Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 V 321



124 V 321

53. Auszug aus dem Urteil vom 28. September 1998 i.S. H. gegen IV-Stelle
des Kantons Thurgau und AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau Regeste

    Art. 28 Abs. 2 IVG; Art. 18 Abs. 2 UVG; Art. 40 Abs. 4 MVG:
Invaliditätsbemessung unter Beizug der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
des Bundesamtes für Statistik. Ergebnisse der 1994 an die Stelle
der bisherigen Lohn- und Gehaltserhebung ("Oktoberlohnerhebung") des
Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit getretenen Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik. Für den
Verwendungszweck des Einkommensvergleichs ist nicht auf die im Anhang
enthaltene Statistik der Lohnbeträge (effektive Nettolöhne; Tabellengruppe
B), sondern auf diejenige der Lohnsätze (standardisierte Bruttolöhne;
Tabellengruppe A) abzustellen, wobei jeweils vom Median (Zentralwert)
auszugehen ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) aa) Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung
zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen)
können nach der Rechtsprechung Tabellenlöhne beigezogen werden;
dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherte nach Eintritt des
Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihm an sich zumutbare neue
Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (ZAK 1991 S. 321 Erw. 3c, 1989 S. 458 Erw.
3b; Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung, Diss.
Freiburg 1995, S. 215). Das Eidg. Versicherungsgericht stellte zu diesem
Zweck jeweils auf die Oktoberlohnerhebung des Bundesamtes für Industrie,
Gewerbe und Arbeit ab. Diese Publikation ist indes letztmals für 1993
herausgegeben und im Jahre 1994 von der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) abgelöst
worden, welche künftig im Zweijahresrhythmus erscheinen soll. Die primäre
Zielsetzung dieser neuen - aus erhebungstechnischen Gründen nicht mit
der bisherigen Oktoberlohnerhebung vergleichbaren - LSE besteht darin,
repräsentative Lohninformationen für die gesamte Schweiz bereitzustellen.
Sie umfasst unselbständige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus
Unternehmen aller Grössenklassen und Branchen des nichtlandwirtschaftlichen
Bereichs (Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, freie Berufe,
Sozialversicherung, Organisationen ohne Erwerbscharakter) inklusive
Gartenbau; die öffentliche Verwaltung konnte für das Erhebungsjahr 1994
vorerst nur auf der Ebene Bund (inklusive PTT und SBB) berücksichtigt
werden. Im Unterschied zur alten Oktoberlohnerhebung werden in der LSE
anstelle von Lohnsummen die individuellen Löhne der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer erfasst; neu werden auch die Teilzeitbeschäftigten und Kader
aller Stufen mitberücksichtigt. Die Ergebnisse der LSE machen deutlich,
dass die Höhe des Lohnes ganz wesentlich durch das Anforderungsniveau
des Arbeitsplatzes, aber auch durch die Ausbildung, die berufliche
Stellung und die Art der Tätigkeit bestimmt wird. Eine Analyse der
erhobenen Daten dokumentiert sodann den Einfluss persönlicher Merkmale
wie Geschlecht, Anzahl Dienstjahre, Lebensalter und Nationalität auf die
Lohnhöhe (LSE S. 17 ff.). Tabelle 13* der LSE zeigt schliesslich auf,
dass Teilzeitbeschäftigte in der Regel überproportional weniger verdienen
als Vollzeitangestellte.

    Der Tabellenteil im Anhang der LSE enthält neben der Statistik der
Lohnbeträge (effektive Nettolöhne, Gruppe B) im Rahmen der Tabellengruppe
A eine Statistik der Lohnsätze, d.h. der standardisierten Bruttolöhne. Auf
letztere ist für den Verwendungszweck des Einkommensvergleichs abzustellen,
wobei jeweils vom Zentralwert (Median) auszugehen ist, der bei der
Lohn(einkommens)verteilung in der Regel tiefer liegt als das arithmetische
Mittel ("Durchschnittslohn") und im Vergleich dazu gegenüber dem Einbezug
von Extremwerten (sehr tiefe oder hohe Lohnangaben) relativ robust ist (LSE
S. 9). Bei der Anwendung der Tabellengruppe A gilt es zu berücksichtigen,
dass ihr generell eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zugrunde liegt,
welcher Wert etwas tiefer ist als die betriebsübliche durchschnittliche
Arbeitszeit für 1994 von 41,9 Stunden (vgl. S. 42 der LSE).

    bb) Laut Tabelle A 1.1.1. der LSE 1994 belief sich der Zentralwert
für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforderungsniveau
4) beschäftigten Männer im privaten Sektor (bei einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden) im Jahre 1994 auf 4'127 Franken, was bei
Annahme einer betriebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,9
Stunden ein Gehalt von monatlich 4'323 Franken oder 51'876 Franken
im Jahr ergibt. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass gesundheitlich
beeinträchtigte Personen, die selbst bei leichten Hilfsarbeitertätigkeiten
behindert sind, im Vergleich zu voll leistungsfähigen und entsprechend
einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind und deshalb
in der Regel mit unterdurchschnittlichen Lohnansätzen rechnen müssen
(vgl. nicht publizierte Erw. 4b des Urteils BGE 114 V 310; AHI
1998 S. 177 Erw. 3a). Vorliegend erscheint die Annahme eines um 15%
verminderten Tabellenlohnes als angemessen, da der Beschwerdeführer
auch in den noch zumutbaren Verweisungstätigkeiten durch Störungen in
der Feinmotorik und der Koordination der rechtsseitigen Extremitäten
beeinträchtigt ist. Daraus resultiert bei der gegebenen Arbeitsfähigkeit
von 60% ein Invalideneinkommen von 26'457 Franken. Verglichen mit dem
hypothetischen Einkommen ohne Invalidität von 82'865 Franken ergibt sich
ein Invaliditätsgrad von 68% (...).