Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 V 301



124 V 301

50. Urteil vom 30. Juni 1998 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
gegen U. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 15 Abs. 3 UVG; Art. 24 Abs. 3 UVV; Art. 26 Abs. 1 IVV:
Versicherter Verdienst für die Bemessung der Invalidenrente eines
Schnupperlehrlings. Hinsichtlich des versicherten Verdienstes eines
Schnupperlehrlings weist die UVV eine echte Lücke auf. Zu deren Schliessung
ist auf die nach Alter abgestuften Prozentsätze der Durchschnittslöhne
abzustellen, die gemäss Art. 26 Abs. 1 IVV für die Festsetzung des
hypothetischen Einkommens ohne Invalidität von Versicherten, die
invaliditätsbedingt keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben
konnten, massgebend sind.

    Art. 152 Abs. 2 und 3, Art. 159 Abs. 1 und 3 OG: Parteientschädigung
und unentgeltliche Verbeiständung. Bei bloss teilweisem Obsiegen kann
einer Partei nebst der von der Gegenpartei zu erbringenden reduzierten
Parteientschädigung die unentgeltliche Verbeiständung gewährt werden, wobei
der Gerichtskasse für diese später nach Möglichkeit Ersatz zu leisten ist.

Sachverhalt

    A.- U. (geboren 1973), der das letzte Schuljahr absolvierte, arbeitete
seit 20. Juli 1989 an den Wochenenden aushilfsweise im Restaurant M.
Am 27. November 1989 begann er bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)
eine Schnupperlehre als Betriebsangestellter, die ohne Lohnanspruch bis
1. Dezember 1989 dauern sollte. Am ersten Arbeitstag erlitt U. einen
schweren Stromunfall, der die Amputation des linken Unterschenkels
erforderlich machte. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
kam für die Folgen des Unfalls auf.

    Mit Verfügung vom 6. Dezember 1993 sprach sie dem Versicherten
nebst einer Integritätsentschädigung für eine Integritätseinbusse
von 80% ab 1. Dezember 1993 eine Invalidenrente, basierend auf einer
Erwerbsunfähigkeit von 80% und einem versicherten Jahresverdienst von
13'865 Franken, zu. Diesen Verdienst ermittelte sie, indem sie den von
U. mit der Aushilfstätigkeit im Restaurant M. erzielten Lohn auf ein Jahr
umrechnete. Die monatliche Rente der Invalidenversicherung (1'253 Franken)
überstieg jedoch 90% des versicherten Verdienstes (Fr. 1'039.90 im Monat),
so dass keine Komplementärrente zur Ausrichtung gelangte. Daran hielt
die Anstalt mit Einspracheentscheid vom 28. November 1994 fest.

    B.- Beschwerdeweise liess U. beantragen, es sei der Rentenberechnung
ein versicherter Jahresverdienst von mindestens 50'000 Franken zugrunde
zu legen, der dem Lohn entspreche, welchen er im Jahr vor dem Unfall
als voll Leistungsfähiger verdient hätte, wenn die Ausbildung bei den
SBB abgeschlossen worden wäre. Nach Einholen einer Stellungnahme des
Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) hiess das Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt die Beschwerde in dem Sinne gut, als es feststellte,
dass die Rente auf der Grundlage des Lohnes eines Betriebsangestellten
der SBB zu berechnen sei, und die Sache zur Festlegung des Quantitativs
an die SUVA zurückwies (Entscheid vom 19. August 1996).

    C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren,
der kantonale Entscheid sei aufzuheben.

    U. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter
Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung schliessen.

    D.- Am 27. April 1998 hat das Eidg. Versicherungsgericht eine
parteiöffentliche Beratung durchgeführt.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Als der Beschwerdegegner als Schnupperlehrling verunfallte,
war er unbestrittenermassen obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Dies ergibt sich aus Art. 1 UVG in Verbindung mit Art. 1
lit. a UVV (in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung),
der den Sonderfall der Versicherungspflicht von Personen regelt, die zur
Abklärung der Berufswahl bei einem Arbeitgeber tätig sind, für die Dauer
dieser Tätigkeit. Hiermit hat der Bundesrat gestützt auf die gesetzliche
Ermächtigung des Art. 1 Abs. 2 UVG die Versicherungspflicht ausgedehnt auf
eine Personenkategorie, die in einem arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis
steht. Diese Ausdehnung des Geltungsbereichs der Versicherung dient in
erster Linie der Klarstellung (SCHLEGEL, Gedanken zum Arbeitnehmerbegriff
in der obligatorischen Unfallversicherung, in: SZS 1986 S. 241;
GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents
[LAA], S. 23). Art. 1 UVV erklärt Personen für bestimmte Beschäftigungen
als versichert, obschon sie ohnehin versichert sind, da sie bereits unter
den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des UVG subsumierbar sind. Damit hat
der Verordnungsgeber allfällige Zweifel u.a. bei Personen ausgeschaltet,
die eine Schnupperlehre absolvieren. Da diese letztlich um der Ausbildung
willen tätig sind und sich dem Arbeitgeber unterzuordnen haben, kommt
ihnen die Eigenschaft eines Arbeitnehmers zu (MAURER, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, S. 109). Dies gilt ungeachtet der Tatsache,
dass in Schnupperlehren gleich wie bei Volontärverhältnissen (BGE 115 V 58
Erw. 2d) der für ein eigentliches Arbeitsverhältnis typische Lohn in der
Regel weder vereinbart noch üblich ist. Wie GHÉLEW/RAMELET/RITTER, aaO,
S. 23, ausführen, sind damit Schnupperlehrlinge Lehrlingen, Praktikanten
und Volontären im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UVG "assimiliert" worden. Ob
sie den Begriff des Arbeitnehmers nach Art. 1 Abs. 1 UVG, wie er in
BGE 115 V 55 umschrieben ist ("wer um des Erwerbes oder der Ausbildung
willen für einen Arbeitgeber, mehr oder weniger untergeordnet, dauernd
oder vorübergehend tätig ist", wobei ein Lohnanspruch in irgendeiner Form
vereinbart wurde), voll entsprechen, ist angesichts der positivrechtlichen
Normierung rechtlich belanglos.

Erwägung 2

    2.- Die SUVA ist für Heilbehandlung aufgekommen und hat dem
Beschwerdegegner Taggelder sowie eine Integritätsentschädigung
ausgerichtet. Diese Leistungen sind nicht angefochten. Streitig und
zu prüfen ist, welchen Jahresverdienst die Anstalt der Rentenberechnung
zugrunde zu legen hat.

    a) Nach Art. 15 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten
Verdienst bemessen (Abs. 1). Als versicherter Verdienst gilt für die
Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die
Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene
Lohn (Abs. 2). Gemäss Abs. 3 erlässt der Bundesrat Bestimmungen über
den versicherten Verdienst in Sonderfällen, namentlich bei Versicherten,
die nicht oder noch nicht den berufsüblichen Lohn erhalten (lit. c).

    b) Gestützt auf Art. 15 Abs. 3 UVG hat der Bundesrat in Art. 24 UVV
unter dem Titel "massgebender Lohn für Renten in Sonderfällen" ergänzende
Vorschriften erlassen. Abs. 3 dieser Bestimmung lautet wie folgt:

    "Bezog der Versicherte wegen beruflicher Ausbildung am Tage des
Unfalles
   nicht den Lohn eines Versicherten mit voller Leistungsfähigkeit
   derselben

    Berufsart, so wird der versicherte Verdienst von dem Zeitpunkt an,
da er
   die Ausbildung abgeschlossen hätte, nach dem Lohn festgesetzt, den er im

    Jahr vor dem Unfall als voll Leistungsfähiger erzielt hätte."

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass Art. 24 Abs. 3 UVV
nicht nur auf den Lehrling, sondern auch auf den Schnupperlehrling direkt
anzuwenden sei, da dieser Arbeit zum Zwecke seiner Ausbildung verrichte,
im Unterschied zum "eigentlichen" Lehrling allerdings während einer
kürzeren Zeitspanne. Da zwischen Lehrling und Schnupperlehrling somit
höchstens ein gradueller Unterschied bestehe, sei es nicht gerechtfertigt,
die beiden Kategorien im Rahmen des UVG unterschiedlich zu behandeln. Der
Versicherte habe daher Anspruch darauf, dass der Rentenberechnung der
Lohn eines SBB-Betriebsangestellten zugrunde gelegt werde.

    Die SUVA wendet in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im wesentlichen
ein, die Schnupperlehre diene nicht der Berufsausbildung, sondern der
Vorbereitung der Berufswahl, wodurch sie sich fundamental von der Lehre
unterscheide. Da die Schnupperlehre kein eigentliches Ausbildungsziel
kenne, sei Art. 24 Abs. 3 UVV schon von seinem Wortlaut her auf den Fall
eines Schnupperlehrlings nicht anwendbar. Der vorinstanzliche Entscheid
verletze überdies Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV (in der bis Ende 1997 gültig
gewesenen Fassung) und missachte die hiezu ergangene Rechtsprechung
(RKUV 1992 Nr. U 148 S. 117). Danach sei bei auf weniger als ein Jahr
befristeten Arbeitsverhältnissen das Einkommen nur auf die vorgesehene
Arbeitsdauer und nicht auf ein ganzes Jahr umzurechnen. Im vorliegenden
Fall hätte die Umrechnung - wenn überhaupt - nur bezogen auf die Dauer der
Schnupperlehre vom 27. November bis 1. Dezember 1989 vorgenommen werden
dürfen, wie dies auch bei Ferienarbeit von Schülern und Studenten gelte, wo
die Umrechnung ebenfalls nur auf die begrenzte Dauer der Tätigkeit erfolge.

    Der Beschwerdegegner macht geltend, Art. 24 Abs. 3 UVV wolle
verhindern, dass ein junger Mensch, der im Rahmen einer Lehre verunfalle,
Zeit seines Lebens eine äusserst geringe Invalidenrente erhalte. Wenn diese
Bestimmung auf denjenigen Anwendung finde, der bloss einen reduzierten
Lohn beziehe, so müsse sie um so mehr auf denjenigen angewendet werden,
der überhaupt keinen Lohn erhalte. Die Auffassung der SUVA würde
zum Ergebnis führen, dass ein Schnupperlehrling, der sonst nirgends
gearbeitet hat, im Invaliditätsfall keine Rente beanspruchen könnte,
weil es mangels Lohnbezugs keinen versicherten Verdienst gebe, welcher
der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden könnte. Ein derart stossendes
Resultat könne nicht hingenommen werden. Das System des UVG kenne keine
verschiedenen Versichertenkategorien, von welchen die eine Anspruch auf
sämtliche gesetzlichen Leistungen habe, die andere vom Anspruch auf eine
Invalidenrente jedoch ausgeschlossen sei.

Erwägung 4

    4.- a) Was die Anwendbarkeit von Art. 24 Abs. 3 UVV
auf Schnupperlehrlinge anbelangt, ist der Auffassung der SUVA
beizupflichten. Ein Schnupperlehrling befindet sich nicht in beruflicher
Ausbildung im Sinne dieser Verordnungsbestimmung. Vielmehr dient die
Schnupperlehre der Vorbereitung auf die Berufswahl, was insbesondere auch
darin zum Ausdruck kommt, dass Schüler regelmässig in verschiedenen Berufen
Schnupperlehren absolvieren, um sich über die für sie entsprechend ihren
Neigungen und Fähigkeiten in Betracht fallenden beruflichen Möglichkeiten
zu orientieren und einen Einblick in die Arbeitswelt zu gewinnen.

    b) Mit der Feststellung, dass Art. 24 Abs. 3 UVV auf den
Schnupperlehrling direkt nicht zur Anwendung gelangt, ist die
Grundsatzfrage, ob dem Schnupperlehrling, der vor Antritt der
Schnupperlehre über kein Erwerbseinkommen verfügte, im Rentenfall ein
Verdienst anzurechnen und wie dieser gegebenenfalls festzulegen ist,
nicht beantwortet. Gesetz und Verordnung bieten keinen Anhaltspunkt
dafür, dass diese Arbeitnehmerkategorie mit der Unterstellung
unter das Obligatorium des UVG lediglich für Pflegeleistungen und
Kostenvergütungen (Art. 10 bis 14 UVG) versichert sein soll. Eine
solche Beschränkung des obligatorischen Versicherungsschutzes auf eine
blosse Pflegekostenversicherung - eine Deckung, die regelmässig schon
Krankenkassen bei Einschluss des Unfallrisikos gewährleisten - ist dem
System des UVG fremd. Sie hätte, wäre sie gewollt gewesen, in Gesetz
und Verordnung oder zumindest in den Vorarbeiten einen Niederschlag
finden müssen, was jedoch nicht der Fall ist. Weshalb der Bundesrat den
versicherten Verdienst von Schnupperlehrlingen nicht positivrechtlich
geregelt hat, kann den Materialien nicht entnommen werden. Immerhin
verbietet sich die Annahme, dass der Verordnungsgeber diesen Sachverhalt
gar nicht als regelungswürdig erachtete. Denn im Vorentwurf der UVV vom
20. März 1980 lautete Art. 1 Abs. 2 wie folgt: "Jugendliche, die für kurze
Zeit zur Abklärung der Berufswahl im Dienste eines Arbeitgebers stehen,
sind den Lehrlingen gleichgestellt". Die Schnupperlehrlinge fanden in
der Folge wohl als "Personen, die zur Abklärung der Berufswahl bei einem
Arbeitgeber tätig sind", Aufnahme in die weiteren Fassungen des Art. 1
UVV; die Gleichstellung mit den Lehrlingen entfiel indessen, wobei die
Gründe hiefür nicht bekannt sind. Bei der dritten Lesung nach Auswertung
der Vernehmlassungen bemerkte einer der SUVA-Vertreter, dass der erste
Artikel lediglich Auskunft darüber gebe, "wann" jemand versichert
sei. Die Frage des "wie" müsse später geregelt werden (Protokoll der
Sitzung vom 29./30. März 1982, S. 5). Diese im Kontext dieses Sonderfalls
der Versicherungspflicht stehende Aussage erfolgte wohl mit Blick auf
Art. 15 Abs. 3 UVG, der u.a. für Versicherte, die nicht oder noch nicht
den berufsüblichen Lohn erhalten, dem Bundesrat den Erlass spezieller
Vorschriften über den massgebenden Lohn für Renten in Sonderfällen
aufgetragen hat.

    Diesem Auftrag des Gesetzgebers ist der Bundesrat mit dem Erlass
von Art. 24 Abs. 3 UVV nachgekommen. Dabei hat er allerdings - wie
erwähnt - keine besondere Bestimmung über den versicherten Verdienst von
Schnupperlehrlingen erlassen.

    c) Anders als in dem in RKUV 1992 Nr. U 148 S. 117 auszugsweise
publizierten Urteil B. vom 10. März 1992, wo das Gericht im Fall einer
befristeten Erwerbstätigkeit eines Studenten hinsichtlich des versicherten
Verdienstes eine echte Verordnungslücke implizit verneinte und die analoge
Anwendung der Saisonniernorm von Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV unter dem
eingeschränkten Gesichtswinkel der Wiedererwägung als nicht zweifellos
falsch erachtete, liegt hier unter den gegebenen Umständen eine echte
Lücke in der Verordnung vor. Eine vom Richter auszufüllende - echte -
Lücke im Gesetz darf nach ständiger Rechtsprechung nur angenommen
werden, wenn das Gesetz eine sich unvermeidlicherweise stellende
Rechtsfrage nicht beantwortet (BGE 119 V 255 oben, 118 V 298 Erw. 2e,
113 V 12 Erw. 3c, 108 V 72 Erw. 2c, 99 V 21 Erw. 2). Dies trifft hier
zu. Der Verordnungsgeber hat zwar den Schnupperlehrling hinsichtlich
des obligatorischen Versicherungsschutzes Arbeitnehmern wie Lehrlingen,
Praktikanten und Volontären gleichgestellt. Er hat es aber im Gegensatz zu
denjenigen Versicherten, an deren Versicherungsstatut angeknüpft worden
ist, unterlassen, eine Anschlussnorm über den massgebenden versicherten
Verdienst in diesem Sonderfall zu schaffen. Diese echte Lücke hat das
Gericht nach jener Regel zu schliessen, welche es aufstellen würde,
müsste es in diesem Punkte Verordnungsgeber sein (vgl. BGE 119 V 255 oben).

    d) Obwohl es naheliegend erscheint, kann die Verordnungslücke
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht mittels sinngemässer
Anwendung von Art. 24 Abs. 3 UVV geschlossen werden. Denn ein Abstellen
auf den Lohn im Beruf, in welchem der Versicherte eine Schnupperlehre
absolviert, ist mit Zufälligkeiten behaftet und führte deswegen zu
unbefriedigenden Resultaten. Während es bei Lehrlingen infolge der
getroffenen Berufswahl und der begonnenen Ausbildung gerechtfertigt ist,
im Sinne von Art. 24 Abs. 3 UVV für den versicherten Verdienst auf den Lohn
einer voll leistungsfähigen Person mit dem entsprechenden Berufsabschluss
abzustellen, präsentiert sich die Situation bei einem Schnupperlehrling
anders: Der Beruf, in welchem er eine Schnupperlehre absolviert, ist
häufig nicht identisch mit dem Beruf, den er später erlernt, was schon
daraus hervorgeht, dass viele Jugendliche in verschiedenen Berufen
"schnuppern", und die Schnupperlehre lediglich eine Möglichkeit ist,
die in Betracht fallenden Berufe näher kennenzulernen.

    Um die erwähnten Zufälligkeiten zu vermeiden und eine rechtsgleiche
Behandlung der Schnupperlehrlinge zu gewährleisten, sind zweckmässigerweise
Durchschnittslöhne heranzuziehen. Dabei ist an Art. 26 Abs. 1 IVV
anzuknüpfen, in welchem das für den Einkommensvergleich nach Art. 28 Abs. 2
IVG massgebende hypothetische Einkommen ohne Invalidität von Versicherten,
die invaliditätsbedingt keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben
konnten, festgelegt wird.

    Art. 26 Abs. 1 IVV lautet wie folgt:

    "Konnte der Versicherte wegen der Invalidität keine zureichenden
   beruflichen Kenntnisse erwerben, so entspricht das Erwerbseinkommen,
   das er als Nichtinvalider erzielen könnte, den folgenden nach Alter
   abgestuften

    Prozentsätzen des durchschnittlichen Einkommens der Arbeitnehmer
gemäss der

    Lohn- und Gehaltserhebung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und

    Arbeit:
      Nach Vollendung           Vor Vollendung                  Prozentsatz
      von ... Altersjahren      von ... Altersjahren
                                   21                               70
      21                           25                               80
      25                           30                               90
      30                                                           100

    Der Umstand, dass die auf diese Weise ermittelten Beträge in der
Invalidenversicherung als Valideneinkommen herangezogen werden, steht deren
Berücksichtigung in der Unfallversicherung als versicherter Verdienst
für die Berechnung der Renten im Sonderfall der Schnupperlehrlinge
nicht entgegen, da es sich um statistische Durchschnittslöhne aller
Arbeitnehmer handelt. Die Abstufung nach dem Alter trägt dem Umstand
Rechnung, dass die Löhne bei Abschluss der Ausbildung in der Regel noch
tief sind und sich erst nach mehreren Jahren dem Mittelwert annähern. Im
vorliegend interessierenden Zusammenhang verhindert die Abstufung damit,
dass Schnupperlehrlingen ungerechtfertigterweise ein höherer versicherter
Verdienst angerechnet wird als Lehrlingen, bei welchen der Anfangslohn nach
Lehrabschluss massgebend ist. Der Tabellenlohn gemäss Art. 26 Abs. 1 IVV
als Referenzgrösse ist der Unfallversicherung im Rahmen der Festsetzung
des versicherten Verdienstes in Sonderfällen im übrigen nicht fremd. So
bestimmte Art. 24 Abs. 5 UVV in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen
Fassung für den Fall, dass der versicherte Verdienst eines Invaliden
erheblich vom Lohn eines gesunden Versicherten abweicht, eine Erhöhung
auf das Einkommen nach Art. 26 Abs. 1 IVV.

Erwägung 5

    5.- Gemäss den vorstehenden Darlegungen ist der Invalidenrente
des 1973 geborenen Beschwerdegegners in Anlehnung an Art. 26 Abs. 1
IVV ein versicherter Verdienst in der Höhe von 70% des im Jahr vor dem
Unfall vom 27. November 1989 massgebenden Durchschnittseinkommens der
Arbeitnehmer gemäss der Lohn- und Gehaltserhebung des Bundesamtes für
Industrie, Gewerbe und Arbeit zugrunde zu legen. Hingegen kann entgegen
der Auffassung des Beschwerdegegners nicht zusätzlich der von ihm mit der
Aushilfstätigkeit beim Restaurant M. erzielte, auf ein Jahr umgerechnete
Lohn als versicherter Verdienst berücksichtigt werden. Denn die Annahme
einer echten Verordnungslücke bezüglich des versicherten Verdienstes von
Schnupperlehrlingen, welche in der Regel über keine oder keine erheblichen
Erwerbseinkünfte verfügen, und die in richterlicher Rechtsfortbildung
geschaffene, an Art. 26 Abs. 1 IVV anknüpfende Sonderregelung stehen
der gleichzeitigen Anwendung der Grundregel von Art. 15 Abs. 2 UVG für
diese Versichertenkategorie in Fällen, in welchen ausnahmsweise bereits
eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, entgegen. Die Grundregel müsste
lediglich dann Platz greifen, wenn das vom Schnupperlehrling im Jahr vor
dem Unfall erzielte Einkommen höher gewesen wäre als der nach Art. 26
Abs. 1 IVV massgebende Ansatz.

Erwägung 6

    6.- Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat die SUVA dem
Beschwerdegegner eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). Insoweit ist dessen
Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gegenstandslos. Soweit der
Beschwerdegegner unterliegt, kann seinem Begehren um Bewilligung der
unentgeltlichen Verbeiständung entsprochen werden (Art. 152 in Verbindung
mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die Vertretung
geboten war (ZAK 1989 S. 279 Erw. 2a mit Hinweisen; BGE 103 V 47 Erw. b,
100 V 62 Erw. 3; vgl. auch BGE 122 I 271 Erw. 2a, 122 III 393 Erw. 3b).

    Der Beschwerdegegner ist indessen ausdrücklich darauf hinzuweisen,
dass er gemäss Art. 152 OG der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird,
wenn er dazu später imstande ist.