Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 141



125 III 141

27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Februar 1999 i.S.
S. AG gegen Pro Litteris (Berufung) Regeste

    Art. 20 Abs. 2 URG und Art. 59 Abs. 3 URG. Kopiervergütungen;
pauschale Tarifansätze.

    Kopiervergütungen unterstehen zwingend der kollektiven Verwertung
(E. 3).

    Die kollektive Verwertung stützt sich auf behördlich genehmigte Tarife,
an die die Zivilgerichte gebunden sind; Tragweite dieser Bindung (E. 4a).

    Bedeutung von pauschalen Tarifansätzen (E. 4b und 4c).

Sachverhalt

    Die S. AG betreibt ein Treuhandbüro. Sie beschäftigt einen
Angestellten. Zu ihrer Büroeinrichtung gehört ein Kopiergerät. Die Pro
Litteris, Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft für literarische,
dramatische und bildende Kunst, forderte von der S. AG eine pauschale
Kopierabgabe von Fr. 30.-- im Jahr. Als die S. AG sich weigerte, diese
Abgabe für die Jahre 1995 und 1996 zu bezahlen, setzte die Pro Litteris den
Betrag von Fr. 60.-- in Betreibung, worauf die S. AG Rechtsvorschlag erhob.

    Am 27. Februar 1997 reichte die Pro Litteris beim Obergericht des
Kantons Zürich Klage gegen die S. AG ein, mit dem Begehren, die Beklagte
sei zu verpflichten, ihr Fr. 60.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Juli 1996
sowie Fr. 22.-- Zahlungsbefehlskosten zu bezahlen, und es sei der von
der Beklagten erhobene Rechtsvorschlag zu beseitigen. Mit Urteil vom
18. März 1998 hiess das Obergericht die Klage gut.

    Das Bundesgericht weist die von der Beklagten eingelegte Berufung ab,
soweit es auf sie eintritt, und bestätigt das Urteil des Obergerichts.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Veröffentlichte Werke dürfen zum Eigengebrauch verwendet werden
(Art. 19 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Urheberrecht an Werken der
Literatur und Kunst [URG; SR 231.1]). Erlaubt ist dabei insbesondere
auch das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben für die
interne Dokumentation (Art. 19 Abs. 1 lit. c URG). Wer sich dieser
Form des Eigengebrauchs bedient, schuldet jedoch dem Urheber oder der
Urheberin hiefür eine Vergütung (Art. 20 Abs. 2 URG). Das Recht auf
solche Kopiervergütungen gehört -- wie dasjenige auf Vergütungen aus
Art. 13 URG (Vermietung von Werkexemplaren), aus Art. 20 Abs. 3 URG
(Leerkassetten) oder aus Art. 35 URG (Sendung, Weitersendung oder
Vorführung von Aufzeichnungen der Darbietungen ausübender Künstler) --
zu den Vergütungsansprüchen, die das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene
neue Urheberrechtsgesetz eingeführt hat, um Urheber und ausübende Künstler
an den Erträgen von unkontrollierbaren Massennutzungen ihrer Werke und
Darbietungen teilhaben zu lassen. Für diese Ansprüche sieht das Gesetz
zwingend die kollektive Verwertung vor: Sie können nur von zugelassenen
Verwertungsgesellschaften (Art. 40 ff. URG) geltend gemacht werden (Art. 13
Abs. 3, Art. 20 Abs. 4, Art. 35 Abs. 3 URG). Die Verwertungsgesellschaften,
die für diesen Aufgabenbereich unter Bundesaufsicht stehen (Art. 40 Abs. 1
lit. b und Art. 52 ff. URG), sind verpflichtet, gestützt auf entsprechende
Tarife (Art. 46 f. und 55 ff. URG) die Vergütungsansprüche wahrzunehmen
(Art. 44 URG) und ihre Verwertung nach festen Regeln und nach dem Gebot
der Gleichbehandlung zu besorgen (Art. 45 Abs. 2 URG).

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin ist eine zugelassene Verwertungsgesellschaft. Sie
ist aufgrund der Bewilligung des Bundesamtes für geistiges Eigentum vom
5. Juli 1993 zur Geltendmachung der Vergütungsansprüche aus den Art. 13,
20 und 22 URG befugt, soweit sie Werke der Literatur, der bildenden Kunst
und der Fotographie betreffen. Ihre Forderung gegen die Beklagte stützt
die Klägerin auf den Gemeinsamen Tarif 8/VI, der die Kopiervergütungen
für den Bereich der Dienstleistungsbetriebe regelt. Dieser Tarif sieht
in Ziffer 6.3.4 für Betriebe aus dem Treuhandwesen pauschale Vergütungen
vor, die nach der Anzahl der Angestellten abgestuft sind, deren Höhe
also nicht von der Kopiermenge abhängt. Beschäftigt ein Betrieb --
wie im vorliegenden Fall die Beklagte -- einen einzigen Angestellten,
so beträgt die Vergütung Fr. 30.-- im Jahr.

    Das Obergericht ist zum Schluss gelangt, die tarifgemässe
Pauschalvergütung sei ohne Rücksicht darauf geschuldet, ob geschützte
Werke kopiert werden. Damit erübrigte sich für die Vorinstanz ein
Beweisverfahren darüber, ob die Beklagte, wie sie behauptete, in der Tat
keine veröffentlichten Werke vervielfältigt. Die Beklagte macht geltend,
die Auffassung des Obergerichts verletze Bundesrecht, insbesondere die
Art. 9, 19 und 20 URG. Sinngemäss rügt sie zudem auch eine Verletzung
ihres bundesrechtlichen Beweisführungsanspruchs (Art. 8 ZGB; BGE 114 II
289 E. 2a S. 290 f., mit Hinweisen; vgl. auch 122 III 219 E. 3c S. 223).

    a) Das System der kollektiven Verwertung über Verwertungsgesellschaften
trägt den praktischen Schwierigkeiten Rechnung, mit denen die Erfassung
von Massennutzungen urheberrechtlich geschützter Werke verbunden ist. Da
sich diese Nutzungen der Kontrolle des Urhebers weitestgehend entziehen,
wäre für ihn eine individuelle Geltendmachung kaum durchführbar. Umgekehrt
wäre es auch für die Werknutzer kaum tragbar, die Vergütungsleistungen
für die einzelnen vergütungspflichtigen Werknutzungen mit den jeweiligen
Rechtsinhabern je separat abwickeln zu müssen (Botschaft vom 19. Juni
1989, BBl 1989 III 555; Botschaft vom 29. August 1984, BBl 1984 III
233). Die kollektive Wahrnehmung der Vergütungsansprüche soll einerseits
eine möglichst vollständige Erfassung der vergütungspflichtigen Nutzungen
gewährleisten und anderseits eine einfache, praktikable und berechenbare
Einziehung der Vergütungen ermöglichen, was nicht zuletzt auch im Interesse
der Werknutzer liegt (KASPAR SPOENDLIN, Zur Rechtsnatur und Bemessung
der urheberrechtlichen Vergütung, in: FS 100 Jahre URG, S. 390 f.;
CHRISTOPH GASSER, Der Eigengebrauch im Urheberrecht, Diss. Bern 1997,
S. 153; vgl. auch CARLO GOVONI, Die Bundesaufsicht über die kollektive
Verwertung von Urheberrechten, in: Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Basel, Bd. II/1, S. 383; BERNHARD WITTWEILER, Der
Geltungsbereich der schweizerischen Verwertungsgesetzgebung, Diss. Zürich
1988, S. 80 ff., insbes. 81 f.).

    Die Verwertungsgesellschaften haben für die von ihnen geforderten
Vergütungen Tarife aufzustellen (Art. 46 Abs. 1 URG), wobei sie gehalten
sind, über deren Gestaltung mit den massgebenden Nutzerverbänden zu
verhandeln (Art. 46 Abs. 2 URG). Sind mehrere Verwertungsgesellschaften
im gleichen Nutzungsbereich tätig, so stellen sie einen an einheitlichen
Grundsätzen ausgerichteten gemeinsamen Tarif auf und bezeichnen eine unter
ihnen als gemeinsame Zahlstelle (Art. 47 Abs. 1 URG). Der Tarif ist der
Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und
verwandten Schutzrechten (Art. 55 ff. URG; Art. 1 ff. der Verordnung über
das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 26. April 1993 [URV; SR
231.11]) zur Genehmigung vorzulegen (Art. 46 Abs. 3 URG; Art. 9 ff. URV).
Die Schiedskommission genehmigt den Tarif, wenn er in seinem Aufbau und
in den einzelnen Bestimmungen angemessen ist (Art. 59 Abs. 1 URG). Ihr
Entscheid kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden (Art. 74 Abs. 2 URG). Im Anschluss an die Genehmigung
ist der Tarif zu veröffentlichen (Art. 46 Abs. 3 URG).

    Rechtskräftig genehmigte Tarife sind nach Art. 59 Abs. 3 URG für die
Gerichte verbindlich. Diese Vorschrift dient der Rechtssicherheit. Sie soll
verhindern, dass ein von der Schiedskommission -- und gegebenenfalls auf
Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin vom Bundesgericht -- gutgeheissener Tarif
in einem Forderungsprozess gegen einen zahlungsunwilligen Werknutzer erneut
in Frage gestellt werden kann (BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht,
N. 10 zu Art. 59 URG; Botschaft 1989, aaO, S. 564; AB 1992 S. 383). Den
Zivilgerichten ist es daher verwehrt, einen rechtskräftig genehmigten Tarif
erneut auf seine Angemessenheit hin zu prüfen. Sie sind an das Ergebnis
der Angemessenheitsprüfung im Genehmigungsverfahren gebunden. Das bedeutet
indessen nicht, dass die Verwertungsgesellschaften befugt wären, gestützt
auf einen genehmigten Tarif vor den Zivilgerichten auch Vergütungsansprüche
geltend zu machen, die mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften unvereinbar
sind. Insbesondere ginge es nicht an, auf dem Umweg über einen genehmigten
Tarif eine Vergütungspflicht für Tätigkeiten einzuführen, die nach
dem Gesetz vergütungsfrei sind. Denn auch die Anwendung genehmigter
Tarife hat sich im Rahmen des Gesetzes zu halten. Blosses Tarifrecht
kann zwingendes Gesetzesrecht nicht einfach verdrängen (so aber VINCENT
SALVADÉ, Les droits à rémunération instaurés par la loi fédérale sur le
droit d'auteur et les droits voisins, sic! 1997, S. 454). Eine Auslegung
von Art. 59 Abs. 3 URG, welche die Normenhierarchie in dieser Weise auf
den Kopf stellte, würde über das Ziel hinausschiessen. Die mit Art. 59
Abs. 3 URG angestrebte Rechtssicherheit ist hinreichend gewährleistet,
wenn im zivilgerichtlichen Verfahren eine erneute Angemessenheitsprüfung
ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung, welche die Vorinstanz im
angefochtenen Urteil vertritt, bleiben somit die Zivilgerichte befugt
und verpflichtet, darüber zu wachen, dass aus den Tarifen im Einzelfall
keine gesetzwidrigen Vergütungsansprüche abgeleitet werden.

    b) Der Gemeinsame Tarif 8/VI, welcher der Klageforderung zugrunde
liegt, ist von der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von
Urheberrechten und verwandten Schutzrechten mit Beschluss vom 21. November
1995 genehmigt und am 9. Januar 1996 im Schweizerischen Handelsamtsblatt
veröffentlicht worden. Wie sich aus dem Genehmigungsbeschluss ergibt,
ist der Tarif aus Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Société
suisse des auteurs (SSA) einerseits und einer ganzen Reihe von
Nutzerorganisationen und -verbänden andererseits hervorgegangen. Der
Genehmigungsbeschluss ist in Rechtskraft erwachsen; er ist offenbar nicht
an das Bundesgericht weitergezogen worden. Damit ist der Tarif für die
Gerichte grundsätzlich verbindlich geworden. Von seiner Angemessenheit ist
daher im vorliegenden Verfahren auszugehen. Wenn die Beklagte behauptet,
das blosse Abstellen auf eine Mitarbeiterzahl sei keine sachgerechte
Lösung, sondern eine eher willkürliche Komponente, versucht sie in
unzulässiger Weise die im Tarif vorgesehene Pauschalvergütung als
unangemessen hinzustellen. Insoweit ist auf die Berufung nicht einzutreten.

    Zu prüfen bleibt hingegen, ob das Obergericht, wie die Beklagte
auch und in erster Linie geltend macht, den Gemeinsamen Tarif 8/VI in
einer Weise angewandt hat, die zu einem mit dem Gesetz unvereinbaren
Ergebnis führt. Eine Vergütung ist nach der gesetzlichen Regelung nur
für die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter, veröffentlichter
Werke geschuldet (Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 URG). Die
Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass sich mit vertretbarem Aufwand
gar nicht erfassen lässt, ob und in welchem Umfang die einzelnen Betreiber
von Kopiergeräten solche Werke vervielfältigen. Deshalb lässt das Gesetz an
die Stelle der genauen Erfassung eine auf Tarife gestützte schematische
Festlegung der Vergütungsansprüche treten (Art. 46 f. URG). Die
Tarifansätze beruhen auf denjenigen Annahmen über die durchschnittlichen
Mengen vergütungspflichtiger Kopien, die in den Verhandlungen zwischen
Verwertungsgesellschaften und Nutzerverbänden und im Genehmigungsverfahren
vor der Schiedskommission als sachgerecht und angemessen anerkannt
worden sind. Der Gemeinsame Tarif 8/VI rechnet grundsätzlich mit
einer Entschädigung von 3,5 Rappen pro vergütungspflichtige Kopie
(Ziff. 6.1; vgl. auch ERNST HEFTI, Die Tätigkeit der schweizerischen
Verwertungsgesellschaften, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, S. 509). Der Pauschalvergütung von jährlich Fr.
30.--, die für Treuhandbetriebe mit einem Angestellten vorgesehen ist,
liegt somit die Annahme zugrunde, dass in einem solchen Betrieb im Jahr
durchschnittlich 857 Kopien aus urheberrechtlich geschützten Werken
angefertigt werden. Von diesem Durchschnittswert wird die tatsächliche
Zahl der vergütungspflichtigen Kopien im Einzelfall mehr oder weniger
stark abweichen. Im einen Betrieb wird sie vielleicht ein Mehrfaches von
857 betragen; andernorts fällt möglicherweise während des ganzen Jahres
gar keine Kopie aus einem Buch, einer Zeitschrift oder einer Zeitung an.

    Solche Abweichungen haben bei der Anwendung des Tarifs indessen
ausser Betracht zu bleiben. Je nach Lage des Einzelfalls mag der pauschale
Tarifansatz zwar als mehr oder weniger unbefriedigend erscheinen. Auf der
anderen Seite sind Pauschalierungen aber unvermeidlich. Das Gesetz lässt
sie nicht nur zu, sondern gebietet sie auch. Denn die in den Art. 46 f. URG
vorgeschriebene tarifgestützte Abwicklung der Vergütungsleistungen kann
nur funktionieren, wenn auf anerkannte Durchschnittswerte abgestellt und
von den Besonderheiten des Einzelfalls abstrahiert wird. Anders ist die
vom Gesetz geforderte «geordnete und wirtschaftliche Verwaltung» (Art. 45
Abs. 1 URG) nicht zu bewerkstelligen. Die damit verbundenen Ungenauigkeiten
sind in Kauf zu nehmen. Das muss auch dann gelten, wenn in einem Betrieb
-- wie dies die Beklagte für den ihren behauptet -- während der ganzen
massgebenden Zeitspanne keine vergütungspflichtigen Kopien hergestellt
worden sind. Eine Ausnahme rechtfertigt sich hier ebenso wenig wie dort,
wo die kopierten Textseiten aus geschützten Werken ein Mehrfaches des
Durchschnittswerts erreichen, der dem tarifmässigen Pauschalansatz
zugrunde liegt. Die Vorinstanz weist im Übrigen mit Recht darauf hin,
dass es im Grenzfall von einigen wenigen oder gar von einer einzigen
Kopie abhängt, ob geschützte Werke kopiert werden oder nicht. Solche
marginalen Unterschiede fallen jedoch nicht ins Gewicht, wenn man sie mit
den Ungenauigkeiten vergleicht, die sich bei Pauschalvergütungen ohnehin
ergeben und die Hunderte, wenn nicht Tausende von Kopien umfassen können.

    c) Dem Obergericht ist somit darin beizupflichten, dass der Einwand der
Beklagten, in ihrem Betrieb seien während der Jahre 1995 und 1996 überhaupt
keine urheberrechtlich geschützten, veröffentlichten Werke kopiert worden,
nicht gehört werden kann und folglich auch keiner beweismässigen Abklärung
bedarf. Das angefochtene Urteil verstösst nicht gegen Bundesrecht, sondern
steht gegenteils im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben, an denen sich
die Verwertungsgesellschaften bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus
unkontrollierbaren Massennutzungen auszurichten haben. Was die Beklagte
in ihrer Berufung vorbringt, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
Unbehelflich ist namentlich das zentrale Argument der Beklagten, der
Urteilsspruch des Obergerichts laufe darauf hinaus, dass sie letztlich
für Handlungen, die nach dem Gesetz vergütungsfrei sind, insbesondere
für die Vervielfältigung ihrer eigenen Erzeugnisse, bezahlen müsse. Das
trifft nicht zu. Falls die Beklagte in der Tat, wie sie behauptet,
überhaupt keine urheberrechtlich geschützten, veröffentlichten Werke
kopiert haben sollte, so ist der Gegenwert für die von ihr zu leistenden
Vergütungen vielmehr darin zu sehen, dass ihr -- aufgrund der in Art. 19
Abs. 1 lit. c URG verankerten gesetzlichen Lizenz (BARRELET/EGLOFF, aaO,
N. 2 zu Art. 19 URG) -- zumindest die Möglichkeit offen stand, solche
Kopien anzufertigen, und zwar ohne mengenmässige Begrenzung. Damit fällt
die Argumentation der Beklagten in sich zusammen. Wer -- wie die Beklagte
-- ein Kopiergerät betreibt und von einem Pauschaltarif erfasst wird,
ist ohne Rücksicht auf die Zahl der tatsächlich angefertigten Kopien aus
geschützten Werken vergütungspflichtig, dafür aber auch unabhängig vom
Betrag der zu leistenden Vergütungen uneingeschränkt nutzungsberechtigt.

    d) Im Übrigen ist der Einsatz von Kopiergeräten heute derart verbreitet
und selbstverständlich, dass sich mancher Nutzer wohl gar nicht mehr
bewusst ist, dass er in die Rechte von Urhebern eingreift, sobald er
einen Text oder Textausschnitt aus einer Zeitung, einer Zeitschrift oder
einem Buch kopiert, um ihn einem Arbeitskollegen zur Kenntnis zu bringen
oder um ihn in einem Ordner, in einer Dokumentationsmappe oder in einem
Kundendossier abzulegen und greifbar zu halten. Solche Werknutzungen
sind jedoch gerade in der Treuhandbranche aus einem zeitgemässen
Geschäftsbetrieb kaum mehr wegzudenken. Zur fachgerechten Erbringung
der angebotenen Dienstleistungen dürfte es regelmässig unabdingbar
sein, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und in Kundenberatung und
Auftragsausführung mitzuberücksichtigen. Treuhandunternehmen werden
deshalb kaum mehr darum herumkommen, moderne Kopiertechnik auch für
die betriebsinterne Dokumentation einzusetzen. Es liegt auf der Hand,
dass dabei -- bewusst oder unbewusst -- in nicht unerheblichem Umfang
urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigt werden.