Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 I 274



124 I 274

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 23. September 1998 i.S. André Plumey gegen Staatsanwaltschaft und
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Folgen der Feststellung einer EMRK-Verletzung auf laufendes
Strafverfahren; Personalunion von Haftrichter und Ankläger; Einvernahme
von Belastungszeugen (Art. 5 Ziff. 3 und 5, Art. 6 Ziff. 3 lit. d,
Art. 32 Ziff. 4 EMRK).

    Bindung an Entscheid des Ministerkomitees nach Art. 32 Ziff. 4 EMRK
(E. 3b).

    Personalunion von Haftrichter und Ankläger verletzt die Garantie nach
Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Die Verletzung führt zum Verantwortlichkeitsverfahren
nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK, erfordert indessen nicht eine neue Anklage
durch einen anderen Staatsanwalt (E. 3; Änderung der Rechtsprechung).

    Grundsätze zum Anspruch auf Befragung von Belastungszeugen; der
Verzicht auf gerichtliche Konfrontation des Angeschuldigten mit einer
Grosszahl von Zeugen verletzt weder Art. 4 BV noch Art. 6 Ziff. 3 lit. d
EMRK (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eröffnete Anfang 1986
ein Ermittlungsverfahren gegen André Plumey wegen verschiedener
Wirtschaftsdelikte. Dieser ist bereits Ende 1985 geflohen, schliesslich
1989 an die Schweiz ausgeliefert worden. In der Folge ordnete Staatsanwalt
Dr. Fritz Helber am 4. Juli 1989 die Sicherheitshaft an und verlängerte
sie mehrmals.

    Staatsanwalt Dr. Fritz Helber erhob am 14. Juli 1992 gegen André
Plumey Anklage wegen gewerbsmässigen Betruges und weiterer Delikte.

    Gestützt auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte i.S. Jutta Huber gegen die Schweiz vom 23. Oktober 1990
(Serie A Nr. 188 = EuGRZ 1990 S. 502) stellte André Plumey im Juni 1993
den Antrag, es sei die Anklage wegen Verstosses gegen Art. 5 Ziff. 3
EMRK zurückzuweisen und anstelle von Staatsanwalt Dr. Fritz Helber ein
anderer Staatsanwalt einzusetzen. Das Strafgericht Basel-Stadt und auf
Beschwerde hin das Appellationsgericht Basel-Stadt lehnten diese Begehren
ab. In der Folge wies das Bundesgericht die von André Plumey erhobene
staatsrechtliche Beschwerde mit Urteil vom 4. Oktober 1993 ab. Es führte
im wesentlichen aus, das Vorgehen von Staatsanwalt Dr. Fritz Helber habe
mit der Anordnung von Sicherheitshaft und der Erhebung der Anklage Art. 5
Ziff. 3 EMRK indirekt verletzt. André Plumey habe indessen sein Recht
auf Ablehnung von Staatsanwalt Dr. Fritz Helber verwirkt.

    André Plumey reichte bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte
Beschwerde ein. Die Kommission stellte in ihrem Bericht vom 8. April
1997 fest, durch die Personalunion von Haftrichter und Ankläger in der
Person von Staatsanwalt Dr. Fritz Helber sei Art. 5 Ziff. 3 EMRK verletzt
worden; sie verwarf die Ansicht, André Plumey habe sich auf das Verfahren
eingelassen und demnach auf die Geltendmachung seiner Konventionsansprüche
verzichtet. Nachdem kein Begehren um Beurteilung durch den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte gestellt worden war, gelangte die
Beschwerdesache an das Ministerkomitee des Europarates. Dieses erliess
am 29. Oktober 1997 eine Zwischenresolution (Résolution intérimaire),
in welcher es die Ansicht der Kommission übernahm, eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK feststellte und die Fortsetzung des Verfahrens gemäss
Art. 32 EMRK im Hinblick auf die Schlussresolution beschloss.

    Das Strafgericht Basel-Stadt fällte am 22. Dezember 1993 sein
Urteil, erkannte André Plumey des gewerbsmässigen Betruges und der
Urkundenfälschung für schuldig und verurteilte ihn zu sieben Jahren
Zuchthaus (unter Anrechnung der Sicherheitshaft) sowie zu einer Busse
von Fr. 500.--.

    Gegen das Urteil des Strafgerichts hat André Plumey die Appellation
erklärt. Er verlangte in prozessualer Hinsicht die Rückweisung der
Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft mit der Anweisung um Erstellung
einer neuen Anklageschrift.

    Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies diese
Verfahrensanträge ab und entschied mit Urteil vom 26. November 1997 in
der Sache selbst. Es erkannte André Plumey des gewerbsmässigen Betruges
schuldig und sprach eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren (unter Anrechnung
der Sicherheitshaft) aus.

    Gegen diesen Entscheid des Appellationsgerichts hat André Plumey
staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Er rügt eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 und Art. 6 Ziff. 3 EMRK.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Appellationsgericht hat die vom Beschwerdeführer erneut
gestellten Verfahrensbegehren abgewiesen, nämlich den Antrag um Rückweisung
der Anklage und Erstellung einer neuen Anklage durch einen unbefangenen
Staatsanwalt (...). Die Abweisung dieser Begehren war nicht Gegenstand
eines eigenständigen Zwischenentscheides, sondern erging im Rahmen des
Hauptverfahrens und kann demnach mit der Hauptsache mitangefochten werden.

    Mit der Abweisung dieser Verfahrensanträge brachte das
Appellationsgericht gleichsam zum Ausdruck, dass die Anklage, wie sie
von Staatsanwalt Dr. Fritz Helber erhoben und noch vor dem Strafgericht
vertreten worden war, gültig und verfassungs- und konventionsrechtlich
haltbar sei und demnach Grundlage des materiellen Strafurteils bilden
könne. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, die Anklage sei
mit den Anforderungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und den Entscheidungen der
Menschenrechtskommission und des Ministerkomitees nicht vereinbar. Die
Feststellung der Konventionsverletzung rufe nach einer prozessualen
Wiedergutmachung; insbesondere könne die Anklage dem Strafurteil nicht zu
Grunde gelegt werden, weshalb von einem unparteilichen Staatsanwalt eine
neue Anklage zu erstellen sei. Der Beschwerdeführer rügt insofern die
Grundlage des angefochtenen Urteils als verfassungs- und konventionswidrig.

    Im Folgenden ist vorerst zu prüfen, wie es sich mit der Rüge der
Verletzung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK und den Folgen der Feststellung
der Konventionsverletzung durch die Organe der Europäischen
Menschenrechtskonvention auf das vorliegende Verfahren verhält.

Erwägung 3

    3.- a) In seinem Urteil vom 4. Oktober 1993 hielt das Bundesgericht
fest, Staatsanwalt Dr. Fritz Helber habe gegen den Beschwerdeführer
Untersuchungshaft angeordnet und in einem späteren Zeitpunkt Anklage
erhoben. Durch dieses Vorgehen sei Art. 5 Ziff. 3 EMRK indirekt verletzt
worden. Der Beschwerdeführer habe sich indessen auf das Verfahren
eingelassen und es damit unterlassen, diesen Mangel rechtzeitig zu rügen;
auf Grund der Rechtsprechung zum Grundsatz von Treu und Glauben habe er
die Geltendmachung der Konventionsverletzung verwirkt.

    Die Europäische Menschenrechtskommission ging in ihrem Bericht
ebenfalls davon aus, dass die Anordnung von Untersuchungshaft und die
Anklageerhebung durch denselben Staatsanwalt mit den Garantien von Art. 5
Ziff. 3 EMRK unvereinbar sei. Sie verneinte im Gegensatz zum Bundesgericht
einen Verzicht auf Geltendmachung der Konventionswidrigkeit. Sie kam
daher zum Schluss, dass Art. 5 Ziff. 3 EMRK tatsächlich verletzt worden
ist. Das Ministerkomitee schloss sich dieser Auffassung an und stellte
in der Résolution intérimaire die Verletzung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK fest.

    b) Nach Art. 53 EMRK übernehmen die Vertragsstaaten die Verpflichtung,
in allen Fällen, an denen sie beteiligt sind, sich nach der Entscheidung
des Gerichtshofes zu richten. Analog dazu verpflichten sich die Staaten
gemäss Art. 32 Ziff. 4 EMRK, jede Entscheidung des Ministerkomitees
für sich als bindend anzuerkennen. Dies bedeutet, dass sich der
Staat nach dem Entscheid der Strassburger Organe richtet und sich im
Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung und in Anbetracht der konkreten
Umstände des Einzelfalles um die Durchführung bemüht. Dabei kommt den
Vertragsstaaten ein weiter Spielraum zu, da sich aus der Konvention
nicht im Einzelnen ergibt, wie den Entscheidungen nachzukommen ist (BGE
124 II 480; 123 I 329 S. 333; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes
Urteil Vermeire gegen Belgien vom 29. November 1991, Serie A Nr. 214-C,
Ziff. 26 = EuGRZ 1992 S. 12, sowie Urteil Pauwels gegen Belgien vom
26. Mai 1988, Serie A Nr. 135, Ziff. 41; MARK E. VILLIGER, Handbuch der
Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, Rz. 242; VELU/ERGEC,
La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, Rz. 1211
ff.; JOHN CALLEWAERT, Article 53, in: Petiti/Decaux/Imbert, La Convention
européenne des droits de l'homme, Paris 1995, S. 850 ff. mit Hinweisen
auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes; FROWEIN/PEUKERT,
EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1996, Rz. 2 ff. zu Art. 53; JÖRG POLAKIEWICZ,
Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte, 1993, insbes. S. 97 ff. ). Für den
vorliegenden Fall kann es daher keinem Zweifel unterliegen, dass im
Verfahren des Beschwerdeführers die Feststellung der Verletzung von Art. 5
Ziff. 3 EMRK anzuerkennen ist. Darüber hinaus wird zu prüfen sein, welche
Folgerungen daraus im Einzelnen für den Beschwerdeführer zu ziehen sind.

    Anders als in den meisten von den Strassburger Organen beurteilten
Verfahren ergibt sich im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass von den
Konventionsorganen eine Konventionsverletzung festgestellt worden ist,
obwohl das innerstaatliche Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das
schliesst es indessen nicht aus, bereits im vorliegenden hängigen Verfahren
der Résolution intérimaire des Ministerkomitees Rechnung zu tragen.

    Für die Prüfung der Frage, in welcher Weise konkret der Entscheidung
des Ministerkomitees nachzukommen ist, gilt es vorerst zu untersuchen,
welches der Sinn von Art. 5 Ziff. 3 EMRK ist und worin genau die
festgestellte Verletzung liegt.

    c) Art. 5 EMRK räumt einen Anspruch auf Freiheit und Sicherheit ein
(vgl. Titel nach der Fassung des 11. Zusatzprotokolls). Die Freiheit
soll einem Menschen nur in bestimmt umschriebenen Fällen und nur auf
die gesetzlich vorgesehene Weise entzogen werden dürfen (Art. 5 Ziff. 1
EMRK). Im Falle des Freiheitsentzuges werden dem Betroffenen gewisse
Verfahrensrechte eingeräumt: Jeder Festgenommene muss über die Gründe
der Festnahme informiert werden (Art. 5 Ziff. 2 EMRK) und kann ein
Verfahren zur richterlichen Überprüfung des Freiheitsentzuges beantragen
(Art. 5 Ziff. 4 EMRK). In Bezug auf die Untersuchungshaft im Speziellen
schreibt Art. 5 Ziff. 3 EMRK vor, dass der Betroffene unverzüglich einem
Richter oder einem andern, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen
ermächtigten Beamten vorgeführt wird und das Recht hat, innert angemessener
Frist abgeurteilt oder aber aus der Haft entlassen zu werden. Jeder,
der entgegen diesen Bestimmungen von Festnahme oder Haft betroffen ist,
hat Anspruch auf Schadenersatz (Art. 5 Ziff. 5 EMRK).

    Art. 5 Ziff. 3 EMRK regelt insbesondere die Anforderungen an die
Behörde, welche die Haft anordnet. Es muss sich dabei um einen Richter
oder einen andern, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen
ermächtigten Beamten handeln. Dieser muss unbefangen und mit einer gewissen
richterlichen Unabhängigkeit ausgestattet sein. Von seiner Funktion
soll er zu unparteilicher Entscheidung berufen sein und darf an keine
Weisungen gebunden, vielmehr nur dem Gesetze verpflichtet sein (vgl. BGE
118 Ia 95 E. 3b S. 98; 102 Ia 179 S. 180 f., mit Hinweisen). Es ist zwar
nicht ausgeschlossen, dass der Richter oder Beamte im Sinne von Art. 5
Ziff. 3 EMRK noch andere Funktionen ausübt. Es können indessen Zweifel
an der Unparteilichkeit entstehen, wenn er befugt ist, im nachfolgenden
Strafverfahren als Vertreter der Anklagebehörde einzuschreiten (Urteil
Jutta Huber gegen die Schweiz vom 23. Oktober 1990, Serie A Nr. 188 =
EuGRZ 1990 S. 502, Ziff. 4; Urteil Pauwels, aaO, Ziff. 37 f., je mit
Hinweisen auf die Strassburger Rechtsprechung). An diesem Erfordernis der
Unparteilichkeit fehlte es im vorliegenden Fall. Da damit gerechnet werden
konnte, dass Staatsanwalt Dr. Fritz Helber, welcher die Haft angeordnet
hatte, auch die Anklage erheben und vertreten würde (vgl. BGE 102 Ia 379
S. 384), und er auch tatsächlich in dieser Weise vorging, genügte er den
Unparteilichkeitsanforderungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK nicht.

    Die unzureichende Unparteilichkeit des die Haft anordnenden
Staatsanwaltes hat damit zur Folge, dass der vom Beschwerdeführer
erstandene Freiheitsentzug mit Art. 5 Ziff. 3 EMRK im Widerspruch steht
und konventionswidrig ist. Es ist damit davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer eine konventionswidrige Haft erstanden hat.

    d) Nach Art. 5 Ziff. 5 EMRK hat jeder, der entgegen den Bestimmungen
dieses Artikels von Festnahme oder Haft betroffen ist, Anspruch auf
Schadenersatz. Der Betroffene kann direkt gestützt auf diese Bestimmung
ohne Nachweis eines Verschuldens Schadenersatz verlangen (BGE 119 Ia 221
E. 6a S. 230, mit zahlreichen Hinweisen). Art. 5 Ziff. 5 EMRK stellt eine
eigenständige Haftungsnorm dar und kommt unabhängig vom kantonalen Recht
zur Anwendung (vgl. BGE 119 Ia 221 E. 6a S. 230, nicht publiziertes Urteil
des Bundesgerichts vom 31. Januar 1996 i.S. T.; VELU/ERGEC, aaO, Rz. 351).
Ebenso in materieller Hinsicht hat die Norm eigenständige Bedeutung. Zum
Schadenersatzanspruch gehört der Anspruch auf Genugtuung; der Schaden
im Sinne von Art. 5 Ziff. 5 EMRK kann ein rein immaterieller, ideeller
sein (BGE 119 Ia 221 E. 6a S. 230; VPB 47/1983 Nr. 115; VELU/ERGEC,
aaO, Rz. 354; VILLIGER, aaO, Rz. 371; FROWEIN/PEUKERT, aaO, Rz. 161 zu
Art. 5). Eine entsprechende Klage kann nach kantonalem Recht bei einer
kantonalen Instanz oder aber nach Art. 42 OG direkt beim Bundesgericht
angehoben werden.

    Im vorliegenden Fall hat bereits das Bundesgericht im Grundsatz,
nunmehr das Ministerkomitee gestützt auf den Bericht der Kommission
festgestellt, dass Art. 5 Ziff. 3 EMRK verletzt worden ist. Damit
steht dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK der Weg zur
Verantwortlichkeitsklage klar offen. In diesem Entschädigungsprozess
darf die EMRK-Verletzung als solche nicht mehr in Frage gestellt werden
(vgl. FROWEIN/PEUKERT, aaO, Rz. 2 zu Art. 53). Es ist daher Sache
des Beschwerdeführers, in diesem Sinne gestützt auf Art. 5 Ziff. 5
EMRK ein entsprechendes Entschädigungsbegehren einzuleiten. Soweit das
Appellationsgericht den Beschwerdeführer als Folge der EMRK-Verletzung
auf diesen Entschädigungsweg verwiesen hat, kann sein Urteil nicht
beanstandet werden.

    e) Es fragt sich darüber hinaus, ob die Feststellung der Verletzung
von Art. 5 Ziff. 3 EMRK über die Möglichkeit der Verantwortlichkeitsklage
hinaus weitere Folgen zeitigen könnte. Das ist nicht zum vornherein
auszuschliessen, weil den Staaten ein breiter Spielraum zukommt, wie
sie den Entscheidungen der Strassburger Organe nachkommen (vgl. oben
E. 3b). Es kommen hierfür verschiedene Möglichkeiten in Betracht: Der
Strafrichter kann im Falle der Verurteilung unabhängig vom nationalen Recht
die rechtswidrige Haft im Sinne einer Genugtuung an die Freiheitsstrafe
anrechnen (vgl. BGE 123 I 329 E. 2a S. 333); eine solche Anrechnung
haben die Basler Richter vorgenommen, auch wenn sie diese nicht mit der
Rechtswidrigkeit der Haft begründeten. Denkbar wäre je nach Verfahrensstand
auch die formelle Feststellung der EMRK-Widrigkeit; in Bezug auf den
Beschwerdeführer hat das Ministerkomitee eine solche ausgesprochen und
anerkennt sie auch das Bundesgericht. Im vorliegenden Fall verlangt
der Beschwerdeführer zur Behebung der EMRK-Verletzung die Erstellung
einer neuen Anklage und die Anklagevertretung durch einen unparteilichen
Staatsanwalt. Wie es sich damit verhält, ist im Folgenden zu prüfen.

    Die konventionswidrige Haft ist vom Beschwerdeführer erstanden
worden. Sie kann nachträglich nicht mehr behoben oder gar rückgängig
gemacht werden. Auch eine neue Anklageschrift und ein neuer Ankläger
würden die Konventionswidrigkeit der Haft nicht im Nachhinein heilen
können. In Bezug auf den vorliegenden Fall war zur Zeit der Verhaftung
des Beschwerdeführers gestützt auf die damalige Verfahrensordnung
(vgl. BGE 102 Ia 379 S. 384) damit zu rechnen, dass Staatsanwalt
Dr. Fritz Helber nicht nur die Haft anordnen, sondern später auch die
Anklage erheben und vertreten könnte. Er hat diese Funktionen dann auch
tatsächlich wahrgenommen. Bei dieser Sachlage genügte er im Hinblick
auf die Haftanordnung den Anforderungen an die Unparteilichkeit im Sinne
von Art. 5 Ziff. 3 EMRK nicht. Schon nach der vor dem Fall Jutta Huber
ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes galt diejenige Behörde oder
derjenige Beamte nicht als hinreichend unparteilich im Sinne von Art. 5
Ziff. 3 EMRK, der entsprechend dem normalen Lauf der Dinge nach der
Haftanordnung oder -überprüfung auch noch Funktionen der Strafverfolgung,
insbesondere die Anklageerhebung und -vertretung auf sich vereinigen
könnte. Im Falle Skoogström ist dem Urteil des Gerichtshofes und dem
Bericht der Kommission zu entnehmen, dass die die Haft anordnende
Staatsanwältin nicht hinreichend unparteilich war; sie musste damit
rechnen, dass sie später die Anklage erheben werde; an der ungenügenden
Unparteilichkeit vermochte der nachträgliche Umstand schliesslich nichts zu
ändern, dass sie im weiteren Verfahren diese Funktion der Strafverfolgung
tatsächlich nicht ausübte (Urteil Skoogström gegen Schweden vom 26. Oktober
1984, Serie A Nr. 83 = EuGRZ 1985 S. 670 sowie Bericht der Kommission vom
15. Juli 1983, Ziff. 78; vgl. ferner Urteil Pauwels, aaO, Ziff. 38). Auch
daraus geht hervor, dass eine Neuerstellung der Anklageschrift und das
Auswechseln des Staatsanwaltes im Jahre 1998 die Rechtswidrigkeit der 1989
erstandenen Haft nicht heilen könnten. Der Anspruch nach Art. 5 Ziff. 3
EMRK bezieht sich klar auf den Haftanordnungsrichter (vgl. BGE 118 Ia
95 E. 3b S. 98). Die Verletzung dieser Bestimmung kann daher durch das
Erstellen einer neuen Anklage und den Einsatz eines neuen Staatsanwaltes
als Ankläger nicht beseitigt werden. Aus all diesen Gründen ergibt sich,
dass das Begehren des Beschwerdeführers nicht geeignet erscheint, die
Verletzung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK zu heilen.

    Der Mangel der konventionswidrigen Haft kann durch den Einsatz eines
andern Staatsanwaltes als Ankläger auch aus einem weitern Grunde nicht
behoben werden. Die Bestimmung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK räumt keinen
Anspruch auf eine qualifizierte Unparteilichkeit der Anklagebehörde
bei der Anklageerhebung vor Gericht ein. Der Betroffene kann keinen mit
richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Anklagevertreter beanspruchen
(BGE 118 Ia 95 E. 3b S. 98; 124 I 76 S. 78). Auch wenn der Staatsanwalt
den entlastenden Elementen ebenso nachzugehen hat wie den belastenden,
kann nicht übersehen werden, dass mit Erhebung und Vertretung der
Anklage "Partei ergriffen" wird, "Parteilichkeit" somit zum Wesen der
Anklagefunktion gehört. An dieser Eigenschaft vermöchten eine neue
Anklageschrift und der Einsatz eines andern Staatsanwaltes nichts zu
ändern. Das Begehren des Beschwerdeführers ist daher auch in dieser
Hinsicht nicht geeignet, die Konventionsverletzung zu beseitigen. - Im
übrigen kann festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer gegen den vor
dem Appellationsgericht auftretenden Staatsanwalt Alfred Hausmann keine
spezifischen, über die Problematik von Art. 5 Ziff. 3 EMRK hinausgehenden
Ablehnungsgründe geltend macht.

    Schliesslich gilt es unter dem Gesichtswinkel der Prozessökonomie
zu bedenken, dass Staatsanwalt Dr. Fritz Helber speziell für das den
Beschwerdeführer betreffende Verfahren - mit einem Aktenvolumen von rund
450 kg - eingesetzt wurde und die Erstellung einer neuen Anklageschrift
mit dem Beschleunigungsgebot kaum zu vereinbaren wäre. Das Bundesgericht
hat es denn in einem gleich gelagerten Fall im Hinblick auf die nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gebotene Verfahrensdauer abgelehnt, die Anklageschrift
zurückzuweisen (BGE 118 Ia 95).

    f) Es kann nicht übersehen werden, dass in der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung davon die Rede ist, dass im Falle der Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK allenfalls noch verlangt werden könne, dass diejenige
Person, die die Haft verfügte, nicht als Anklagevertreter tätig werde (BGE
117 Ia 199 S. 202; 118 Ia 95 S. 98 ff.). Diese Rechtsprechung gründet
auf der Überlegung, dass in den Fällen, in denen die Personalunion von
haftanordnendem und anklagendem Beamten erst mit der Anklage bekannt
wird, die Garantie von Art. 5 Ziff. 3 EMRK unterlaufen würde, wenn die
entsprechende Rüge trotz Rechtskraft der Haft nicht noch in einem späteren
Verfahrensstadium nach Bekanntwerden der EMRK-Widrigkeit geltend gemacht
werden könnte (BGE 117 Ia 199 S. 202; 118 Ia 95 E. 3c S. 95). Im Urteil
i.S. des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 1993 hat das Bundesgericht
sogar festgehalten, dass Staatsanwalt Dr. Fritz Helber in Anbetracht der
Missachtung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK grundsätzlich mit Erfolg als Vertreter
der Anklage hätte abgelehnt werden können.

    An dieser Rechtsprechung kann in dieser Form nicht festgehalten
werden. Zum einen kann die konventionswidrige Haft, wie oben dargelegt,
mit einer neuen Anklage und dem Einsatz eines neuen Anklägers nicht
mehr beseitigt werden. Zum andern gilt es im Einzelfall zwischen zwei
unterschiedlichen Fragen zu unterscheiden: Einerseits fragt sich, ob
eine sich erst nachträglich als konventionswidrig erweisende Haft trotz
formeller Rechtskraft prozessual noch in Frage gestellt werden kann,
etwa weil im Zeitpunkt der Haftanordnung die Verfassungswidrigkeit noch
nicht absehbar war; in diesem Sinne kamen die Urteile BGE 117 Ia 199 und
118 Ia 95 den damaligen Beschwerdeführern aus der konkreten Konstellation
heraus entgegen. Andererseits stellt sich das Problem, welche Folge aus
dem Umstand der Verfassungswidrigkeit zu ziehen ist. Diese könnte etwa zu
einer eigentlichen Feststellung der Verfassungs- und Konventionswidrigkeit,
zu einer Entschädigung im Sinne von Art. 5 Ziff. 5 EMRK oder zu einer
Anrechnung an die Freiheitsstrafe führen. Das Bundesgericht hat es im
konkreten Fall von BGE 118 Ia 95 - anders als noch in BGE 117 Ia 199 -
tatsächlich abgelehnt, die Anklage als ungültig zu erklären. Entsprechend
den vorstehenden Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass auch auf
Grund der festgestellten EMRK-Verletzung keine neue Anklage durch einen
unparteilichen Ankläger zu erstellen ist. (...)

    h) Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass die
Erstellung einer neuen Anklage nicht geeignet ist, die vom Ministerkomitee
festgestellte Konventionsverletzung zu beheben. Das Appellationsgericht hat
daher Art. 5 Ziff. 3 EMRK nicht verletzt, indem es die bestehende Anklage
seinem Urteil als gültig unterstellte, das Begehren des Beschwerdeführers
um Rückweisung der Anklage bzw. um Einstellung des Verfahrens abwies
und ihn hinsichtlich der erstandenen konventionswidrigen Haft an den
Verantwortlichkeitsrichter verwies. In Bezug auf die Rüge der Verletzung
von Art. 5 Ziff. 3 EMRK erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet.

Erwägung 5

    5.- Im weitern rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 4
BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK. Er beanstandet, dass die von ihm
beantragten Zeugen weder vom Strafgericht noch vom Appellationsgericht
vorgeladen und einvernommen wurden und er daher keine Gelegenheit
hatte, den Belastungszeugen Fragen zu stellen. Soweit die Gerichte
Zeugeneinvernahmen mit antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt haben,
seien sie in Willkür verfallen.

    a) Das Appellationsgericht führte im angefochtenen Entscheid zu
den Beweisbegehren des Beschwerdeführers aus, die Befragung aller
Zeugen vor den Schranken würde das Unmittelbarkeitsprinzip ad absurdum
führen und stünde zudem im Widerspruch zum Beschleunigungsgebot. Es
genüge daher, wenn die (wesentlichen) Zeugenaussagen verlesen und nur
einige der Geschädigten als Zeugen befragt würden. Eine neue Befragung
sei in Anbetracht der weit zurückliegenden Ereignisse zum vornherein
fragwürdig. Es sei daher in erster Linie auf die in der Untersuchung
gemachten Aussagen zurückzugreifen. In Bezug auf Art. 6 Ziff. 3 lit. d
EMRK hielt es fest, dass der Beschwerdeführer im Laufe der Untersuchung
den Zeugenaussagen hätte beiwohnen und den Zeugen Fragen stellen können,
wenn er nicht von Basel geflohen und im Ausland untergetaucht wäre. Im
Übrigen ergebe eine antizipierte Beweiswürdigung, dass Zeugenbefragungen
nichts Wesentliches hätten beitragen können. Denn die massgeblichen
Beweismittel hinsichtlich der Praktiken der vom Beschwerdeführer
dominierten Gesellschaft seien die schriftlichen Unterlagen wie
Dokumentationen, Broschüren, Programmbeschreibungen, Rapporte und
Zirkular-Briefe sowie die schriftlichen Vereinbarungen. Schliesslich habe
für eine weitere Befragung auch deshalb kein Anlass bestanden, weil der
Beschwerdeführer die Richtigkeit der in den Akten befindlichen Aussagen
gar nicht bestritten habe.

    b) Gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK hat der Angeschuldigte
im Strafverfahren Anspruch darauf, Fragen an die Belastungszeugen
zu stellen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter
denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Derselbe
Anspruch ist bereits aus Art. 4 BV abgeleitet worden (BGE 114 Ia 179
S. 180 f.). Ziel ist es dabei, dem Beschuldigten im Sinne eines fair
trials eine angemessene und hinreichende Gelegenheit einzuräumen, eine
belastende Aussage zu bestreiten und den entsprechenden Zeugen zu befragen,
sei es im Zeitpunkt des Zeugnisses selber oder später (Urteil Ferrantelli
gegen Italien vom 7. August 1996, Recueil 1996 S. 937, Ziff. 51; Urteil
Isgrò gegen Italien vom 19. Februar 1991, Serie A Nr. 194-A, Ziff. 34;
Urteil Windisch gegen Österreich vom 27. September 1990 Serie A Nr. 186,
Ziff. 26; Urteil Kostovski gegen Niederlande vom 20. November 1989, Serie
A Nr. 166, Ziff. 41; BGE 116 Ia 289 E. 3a S. 291; 118 Ia 327 E. 2a und b
S. 329; 118 Ia 457 E. 2b S. 458; 118 Ia 462 E. 5a S. 468). Danach genügt
es grundsätzlich, wenn der Beschuldigte im Laufe des ganzen Verfahrens
einmal Gelegenheit zum Stellen von Ergänzungsfragen erhält, sei es
vor den Schranken oder aber im Laufe der Untersuchung (BGE 116 Ia 289
E. 3a S. 291; 120 Ia 48 E. 2b S. 50 f.). Nur unter besonderen Umständen
kann es zur effektiven Wahrnehmung der Verteidigungsrechte notwendig
erscheinen, dass dem Beschuldigten, obwohl er im Untersuchungsverfahren
mit belastenden Zeugen konfrontiert worden ist, vor Gericht Gelegenheit
zu einer ergänzenden Befragung von Zeugen eingeräumt wird (BGE 116 Ia 289
E. 3b und 3c S. 292 ff.; 120 Ia 48 E. 2b S. 50 f., mit Hinweisen; vgl. aus
der Strassburger Rechtsprechung das Urteil Isgrò, aaO, Ziff. 34 ff.).

    Die Befragung von belastenden oder entlastenden Zeugen ist indessen
auch in diesem Sinne nicht absolut. Es kann mit der Natur eines fairen
Verfahrens unter besonderen Umständen vereinbar sein, von einer solchen
Befragung abzusehen. Das gilt zum einen, wenn die Beweisanträge eine
nicht erhebliche Tatsache betreffen oder offensichtlich untauglich
sind oder wenn sich der Richter auf Grund bereits abgenommener Beweise
seine Überzeugung willkürfrei gebildet hat (BGE 121 I 306 S. 308 f.;
vgl. Urteil Vidal gegen Belgien vom 24. April 1992, Serie A Nr. 235-B =
EuGRZ 1992 S. 440, Ziff. 33). Zum andern hat der Menschenrechtsgerichtshof
die fehlende Befragung gebilligt, wenn der Zeuge berechtigterweise das
Zeugnis verweigerte (Urteil Asch gegen Österreich vom 26. April 1991,
Serie A Nr. 203 = EuGRZ 1992 S. 474, anders hingegen Urteil Unterpertinger
gegen Österreich vom 24. November 1986, Serie A Nr. 110 = EuGRZ 1987
S. 147), der Zeuge trotz angemessener Nachforschungen unauffindbar war
(Urteil Artner gegen Österreich vom 28. August 1992, Serie A Nr. 242-A =
EuGRZ 1992 S. 476, Urteil Doorson gegen Niederlande vom 26. März 1996,
Recueil 1996 S. 446, Ziff. 79) oder der Zeuge verstorben ist (Urteil
Ferrantelli, aaO, Ziff. 52 f.). Gleichermassen hat das Bundesgericht das
Abstellen auf eine belastende Aussage eines Zeugen, der in der Zwischenzeit
stirbt oder einvernahmeunfähig wird und daher nicht mehr befragt werden
kann, zugelassen (BGE 105 Ia 396 S. 397). Für die Vereinbarkeit mit
den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erforderlich ist in solchen
Fällen aber, dass der Beschuldigte dazu hinreichend Stellung nehmen
kann, die Aussagen sorgfältig geprüft werden und ein Schuldspruch nicht
allein darauf abgestützt wird (vgl. zu den Umständen im Einzelnen die
genannten Urteile). Insbesondere wenn es sich um schwerwiegende belastende
Aussagen handelt, gilt es zu vermeiden, dass sich der Richter direkt oder
indirekt von Aussagen eines Zeugen beeinflussen lässt; der Anspruch auf
Befragung von belastenden Zeugen gilt daher grundsätzlich ohne förmlichen
Unterschied hinsichtlich späterer Entscheidungsrelevanz (BGE 118 Ia 462 E.
5c/bb S. 472).

    c) Das Bundesgericht hat in BGE 113 Ia 213 entschieden, dass dem
flüchtigen Beschwerdeführer die sog. zusätzlichen Rechte nach der
damaligen Basler Strafprozessordnung nicht gewährt werden mussten. Der
Beschwerdeführer stellt dieses Präjudiz nicht in Frage und ist sich
bewusst, dass er sich in Folge seiner Flucht Einschränkungen in seiner
prozessualen Stellung gefallen lassen müsse (vgl. Urteil Artner, aaO,
Ziff. 20). Diese könnten indessen nicht so weit reichen, dass er mit
den Belastungszeugen überhaupt nie konfrontiert werde und ihnen nie
Fragen stellen könne. Die Anklage sei erst Mitte 1992 erhoben und der
erstinstanzliche Prozess erst im Herbst 1993 durchgeführt worden. In
dieser Zeit hätte er ohne weiteres mit den Geschädigten konfrontiert
werden können. Die unterbliebene Einvernahme und Konfrontation an der
Hauptverhandlung sei nicht Folge der Flucht und verletze daher Art. 6
Ziff. 3 lit. d EMRK.

    Der Beschwerdeführer hat sowohl vor dem Strafgericht als auch vor
dem Appellationsgericht die Einvernahme von sämtlichen Geschädigten als
Zeugen gefordert, nämlich von 762 bzw. 681 Personen. Er hat es indessen
unterlassen, genauer zu bezeichnen, welche Personen zu welchen Fragen im
Einzelnen anzuhören seien. Auch vor dem Bundesgericht legt er nicht dar,
welche Zeugen im Einzelnen aus welchen spezifischen Gründen hätten angehört
werden müssen und in Bezug auf welche Zeugen die Basler Gerichte Art. 6
Ziff. 3 lit. d EMRK verletzt haben sollen. Es ist daher fraglich, ob der
Beschwerdeführer mit seiner globalen Rüge den Substantiierungsanforderungen
von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt. Das kann allerdings offen bleiben. Der
Beschwerdeführer behauptet selber nicht, dass er während der Untersuchung
in der Zeitspanne zwischen seiner zwangsmässigen Rückkehr nach Basel und
dem Beginn der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht entsprechende Anträge
um Befragung von Belastungszeugen und um Konfrontation mit ihnen gestellt
und dass er in dieser Zeit erneut um die Einräumung der sog. zusätzlichen
Rechte ersucht hätte. Er hat es sich daher selber zuzuschreiben, dass
er in dieser Zeit an den Einvernahmen nicht hat teilnehmen können. Für
den vorliegenden Fall ist demnach davon auszugehen, dass er erst vor dem
Strafgericht entsprechende Beweisbegehren gestellt hat. Es ist somit zu
prüfen, ob die Verweigerung der erneuten Einvernahme von Zeugen vor dem
Strafgericht und dem Appellationsgericht mit Verfassung und Konvention
vereinbar ist.

    d) Das Appellationsgericht ist davon ausgegangen, dass eine
Zeugenbefragung vor dem Strafgericht Ereignisse betroffen hätte,
welche acht bis zwölf Jahre zurücklagen. Nach so langer Zeit ist
das Erinnerungsvermögen geschwächt und sind präzise und verwertbare
Aussagen nicht mehr zu erwarten. Befragung und Konfrontation mit
Zeugen hätten daher nur rein formelle Bedeutung und würden dem
Anliegen der Konvention, dem Angeschuldigten tatsächlich wirksame
Rechte einzuräumen, nicht dienen. In Anbetracht der Zeitverhältnisse
wäre es daher auch bei einer Zeugenbefragung erforderlich gewesen, auf
die Untersuchungsakten abzustellen und die Zeugen mit ihren damaligen
Aussagen zu konfrontieren. Dem diente das Verfahren vor dem Strafgericht,
in dessen Verlauf lange Passagen aus der Untersuchung vorgetragen worden
waren. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter haben sich dazu in der
Hauptverhandlung im Einzelnen äussern und demnach ihre Verteidigungsrechte
unmittelbar nach dem Vortragen der Aussagen vor den Schranken selber
ausüben können.

    Wesentliche Bedeutung kommt der Natur der beweismässig zu erhebenden
Umstände zu. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf des gewerbsmässigen Betruges
war in erster Linie abzuklären, ob und inwiefern der Beschwerdeführer
seine Kunden allenfalls arglistig irregeführt habe. Hierfür ist davon
auszugehen, dass das Vorgehen des Beschwerdeführers in den meisten Fällen
das gleiche war und eine Grosszahl von Zeugenbefragungen nicht erforderlich
war. In Anbetracht der grossen Investitionen sind weniger mündliche
Gespräche von Bedeutung, über die die Zeugen eventuell hätten berichten
können. Ausschlaggebend waren vielmehr schriftliche Unterlagen wie die
den Interessenten abgegebenen Broschüren, Programmbeschreibungen, Rapporte
und Zirkular-Briefe, welche über Zusicherungen hinsichtlich Verwendung der
einbezahlten Gelder, Renditeerwartungen und Sicherheit der Anlagen Auskunft
gaben. In Bezug auf diese Umstände vermögen Zeugenaussagen zum vornherein
nur wenig beizutragen. Der Beschwerdeführer hat es denn auch unterlassen,
auch nur beispielsweise Zeugen anzugeben, welche zu einem bestimmten
Beweisthema seiner Ansicht nach etwas hätten aussagen können. Auch in
dieser Hinsicht sind die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht
geschmälert worden.

    Schliesslich gilt es zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer
die Aussagen von Geschädigten und Zeugen nicht bestreitet (vgl. Urteil
Pullar gegen Grossbritannien vom 10. Juni 1996, Recueil 1996 S. 783,
Ziff. 46). Er macht in Bezug auf kein einziges Zeugnis geltend,
es widerspreche den tatsächlichen Vorkommnissen. Umgekehrt kann den
Erwägungen des Strafgerichts und des Appellationsgerichts entnommen werden,
dass die einzelnen Zeugenaussagen sehr sorgfältig gewürdigt und in den
Zusammenhang mit den schriftlichen Beweisen gestellt worden sind. Der
Schuldspruch beruht damit keineswegs hauptsächlich auf Aussagen von Opfern
in der Strafuntersuchung, zu denen der Beschwerdeführer nicht hat Stellung
nehmen können; er stützt sich vielmehr in erster Linie auf die Akten.

    Gesamthaft gesehen ergibt sich daraus, dass die Gerichte die
Begehren des Beschwerdeführers um Einvernahme sämtlicher Zeugen als
untauglich bezeichnen durften. Ihre antizipierte Beweiswürdigung beruht
auf sorgfältigen Überlegungen und eingehender Würdigung der Sachlage und
hält damit vor Art. 4 BV stand. In Anbetracht der gesamten Umstände ist
der Beschwerdeführer auch in seinem Anspruch nach Art. 6 Ziff. 3 lit. d in
Verbindung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht verletzt worden. Seine Beschwerde
erweist sich daher auch in diesem Punkte als unbegründet.