Kantons Aargau, N. 8 zu § 302; vgl. zur ähnlichen Vorschrift von
Art. 326 Ziff. 3 lit. b ZPO/BE auch LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die
Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 4. Aufl. 1995, N. 8a, c und e
zu Art. 326). Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern
der Instruktionsrichter des Handelsgerichts § 302 Abs. 1 lit. b ZPO/AG
willkürlich angewendet haben soll. Die Willkürrüge der Beschwerdeführerin
erweist sich als unbegründet.

    Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Kommentar
STRÄULI/MESSMER/FRANK zur Zürcher Zivilprozessordnung (3. Aufl., Zürich
1997) nichts zu ändern. Dort wird zwar die Auffassung vertreten, bei
Leistungsklagen seien vorsorgliche Massnahmen auf vorläufige Vollstreckung
unzulässig, weil eine Verurteilung aufgrund eines nicht bewiesenen, sondern
nur glaubhaft gemachten Anspruchs dem materiellen Recht widersprechen würde
(N. 36 zu § 110 und N. 33 zu § 222 Ziff. 3 ZPO/ZH; ähnlich äussern sich
auch andere Autoren: vgl. die Nachweise bei ISAAK MEIER, Grundlagen des
einstweiligen Rechtsschutzes, Zürich 1983, S. 155 ff.). Die einstweilige
Vollstreckung von Leistungsansprüchen kann jedoch nicht von Bundesrechts
wegen zum Vornherein generell ausgeschlossen sein (vgl. ISAAK MEIER, aaO,
S. 38 f. und S. 298 f.; PELET, aaO, S. 104). Es gibt Fälle, in denen sie
"nicht wohl zu umgehen ist" (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht,
3. Aufl. 1979, S. 575 Anm. 5), wie dies etwa auf Unterhaltsansprüche
zutrifft, deren vorläufige Erfüllung für die berechtigte Person eine
Lebensnotwendigkeit darstellt (vgl. Art. 281 Abs. 1, Art. 283 und
Art. 329 Abs. 3 ZGB; BGE 111 II 308 E. 3 S. 312). Im Hinblick auf
einen effektiven Rechtsschutz kann sich eine Leistungsmassnahme aber
auch dann als unerlässlich erweisen, wenn bei längerem Ausbleiben der
Anspruchserfüllung Verspätungsschäden, beispielsweise unübersehbare
Kundenverluste, drohen, die einen Erfolg im Hauptverfahren aushöhlen
oder gar nutzlos machen würden (so für das österreichische Recht ANDREAS
KONECNY, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, Wien 1992,
S. 73). Genau darum geht es im vorliegenden Fall: Wie im angefochtenen
Entscheid mit Recht festgehalten wird, liegt auf der Hand, dass eine
längere Nichtbelieferung der Beschwerdegegnerin geeignet ist, deren
Kundenstamm für SodaStream-Produkte nachhaltig zu erodieren, was zu
Einbussen führt, die im Einzelnen nur schwer zu beweisen und mit Geld
allein nicht zu reparieren sind. Dass der Instruktionsrichter des
Handelsgerichts die Beschwerdeführerin zur vorläufigen Erfüllung der
Lieferansprüche der Beschwerdegegnerin verpflichtet hat, wäre demnach
auch unter dem Gesichtswinkel des Bundesrechts nicht zu beanstanden.