Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 V 225



124 V 225

37. Urteil vom 17. März 1998 i. S. Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich
gegen H. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 17 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 AVIG; Art.
45 Abs. 2 AVIV; Art. 2, 10, 20, 21 und 39 des Übereinkommens Nr. 168 der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung
und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988; Art. 31 Abs. 1
des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969.

    - Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG widerspricht dem Übereinkommen Nr. 168
über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom
21. Juni 1988 nicht.

    - Im Unterschied zu anderen Sozialversicherungen (Art. 7 Abs. 1 IVG,
Art. 37 und 39 UVG, Art. 7 aMVG, Art. 35 BVG, BGE 107 V 228 Erw. 2a betr.
Krankenkassen) ist im Bereich der Arbeitslosenversicherung gestützt auf
Art. 30 Abs. 3 AVIG und Art. 45 Abs. 2 AVIV ausdrücklich auch bei leichter
Fahrlässigkeit eine Leistungskürzung vorzunehmen.

    - Keine vorgängige Mahnung bei Einstellung in der Anspruchsberechtigung
(Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 8. August 1994 stellte die Arbeitslosenkasse des
Kantons Zürich die 1942 geborene H. wegen ungenügender Stellenbemühungen
für drei Tage in der Anspruchsberechtigung ein.

    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Juli
1996 gut. C.- Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde
mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.

    H. lässt sich nicht vernehmen.

    D.- Das Eidg. Versicherungsgericht holte beim Bundesamt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit (BIGA; ab 1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft
und Arbeit, [BWA]) im Zusammenhang mit dem Übereinkommen Nr. 168 der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und
den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 eine Vernehmlassung
vom 23. Juni 1997 ein.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 123 V 224 Erw. 1a mit Hinweis). Somit sind
vorliegend jene Bestimmungen des Bundesgesetzes über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) vom
25. Juni 1982 und der dazugehörenden Verordnung (AVIV) vom 31. August
1983 massgebend, welche 1994 galten.

Erwägung 2

    2.- a) Laut Art. 17 Abs. 1 AVIG in der bis Ende 1995 gültig gewesenen
Fassung muss der Versicherte, unterstützt durch das Arbeitsamt,
alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder
zu verkürzen. Insbesondere ist es seine Sache, Arbeit zu suchen, wenn
nötig auch ausserhalb seines bisherigen Berufes. Er muss seine Bemühungen
nachweisen können. Nach Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG ist der Versicherte
in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er sich persönlich nicht
genügend um zumutbare Arbeit bemüht.

    b) Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG sanktioniert eine Verletzung der in
Art. 17 Abs. 1 AVIG statuierten Schadenminderungspflicht, insbesondere auch
der Pflicht, sich genügend um Arbeit zu bemühen. Mittels Einstellung in der
Anspruchsberechtigung soll dieser Pflicht zum Durchbruch verholfen werden.
Praxisgemäss handelt es sich dabei nicht um eine strafrechtliche, sondern
eine verwaltungsrechtliche Sanktion (BGE 123 V 151 Erw. 1c; ARV 1990 Nr. 20
S. 134 Erw. 2b; vgl. auch GERHARDS, Kommentar zum AVIG, Bd. I, N. 2 zu
Art. 30). Mit der Verknüpfung von Schadenminderungspflicht und Sanktion
will das AVIG Arbeitslose zur Stellensuche anspornen. Die Einstellung
in der Anspruchsberechtigung soll den Versicherten davon abhalten, die
Arbeitslosenversicherung missbräuchlich in Anspruch zu nehmen. Wenn er
sich nicht genügend um Arbeit bemüht, nimmt er in Kauf, länger arbeitslos
zu bleiben. Dadurch erwächst der Versicherung insofern ein Schaden,
als sie länger Leistungen erbringen muss. Zweck der Einstellung in der
Anspruchsberechtigung ist eine angemessene Mitbeteiligung des Versicherten
an diesem Schaden, den er durch sein pflichtwidriges Verhalten der
Arbeitslosenversicherung natürlich und adäquat kausal verursacht hat
(BGE 122 V 40 Erw. 4c/aa und 44 Erw. 3c/aa; GERHARDS, aaO, N. 2 und 51 zu
Art. 30). Ohne die einstellungsrechtliche Sanktion käme Art. 17 Abs. 1
AVIG im Taggeldrecht nicht zum Tragen. Wüsste nämlich eine arbeitslose
Person zum voraus, dass ungenügende Bemühungen bezüglich ihrer Leistungen
keine Folgen zeitigen, fehlte ein wesentlicher Ansporn, dem gesetzlichen
Gebot zur Stellensuche nachzuleben.

Erwägung 3

    3.- Von Amtes wegen zu prüfen ist, ob die Pflicht zur Schadenminderung
und die mit ihr verbundene Anordnung von Sanktionen bei ungenügenden
Arbeitsbemühungen mit dem Übereinkommen Nr. 168 der Internationalen
Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen
Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (SR 0.822.726.8; AS 1991 1914; für die
Schweiz in Kraft seit 17. Oktober 1991, nachfolgend: Übereinkommen Nr.
168) vereinbar ist.

    a) Die Auslegung eines Staatsvertrages hat in erster Linie
vom Vertragstext auszugehen. Erscheint dieser klar und ist seine
Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus
Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich
sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende ausdehnende
bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang
oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut
abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist
(BGE 117 V 269 Erw. 3b mit Hinweisen). In diesem Rahmen waren nach der
bisherigen Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts Wendungen
und Begriffe, die in einem Sozialversicherungsabkommen Anwendung
finden und für die Versicherungsleistungen einer schweizerischen
Sozialversicherungseinrichtung massgeblich sind, stets direkt nach
schweizerischem innerstaatlichen Recht auszulegen (BGE 112 V 149 Erw. 2a
mit Hinweis).

    In BGE 117 V 268 hat das Eidg. Versicherungsgericht diese
Rechtsprechung angesichts des am 6. Juni 1990 für die Schweiz in Kraft
getretenen Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai
1969 (Wiener Konvention zum Vertragsrecht, nachfolgend: Konvention; SR
0.111; AS 1990 1112) relativiert. Danach ist nach Massgabe der in den
Art. 31 bis 33 der Konvention festgelegten allgemeinen Grundsätze der
Staatsvertragsauslegung in erster Linie nach der autonomen Bedeutung der
Abkommensbestimmung zu suchen. Nur wenn ein Abkommen - im Lichte dieser
Regeln ordnungsgemäss ausgelegt - eine bestimmte Frage weder ausdrücklich
noch stillschweigend regelt, ist es angängig, subsidiär die Begriffe
und Konzeptionen des anwendbaren Landesrechts zur Auslegung beizuziehen
(vgl. neu zum Ganzen BGE 119 V 107 Erw. 6a mit Hinweisen auf Materialien
und Lehre; vgl. auch BGE 121 V 43 Erw. 2c).

    b) Art. 2 des Übereinkommens Nr. 168 enthält in der französischen
Fassung, welche nach Art. 39 neben der englischen gleichberechtigt
massgebend ist, folgende Zweckbestimmung:

    "Tout Membre doit prendre des mesures appropriées pour coordonner son
   régime de protection contre le chômage et sa politique de l'emploi. A
   cette fin, il doit veiller à ce que son régime de protection contre le
   chômage et en particulier les modalités de l'indemnisation du chômage
   contribuent à la promotion du plein emploi, productif et librement
   choisi, et n'aient pas pour effet de décourager les employeurs d'offrir,
   et les travailleurs de rechercher, un emploi productif."

    Diese Zweckbestimmung weist die beteiligten Vertragsstaaten an,
alles vorzukehren, was sie dem Ziel einer Vollbeschäftigung möglichst
nahe bringt. Dementsprechend haben sie ihre Arbeitslosenversicherung
auszugestalten. Sie müssen einerseits die produktive Erwerbstätigkeit
eines möglichst grossen Bevölkerungsteils fördern und anderseits dem
einzelnen einen minimalen Schutz gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit
gewähren. Zudem sind die Arbeitnehmer ausdrücklich dazu anzuspornen,
eine Stelle zu suchen. Eine solche Anweisung an die Vertragsstaaten ist
im Landesrecht im erwähnten Art. 17 Abs. 1 AVIG enthalten, statuiert
doch diese Bestimmung die Pflicht jedes Versicherten, alles Zumutbare zu
unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Daher
steht das Landesrecht hinsichtlich der Pflicht des arbeitslosen oder
von Arbeitslosigkeit bedrohten Versicherten zur Schadenminderung mit dem
Übereinkommen voll in Einklang.

    c) Sodann enthält das Übereinkommen Nr. 168 keine allgemeine
Bestimmung, welche es dem Landesrecht verbieten würde, der vom
Übereinkommen gedeckten Pflicht zur Stellensuche mit einer Sanktion zum
Durchbruch zu verhelfen. Es findet sich auch keine konkrete Vorschrift,
aus welcher ein derartiges Verbot ersichtlich wäre. Vielmehr ist
der Gedanke einer Sanktionierung pflichtwidrigen Verhaltens dem
Übereinkommen keineswegs fremd. Seine Artikel 20 und 21 enthalten
verschiedene Tatbestände, bei deren Erfüllung die Leistungen der
Arbeitslosenversicherung in einem vorgeschriebenen Masse verweigert,
entzogen, zum Ruhen gebracht oder gekürzt werden können. Mit anderen Worten
wendet das Übereinkommen selbst den Grundsatz an, dass eine Verletzung
bestimmter Pflichten durch (verwaltungsrechtliche) Sanktionen geahndet
werden kann.

    d) Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen ungenügender
Arbeitsbemühungen ist in Art. 20 und 21 des Übereinkommens - mit etwas
anderen Worten und Begriffen - vorgesehen.

    Art. 20 lautet in der französischen Fassung wie folgt:

    "Les indemnités auxquelles une personne protégée aurait eu droit
dans les
   éventualités de chômage complet ou partiel, ou de suspension du gain due
   à une suspension temporaire de travail sans cessation de la relation
   de travail, peuvent être refusées, supprimées, suspendues ou réduites
   dans une mesure prescrite...".

    Somit können Leistungen, auf die eine geschützte Person Anspruch
hätte, in einem (vom Landesrecht) vorgeschriebenen Masse unter bestimmten
Voraussetzungen «verweigert, entzogen, zum Ruhen gebracht oder gekürzt
werden». Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung als Sanktion gemäss
Art. 30 AVIG ist durch diese Aufzählung, wonach Leistungen verweigert,
entzogen, zum Ruhen gebracht oder gekürzt werden können, gedeckt.

    Nach Art. 20 lit. f des Übereinkommens  ist die erwähnte Sanktion
gerechtfertigt,

    "lorsque l'intéressé a négligé, sans motif légitime, d'utiliser les
   services mis à sa disposition en matière de placement, d'orientation,
   de formation, de conversion professionnelle ou de réinsertion dans
   un emploi convenable" ("wenn der Betreffende es ohne triftigen Grund
   versäumt hat, die zur Verfügung stehenden Dienste für die Vermittlung,
   berufliche

    Beratung, Ausbildung, Umschulung und Wiedereingliederung in eine
zumutbare

    Beschäftigung in Anspruch zu nehmen").

    Diese Umschreibung erfasst u.a. auch das, was das Landesrecht unter
dem Begriff der ungenügenden Arbeitsbemühungen versteht. In der Schweiz
wird Arbeit durch verschiedenste private und öffentliche Dienste, am
verbreitetsten durch Zeitungsinserate, vermittelt. Wer diese Vermittlung
nicht in Anspruch nimmt und sich beispielsweise auf Stelleninserate nicht
in genügendem Masse bewirbt, nimmt die zur Verfügung stehenden Dienste
nicht in Anspruch.

    Zusammenfassend ergibt sich, dass der Einstellungstatbestand der
ungenügenden Arbeitsbemühungen gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG sowohl
systematisch wie vom Wortlaut her mit dem Übereinkommen Nr. 168 in Einklang
steht und daher konventionskonform ist.

Erwägung 4

    4.- Steht der Anwendbarkeit von Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG somit
Völkerrecht nicht entgegen, bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach
dieser Vorschrift vorliegend erfüllt sind.

    a) Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Versicherter genügend
um zumutbare Arbeit bemüht hat, ist nicht nur die Quantität, sondern auch
die Qualität seiner Bewerbungen von Bedeutung (BGE 120 V 76 Erw. 2 mit
Hinweis). Erweisen sich die Bemühungen als ungenügend, hat die erwähnte
Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu erfolgen (Art. 30 Abs. 1
lit. c AVIG). Die Dauer der Einstellung richtet sich nach dem Grad des
Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und betrug nach Art. 45 Abs. 2 AVIV in
der bis Ende 1995 gültig gewesenen Fassung 1 bis 10 Tage bei leichtem, 11
bis 20 Tage bei mittelschwerem und 21 bis 40 Tage bei schwerem Verschulden.

    b) Die Vorinstanz hat erwogen, bloss drei Stellenbewerbungen im
Monat Juni 1994 vermöchten wohl qualitativ, nicht aber quantitativ
zu genügen. Indessen sei der Beschwerdegegnerin aufgrund einer lange
dauernden Krankheit gekündigt worden; zudem finde sie im Alter von
54 Jahren bei der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt kaum noch
eine Stelle. Sodann habe das Arbeitsamt ihr bei der Stellensuche
nicht geholfen und jeweils drei Bewerbungen in den vorangegangenen
Monaten ungeahndet gelten lassen. Insgesamt sei das Verhalten der
Versicherten deshalb bloss leichtfahrlässig. Analog zur Invaliden-,
Unfall- und Militärversicherung, welche Leistungen nur bei Vorsatz und
Grobfahrlässigkeit kürzten, sei deshalb vorliegend von einer Einstellung
in der Anspruchsberechtigung abzusehen. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern pflege unangefochtenerweise dieselbe Praxis.

    Demgegenüber macht die Kasse geltend, eine Einstellung habe bei
jedem Verschulden zu erfolgen. Dass die Verwaltung der Versicherten nicht
geholfen habe, entbinde diese nicht von der Pflicht zur Stellensuche. Da
zudem eine Überprüfung der Bewerbungen nur stichprobenweise möglich sei,
könne die Beschwerdegegnerin nichts zu ihren Gunsten aus dem Umstand
ableiten, dass die Kasse die jeweils bloss zwei oder drei Bewerbungen
der vorangehenden Monate nicht beanstandet habe.

    c) Die Vorinstanz beruft sich für ihre Auffassung, wonach eine
Einstellung in der Anspruchsberechtigung nur bei vorsätzlichem
oder grobfahrlässigem Verhalten zulässig sei, auf die Praxis des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern. Dieses führte in einem Entscheid
aus dem Jahre 1990 (BVR 1991 S. 82 ff.) aus, im Sozialversicherungsrecht
werde als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass Leistungen gekürzt oder
sogar für gewisse Fälle verweigert werden könnten, wenn Versicherte die
Leistungspflicht vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht oder verlängert
hätten (vgl. Art. 7 IVG, Art. 37 und 39 UVG, Art. 7 aMVG, Art. 35 BVG
und - betreffend die Krankenkassen - BGE 107 V 228 Erw. 2a). Dies müsse
gleichermassen für den Bereich der Arbeitslosenversicherung gelten. Auch
bezüglich solcher Leistungen könne daher eine Kürzung (oder befristete
Verweigerung) der Entschädigung nur bei vorsätzlichem oder grobfahrlässigem
Verhalten verfügt werden, nicht aber bei bloss leichter Fahrlässigkeit,
da insbesondere nicht einzusehen sei, weshalb in diesem Zweig die
Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des einzelnen derart strenger sein
sollten als in den übrigen Bereichen der Sozialversicherung (BVR 1991
S. 83 f. Erw. 4b).

    d) Die im genannten Entscheid zitierten Bestimmungen des IVG, UVG,
aMVG und BVG statuieren alle den Grundsatz, dass bei vorsätzlicher
oder grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch
den Versicherten die Leistungen gekürzt oder verweigert werden
können. Sie schliessen von Gesetzes wegen zugleich Sanktionen für
leichtfahrlässiges Verhalten aus. Im Arbeitslosenversicherungsrecht
hingegen fehlt eine derartige Beschränkung des sanktionsbedrohten
Verhaltens auf Grobfahrlässigkeit und Vorsatz. Die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung ist ausdrücklich «nach dem Grad des Verschuldens»
zu bemessen (Art. 30 Abs. 3 AVIG). Eine Absicht, das Verschulden bei
leichter Fahrlässigkeit von jeglicher Sanktion auszunehmen, ist im
Unterschied zum Wortlaut der zitierten Bestimmungen aus den andern
Sozialversicherungszweigen nicht erkennbar. Folgerichtig unterscheidet
Art. 45 Abs. 2 AVIV nach leichtem, mittelschwerem und schwerem
Verschulden. Es widerspräche daher dem Arbeitslosenversicherungsgesetz,
wenn die leichte Fahrlässigkeit als eine der Formen des Verschuldens
ausgeklammert würde. Darauf weist auch die Botschaft zum Bundesgesetz über
die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung
vom 2. Juli 1980 in BBl 1980 III 588 ff. hin, in der ausdrücklich
von Einstellungen gesprochen wird, die nicht pönalen Charakter hätten
(vgl. auch GERHARDS, aaO, N. 2 zu Art. 30). Beispielsweise stehe es dem
Versicherten frei und sei auch nicht ehrenrührig, sich ungenügend um eine
Arbeitsstelle zu bemühen oder eine zumutbare Arbeit abzulehnen. Der
Arbeitslosenversicherung entstehe hieraus trotzdem ein Schaden,
der zu einer angemessenen Leistungsreduktion führen müsse. Gerade
um unterschiedlichen Verhältnissen und Verschuldensgraden mit der
nötigen Differenzierung Rechnung tragen zu können, sei die Spanne der
Einstellungsfristen möglichst weit zu fassen. Daher hat auch leichte
Fahrlässigkeit bei ungenügenden Arbeitsbemühungen nach Art. 30 Abs. 1
lit. c AVIG zu einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu führen.

    e) Aus diesen Ausführungen folgt, dass die Praxis des Berner
Verwaltungsgerichts zu Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG (BVR 1991 S. 83
f.), welcher sich die Vorinstanz anschloss, der Regelung des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes und der Absicht des Gesetzgebers
zuwiderläuft. Der kantonale Entscheid verletzt daher insoweit Bundesrecht,
als er die leichte Fahrlässigkeit von Sanktionen befreit.

Erwägung 5

    5.- a) Die Vorinstanz hat des weiteren erwogen, die Beschwerdegegnerin
habe in den der Einstellung vorangegangenen Monaten ebenfalls bloss zwei
bis drei Stellenbewerbungen vorgewiesen, ohne dass die Verwaltung ihr
dieses Verhalten unter Androhung von Folgen vorgehalten hätte. Sie habe
daher darauf vertrauen können, dass ihre Stellenbemühungen genügend seien.

    b) Eine der Einstellung vorangehende Mahnung ist in
der Arbeitslosenversicherung nicht vorgesehen. Insofern besteht ein
Unterschied zur Invalidenversicherung, welche in Art. 31 IVG ausdrücklich
ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren vorsieht (vgl. BGE 122 V 218). Dieses
Verfahren ist unter anderem deswegen sinnvoll, weil der Versicherte
sonst unter Umständen von einem ablehnenden Verwaltungsakt überrascht
würde. Anders sind die Verhältnisse in der Arbeitslosenversicherung;
hier wird der Versicherte von Anfang an auf seine Pflichten, insbesondere
auf diejenige zur Stellensuche, aufmerksam gemacht (Art. 19 Abs. 4 AVIV
in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung, nunmehr Art. 20 Abs. 4
AVIV). Ferner pflegt er wegen der Erfüllung der Kontrollvorschriften
Kontakt zum zuständigen Arbeitsamt. Deshalb ist es nicht notwendig,
vor einer Einstellung eine Mahnung auszusprechen, auch dann nicht,
wenn die Verwaltung in den vorangegangenen Kontrollperioden ungenügende
Arbeitsbemühungen nicht sanktioniert hat. Das Eidg. Versicherungsgericht
hat denn auch in ständiger Praxis (nicht veröffentlichte Urteile M. vom
23. Juni 1989 und N. vom 6. August 1985; vgl. auch GERHARDS, aaO, N. 61
zu Art. 30) festgehalten, dass eine Einstellung verfügt werden muss,
wenn der entsprechende Tatbestand erfüllt ist; eine blosse Verwarnung
ist unzulässig. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen besteht vorliegend
kein Anlass.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdegegnerin weist im Monat Juni 1994 lediglich
drei Bewerbungen auf. Dies ist quantitativ ungenügend, verlangen doch
einige Kassen durchschnittlich 10 bis 12 Bemühungen im Monat (GERHARDS,
aaO, N. 15 zu Art. 17). Das Alter der Versicherten erschwert zwar die
Erfolgsaussichten, hindert sie aber nicht daran, intensiver nach einer
Stelle Ausschau zu halten (ARV 1980 Nr. 45 S. 112 Erw. 2; GERHARDS, aaO,
N. 14 zu Art. 17). Massgebend ist einzig die ausreichende Intensität
der Bemühungen und nicht deren Erfolg. Dass die Verwaltung keine aktive
Hilfeleistung geboten hat, vermag die Beschwerdegegnerin ebenfalls nicht
von der ihr obliegenden Pflicht zur Schadenminderung zu befreien. Die
von der Verwaltung verfügte Einstellung im unteren Bereich des leichten
Verschuldens ist Rechtens und trägt den gesamten Umständen des Falles
angemessen Rechnung. Damit ist der Entscheid der Vorinstanz aufzuheben.