Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 V 377



124 V 377

64. Auszug aus dem Urteil vom 15. Dezember 1998 i.S. Arbeitslosenkasse des
Kantons Luzern gegen P. und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Regeste

    Art. 24 Abs. 2 AVIG; Art. 41a Abs. 3 AVIV. Die Umschreibung in
Art. 41a Abs. 3 AVIV "ein Arbeitsverhältnis, das weniger als ein Jahr
unterbrochen war" umfasst auch Arbeitsverhältnisse, die ohne Unterbruch
weitergeführt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern stellte die
Beschwerdegegnerin für 15 Tage in der Anspruchsberechtigung ein mit der
Begründung, durch die Ablehnung der Weiterführung des Arbeitsverhältnisses
zu 50% habe sie die Arbeitslosigkeit mindestens teilweise selber
verschuldet. Mit der Annahme des angebotenen Teilpensums hätte sie
zur Schadenminderung beitragen können, zumal der Verdienstausfall
bis zum Finden einer neuen Stelle im Rahmen von Art. 24 AVIG mit
Kompensationszahlungen übernommen worden wäre.

    b) Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vertrat demgegenüber die
Auffassung, die Beschwerdegegnerin hätte keine Kompensationsleistungen
beanspruchen können, weshalb ihr die Weiterführung des bisherigen
Arbeitsverhältnisses mit reduziertem Pensum nicht zumutbar gewesen
wäre. Von der Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen
selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit sei daher abzusehen.

    c) Dieser Auffassung der Vorinstanz kann - wie auch das Bundesamt
für Wirtschaft und Arbeit in seiner Vernehmlassung überzeugend darlegt -
nicht beigepflichtet werden.

    aa) Gemäss Art. 24 Abs. 2 AVIG hat der Versicherte innerhalb
der Rahmenfrist für den Leistungsbezug Anspruch auf Ersatz des
Verdienstausfalls für Tage, an denen er einen Zwischenverdienst erzielt.
Kein Anspruch besteht, wenn das Arbeitsverhältnis unterbrochen oder
ununterbrochen zwischen den gleichen Parteien fortgesetzt wird. Durch
den vierten Satz des Art. 24 Abs. 2 AVIG wird dem Bundesrat die
Kompetenz eingeräumt, Minimalvorschriften für die Anrechenbarkeit
eines Zwischenverdienstes zu erlassen. Gemäss der begriffserläuternden
Verordnungsbestimmung von Art. 41a Abs. 3 AVIV besteht kein Anspruch
auf Kompensationszahlungen, wenn ein Arbeitsverhältnis, das weniger als
ein Jahr unterbrochen war, zwischen den gleichen Parteien fortgesetzt
wird unter der Bedingung, dass die Arbeitszeit reduziert wird und die
damit verbundene Lohnkürzung überproportional ist (lit. a), oder dass
die Arbeitszeit beibehalten, aber der Lohn reduziert wird (lit. b).

    bb) Das Institut des Zwischenverdienstes soll - wie auch der
Vernehmlassung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit entnommen
werden kann - Anreize zur Annahme von unzumutbarer Arbeit bieten, welche
zwar die Arbeitslosigkeit nicht beendet, jedoch den Schaden mindert. Die
Zwischenverdienstregelung darf jedoch nicht zur Lohnsubvention degenerieren
(nicht veröffentlichte Erläuterungen des BIGA zur AVIV-Revision vom 21.
September 1995, Kommentar zu Art. 41a Abs. 3). Vielmehr sollten mit dieser
Regelung die im Zusammenhang mit der bisherigen Zwischenverdienstregelung
aufgetretenen Missbräuche unterbunden werden, indem Arbeitgeber die
von ihnen entlassenen Arbeitnehmer "sofort zu tieferen Löhnen wieder
einstellen und die Lohndifferenz auf die Arbeitslosenversicherung abwälzen"
(Amtl.Bull. 1994 S 313 [Votum Beerli, Berichterstatterin der Kommission];
im gleichen Sinne Amtl.Bull. 1994 N 1589 [Votum Fasel]; vgl. auch
GERHARDS, Grundriss des neuen Arbeitslosenversicherungsrechts, S. 122
Rz. 118). Es ist nicht Sinn und Zweck der Zwischenverdienstregelung,
Praktiken zu begünstigen, die darauf hinauslaufen, zu Lasten der
Arbeitslosenversicherung einen teilweisen Lohnverzicht zu erreichen. Der
Gesetzgeber hat deshalb das Kriterium der fehlenden (unterbrochenen
oder ununterbrochenen) Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwischen
den gleichen Parteien - im Gegensatz zu demjenigen der Berufs- und
Ortsüblichkeit des aus einem Zwischenverdienst erzielten Lohnes -
als Anspruchsvoraussetzung formuliert, obwohl beide demselben Zweck -
Bekämpfung von Missbräuchen im Sinne der Lohndrückerei - dienen.

    Art. 41a Abs. 3 AVIV lässt indessen unter gewissen Bedingungen die
Ausrichtung von Kompensationszahlungen bei Arbeitsverhältnissen zwischen
den gleichen Parteien, die weniger als ein Jahr unterbrochen wurden, zu.

    cc) Festzuhalten ist, dass hinsichtlich der Umschreibung
des Arbeitsverhältnisses Gesetz und Verordnung inhaltlich nicht
übereinstimmen. Art. 24 Abs. 2 AVIG spricht von "unterbrochen und
ununterbrochen" (gemäss französischem Text: "avec ou sans interruption";
gemäss italienischem Text: "con o senza interruzione"), Art. 41a Abs. 3
AVIV von "weniger als ein Jahr unterbrochen" (gemäss französischem Text:
"interrompu pendant moins d'un an"; gemäss italienischem Text: "interrotto
prima dello scadere di un anno"). Zudem fällt bei der Auslegung der
Verordnungsbestimmung auf, dass im Wortlaut eine Diskrepanz zwischen
dem deutschen und französischen Text einerseits und der italienischen
Fassung anderseits besteht, indem einerseits von "weniger als ein Jahr
unterbrochen", anderseits von "vor Ablauf eines Jahres unterbrochen" die
Rede ist. Bei der grammatikalischen Auslegung ist von der grundsätzlichen
Gleichwertigkeit der drei Amtssprachen auszugehen (Art. 9 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 21. März 1986 über die Gesetzessammlungen und das
Bundesblatt; SR 170.512). Stimmen die drei verschiedenen sprachlichen
Versionen nicht vollständig überein oder widersprechen sie sich gar, kann
dieser Auslegungsmethode nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden
(BGE 121 V 24 Erw. 4b mit Hinweisen).

    Vorliegend ist gestützt auf den Gesetzestext in allen drei Sprachen
davon auszugehen, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse gemeint sind,
die nach einer Änderungskündigung fortgesetzt werden. Aus diesem Grund
und insbesondere auch aus Sinn und Zweck der Regelung ist demzufolge der
deutschen und französischen Version der Verordnungsbestimmung der Vorzug zu
geben und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu schliessen,
dass die Umschreibung "ein Arbeitsverhältnis, das weniger als ein Jahr
unterbrochen war" auch Arbeitsverhältnisse mitumfasst, die ohne Unterbruch
weitergeführt werden (vgl. auch NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung,
in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR] S. 129 Rz. 341).

    dd) Da vorliegend unbestrittenermassen einzig die Reduktion
des Arbeitspensums verbunden mit einer proportionalen Lohnkürzung
zur Diskussion stand, ist - wie die Arbeitslosenkasse in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend darlegt - keine der beiden
erwähnten Bedingungen erfüllt, so dass der Beschwerdegegnerin
bei Weiterführung des Arbeitsverhältnisses zu 50% ein Anspruch auf
Kompensationszahlungen zugestanden hätte. Die angebotene Reduktion auf
ein Teilpensum wäre ihr demzufolge unter dem Aspekt von Art. 16 Abs. 2
lit. i AVIG zumutbar gewesen, weshalb sie die Arbeitszeitreduktion bis
zum Finden einer neuen Stelle als Beitrag zur Schadenminderung hätte
akzeptieren müssen (vgl. BGE 122 V 39 Erw. 4 f.; ARV 1998 Nr. 9 S. 41). Aus
dem Umstand, dass die Versicherte vom Anspruch auf Kompensationszahlungen
keine Kenntnis hatte, kann sie nichts zu ihren Gunsten ableiten (BGE 124
V 220 Erw. 2b/aa mit Hinweisen).

    d) Abschliessend lässt sich demzufolge festhalten, dass die Einstellung
in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit
zu Recht erfolgt ist (zum Gegenstand der Einstellung vgl. BGE 122 V
34, bestätigt unter dem ab 1. Januar 1996 geltenden Recht mit nicht
veröffentlichtem Urteil B. vom 26. November 1998).