Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 113



125 III 113

22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Februar 1999 i.S.
B. AG. gegen div. Stockwerkeigentümer (Berufung) Regeste

    Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten bei Stockwerkeigentum
(Art. 712a Abs. 1 ZGB und Art. 839 Abs. 2 ZGB).

    Bei einer aus mehreren Häusern bestehenden und auf einem einzigen
Grundstück errichteten Überbauung, welche in Stockwerkeigentum
aufgeteilt ist, sind die Bauhandwerkerpfandrechte für Bauleistungen an
gemeinschaftlichen Bauteilen anteilsmässig allen Miteigentumsanteilen
zu belasten. Dies gilt auch dann, wenn die pfandgeschützte Bauleistung
praktisch ausschliesslich für ein einziges Gebäude der Überbauung erbracht
wird (E. 3a).

    Die Frist für die Eintragung der Pfandrechte läuft für alle
Stockwerkeinheiten der Überbauung einheitlich, wenn der gleiche Unternehmer
aufgrund eines einzigen Werkvertrages sukzessive eine zusammengehörende
Bauleistung für die verschiedenen Gebäude der Überbauung erbringt (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Auf dem Grundstück Nr. 2241 befindet sich die Überbauung «S.»,
welche aus sieben Mehrfamilienhäusern (Häuser A-G) sowie einer zentralen
Unterniveaugarage besteht. Die Häuser sind in Stockwerkeinheiten aufgeteilt
(GB-Nr. 2242 - 2308); die Garage (GB-Nr. 2309) steht im Miteigentum der
Stockwerkeigentümer. Ab April 1994 lieferte die B. AG der Bauunternehmung
E. AG Frischbeton, Mörtel, Sand, Sickergeröll und Abbruchgranulat.
Ausserdem stellte sie Mulden für den Bauschutt zur Verfügung und besorgte
dessen Abtransport. Ab Mai 1995 bezahlte die Bauunternehmung E. AG die
Rechnungen der B. AG nicht mehr und fiel am 29. Januar 1996 in Konkurs.

    B.- Für den ungedeckt gebliebenen Teil ihrer Forderung in der Höhe
von insgesamt Fr. 100'528.95 zuzüglich Verzugszins beantragte die
B. AG dem zuständigen Gerichtspräsidium die vorsorgliche Eintragung
von Bauhandwerkerpfandrechten auf den einzelnen Stockwerkeinheiten. Mit
superprovisorischer Verfügung vom 27. Dezember 1995 entsprach der Präsident
des Bezirksgerichts dem Begehren und wies das Grundbuchamt zur vorläufigen
Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte auf allen Stockwerkeinheiten
der sieben Mehrfamilienhäuser (Nr. 2242-2308) und der im Miteigentum
stehenden Tiefgarage (Nr. 2309) an. Gleichentags vollzog das Grundbuchamt
die vorläufige Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte. Nach Anhörung der
Gegenpartei wurde die Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte mit Entscheid
des Präsidenten des Bezirksgerichts vom 24. Mai 1996 vorläufig bestätigt.

    C.- Am 7. Oktober 1996 erhob die B. AG beim Handelsgericht des Kantons
Aargau Klage und beantragte im Wesentlichen die definitive Eintragung
der Pfandrechte. Mit Urteil vom 26. Juni 1998 hiess das Handelsgericht
die Klage teilweise gut und ordnete zugunsten der B. AG die definitive
Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte auf den Grundstücken Nr. 2300-2308
für eine Pfandsumme von insgesamt Fr. 12'435.45 an; die geltend gemachten
Verzugs-zinsen wurden nicht berücksichtigt. Im Übrigen wurde die Klage
abgewiesen und das Grundbuchamt angewiesen, die auf den Grundstücken Nr.
2242-2299 und 2309 vorläufig eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte
zu löschen.

    D.- Mit Berufung vom 21. September 1998 beantragt die B. AG dem
Bundesgericht im Wesentlichen, die Bauhandwerkerpfandrechte auf allen
Grundstücken definitiv einzutragen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Zunächst ist zu prüfen, ob es sich bei den von der Klägerin
erbrachten Arbeiten und Materiallieferungen um Leistungen handelt, für
die ein Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen werden kann.

    a) Das Handelsgericht hat verbindlich festgehalten, dass die Klägerin
seit dem 27. September 1995 2m3 Frischbeton, 31m3 Auffüllmaterial
und ca. 3,5m3 Mörtel geliefert habe. Mit diesem Material seien
der Kanalisationsanschluss für das Haus G erstellt sowie Auffüll-
und Zuputzarbeiten ausgeführt worden. Der Einwand der Beklagten,
diesbezüglich handle es sich nicht um Bauleistungen, die durch ein
Bauhandwerkerpfandrecht geschützt seien, ist unbegründet. Ein Pfandrecht
kann geltend gemacht werden für Forderungen, die sich aus der Lieferung
von Arbeit oder von Material und Arbeit ergeben (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3
ZGB). Als pfandgeschützte Baulieferung gilt nach der Rechtsprechung
auch eine eigens für den Bau hergestellte und angepasste Sache, so zum
Beispiel die Lieferung von Frischbeton (BGE 104 II 348 E. II/1 S. 351
m.w.H.; vgl. auch BGE 111 II 343 E. 2a S. 344 f.). Pfandberechtigt ist
aber auch die Forderung, die sich aus der Lieferung von Auffüllmaterial
ergibt. Auch wenn es sich diesbezüglich um eine reine Materiallieferung
gehandelt haben sollte, die für sich allein genommen nicht pfandgeschützt
wäre, kann dennoch ein Bauhandwerkerpfandrecht geltend gemacht werden,
wenn die Materiallieferungen von einem Unternehmer geleistet werden,
der wie im vorliegenden Fall zugleich auch typische pfandgeschützte
Leistungen erbracht hat (Rainer Schumacher, Das Bauhandwerkerpfandrecht,
2. Auflage 1982, Nr. 145 und 194 f.).

    b) Umstritten ist sodann auch, ob es sich bei den seit dem
27. September 1995 erbrachten Bauleistungen noch um Vollendungsarbeiten
handelte, oder ob von geringfügigen Arbeiten auszugehen sei, welche
die dreimonatige Frist gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB nicht auszulösen
vermochten. Nach der Rechtsprechung gelten Bauarbeiten grundsätzlich dann
als vollendet, wenn alle Verrichtungen, die Gegenstand des Werkvertrages
bilden, ausgeführt sind. Nicht in Betracht fallen dabei geringfügige
oder nebensächliche, rein der Vervollkommnung dienende Arbeiten oder
Ausbesserungen wie der Ersatz gelieferter, aber fehlerhafter Teile oder
die Behebung anderer Mängel (BGE 101 II 253 S. 255). Geringfügige Arbeiten
gelten aber dann als Vollendungsarbeiten, wenn sie unerlässlich sind;
insoweit werden Arbeiten weniger nach quantitativen als vielmehr nach
qualitativen Gesichtspunkten gewürdigt (BGE 106 II 22 E. 2b und c S. 25
f. m.w.H.; BGE 102 II 206 E. 1/b/aa S. 209). Im vorliegenden Fall diente
der am 27. September 1995 gelieferte Frischbeton der Fertigstellung des
Kanalisationsanschlusses, und das Auffüllmaterial wurde für die Zuschüttung
des Kanalisationsgrabens verwendet. Wohl handelte es sich - gemessen am
Umfang der gesamten vertraglichen Leistung - um geringfügige Mengen. Doch
bildeten nicht nur die Kanalisationsverbindung selber zwischen dem Haus
und dem Sammelkanal, sondern auch deren dauerhafte Einbettung mittels
Frischbeton sowie das Zuschütten des Grabens für die Werkvollendung
unerlässliche Arbeiten.

    c) Im Zusammenhang mit der Fristwahrung kann daher dahingestellt
bleiben, ob auch die am 26. September 1995 gelieferten 3 m3
Frischbeton zu berücksichtigen sind. Wie sich ergeben hat, wurden die
Bauhandwerkerpfandrechte zur Sicherung der Forderungen für die Lieferung
von Frischbeton rechtzeitig im Grundbuch eingetragen.

Erwägung 3

    3.- Im Folgenden ist zu prüfen, ob das Bauhandwerkerpfandrecht bei
der Überbauung einer Parzelle mit mehreren Baukörpern auf sämtliche
Miteigentumsanteile der Gesamtüberbauung bzw. nur auf einzelne
Stockwerkeinheiten oder allenfalls eine Gruppe von solchen umgelegt
werden kann (nachfolgend lit. a). Anschliessend ist zu prüfen, ob bei
einer Überbauung mit mehreren Baukörpern die Frist für die provisorische
Eintragung einheitlich oder gesondert nach Objekten zu laufen beginnt
(nachfolgend lit. b).

    a) Der Gesetzgeber hat das Stockwerkeigentum so ausgestaltet,
dass jeder Stockwerkeigentümer einen Miteigentumsanteil am Grundstück
insgesamt hat; zusätzlich steht ihm ein Sonderrecht zu, wonach er
bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich benützen und innen
ausbauen kann (Art. 712a Abs. 1 ZGB). Aufgrund dieser sachenrechtlichen
Ausgestaltung wachsen nach dem Akzessionsprinzip Arbeitsleistungen und
Materiallieferungen des Bauhandwerkers wertmässig unmittelbar der im
Miteigentum der Stockwerkeigentümer stehenden Liegenschaft an. Dies
gilt unabhängig davon, welchen unmittelbaren Nutzen durch Gebrauch der
einzelnen Stockwerkeigentümer daraus zieht. Nach der Rechtsprechung
hat daher das Bauhandwerkerpfandrecht in Bezug auf Bauleistungen für
gemeinschaftliche Bauteile bei den Miteigentumsanteilen insgesamt,
d.h. bei der im Miteigentum stehenden Sache anzuknüpfen (BGE 111 II 31
E. 4a S. 35 f.). Wenn von einem Bauhandwerker hingegen wertvermehrende
Leistungen zum Zweck der individuellen Ausgestaltung einer Stockwerkeinheit
erbracht werden, sind sie trotz des Akzessionsprinzips dem einzelnen
Miteigentumsanteil zuzurechnen, und die Forderung des Bauhandwerkers
kann nur durch ein Baupfand auf einem bestimmten Miteigentumsanteil
gesichert werden (BGE 111 II 31 E. 4b S. 36 mit Hinweisen). Diese Ausnahme
gilt nicht nur für den Sonderausbau, sondern auch für Bauleistungen im
Zusammenhang mit dem Standardausbau einer Stockwerkeinheit (BGE 112 II
214 E. 4 S. 218 ff.).

    Im vorliegenden Fall betrafen die Bauarbeiten der Klägerin nach den
Feststellungen der Vorinstanz den Kanalisationsanschluss sowie Zuputz- und
Auffüllarbeiten. Es handelte sich nicht um Investitionen in Stockwerke,
sondern um Bauleistungen an gemeinschaftlichen Bauteilen. Aus solchen
Investitionen resultierende Wertvermehrungen können nicht einzelnen
Stockwerkeinheiten angerechnet werden. Vielmehr fallen sie der
Liegenschaft als Ganzes an, was zu einer anteilsmässigen Umlegung des
Bauhandwerkerpfandes auf sämtliche Miteigentumsanteile führt. Nichts
anderes kann für den vorliegenden Fall gelten, bei dem eine Parzelle
mit mehreren Objekten überbaut und die in Frage stehende Bauleistung
nicht für die gesamte - aus sieben Mehrfamilienhäusern bestehende -
Überbauung, sondern nur für ein oder jedenfalls in erster Linie für ein
Objekt erbracht wurde. Es rechtfertigt sich nicht, die Eintragung der
Bauhandwerkerpfandrechte nur auf die Wohnungen desjenigen Baukörpers zu
beschränken, für welchen die fraglichen Bauleistungen ausschliesslich
oder zumindest mehrheitlich erbracht wurden. Im Unterschied zu
Investitionen in Stockwerke kann der Mehrwert in diesem Fall nicht
bestimmten Stockwerkeinheiten und insoweit Grundstücken im Sinn von
Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB zugerechnet werden; vielmehr betreffen sie ein
Bauwerk, das kein Grundstück, sondern als Sacheinheit Teil eines solchen
ist. Das Bauhandwerkerpfandrecht knüpft daher weder bei der einzelnen
Stockwerkeinheit noch objektbezogen bei einer Gruppe von solchen an,
sondern bei den Miteigentumsanteilen der gesamten Überbauung. Allein die
Tatsache, dass eine Überbauung mehrere Baukörper umfasst, rechtfertigt auch
unter dem Gesichtspunkt des berechtigten Schutzes der Stockwerkeigentümer
keine weitere Durchbrechung des Akzessionsprinzips. Der einzelne Eigentümer
findet Schutz durch den nach Objekt gesonderten Fristenlauf, falls die
Bauleistungen z.B. wegen grösserer zeitlicher Verzögerungen nicht in
einem Zug erbracht werden. In solchen Fällen kann sich ein erst spät
eingetragenes Bauhandwerkerpfandrecht nicht auch auf Forderungen für
lange vorher fertigerstellte Baukörper stützen; entsprechend tiefer fällt
dann die - zwar auf alle Miteigentumsanteile anteilsmässig umzulegende -
Pfandbelastung aus.

    b) Nachdem sich ergeben hat, dass das Baupfand auf allen
Stockwerkeinheiten der Gesamtüberbauung einzutragen ist, gilt es im
Folgenden zu prüfen, ob die Frist für die provisorische Eintragung
einheitlich oder gesondert nach Objekten zu laufen beginnt. Die
seit dem 27. September 1995 erbrachten Bauleistungen betrafen das
Haus G, so dass mit der provisorischen Eintragung die 3monatige Frist
jedenfalls hinsichtlich der Pfandrechte eingehalten wurde, welche auf den
Stockwerkeinheiten dieses Hauses eingetragen wurden. Hingegen stellt sich
die Frage, ob eine gesonderte 3monatige Frist für allfällige seit Mai
1995 erbrachte Bauleistungen, welche die anderen Häuser der Überbauung
betrafen, zu beachten ist.

    Gemäss Art. 839 Abs. 2 ZGB hat die Eintragung bis spätestens
drei Monate nach der Vollendung der Arbeit zu geschehen. Nach der
Rechtsprechung beginnt bei einer Überbauung mit mehreren Häusern die
gesetzliche Eintragungsfrist für jedes Gebäude selbständig mit dessen
Vollendung zu laufen. Wenn aber für mehrere Gebäude auf einem einzigen
Grundstück vom gleichen Unternehmer aufgrund eines einzigen Werkvertrages
eine zusammengehörende Bauleistung sukzessive erbracht wird, liegt eine
einheitliche Leistung vor, für die eine einheitliche Eintragungsfrist gilt.
Dies trifft namentlich für die sukzessive Lieferung von Frischbeton zu
(BGE 111 II 343 E. 2c S. 345 mit Hinweisen).

    Aufgrund dieser Kriterien weist die Klägerin zu Recht darauf hin,
dass ihre sukzessiven Betonlieferungen sowie die übrigen Bauleistungen -
Lieferung von Sand, Sickergeröll und Abbruchgranulat sowie Abtransport
des Bauschutts - als einheitliche Bauleistung zu qualifizieren sind. Die
Überbauung «S.», die sieben Häuser und eine Tiefgarage umfasst, steht auf
einer einzigen Parzelle. Die in Frage stehenden Bauleistungen beruhten auf
demselben Werkvertrag und wurden vom gleichen Unternehmen erbracht. Die
Überbauung wurde innert kurzer Zeit von Frühjahr 1994 bis Herbst 1995
realisiert. Entgegen der Auffassung des Handelsgerichts ändert der Umstand
nichts am einheitlichen Fristenlauf, dass die Überbauung in drei Etappen
erstellt wurde, weil nach den verbindlichen Feststellungen die Tiefgarage
parallel zu den sieben Mehrfamilienhäusern gebaut wurde und weil sich
die Arbeiten der einzelnen Etappen in zeitlicher Hinsicht überlappten,
indem mit dem Bau des Hauses G begonnen wurde, als die Rohbauten der
zweiten Etappe etwa zu zwei Dritteln abgeschlossen waren. Abgesehen davon
versteht es sich von selbst, dass bei grösseren Überbauungen nicht alle
Baukörper gleichzeitig erstellt werden können. Schliesslich kann auch
der Umstand nicht massgebend sein, dass die Überbauung mehrere Häuser
umfasst; in der Rechtsprechung wurde bereits darauf hingewiesen, dass oft
architektonische Zufälligkeiten oder planerische Gründe dafür massgebend
sind, dass Stockwerkeigentum auf mehreren Bauten auf einer Parzelle anstatt
in einem grossen Baukörper erstellt werden (BGE 111 II 343 E. 2a S. 344).

    Unter Berücksichtigung aller in Betracht fallender Umstände kann
nicht davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf Bauleistungen, die für
die einzelnen Gebäude der Überbauung «S.» erbracht worden sind, je eine
unterschiedliche Eintragungsfrist zu beachten gewesen wäre. Vielmehr ist
von einer einheitlichen Bauleistung und damit von einer einheitlichen
Eintragungsfrist auszugehen, so dass die Frist mit der provisorischen
Eintragung nicht nur für die Stockwerkeinheiten des Hauses G, sondern für
alle Wohnungen der ganzen Überbauung eingehalten wurde. Damit kann offen
bleiben, ob alle seit Mai 1995 erbrachten Bauleistungen ausschliesslich
das Haus G betrafen.

    c) Insgesamt ergibt sich somit, dass die Pfandforderung von
Fr. 100'528.95 auf allen Stockwerkeinheiten der Überbauung «S.» eingetragen
werden muss. Insoweit wird die Berufung gutgeheissen.