Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 I 208



124 I 208

26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25.
August 1998 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons
Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Persönliche Freiheit, Art. 4 BV, Art. 5 EMRK; Beweisverfahren im
Haftprüfungsverfahren, Wiederholungsgefahr.

    Trotz des Beschleunigungsgebots kein grundsätzlicher Ausschluss
von Beweismassnahmen im Haftprüfungsverfahren (E. 3). Zulässigkeit
der Abweisung von Beweisbegehren zur Frage der Wiederholungsgefahr im
vorliegenden Fall (E. 4).

    Anforderungen an die Wiederholungsgefahr; Bejahung von
Wiederholungsgefahr (E. 5).

    Zulässige Dauer der Untersuchungshaft (E. 6).

Sachverhalt

    Der jugoslawische Staatsangehörige K. wurde wegen des Verdachts,
gegenüber seiner von ihm geschiedenen Ehefrau bei einer Auseinandersetzung
mit seiner Pistole einen Tötungsversuch begangen zu haben, von den
Strafverfolgungsbehörden des Kantons Luzern in Untersuchungshaft
versetzt. Die Haft ist mehrmals verlängert und Haftentlassungsgesuche
sind abgewiesen worden.

    Die Abweisung eines Haftentlassungsgesuches durch die
Staatsanwaltschaft focht K. im Juni 1998 beim Obergericht des Kantons
Luzern an, verlangte seine Entlassung aus der Haft und beantragte zur
Annahme von Wiederholungsgefahr Beweismassnahmen.

    Das Obergericht wies den Rekurs ab. Es bejahte den Tatverdacht und
nahm Wiederholungsgefahr als speziellen Haftgrund an. Den Beweisbegehren
gab es keine Folge, weil im Haftrekursverfahren für Beweisergänzungen
kein Raum sei.

    Gegen diesen Entscheid hat K. beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV, der persönlichen Freiheit
und von Art. 5 EMRK erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Strafprozessordnung des Kantons Luzern (StPO/LU) bestimmt,
dass der Angeschuldigte in der Regel in Freiheit bleibt (§ 80 Abs. 1
StPO/LU). Er darf indessen in Haft gesetzt werden, wenn er eines
Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und wenn einer der
speziellen Haftgründe vorliegt (§ 80 Abs. 2 StPO/LU). Als spezieller
Haftgrund gilt u.a. die Wiederholungsgefahr; sie ist gegeben, wenn
konkrete Hinweise für die Annahme bestehen, dass der Angeschuldigte weitere
strafbare Handlungen begehen werde (§ 80 Abs. 2 Ziff. 4 StPO/LU). (...)

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht hat den angefochtenen Entscheid auf das Vorliegen
des speziellen Haftgrundes der Wiederholungsgefahr im Sinne von § 80 Abs. 2
Ziff. 4 StPO/LU gestützt. In dieser Hinsicht hat der Beschwerdeführer vor
dem Obergericht um Abnahme von weiteren Beweisen, nämlich um Befragung
von zwei Zeugen und um Erstellung eines Obergutachtens ersucht. Das
Obergericht gab diesen Begehren nicht statt und begründete dies damit,
im Haftprüfungsverfahren, das seiner Natur nach rasch durchgeführt werden
muss, sei für Beweismassnahmen kein Raum. Der Beschwerdeführer erblickt
darin eine Verletzung von Art. 4 BV.

    Nach der Luzerner Strafprozessordnung ebenso wie nach der
Rechtsprechung zur persönlichen Freiheit und zu Art. 5 Ziff. 3 und 4 EMRK
bedarf es eines raschen richterlichen Entscheides über die Anordnung
bzw. Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft; auf Grund von § 83bis
StPO/LU hat das Obergericht innert dreier Tage über Haftbeschwerden zu
entscheiden. Das Beschleunigungsgebot belässt daher nur wenig Raum für
ausgedehnte Beweismassnah-men. Zur Frage des dringenden Tatverdachts
ist in diesem Verfahrensstadium kein Beweisverfahren durchzuführen,
weil der Haftrichter dem erkennenden Strafrichter nicht vorzugreifen
hat. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden
Alibibeweises (Urteil vom 7. Oktober 1992 i.S. B. in: EuGRZ 1992
S. 553 E. 3b/cc sowie Urteil vom 12. September 1996 i.S. S. in: EuGRZ
1997 S. 15 E. 2d/bb). In Bezug auf die besonderen Haftgründe kann nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Beweisverfahren ebenfalls
nicht ausgeschlossen werden. Sofern die Interessen der materiellen
Rechtsfindung in schwierigeren Fällen eine längere Entscheidungsfrist
notwendig machen, könne dies unter dem Beschleunigungsgebot in Kauf
genommenen werden. In diesem Sinn interpretierte das Bundesgericht
die Regel der Strafprozessordnung des Kantons Zürich, wonach der
Haftrichter innert zweier Tage über den Antrag auf Untersuchungshaft
bzw. auf Weiterführung der Haft zu entscheiden hat, grundrechtskonform
als Ordnungsvorschrift (Urteil vom 7. Oktober 1992 i.S. B. in: EuGRZ
1992 S. 553 E. 3b/dd sowie Urteil vom 12. September 1996 i.S. S. in: EuGRZ
1997 S. 15 E. 2d/bb). Demnach kann es zur Wahrung der von der Verfassung
geschützten (materiellen) Parteirechte im Einzelfall geboten sein, von
der kantonalen Prozessordnung abzuweichen, namentlich was den Ausschluss
von gewissen Beweiserhebungen oder die Fristbestimmungen für den Erlass
des haftrichterlichen Entscheides betrifft (Urteil vom 12. September 1996
i.S. S. in: EuGRZ 1997 S. 15 E. 2d/cc).

    Auf Grund dieser Erwägungen kann ein Beweisverfahren zum Vorliegen von
besonderen Haftgründen nicht zum vornherein ausgeschlossen werden. Soweit
das Obergericht im angefochtenen Entscheid ausführt, für Beweismassnahmen
zur Abklärung der Wiederholungsgefahr sei im Haftprüfungsverfahren
grundsätzlich kein Raum, kann ihm nicht gefolgt werden.

Erwägung 4

    4.- Eine sorgfältige Lektüre des angefochtenen Entscheides zeigt,
dass das Obergericht - über die pauschale Aussage zur Unzulässigkeit von
Beweismassnahmen hinaus - die konkreten Beweisbegehren in antizipierter
Beweiswürdigung abgelehnt hat. Im Folgenden ist zu prüfen, ob diese
Ablehnung unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV verfassungsrechtlich
zulässig ist.

    a) Nach der Rechtsprechung kann der Richter das Beweisverfahren
schliessen, wenn die Beweisanträge eine nicht erhebliche Tatsache
betreffen oder offensichtlich untauglich sind oder wenn er auf Grund
bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne
Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine
Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde. Das
Bundesgericht greift auf staatsrechtliche Beschwerde nur ein, wenn die
Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen
beruht oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 120 Ia 31 S. 40; 117 Ia 262 S. 268 f.; 115 Ia 97 S. 101; 103 Ia 490
S. 491, mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht hebt einen Entscheid im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren nur auf, wenn er sich im Resultat als verfassungswidrig
erweist, und nicht schon dann, wenn nur die Begründung unhaltbar ist
(BGE 122 I 257 S. 262; 119 Ib 380 S. 385, mit Hinweisen). Es ist daher
auch zu prüfen, ob sich der angefochtene Entscheid allenfalls unter
Substituierung der Motive im Resultat verfassungsrechtlich halten lässt.

    b) Das Obergericht liess bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr
den Führungsbericht des Direktors des Zentralgefängnisses Luzern, Herr
A., nicht ausser Acht. Dieser Bericht vom 18. Juni 1998 attestiert
dem Beschwerdeführer ein korrektes Verhalten. Bei dieser Sachlage ist
nicht ersichtlich, was eine neue Befragung von Herrn A. beweismässig
hätte bringen können; jedenfalls durfte das Obergericht ohne Willkür
ausschliessen, dass die Zeugenbefragung etwas an der auf das psychiatrische
Gutachten abgestützten Beurteilung der Wiederholungsgefahr ändern
könnte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit in das
Untersuchungsgefängnis Basel verlegt werden musste, ändert daran nichts
und ist für das bundesgerichtliche Verfahren wegen des Novenverbots
unbeachtlich (BGE 121 I 367 S. 370, mit Hinweisen). Die Abweisung des
Antrags auf Befragung des Gefängnisdirektors hält daher vor Art. 4 BV
stand. Gleich verhält es sich mit dem als Zeugen angerufenen Psychologen
B. Zum einen basiert schon der Führungsbericht offensichtlich auch auf
dessen Beurteilung. Zum andern hat es der Beschwerdeführer unterlassen,
im Einzelnen darzulegen, was Herr B. über den positiven Führungsbericht
hinaus beweismässig hätte ausführen können. Gesamthaft gesehen hat das
Obergericht daher die Verfassung durch die Abweisung der Begehren um
Befragung der beiden Zeugen nicht verletzt.

    c) Das Obergericht hat seinen Entscheid wesentlich auf das Gutachten
von Dr. med. X. abgestützt. Der Beschwerdeführer hat dieses Gutachten
auf Grund eines Berichts von Dr. med. Y. kritisiert und deshalb eine
Oberexpertise gefordert, was vom Obergericht abgelehnt worden ist.

    Dr. X. beschrieb den Beschwerdeführer als uneinsichtig und
realitätsfremd, weil dieser weder die Scheidung von seiner Ehefrau
anerkennen noch die Schussabgabe wahrhaben wolle. Auf Grund der gesamten
Umstände schliesst der Gutachter auf eine paranoide Denkweise. Aus diesem
Grunde stelle der Beschwerdeführer eine Gefahr insbesondere für seine
frühere Ehefrau dar, weshalb auch die Frage einer Verwahrung zu prüfen sei.

    Der Beschwerdeführer kritisiert dieses Gutachten als
oberflächlich. Seine Kritik geht indessen über diejenige von
Dr. Y. hinaus. Dieser beanstandet zwar, dass keine fremdanamnestischen
Abklärungen und keine testpsychologische Prüfungen vorgenommen worden
sind. Er zieht indessen die Schlussfolgerung des Gutachters nicht in
Frage und spricht selber davon, dass eine paranoide Persönlichkeitsstörung
tatsächlich in Betracht zu ziehen sei. Hierfür genüge indessen die blosse
Beobachtung von Uneinsichtigkeit, Rechthaberei, Unnachgiebigkeit und
realitätsinadäquater Misstrauens- und Eifersuchtshaltung allein nicht.

    Diese Ausführungen zeigen, dass weitere gutachterliche Abklärungen im
Hinblick auf das Hauptverfahren und die Frage einer allfälligen Verwahrung
tatsächlich angezeigt erscheinen, wie auch das Obergericht im angefochtenen
Entscheid mit der Formulierung, solche wären hilfreich und sachdienlich,
ausführt. Die Stellungnahme von Dr. Y. bezieht sich indessen auf das
Hauptverfahren und die Frage der Verwahrung. Zur Wiederholungsgefahr
spricht er sich nicht aus, zieht sie insbesondere nicht in Zweifel. Für
ihn fällt vielmehr eine paranoide Persönlichkeitsstörung ausdrücklich
in Betracht. Weiter darf berücksichtigt werden, dass Dr. X. zwar keine
fremdanamnestischen Abklärungen getroffen, sich im Gutachten immerhin
auf Zeugenaussagen aus dem Dossier gestützt hat. In Anbetracht dieser
Umstände kann nicht gesagt werden, das Gutachten von Dr. X. weise in Bezug
auf das Haftprüfungsverfahren und die Abklärung der Wiederholungsgefahr
derartig gravierende Fehler auf, dass eine Oberexpertise unumgänglich
sei. Das Obergericht konnte vielmehr ohne Verletzung des rechtlichen
Gehörs im Sinne von Art. 4 BV das Beweisbegehren des Beschwerdeführers
abweisen. Auch insofern erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Erwägung 5

    5.- Nach § 80 Abs. 2 Ziff. 4 StPO/LU liegt Wiederholungsgefahr vor,
wenn konkrete Hinweise für die Annahme bestehen, dass der Angeschuldigte
weiterhin strafbare Handlungen begehen werde. Das Obergericht führt aus,
dass hierfür die Gefahr weiteren Delinquierens offenkundig sein müsse;
Wiederholungsgefahr sei anzunehmen, wenn der Angeschuldigte vorsätzlich
zumindest ein Vergehen verübt hat und sich auf Grund der Umstände
des untersuchten Deliktes eine konkrete Befürchtung weiterer Delinquenz
ergibt. Das Bundesgericht hat in seiner neuesten Rechtsprechung dargelegt,
dass die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung wegen Fortsetzungsgefahr
nur verhältnismässig sei, wenn einerseits die Rückfallprognose sehr
ungünstig und andererseits die zu befürchtenden Delikte von schwerer
Natur seien. Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung weiterer
Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten
verübt würden, reichten dagegen nicht aus, um Präventivhaft zu begründen
(BGE 123 I 268 S. 270).

    Das Obergericht verwies im angefochtenen Entscheid auf sein
eigenes Urteil vom 2. April 1998. Es ging von einer paranoiden
Persönlichkeitsstörung aus, hielt mit dem Gutachter fest, dass der
Beschwerdeführer seine ehemalige Gattin immer noch als unter seiner
Kontrolle stehenden Besitz betrachte, und verwies auf den Verlust des
Realitätssinnes, der sich insbesondere darin zeige, dass er die Trennung
von seiner Ehefrau immer noch nicht wahrhaben und den Umstand, dass die
Pistole anlässlich des ihm vorgeworfenen Verhaltens geladen und entsichert
gewesen ist, nicht aktzeptieren will. Daher seien weitere Konflikte und
gewaltsame Konfrontationen konkret zu befürchten.

    Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag nicht
durchzudringen. Ein gewisser Verlust des Realitätssinnes kann ihm nicht
abgesprochen werden. Er hat den Tathergang in keiner Weise plausibel
schildern und nicht erklären können, wie die Pistole geladen und
entsichert worden ist. Sowohl aus dem Gutachten von Dr. X. als auch aus
den Einvernahmen geht hervor, dass er die Trennung von seiner Ehefrau
nicht wahrhaben kann. Aus dem Dossier ergibt sich, dass er die Tage vor
der Tat seine ehemalige Frau verfolgte und ihre Wege mit grosse Eifersucht
kontrollierte, obwohl ihm diese klar zu verstehen gab, dass sie zur Zeit
keinen Kontakt wünsche. Der Beschwerdeführer reagierte darauf vollkommen
unkontrolliert und bedrängte sie mit der Pistole. Gerade der Umstand, dass
er sich an das Tragen der Pistole gewöhnt hat und diese anlässlich einer
Auseinandersetzung mit seiner ehemaligen Frau tatsächlich hervorholte,
zeigt seine hohe Gefährlichkeit. In Freiheit belassen, darf angesichts
der Eifersucht und der Unkontrolliertheit seines Handelns mit hoher
Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass er seiner ehemaligen Frau
weiterhin nachgehen wird, sie bedrohen wird und ihr gegenüber auch ein
schweres Delikt begehen könnte. Es kann daher nicht gesagt werden, die
Verübung weiterer Delikte sei lediglich hypothetisch und beziehe sich
auf geringfügige Straftaten. In Anbetracht all dieser Umstände durfte
das Obergericht ohne Verletzung der Strafprozessordnung, der Verfassung
und der EMRK Wiederholungsgefahr annehmen.

    Beim Vorliegen von Wiederholungsgefahr, die nach dem Gesagten nur
unter sehr restriktiven Bedingungen angenommen werden kann, fallen
mildere Massnahmen als die Haft kaum in Betracht. Ein wirksamer
Schutz der ehemaligen Frau des Beschwerdeführers lässt sich nur mit
der Aufrechterhaltung der Haft bewerkstelligen. Die in § 83ter Abs. 2
StPO/LU aufgeführten milderen Massnahmen kommen insbesondere in Frage,
wenn eine gewisse Fluchtgefahr besteht. Die persönliche Meldung bei einer
Amtsstelle, die Verpflichtung, einen bestimmten Ort nicht zu verlassen,
oder eine Kaution sind kaum geeignet, der Gefahr der Begehung einer
weitern schweren Straftat zu begegnen. Die Beschwerde ist daher auch in
diesem Punkte unbegründet.

Erwägung 6

    6.- Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer die Dauer der Haft
und verlangt wegen der Gefahr der Überhaft seine Entlassung.

    Eine Überschreitung der zulässigen Haftdauer liegt nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann vor, wenn diese die mutmassliche
Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt. Das bedeutet jedoch
nicht, dass die Untersuchungshaft stets so lange dauern darf wie die
zu erwartende Strafe (BGE 105 Ia 26 E. 4b S. 33). Der Haftrichter darf
die Untersuchungshaft nur solange erstrecken, als ihre Dauer nicht in
grosse Nähe der konkret zu erwartenden Strafe rückt. Dieser Grenze ist
auch deshalb Bedeutung zu schenken, weil das erkennende Gericht dazu
neigen könnte, die Dauer der erstandenen Haft bei der Strafzumessung
mitzuberücksichtigen. Insofern besteht eine Art absoluter Höchstdauer der
Untersuchungshaft (BGE 116 Ia 143 E. 5a S. 147; 107 Ia 256 E. 2b S. 258,
mit Hinweisen auf die Rechtsprechung der Strassburger Organe). Die Frage,
ob eine Haft als übermässig bezeichnet werden muss, ist auf Grund der
konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen. Dabei ist eine
Abwägung zwischen den Interessen des Verfolgten an der Wiederherstellung
seiner Freiheit und den entgegenstehenden Interessen des Staates an der
wirksamen Verfolgung seines Strafanspruchs vorzunehmen (BGE 107 Ia 256
E. 2b S. 258). Nach der Rechtsprechung wird die Möglichkeit der Ausfällung
einer lediglich bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe grundsätzlich nicht
berücksichtigt (Urteil vom 22. Dezember 1995 i.S. S. in: EuGRZ 1998 S. 514;
vgl. zur Berücksichtigung der Möglichkeit der bedingten Entlassung SZIER
2/1992 S. 489 f.).

    Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes
der versuchten vorsätzlichen Tötung an das Kriminalgericht überwiesen
worden. Dem Schuldspruch des urteilenden Kriminalgerichts darf im
Haftprüfungsverfahren nicht vorgegriffen werden. Auch wenn die Tat nicht
als versuchte vorsätzliche Tötung, sondern etwa als Gefährdung des Lebens
qualifiziert würde, wäre mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu
rechnen. Wie dargetan, ist dabei die Möglichkeit einer lediglich bedingt
vollziehbaren Freiheitsstrafe nicht von Bedeutung. In Anbetracht dieser
Umstände kann nicht gesagt werden, die Untersuchungshaft von rund sieben
Monaten, gerechnet von der Verhaftung bis zum Erlass des angefochtenen
Entscheides, übersteige die mutmassliche Dauer der zu erwartenden
Freiheitsstrafe oder rücke in grosse Nähe. Die Rüge der übermässig langen
Untersuchungshaft ist daher ebenfalls unbegründet.