Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 I 127



124 I 127

17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
27. Mai 1998 i.S. Niklaus Scherr und Mieterinnen- und Mieterverband Zürich
gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 2 ÜbBest. BV, Art. 270 Abs. 2 OR, Grundsatz der Gewaltenteilung,
Art. 4 BV; Formularpflicht beim Abschluss von neuen Mietverträgen.

    Tragweite des Vorbehalts zugunsten der Kantone gemäss Art. 270 Abs. 2
OR (E. 2a und b). Konkretisierung des bundesrechtlichen Begriffs des
Wohnungsmangels (E. 2c und d).

    Kompetenz des Zürcher Regierungsrats zum Erlass von
Vollzugsverordnungen (E. 3a). Zulässigkeit der näheren Umschreibung des
Begriffs des Wohnungsmangels durch den Regierungsrat (E. 3b-d).

    Es ist nicht willkürlich, wenn das kantonale Recht das Vorliegen von
Wohnungsmangel an einen Leerwohnungsbestand von unter 1% knüpft (E. 4).

    Willkürliche Aufhebung der Formularpflicht für den Zeitraum vom
1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 (E. 5). Konsequenzen dieser zeitlich
beschränkten Verfassungswidrigkeit (E. 6).

Sachverhalt

    Im Kanton Zürich nahm der Gesetzgeber am 20. Februar 1994 folgende
Bestimmung in das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch
vom 2. April 1911 (EG zum ZGB; LS 230) auf:

    § 229b.  In Zeiten von Wohnungsmangel sind Vermieterinnen und Vermieter
   von Wohnräumen verpflichtet, beim Abschluss eines Mietvertrages das
   in Art.

    270

    Abs. 2 OR vorgesehene Formular zu verwenden.

    Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss am 28. September 1994,
§ 229b EG zum ZGB auf den 1. November 1994 in Kraft zu setzen. Zugleich
stellte er fest, dass der Leerwohnungsbestand im ganzen Kanton am 1. Juni
1994 0,59% betragen habe und daher Wohnungsmangel im Sinne von § 229b
EG zum ZGB herrsche. Dementsprechend erklärte er die Verwendung des
offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen Mietvertrags im ganzen
Kanton Zürich für obligatorisch.

    Am 28. Mai 1997 traf der Regierungsrat bezüglich der Pflicht, beim
Abschluss eines neuen Mietvertrags das offizielle Formular zu verwenden,
folgenden Beschluss:

    I. Wohnungsmangel gemäss Art. 270 Abs. 2 OR und § 229b EG zum ZGB liegt
   vor, wenn im ganzen Kanton ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1%
   besteht.

    Der Regierungsrat legt gestützt auf den durch das kantonale
Statistische

    Amt per 1. Juni ermittelten Leerwohnungsbestand fest, wenn sich eine
   Änderung bezüglich der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars
   beim Abschluss eines neuen Mietvertrages ergibt. Eine Änderung tritt
   jeweils am 1. November des gleichen Jahres in Kraft.

    II. Die Verpflichtung, das in Art. 270 Abs. 2 OR vorgesehene offizielle

    Formular beim Abschluss eines neuen Mietvertrages zu verwenden,
wird mit

    Inkrafttreten dieses Beschlusses aufgehoben.

    III. Dieser Beschluss tritt am 1. Juni 1997 in Kraft.

    IV. Veröffentlichung im Dispositiv im Amtsblatt und in der

    Gesetzessammlung.

    V. Mitteilung an die politischen Gemeinden, das Obergericht, an die

    Direktionen des Innern und der Justiz sowie die Staatskanzlei.

    Niklaus Scherr sowie der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich haben
gegen den wiedergegebenen Beschluss des Regierungsrats vom 28. Mai 1997
eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhoben und beantragen
dessen Aufhebung.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Ansicht der Beschwerdeführer umschreibt das Bundesrecht den
Begriff des Wohnungsmangels abschliessend. Dessen nähere Konkretisierung
im angefochtenen Beschluss verletze daher den Grundsatz der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV).

    a) Art. 270 Abs. 2 OR enthält einen ermächtigenden Vorbehalt zugunsten
des kantonalen Rechts (BGE 120 II 341 E. 2b S. 343). Die Kantone dürfen
im Falle von Wohnungsmangel für ihr Gebiet oder für einen Teil davon
die Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss eines neuen
Mietvertrags vorschreiben. Sie müssen von dieser Möglichkeit aber
keinen Gebrauch machen. Diesfalls gelten allein die bundesrechtlichen
Bestimmungen, nach denen beim Abschluss eines neuen Mietvertrags die
Verwendung des offiziellen Formulars nicht vorgeschrieben ist.

    Die den Kantonen in Art. 270 Abs. 2 OR eingeräumte Kompetenz zur
Aufstellung eigener Regelungen ist relativ eng begrenzt: Sie können
einzig im Falle von Wohnungsmangel beim Abschluss eines neuen Mietvertrags
die Verwendung des offiziellen Formulars obligatorisch erklären und den
Begriff des Wohnungsmangels näher umschreiben. Dagegen wird der Inhalt
des offiziellen Formulars durch das Bundesrecht festgelegt (vgl. Art. 19
der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen vom
9. Mai 1990 [VMWG; SR 221.213.11]). Auch die Wirkungen eines allfälligen
Formmangels bei der Mitteilung des Anfangsmietzinses ergeben sich aus
dem Bundesrecht (BGE 120 II 341 E. 2c S. 344).

    b) Die Freiheit der Kantone, den Begriff des Wohnungsmangels näher zu
definieren, besteht allerdings ebenfalls nur innerhalb des von Art. 270
Abs. 2 OR vorgegebenen bundesrechtlichen Rahmens. Die Kantone können
die Pflicht zum Gebrauch des offiziellen Formulars wohl an einen engeren
Begriff des Wohnungsmangels knüpfen als jenen, den das Bundesrecht in
Art. 270 Abs. 2 OR verwendet. Sie dürfen aber nicht einen weiteren Begriff
des Wohnungsmangels als das Bundesrecht einführen und die Benützung des
offiziellen Formulars auch in Fällen vorschreiben, in denen nach Art. 270
Abs. 2 OR kein Wohnungsmangel herrscht.

    Das bedeutet zunächst, dass die Kantone die Pflicht, beim Abschluss
neuer Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden, nicht in allen
Fällen des Wohnungsmangels im Sinne von Art. 270 Abs. 2 OR vorzuschreiben
brauchen, sondern sie nur bei Vorliegen eines enger verstandenen
Wohnungsmangels vorsehen können. Denn wenn es das Bundesrecht zulässt,
dass die Kantone ganz auf die Einführung der Pflicht zur Verwendung des
offiziellen Formulars verzichten, so steht es ihnen auch frei, den Gebrauch
des offiziellen Formulars nur in einem beschränkteren Umfang als nach
Bundesrecht möglich zu verlangen und damit die ihnen eingeräumte Kompetenz
nur teilweise auszuschöpfen. Die Kantone können aber auch den gleichen
Begriff des Wohnungsmangels wie in Art. 270 Abs. 2 OR gebrauchen und die
Benützung des offiziellen Formulars damit in allen Fällen vorschreiben,
in denen dies das Bundesrecht zulässt. Diesfalls schöpfen sie die ihnen
vorbehaltene Kompetenz voll aus. Nicht befugt sind die Kantone dagegen,
die Verwendung des offiziellen Formulars auch in Fällen zu verlangen,
in denen nach Art. 270 Abs. 2 OR kein Wohnungsmangel mehr vorliegt. Sie
dürfen daher die Pflicht zum Gebrauch des Formulars nicht an einen weiteren
Begriff des Wohnungsmangels knüpfen, als ihn das Bundesrecht in Art. 270
Abs. 2 OR verwendet.

    c) Der bundesrechtliche Begriff des Wohnungsmangels gemäss Art. 270
Abs. 2 OR wurde in der bisherigen Rechtsprechung nicht konkretisiert. Es
wurde lediglich darauf verwiesen, dass das Vorliegen von Wohnungsmangel
unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht werden könne und überdies zu
beachten sei, dass sich die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt rasch ändern
könnten (BGE 117 Ia 328 E. 4 S. 335). In der Botschaft des Bundesrates
betreffend die Ergänzung der Bundesverfassung durch Art. 34sexies und
Art. 34septies vom 30. Juli 1971 wird erklärt, man pflege zur Ermittlung
des Wohnungsmangels regelmässig auf die Leerwohnungsziffer - d.h. den
prozentualen Anteil der leerstehenden, vermietbaren Wohnungen am gesamten
Wohnungsbestand - abzustellen, da sich der Wohnungsbedarf statistisch
nicht direkt erfassen lasse. Im allgemeinen werde von Wohnungsmangel
gesprochen, wenn die Zahl der leerstehenden Wohnungen unter 1-1,5% des
gesamten Wohnungsbestands sinke, während bei einer Leerwohnungsquote von
unter 0,5% Wohnungsnot herrsche (BBl 1971 I 1668). Bei der Beurteilung der
Verfassungsmässigkeit einer gesetzlichen Regelung im Kanton Genf, welche
die Enteignung missbräuchlich leergelassener Wohnungen vorsieht, hielt
das Bundesgericht fest, es liege im Ermessen des kantonalen Gesetzgebers,
Wohnungsmangel nicht nur bei Unterschreitung einer Leerwohnungsquote von
1,5%, sondern bereits einer solchen von 2% anzunehmen (BGE 119 Ia 348
E. 4a S. 357).

    d) Ob der bundesrechtliche Begriff des Wohnungsmangels gemäss Art. 270
Abs. 2 OR an einen bestimmten Wert des Leerwohnungsbestands zu knüpfen ist
(so DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 1997, S. 262 Anm. 38 in Verbindung
mit Anm. 24; vgl. AUCH MARK MULLER, La contestation du loyer initial
et sa notification sur formule officielle, Cahiers du bail 1/95, S. 6)
oder ob er gerade nicht von festen Zahlen abhängt (so SVIT-Kommentar
Mietrecht, N. 36 zu Art. 270 OR), kann hier offenbleiben. Auch ist im
vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob für den Fall, dass auf
eine feste Leerwohnungsquote abzustellen wäre, Wohnungsmangel schon bei
Unterschreitung eines Werts von 2% oder erst von 1,5% anzunehmen wäre.

    Nach dem angefochtenen Beschluss liegt Wohnungsmangel, der zum Gebrauch
des offiziellen Formulars verpflichtet, nur vor, wenn im ganzen Kanton
Zürich ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht. Diese Regelung
überschreitet den von Art. 270 Abs. 2 OR gezogenen bundesrechtlichen
Rahmen offensichtlich nicht. Da sie von einem Wert ausgeht, der deutlich
tiefer liegt als die bisher diskutierten Prozentsätze für die Annahme von
Wohnungsmangel, ist vielmehr im Gegenteil davon auszugehen, dass mit der
angefochtenen Norm die vom Bundesrecht den Kantonen vorbehaltene Kompetenz
nicht voll ausgeschöpft wird. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer
ist der Regierungsrat indessen aufgrund des Bundesrechts nicht gehalten,
die den Kantonen vorbehaltene Kompetenz voll auszuschöpfen und den Begriff
des Wohnungsmangels gleich weit wie in Art. 270 Abs. 2 OR zu fassen.

    Die Rüge, die angefochtenen Bestimmungen stünden im Widerspruch zum
Bundesrecht, erweist sich damit als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Mit Nachdruck kritisieren die Beschwerdeführer, dass der
angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung
verstosse. Einmal habe der Regierungsrat in die Zuständigkeiten des
Parlaments und des Stimmbürgers eingegriffen, da er zum Erlass von
Ausführungsbestimmungen zu § 229b EG zum ZGB nicht befugt sei. Ausserdem
habe er sich Auslegungskompetenzen angeeignet, die richtigerweise allein
den Gerichten zustünden.

    a) Nach Art. 40 Ziff. 2 der Verfassung des eidgenössischen Standes
Zürich vom 18. April 1869 (KV/ZH) steht dem Regierungsrat die Sorge
für die Vollziehung der Gesetze und der Beschlüsse des Volkes und des
Kantonsrates zu. Der Regierungsrat verfügt damit nach feststehender
Lehre und Praxis über die Befugnis, selbständig Vollzugsverordnungen
zu erlassen. Dagegen kennt das zürcherische Recht kein allgemeines,
unmittelbar auf die Verfassung gestütztes Recht des Regierungsrats zum
Erlass gesetzesvertretender Verordnungen (BGE 121 I 22 E. 3c S. 26;
TOBIAS JAAG, Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 1997, S. 9; ders.,
Der Gesetzesbegriff im zürcherischen Staatsrecht, in: Das Gesetz im
Staatsrecht der Kantone, hrsg. Andreas Auer/Walter Kälin, 1991, S. 369 f.).

    Der Regierungsrat hat die angefochtenen Bestimmungen gestützt auf
Art. 40 Ziff. 2 KV/ZH erlassen. Er leitet seine Kompetenz zur näheren
Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels und des Verfahrens zu dessen
Feststellung somit nicht aus einer besonderen gesetzlichen Delegationsnorm
und auch nicht aus Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB ab. Entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführer misst der Regierungsrat den umstrittenen Regelungen
keinen gesetzesvertretenden Charakter zu, sondern betrachtet sie als
blosse Vollzugsverordnung. Trifft diese Ansicht zu, so kann von einer
Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht gesprochen werden.

    b) Vollzugsverordnungen kommt die Funktion zu, die gesetzlichen
Bestimmungen zu konkretisieren und gegebenenfalls untergeordnete
gesetzliche Lücken zu füllen, soweit dies zur Vollziehung des Gesetzes
erforderlich ist. Die Ausführungsbestimmungen müssen sich jedoch an
den gesetzlichen Rahmen halten und dürfen insbesondere keine neuen
Vorschriften aufstellen, welche die Rechte der Bürger beschränken oder
ihnen neue Pflichten auferlegen, selbst wenn diese Regeln mit dem Zweck
des Gesetzes vereinbar wären (BGE 117 IV 349 E. 3c S. 354 f.; 103 IV 192
E. 2a S. 194; 99 Ib 159 E. 1a S. 165).

    Der angefochtene Regierungsratsbeschluss begründet für Vermieter
und Mieter keine neuen Rechte und Pflichten. Er legt lediglich den
Schwellenwert fest, ab welchem nach kantonalem Recht Wohnungsmangel
herrscht und deshalb gemäss § 229b EG zum ZGB beim Abschluss eines neuen
Mietvertrags das offizielle Formular zu verwenden ist. Ferner regelt er,
wie der massgebliche Schwellenwert des Leerwohnungsbestands zu bestimmen
ist. Es handelt sich bei diesen Regelungen entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer um typische Vollzugsbestimmungen, welche die gesetzliche
Ordnung präzisieren.

    c) Vollzugsbestimmungen sind freilich nur in dem Umfang zulässig, als
das Gesetz dafür Raum lässt und nicht bewusst auf eine präzisere Regelung
der betreffenden Frage verzichtet. Eine gewollte gesetzliche Unbestimmtheit
darf nicht durch eine Vollzugsverordnung ausgefüllt werden (GEORG MÜLLER,
Möglichkeiten und Grenzen der Verteilung der Rechtssetzungsbefugnisse
im demokratischen Rechtsstaat, ZBl 99/1998 15; vgl. auch BGE 112 Ia 107
E. 3c/ee S. 116).

    Nach Ansicht der Beschwerdeführer überlässt § 229b EG zum ZGB die
nähere Konkretisierung des Begriffs des Wohnungsmangels bewusst den
Zivilgerichten. Der kantonale Gesetzgeber verwende in der genannten
Bestimmung den gleichen Begriff des Wohnungsmangels wie Art. 270 Abs. 2 OR
und schöpfe die den Kantonen vorbehaltene Kompetenz ganz aus. Die damit
aufgeworfene Frage nach der Tragweite von § 229b EG zum ZGB betrifft die
Auslegung kantonalen Rechts, die das Bundesgericht auch bei Beschwerden
wegen Verletzung der Gewaltenteilung nur auf Willkür hin überprüft (BGE
121 I 22 E. 3a S. 25; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 191 f.).

    d) Der Wortlaut von § 229b Abs. 1 EG zum ZGB lässt offen, wie
der Begriff des Wohnungsmangels zu verstehen ist, und schliesst damit
eine nähere Konkretisierung auf Verordnungsebene nicht aus. Für die
Behauptung der Beschwerdeführer, der kantonale Gesetzgeber habe die den
Kantonen vorbehaltene Kompetenz ganz ausschöpfen wollen und damit den
Begriff des Wohnungsmangels gleich weit wie Art. 270 Abs. 2 OR fassen
wollen (vgl. E. 2b-d), finden sich im Text von § 229b EG zum ZGB keine
Anhaltspunkte. Auch aus der Tatsache, dass die Einführung der Pflicht zur
Verwendung des offiziellen Formulars beim Abschluss neuer Mietverträge
im Vorfeld der Volksabstimmung politisch sehr umstritten war, lässt
sich nicht ableiten, eine Konkretisierung des unbestimmten Begriffs des
Wohnungsmangels in einer Verordnung sei von vornherein ausgeschlossen.

    Der Regierungsrat hat die angefochtenen Bestimmungen im Interesse der
Rechtssicherheit erlassen. Er verweist darauf, dass die Parteien eines
Mietverhältnisses im voraus wissen müssten, ob beim Abschluss eines neuen
Vertrags das offizielle Formular zu verwenden sei oder nicht. Es sei
nicht befriedigend, wenn darüber erst im nachhinein durch die Gerichte
befunden werde.

    Diese einleuchtende Begründung für den Erlass des angefochtenen
Beschlusses stellen die Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Wie aus
einer vom Regierungsrat unternommenen Umfrage hervorgeht, wird in den
anderen Kantonen, die vom Vorbehalt gemäss Art. 270 Abs. 2 OR Gebrauch
machen, der Begriff des Wohnungsmangels regelmässig in einer Gesetzes-
oder Verordnungsbestimmung konkretisiert. Ferner ist anerkannt, dass eine
nähere Ausführung von Gesetzesbestimmungen durch eine Verordnung vor allem
dann angezeigt ist, wenn es - wie im vorliegenden Fall - darum geht, das
Gesetz durch eine Regelung zu ergänzen, die das Verhalten der Adressaten
voraussehbar macht und damit der Rechtssicherheit dient und überdies die
Gleichbehandlung erleichtert, indem ein Massstab für die Beurteilung der
Einzelfälle zur Verfügung gestellt wird (MÜLLER, aaO, S. 15).

    Bei dieser Sachlage konnte der Regierungsrat ohne Willkür davon
ausgehen, § 229b Abs. 1 EG zum ZGB lasse eine nähere Umschreibung
des Begriffs des Wohnungsmangels in einer Verordnung zu. Die Rüge der
Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung erweist sich somit als
unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die angefochtenen Regelungen verstossen nach Ansicht der
Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 4 BV. Einmal bewirkten
sie eine unzulässige Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von
Mietern. Ferner seien die Umschreibung des Wohnungsmangels anhand des
Leerwohnungsbestands und der gewählte Schwellenwert von 1% willkürlich.

    a) Das Bundesrecht gestaltet den Schutz vor missbräuchlichen
Mietzinsen bei laufenden Mietverhältnissen und bei neuen Verträgen
ungleich aus. Die Beschwerdeführer weisen selber auf die bestehenden
materiellrechtlichen Unterschiede hin. Entgegen ihren Darlegungen ist
jedoch auch die Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars im
Bundesrecht bei Alt- und Neumieten verschieden geregelt (vgl. Art. 269d
und Art. 270 Abs. 2 OR). Eine Ungleichbehandlung zwischen Alt- und
Neumietern liegt darin nicht, da zwischen dem Schutzbedürfnis der beiden
Mietergruppen Unterschiede bestehen, denen der Gesetzgeber Rechnung
tragen darf. Dementsprechend verletzt es Art. 4 BV auch nicht, wenn im
angefochtenen Beschluss der Begriff des Wohnungsmangels enger als in
Art. 270 Abs. 2 OR möglich umschrieben wird und dadurch die Neumieter
nicht den nach Bundesrecht maximal zulässigen Schutz erfahren.

    b) Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid die Schwierigkeit,
den Begriff des Wohnungsmangel zu umschreiben, ausführlich dargelegt. Er
gelangte zum Schluss, dass der Leerwohnungsbestand trotz gewisser Mängel
ein tauglicher Indikator dafür sei, ob der Wohnungsmarkt funktioniere. Er
verwies darauf, dass in allen Kantonen der Leerwohnungsbestand das
massgebliche Kriterium zur Feststellung von Wohnungsmangel und damit
zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Pflicht zur Verwendung des
offiziellen Formulars darstelle.

    Die Einwände, welche die Beschwerdeführer gegen das Abstellen
auf den Leerwohnungsbestand erheben, sind dem Regierungsrat nicht
entgangen. Er hat sich vielmehr damit eingehend auseinandergesetzt und
schliesslich mangels einer besseren Alternative den Leerwohnungsbestand
zum massgeblichen Kriterium bei der Bestimmung des Wohnungsmangels
erklärt. Auch die Beschwerdeführer vermögen nicht darzulegen, wie sich das
Vorliegen von Wohnungsmangel in zuverlässigerer Weise feststellen liesse,
sondern beschränken sich weitgehend auf die Behauptung, dass trotz der
inzwischen eingetretenen Erhöhung des Leerwohnungsbestands im Kanton Zürich
immer noch ein Wohnungsmangel herrsche. Ob diese Ansicht zutrifft, ist
jedoch nur anhand eines objektiven und möglichst einfachen Kriteriums zu
beurteilen. Trotz gewisser Mängel kann jedenfalls nicht gesagt werden, der
Leerwohnungsbestand sei geradezu ein untaugliches und daher willkürliches
Kriterium zur Umschreibung des Begriffs des Wohnungsmangels.

    c) Der weitere Vorwurf, der massgebliche Schwellenwert des
Leerwohnungsbestands werde im angefochtenen Beschluss willkürlich
festgelegt, ist ebenfalls nicht begründet. Der Regierungsrat geht
zu Recht davon aus, dass ihm bei der Bestimmung des Prozentsatzes
des Leerwohnungsbestands, bis zu welchem nach kantonalem Recht von
Wohnungsmangel auszugehen ist, ein erhebliches Ermessen zusteht. Er
berücksichtigte die in den anderen Kantonen geltenden Werte und
die Äusserungen von Fachleuten und setzte den für die Annahme von
Wohnungsmangel massgeblichen Schwellenwert bei 1% des Leerwohnungsbestands
fest. Dieser Wert ist zwar - was die Beschwerdeführer zu Recht bemerken -
vergleichsweise tief (vgl. auch E. 2c), aber nicht willkürlich. So wird
auch bei diesem tiefen Wert die gesetzliche Regelung von § 229b EG zum ZGB
keineswegs ihrer praktischen Wirkung beraubt. So lag die Leerwohnungsziffer
nach den sich bei den Akten befindlichen Angaben des statistischen Amts
im Kanton Zürich in den Jahren 1985-1995 stets deutlich unter 1%.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat schliesslich vor,
im angefochtenen Beschluss die von ihm aufgestellten Regeln willkürlich
angewendet und dadurch Art. 4 BV verletzt zu haben.

    Nach Ziffer I des Beschlusses liegt Wohnungsmangel vor, wenn im
ganzen Kanton ein Leerwohnungsbestand von bis zu 1% besteht (Abs. 1). Der
Regierungsrat legt gestützt auf den durch das kantonale Statistische Amt
per 1. Juni ermittelten Leerwohnungsbestand fest, wenn sich eine Änderung
bezüglich der Pflicht zur Verwendung des offiziellen Formulars beim
Abschluss eines neuen Mietvertrags ergibt. Eine Änderung tritt jeweils
am 1. November des gleichen Jahres in Kraft (Abs. 2).

    An diese Regelung hat sich der Regierungsrat bei Erlass der Ziffer
II des angefochtenen Beschlusses offensichtlich nicht gehalten. So hat
er am 28. Mai 1997 gestützt auf einen Leerwohnungsbestand von 0,98%
per 1. Juni 1996 die Pflicht, beim Abschluss eines neuen Mietvertrags
das offizielle Formular zu verwenden, mit Wirkung ab dem 1. Juni
1997 aufgehoben. Er hat damit nicht wie in Ziffer I seines Beschlusses
vorgesehen das Vorliegen der Leerwohnungsziffer am 1. Juni 1997 abgewartet
und gegebenenfalls die Pflicht zur Benützung des offiziellen Formulars
per 1. November 1997 aufgehoben. Vielmehr antizipierte er gestützt
auf die per 1. Juni 1996 festgestellte Leerwohnungsquote von 0,98% und
die seitherige mutmassliche Entwicklung des Wohnungsangebots den erst
später zu treffenden Entscheid. Ferner hob er die Pflicht zur Verwendung
des Formulars bereits auf den 1. Juni 1997 auf. Auch wenn die Annahme
des Regierungsrats, die Leerwohnungsquote werde am 1. Juni 1997 über 1%
liegen, zutreffend war, hätte er nach seiner eigenen Regelung die Pflicht
zur Verwendung des offiziellen Formulars erst mit einer fünfmonatigen
Verzögerung, d.h. auf den 1. November 1997 aufheben dürfen. Zwar war
der Regierungsrat bei seinem Entscheid am 28. Mai 1997 noch nicht an
die von ihm gleichentags erlassenen Regeln gebunden, da diese erst am
1. Juni 1997 in Kraft traten. Doch ist es sachlich schlechthin nicht
vertretbar, in demselben Beschluss Bestimmungen über die Umschreibung
und Feststellung des Wohnungsmangels zu erlassen und gleichzeitig einen
Entscheid zu treffen, der diesen Bestimmungen klar widerspricht.

    Da die Leerwohnungsquote am 1. Juni 1996 unter 1% lag, ist die
Ziffer II des angefochtenen Beschlusses insoweit verfassungswidrig,
als für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis am 31. Oktober 1997 die Pflicht,
beim Abschluss neuer Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden,
aufgehoben wurde. Demgegenüber betrug die Leerwohnungsquote am 1. Juni
1997 im Kanton Zürich 1,17%, was ab dem 1. November 1997 die Aufhebung
der Formularpflicht rechtfertigte. Der angefochtene Beschluss erweist
sich daher für den Zeitraum ab dem 1. November 1997 als verfassungskonform.

Erwägung 6

    6.- Es fragt sich, welche Konsequenzen die erwähnte, auf einen
bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit beschränkte Verfassungswidrigkeit
des angefochtenen Entscheids hat.

    a) In der Lehre bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ab
welchem Zeitpunkt die Aufhebung von Rechtssätzen durch das Bundesgericht
wirksam wird. Die wohl herrschende Ansicht misst der Aufhebung lediglich
eine Wirkung ab dem Urteilszeitpunkt (ex nunc) zu (WALTER KÄLIN, Das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 398 f.;
RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA KISS, Öffentliches Prozessrecht
und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, N. 1902; PETER ALEXANDER
MÜLLER, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen,
EuGRZ 1988 228; BARBARA STREHLE, Rechtswirkungen verfassungsgerichtlicher
Normenkontrollentscheidungen, Diss. Zürich, 1980, S. 99 und 132). Nach
einer anderen Ansicht wirkt die Aufhebung von Rechtssätzen dagegen
auf den Zeitpunkt zurück, in dem sie erlassen wurden (ex tunc), da
die Verfassungswidrigkeit von Normen für ihre ganze Geltungsdauer zu
beseitigen sei (ZACCARIA GIACOMETTI, Die Verfassungsgerichtsbarkeit
des Schweizerischen Bundesgerichts, 1993, S. 244; HANS MARTI, Die
staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl. 1979, S. 166). Einzelne Autoren
nehmen schliesslich eine vermittelnde Position ein und verweisen darauf,
dass die Wirkungen der Aufhebung einer Norm auf die damit zusammenhängenden
Akte nicht generell beurteilt werden könnten (PHILIPPE GERBER, La
nature cassatoire du recours de droit public, Diss. Genf, S. 180;
vgl. auch ANDREAS AUER, L'effet des décisions d'inconstitutionnalité du
Tribunal fédéral, AJP 1992 560; PIERRE MOOR, Droit administratif, Band I,
2. Aufl. 1994, S. 102 f.).

    Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht vom Grundsatz aus, dass
mit der Aufhebung des angefochtenen Akts der verfassungsmässige Zustand
wiederhergestellt wird. Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist,
kann das Bundesgericht neben der Aufhebung auch andere Anordnungen treffen
(BGE 118 Ia 184 E. 1d S. 188). Es hat auch die Möglichkeit, die Wirkung
der Aufhebung eines Rechtsakts näher zu umschreiben. Ab welchem Zeitpunkt
die Aufhebung einer Rechtsnorm wirkt, ist bisher dort, wo dies erforderlich
war, aufgrund einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise festgelegt worden
(vgl. BGE 116 Ia 359 E. 10d S. 381; 113 Ia 46 E. 7b S. 60 ff.; kritisch
zum letzteren Entscheid indessen GERBER, aaO, S. 185). Auch im vorliegenden
Fall sind die Wirkungen der festgestellten Verfassungswidrigkeit aufgrund
der konkreten Umstände zu bestimmen.

    b) Der angefochtene Beschluss widerspricht wie dargelegt insoweit
der Verfassung, als er für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis zum
31. Oktober 1997 den Gebrauch des offiziellen Formulars beim Abschluss
neuer Mietverträge nicht mehr vorschrieb. In diesem Umfang muss er
daher grundsätzlich aufgehoben werden. Von einer Aufhebung abzusehen,
geht nicht an, da andernfalls die festgestellte Verfassungswidrigkeit
sanktionslos bliebe. Es ist jedenfalls nicht auszuschliessen, dass die
rückwirkende Aufhebung des angefochtenen Entscheids bei Mietverträgen, die
im streitigen Zeitraum ohne Formular abgeschlossen wurden, Konsequenzen
haben könnte. Zu denken ist an den Mieter, der geltend machen wollte,
er habe mangels Verwendung des Formulars und damit mangels Angaben
über den vom Vormieter bezahlten Zins einen Vertrag mit einem zu hohen
Mietzins abgeschlossen. Es ist allerdings fraglich, ob die Berufung
auf die Teilnichtigkeit der ohne Verwendung des offiziellen Formulars
abgeschlossenen Verträge (vgl. BGE 120 II 341 E. 5d S. 349) auch bei einem
nachträglichen Wiederaufleben der Formularpflicht, wie sie hier gegeben
ist, zulässig wäre. Der Verfassungsrichter hat zu diesen Fragen jedoch
nicht Stellung zu nehmen. Vielmehr wird gegebenenfalls der Zivilrichter
darüber zu befinden haben. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass
der angefochtene Beschluss für die Mieter die erwähnten Konsequenzen haben
kann. Er ist daher aufzuheben, soweit er vorstehend als verfassungswidrig
erkannt wurde.

    Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen
und Ziffer II des Beschlusses des Regierungsrats des Kantons Zürich vom
28. Mai 1997 aufzuheben, soweit für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis am
31. Oktober 1997 festgelegt wurde, die Pflicht, beim Abschluss neuer
Mietverträge das offizielle Formular zu verwenden, bestehe nicht. Im
übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.