Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 412



125 III 412

70. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom11. November 1999 i.S. Y.
und A. gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 271 BStP, Art. 273 Abs. 1 lit. a BStP.

    Anträge betreffend Geldforderungen sind in der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, wie in der Berufung, grundsätzlich
zu beziffern (E. 1).

    Genugtuung (Art. 47, 49 OR).

    Bemessung der Genugtuung bei Übertragung des HI-Virus durch
ungeschützten Sexualkontakt (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Der kenianische Staatsangehörige X. (geboren 1946) knüpfte Ende
1981 eine intime Beziehung mit Y. (geboren 1949), welcher im Juli 1983
eine Tochter (A.) entspross. Die Beziehung war aus verschiedenen Gründen
schwierig und starken Schwankungen unterworfen. Phasen des Zusammenlebens
wechselten häufig mit längeren Phasen der Trennung. Als Ende 1991 nach
längerer Trennung eine Wiederaufnahme der intimen Beziehung zur Diskussion
stand, machte Y. diese vom Ergebnis eines HIV-Tests abhängig, womit X.
einverstanden war. Y. meldete daher im Januar 1992 sich selbst und X. beim
gemeinsamen Hausarzt zwecks Durchführung eines HIV-Tests an. Der Y.
betreffende Test war negativ. Auf ihre Frage nach dem ihn betreffenden
Testergebnis gab X. wahrheitswidrig an, dass auch sein Befund negativ
sei. In Tat und Wahrheit hatte sich X. im Januar 1992 keinem HIV-Test
unterzogen. Er hatte aber bereits im Juni 1990 nach einem Aufenthalt in
Kenia einen HIV-Test durchführen lassen, der ergab, dass er HIV-positiv
ist, was er seit dem 2. Juli 1990 weiss. Im Vertrauen in die Richtigkeit
der Angaben von X. nahm Y. die intime Beziehung mit ihm wieder auf. Es kam
zwischen Ende März 1992 und April 1993 durchschnittlich einmal wöchentlich
bis einmal monatlich zum ungeschützten Geschlechtsverkehr. Dabei wurde Y.
von X. mit dem HI-Virus angesteckt.

    Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach X. am 9. November
1998 schuldig

    - der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB (zum

    Nachteil von Y.) sowie des mehrfachen vollendeten Versuchs der schweren

    Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 3 i.V.m. Art. 22 Abs. 1
StGB

    (zum Nachteil von Z.),

    - des Verbreitens menschlicher Krankheiten im Sinne von Art. 231
Ziff. 1

    Abs. 1 StGB sowie des mehrfachen vollendeten Versuchs dazu im Sinne von

    Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und verurteilte ihn
deshalb sowie wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG;
SR 741.01) zu drei Jahren Gefängnis.

    Das Geschworenengericht stellte sodann fest, dass X. grundsätzlich
verpflichtet ist, Y. für die Folgen der schuldhaft verursachten Ansteckung
mit dem HI-Virus Schadenersatz in voller Quote zu bezahlen, und es verwies
diesen Anspruch zur Beurteilung in quantitativer Hinsicht auf den Weg des
Zivilprozesses. Es verpflichtete X., der Geschädigten Y. Fr. 80'000.--
und der Tochter A. Fr. 20'000.-, je zuzüglich Zins zu 5% seit dem 1. Januar
1994, als Genugtuung zu bezahlen.

    Y. und A. führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Geschworenengerichts sei aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    (Siehe auch BGE 125 IV Nr. 38 und Nr. 39)

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Beschwerdeführerinnen beantragten im kantonalen
Verfahren, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, Y. Fr. 150'000.--
und Fr. 50'000.-- als Genugtuung zu leisten. Die Vorinstanz hat
den Beschwerdegegner zur Zahlung von Fr. 80'000.-- an Y. und von
Fr. 20'000.-- an A. verpflichtet. Die Beschwerdeführerinnen stellen in
ihrer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde den Antrag, der Entscheid des
Geschworenengerichts sei aufzuheben und die Sache "zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen." Sie fechten den Entscheid einzig in Bezug
auf die Genugtuung an. Sie weisen darauf hin, dass ihnen "Genugtuungssummen
in geringerem Umfang als beantragt zugesprochen" worden seien, weshalb sie
"durch den angefochtenen Entscheid beschwert" seien. Sie beanstanden,
dass die Vorinstanz bei der Bemessung der Genugtuungssummen bestimmte
Gesichtspunkte, u.a. die Todesangst, zu Unrecht nicht bzw. nicht
ausreichend berücksichtigt habe. Damit machen sie geltend, dass die ihnen
von der Vorinstanz zugesprochenen Genugtuungssummen zu niedrig seien.

    Die Beschwerdeführerinnen haben indessen ihr Rechtsbegehren weder
im Beschwerdeantrag noch in der Beschwerdebegründung beziffert. Aus der
Nichtigkeitsbeschwerde geht auch nicht implizit hervor, welche Beträge
die Beschwerdeführerinnen fordern.

    b) Das Bundesgericht verlangt in ständiger Praxis bei der Berufung
im Sinne von Art. 43 ff. OG die Bezifferung der Geldsumme, zu deren
Zahlung die Gegenpartei verpflichtet werden soll. Dies wird aus Art. 55
Abs. 1 lit. b OG abgeleitet, wonach in der Berufungsschrift u.a. genau
anzugeben ist, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche
Abänderungen beantragt werden. Anträge auf Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur neuen Entscheidung oder beispielsweise auf Verpflichtung der
Gegenpartei zur Zahlung eines angemessenen Geldbetrags sind grundsätzlich
ungenügend und haben das Nichteintreten auf die Berufung zur Folge. Ein
blosser Rückweisungsantrag ist nach der Praxis aber dann ausreichend
(und auch einzig angebracht), wenn das Bundesgericht, falls es die
Rechtsauffassung des Berufungsklägers für begründet erachtet, gar
kein Endurteil fällen kann, sondern die Sache zu weiteren Abklärungen
an die Vorinstanz zurückweisen muss. In den übrigen Fällen muss eine
Geldforderung beziffert werden. Allerdings genügt es, wenn sich aus
der Berufungsbegründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen
Entscheid, ohne weiteres ergibt, welchen Geldbetrag der Berufungskläger
von der Gegenpartei verlangt (s. zum Ganzen BGE 119 II 333 E. 3; 106 II
201 E. 1; 101 II 373; Urteil des Bundesgerichts vom 15. August 1991,
wiedergegeben in SMI 1993 I 129; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen
Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, Ziff. 113; Peter Münch, Berufung
und zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde, in: Geiser/Münch (Hrsg.),
Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl. 1998, Rz. 4.84 und 4.85; POUDRET,
Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Art. 55 n. 1.4,
mit weiteren Hinweisen). Auch im Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts müssen Rechtsbegehren, die auf einen
Geldbetrag lauten, beziffert werden, ansonsten auf den Rekurs nicht
eingetreten wird (BGE 121 III 390 E. 1).

    c) aa) Entsprechendes gilt für die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt. Denn diese tritt insoweit an
die Stelle der Berufung, die gemäss Art. 271 Abs. 1 Satz 2 BStP (SR
312.0) ausgeschlossen ist. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
muss gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. a BStP die Angabe, welche Punkte
des Entscheides angefochten werden, und die Anträge enthalten. Diese
Vorschrift stimmt inhaltlich mit Art. 55 Abs. 1 lit. b OG überein,
wonach die Berufungsschrift die genaue Angabe, welche Punkte des
Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden,
enthalten muss. Da die beiden Vorschriften im Wesentlichen übereinstimmen
und da keine Gründe für eine unterschiedliche Regelung zwischen der
zivilrechtlichen Berufung und der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt
("strafrechtliche Berufung") ersichtlich sind, hat in Bezug auf das
Erfordernis der Bezifferung des Rechtsbegehrens das Gleiche zu gelten.
Zu den Anträgen im Sinne von Art. 273 Abs. 1 lit. a BStP gehört somit bei
der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde betreffend eine Geldforderung
deren Bezifferung. Nur durch die Bezifferung wird der Gegenstand des
Verfahrens ausreichend bestimmt. Die Bezifferung ist auch mit Rücksicht
auf Art. 277bis Abs. 1 Satz 1 BStP erforderlich, wonach der Kassationshof
nicht über die Anträge des Beschwerdeführers hinausgehen darf, und sie
ist nicht zuletzt im Hinblick auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen
geboten. Auch im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
betreffend eine Geldforderung kann sich der Beschwerdeführer somit nicht
darauf beschränken, bloss mehr zu verlangen, als ihm die Vorinstanz
zugesprochen hat, und den Betrag im Übrigen in das Ermessen des
Bundesgerichts oder der kantonalen Instanz im neuen Verfahren zu stellen.

    bb) Das Erfordernis der Bezifferung gilt auch bei Anträgen betreffend
Genugtuungsforderungen; unerheblich ist insoweit, dass die Bemessung der
Genugtuung bzw. die Gewichtung der hiefür massgeblichen Gesichtspunkte
teilweise im sachrichterlichen Ermessen liegt. Die Bezifferung des eine
Geldforderung betreffenden Rechtsbegehrens ist auch bei der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde von Opfern im Sinne des Opferhilfegesetzes
notwendig; die einschlägigen Gesetze (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991
über die Hilfe an Opfer von Straftaten [OHG; SR 312.5], OG, BStP) sehen
insoweit für Opfer keine Sonderregelung vor.

    cc) Dass die Vorschriften betreffend die zivilrechtliche Berufung
prinzipiell auch für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde sinngemäss
gelten, wird im Übrigen hinsichtlich der Anschlussberufung in Art. 271 Abs.
4 BStP ausdrücklich festgelegt und ist in Bezug auf das Erfordernis der
Angabe des Streitwerts gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. a OG vom Kassationshof
schon wiederholt entschieden worden (s. BGE 90 IV 265 E. 1, mit Hinweisen).
Entsprechend ist aus Art. 273 Abs. 1 lit. a BStP, so wie nach der ständigen
Praxis aus Art. 55 Abs. 1 lit. b OG, das Erfordernis der Bezifferung des
eine Geldforderung betreffenden Rechtsbegehrens abzuleiten.

    Allerdings bestimmt Art. 277quater Abs. 1 BStP, dass der Kassationshof
im Zivilpunkt entweder selbst in der Sache entscheidet oder diese
zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückweist. Der
Kassationshof befindet insoweit nach reinen Zweckmässigkeitsgründen
darüber, welche Alternative er wählt (vgl. dazu SCHWERI, Eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, N. 772). Somit ist im
Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt,
anders als im Verfahren der Berufung, ohne besondere Voraussetzungen
stets auch eine Rückweisung an die kantonale Instanz möglich, was
sich mit der grundsätzlich kassatorischen Natur der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde erklärt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der
Beschwerdeführer in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde betreffend
eine Geldforderung im Allgemeinen und eine Genugtuungsforderung aus einer
unter den Anwendungsbereich des Opferhilfegesetzes fallenden Straftat
im Besonderen auf einen blossen Rückweisungsantrag beschränken darf.
Unerheblich ist ferner, dass bei privatrechtlichen Ansprüchen im Verfahren
vor dem Bundesstrafgericht (Art. 210 f. BStP) der Antrag auf Zusprechung
einer gerichtlich zu bestimmenden Genugtuungssumme genügt (BGE 82 IV 158 E.
2); die Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesgericht sind auch insoweit
nicht mit einem (direkten) Bundesstrafprozess vergleichbar.

    d) Die Beschwerdeführerinnen beziffern die Genugtuungsforderungen
weder ausdrücklich noch implizit. Sie stellen auch nicht das Begehren,
dass ihnen Genugtuungssummen in dem von ihnen im kantonalen Verfahren
beantragten Umfang (von Fr. 150'000.-- an Y. bzw. von Fr. 50'000.-- an
A.) zuzusprechen seien. Bei Stillschweigen kann aber nicht ohne weiteres
angenommen werden, dass die Beschwerdeführerinnen wohl nach wie vor
diese Summen begehren. Dagegen spricht im Übrigen beispielsweise, dass
Y., die im kantonalen Verfahren eine Genugtuungssumme von Fr. 150'000.--
beantragt und eine Genugtuung von Fr. 80'000.-- zugesprochen erhalten hat,
einzig geltend macht, die Vorinstanz habe das Kriterium der Todesangst
zu Unrecht nicht berücksichtigt.

    Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher mangels der
erforderlichen Bezifferung der Rechtsbegehren nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Im Übrigen sind die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen
Einwände ohnehin nicht begründet.

    a) Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter
unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen
des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen
(Art. 47 OR). Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird,
hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die
Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wieder
gutgemacht werden kann (Art. 49 Abs. 1 OR). Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung haben die nahen Angehörigen einer körperlich geschädigten
Person Anspruch auf Ersatz des deswegen erlittenen seelischen Schadens,
wenn dieser aussergewöhnlich ist. Der Ansprecher muss in seiner
Persönlichkeit widerrechtlich verletzt und gleich schwer oder schwerer
betroffen sein als im Falle der Tötung eines Angehörigen (BGE 112 II 226;
117 II 50 E. 3). Bemessungskriterien sind dabei, wie bei der Bemessung
der Genugtuung allgemein, vor allem die Art und Schwere der Verletzung,
die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit des
Betroffenen sowie der Grad des Verschuldens des Schädigers.

    Die Festlegung der Höhe der Genugtuung beruht auf richterlichem
Ermessen. Ob der kantonale Richter sein Ermessen richtig ausgeübt hat,
ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht im Berufungsverfahren bzw. im
Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde frei überprüft. Das
Bundesgericht beachtet dabei jedoch praxisgemäss, dass dem Sachrichter ein
eigener weiter Spielraum des Ermessens zusteht. Dementsprechend auferlegt
es sich bei der Überprüfung Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn
der Sachrichter grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung ermittelten
Bemessungsgrundsätzen abgewichen ist, wenn er Tatsachen berücksichtigt
hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen, oder
wenn er andererseits Umstände ausser Betracht gelassen hat, die er in
seinen Entscheid hätte mit einbeziehen müssen. Es greift ausserdem in
Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig bzw.
als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 125 III 269 E. 2a; 124
IV 13 E. 6c; 123 III 10 E. 4c, je mit Hinweisen).

    b) aa) Y. wies im vorinstanzlichen Verfahren darauf hin, im Zeitpunkt
ihrer Infizierung im Jahre 1992 sei allgemein davon ausgegangen worden,
dass eine HIV-Infektion in längstens acht Jahren zum Tode führe. Zwar seien
inzwischen die Behandlungsmöglichkeiten verbessert; die Wahrscheinlichkeit,
dass eine Infizierung schliesslich zum Tode führe, sei aber weiterhin
sehr hoch. Y. erwähnte in diesem Zusammenhang ihre Todesängste. In der
Nichtigkeitsbeschwerde beanstandet sie, dass die Vorinstanz die sich aus
der HIV-Infektion ergebende Bedrohung mit einem frühen Tod und die damit
verbundenen Ängste nicht in die Beurteilung mit einbezogen habe; damit
habe die Vorinstanz einen ganz entscheidenden Aspekt bei der Bemessung
der Genugtuung ausser Acht gelassen und dadurch Art. 49 OR verletzt. Das
subjektive Gefühl, ständig mit dem Damoklesschwert des Todes über sich
leben zu müssen, wiege schwerer als die im angefochtenen Urteil insoweit
angeführte blosse objektive Unmöglichkeit einer Langzeitprognose.

    bb) Die Vorinstanz hält u.a. fest, die unheilbare HIV-Infektion
zeitige sehr gravierende und dauerhafte Auswirkungen auf die physische und
die psychische Gesundheit der infizierten Person. Hinzu komme, dass die
absolut unerlässliche medizinische Behandlung den Betroffenen nicht nur
zeitlebens an die Infektion erinnere, sondern auch mit sehr unangenehmen
Nebenwirkungen verbunden sei. Auch wenn die Medizin optimistisch stimmende
Behandlungserfolge habe erzielen können, sei eine Langzeitprognose über
den Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung nicht möglich, was für die
Infizierten ebenfalls sehr belastend sei. Die Vorinstanz hält zudem u.a.
fest, dass die HIV-Infektion bei Y. einen gravierenderen Verlauf genommen
habe als bei vielen andern Infizierten, u.a. auch beim Beschwerdegegner.
Ausserdem falle genugtuungserhöhend ins Gewicht, dass Y. von ihrer
HIV-Infektion auch deshalb besonders belastet werde, weil sie sich nicht
nur um die eigene Zukunft, sondern als allein erziehende Mutter auch um
die Zukunft ihrer im Jahre 1983 geborenen Tochter Sorgen mache.

    Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz auch die psychische Belastung
berücksichtigt, die aus der Angst von Y. vor einem stets möglichen
frühzeitigen Tod infolge der HIV-Infektion resultiert. Die Vorinstanz hat
die im angefochtenen Urteil wiedergegebene Darstellung im Plädoyer, dass
sich bei Y. infolge von Gefühlen der Hilflosigkeit, Verzweiflung und der
Angst vor Leiden und Tod eine schwere reaktive Depression entwickelt habe,
die sich über die Jahre chronifiziert habe, mit anderen Formulierungen
übernommen. Sie hat im Übrigen auch in ihren Erwägungen, in denen sie die
HIV-Infektion als schwere Körperverletzung qualifiziert, festgehalten,
dass die infizierte Person selbst während der Kombinationstherapie
permanent unter dem Damoklesschwert der Resistenzbildung und des darauf
zurückzuführenden Ausbruchs der AIDS-Krankheit stehe und dass die
Gewissheit, mit einer zumindest möglicherweise tödlich verlaufenden
Krankheit infiziert zu sein, beim Betroffenen zu einer Erschütterung
des seelischen Gleichgewichts und in der Regel auch zu einer schweren
reaktiven Depression führe.

    Die Rüge von Y., die Vorinstanz habe die sich aus der HIV-Infektion
ergebende Bedrohung mit einem frühen Tod und die damit verbundenen Ängste
bei der Bemessung der Genugtuung ausser Acht gelassen, erweist sich somit
als unbegründet.

    cc) Dass die Vorinstanz andere wesentliche Kriterien nicht
berücksichtigt und/oder den ihr zustehenden Ermessensspielraum
überschritten habe, macht Y. nicht geltend.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde von Y. ist demnach unbegründet.

    c) aa) A. macht geltend, ihr Leben sei gerade in fünf entscheidenden
Jahren der Kindheit und der Jugend, nämlich zwischen ihrem 10. und
15. Lebensjahr, durch den Zustand ihrer Mutter aufs Schwerste überschattet
worden, indem sie die grossen gesundheitlichen Probleme und die
soziale Isolation ihrer Mutter habe miterleben müssen. Gerade in dieser
Lebensphase sei eine unbeschwerte Lebensführung bei gleichzeitigem Gefühl
des Beschützt- und Geborgenseins von eminenter Bedeutung. Weder das eine
noch das andere sei angesichts des Zustands von Y. möglich gewesen. Die
Beeinträchtigung solcher Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten
über fünf Jahre hinweg stelle aber eine ganz erhebliche Verletzung der
Persönlichkeitsrechte dar. Sie falle bei der Bemessung der Schwere der
erlittenen Unbill entscheidend ins Gewicht und sei von der Vorinstanz nicht
oder, wenn überhaupt stillschweigend, zu wenig berücksichtigt worden. Zudem
habe die Vorinstanz den Umstand nicht gewürdigt, dass A. mit der ständigen
Furcht leben müsse, ihre Mutter schon früh zu verlieren. Die Vorinstanz
habe somit wesentliche Bemessungskriterien ausser Acht gelassen und dadurch
Art. 49 OR verletzt. Im Übrigen unterscheide sich der vorliegende Fall
in mehreren Punkten wesentlich vom Sachverhalt, der Gegenstand des von
der Vorinstanz zum Vergleich zitierten BGE 117 II 50 ff. gewesen sei.

    bb) Die Vorinstanz hält fest, es sei ohne weiteres einsichtig,
dass die als Folge der massiven gesundheitlichen Konsequenzen der
HIV-Infektion stark tangierte Lebensqualität von Y. auch die Lebensführung
von A. gravierend beeinflusse. Damit seien die Voraussetzungen des
Genugtuungsanspruchs von Angehörigen von körperlich geschädigten
Personen erfüllt. In den Erwägungen zur Bemessung der Genugtuung hält die
Vorinstanz fest, die sehr gravierenden Folgen der HIV-Infektion von Y.,
die sich nicht nur in physischen und psychischen Beschwerden, sondern auch
in einer zurückgezogenen, isolierten Lebensweise manifestierten, träfen
A. in einem besonderen Ausmass, weil Y. ihre einzige familiäre Bezugsperson
sei. Auf der andern Seite falle ins Gewicht, dass A. altersbedingt vor dem
Einstieg ins Berufsleben stehe, was mit grösserer Selbständigkeit bzw.
Unabhängigkeit von ihrer Mutter einher gehe. Gleichwohl würden die
Auswirkungen der HIV-Positivität ihrer Mutter für A. auch in Zukunft
einen ihre eigene Lebensqualität belastenden Faktor darstellen.

    Mit diesen Erwägungen hat die Vorinstanz nicht ausdrücklich
festgehalten, dass A. gerade in einem für die Entwicklung und Entfaltung
wichtigen Lebensabschnitt von fünf Jahren, nämlich zwischen dem 10. und dem
15. Lebensjahr, von den Leiden sowie von der zurückgezogenen, isolierten
Lebensweise ihrer Mutter mitbetroffen worden ist. Es gibt indessen
keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Vorinstanz dies bei
der Bemessung der Genugtuung tatsächlich nicht berücksichtigt habe. Der
Vorinstanz ist bekannt, wann Y. von ihrer HIV-Infektion Kenntnis erhielt
und wie alt A. damals war. Gerade weil A. im massgebenden Zeitraum noch ein
Kind bzw. eine Jugendliche war, wurde auch ihre Lebensführung durch die
Krankheit ihrer Mutter, der einzigen familiären Bezugsperson, gravierend
beeinflusst. Auch der Hinweis der Vorinstanz, dass A. altersbedingt in der
Zukunft selbständiger und von ihrer Mutter weniger abhängig sein werde,
macht deutlich, dass die Vorinstanz die altersbedingte Unselbständigkeit
und Abhängigkeit der A. von der Mutter in der Vergangenheit und die
daraus sich ergebende besonders schwerwiegende Mitbetroffenheit bei
der Bemessung der Genugtuung berücksichtigt hat. Wenn die Vorinstanz
schliesslich festhält, dass A. auch in Zukunft durch die Auswirkungen
der Krankheit der Mutter in ihrer eigenen Lebensqualität belastet werde,
so weist sie damit offensichtlich auch auf die ständige Furcht von A. vor
einem frühzeitigen Verlust der Mutter hin.

    cc) Die Vorinstanz hat nicht zum Zweck der Begründung der auf
Fr. 20'000.-- festgesetzten Genugtuungssumme auf BGE 117 II 50
ff. hingewiesen, sondern lediglich um darzulegen, dass auch die
nahen Angehörigen einer körperlich geschädigten Person Anspruch auf
Ersatz des deswegen erlittenen seelischen Schadens haben, wenn dieser
aussergewöhnlich ist. Der Einwand von A., dass ihr Fall nicht mit dem in
BGE 117 II 50 ff. beurteilten vergleichbar sei, geht daher insoweit an
der Sache vorbei. Im Übrigen kann die Rüge, dass eine Genugtuung wegen
Verletzung der Persönlichkeit gemäss Art. 49 OR zu niedrig bemessen sei,
nicht damit begründet werden, dass in einem andern, angeblich weniger
schwerwiegenden Fall dieselbe Genugtuungssumme zugesprochen worden sei. Zum
einen sind Vergleiche gerade in Fällen der Verletzung der Persönlichkeit
infolge Tötung oder Verletzung der körperlichen Integrität eines nahen
Angehörigen kaum möglich, und zum andern steht dem Sachrichter bei der
Bemessung der Genugtuungssumme in Würdigung der massgebenden Umstände
ein weiter Beurteilungsspielraum zu.

    Demnach ist auch die Nichtigkeitsbeschwerde von A. unbegründet.