Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 IV 73



124 IV 73

12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. April 1998
i.S. C.S. und H.S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 3 UWG und Art. 23 UWG; Art. 4 LG und Art. 38 LG; Art. 3 Ziff. 1
Abs. 1 StGB, Art. 7 Abs. 1 StGB und Art. 333 Abs. 1 StGB.

    Werbe- und Verkaufsmethoden durch Versand von Werbematerial,
Bestellscheinen und Waren von der Schweiz aus fallen auch dann unter den
Anwendungsbereich der Strafbestimmungen des UWG, wenn sie ausschliesslich
auf Kunden im Ausland zielen (E. 1).

    Die zwecks Durchführung von lotterieähnlichen Preisausschreiben
in der Schweiz vorgenommenen Handlungen fallen auch dann unter den
Anwendungsbereich der Strafbestimmung des Lotteriegesetzes, wenn
ausschliesslich Personen im Ausland an den Werbegewinnspielen teilnehmen
können (E. 2a und b).

Sachverhalt

    A.- C.S. und H.S. waren Gesellschafter der Firma X. mit Hauptsitz in
Staad/SG. C.S. war der Geschäftsführer, H.S. war teilzeitlich vor allem im
kaufmännischen Bereich des Unternehmens tätig. Die X. betrieb unter anderem
für Firmen mit Sitz in Costa Rica und in Nassau/Bahamas die EDV-mässige
Verarbeitung von Warenbestellungen, die Auslieferung von Waren und das
Inkasso. Sie stellte diesen beiden Unternehmen, die seit ca. 1989 per Post
verschiedene Werbegewinnspiele in Deutschland, Polen und in der damaligen
Tschechoslowakei veranstalteten, ihre schweizerische Postfachadresse zur
Verfügung und wirkte an der Durchführung dieser Veranstaltungen mit.

    B.- Das Bezirksgericht Unterrheintal sprach C.S. und H.S. am 21. Juni
1995 der Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG, SR 241; im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. b und
lit. h) sowie der Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz betreffend
die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (LG, SR 935.51; Art. 38
i.V.m. Art. 43 Ziff. 2 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über
die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten [LV; SR 935.511]) schuldig
und bestrafte sie mit sechs Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei
einer Probezeit von vier Jahren, und mit 50'000 Franken Busse.

    Das Kantonsgericht St. Gallen reduzierte mit Urteil vom 11. November
1997 die von der 1. Instanz festgesetzten Probezeiten auf zwei Jahre und
wies im übrigen die Berufungen der Verurteilten ab.

    C.- C.S. und H.S. führen in einer gemeinsamen Eingabe eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts
sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil waren die
ausländischen Kunden aufgrund der von den Beschwerdeführern zur Verfügung
gestellten Postfachadresse und deren Kundenkontakten von der Schweiz aus
der Meinung, hinter den Werbegewinnspielen stehe eine schweizerische
(seriöse) Unternehmung, während in Tat und Wahrheit Gesellschaften
von den Bahamas und Costa Rica verantwortlich zeichneten. Diese
Irreführung über die Person und Identität der Werbenden sei unlauter
im Sinne von Art. 3 lit. b UWG, wonach unter anderem unlauter handelt,
wer über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung unrichtige oder
irreführende Angaben macht. Ebenfalls unlauter im Sinne dieser Bestimmung
handelten die Beschwerdeführer gemäss den weiteren Ausführungen im
angefochtenen Entscheid dadurch, dass sie irreführende Angaben über die
Gewinnchancen und damit über die Leistungen des Wettbewerbsveranstalters
machten. Die Vorinstanz wirft in Übereinstimmung mit der 1. Instanz den
Beschwerdeführern zudem vor, sie hätten die Adressaten im Ausland im Sinne
von Art. 3 lit. h UWG durch besonders aggressive Verkaufsmethoden in ihrer
Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Zwar habe kein Kaufzwang bestanden,
doch seien die Bedingungen zur Teilnahme an den Werbegewinnspielen auf
einen solchen hinausgelaufen. Der Prospekt habe den Eindruck vermittelt,
dass sich eine Warenbestellung nur positiv auf die Gewinnchancen auswirken
könne. Zudem seien die Adressaten zur sofortigen Retournierung des
Gewinn-Zertifikats (mit Bestellschein) aufgefordert worden, so dass ihnen
kaum Zeit zum Überlegen und Überprüfen der Unterlagen geblieben sei. Wer
ohne Warenbestellung am Gewinnspiel habe teilnehmen wollen, habe DM 2.-
in Briefmarken beilegen müssen und den letztlich gewonnenen Warengutschein
nur bei Bestellung eines wesentlich teureren Produkts einlösen können,
was ebenfalls als besonders aggressive Verkaufsmethode im Sinne von Art. 3
lit. h UWG zu qualifizieren sei.

    b) Die Beschwerdeführer machen geltend, das UWG sei nicht anwendbar,
da sie ausschliesslich Kunden im Ausland (Deutschland, Polen, damalige
Tschechoslowakei) durch direkt adressierte Schreiben angesprochen hätten
und Kunden in der Schweiz unstreitig nicht betroffen seien. Der Hinweis
der Vorinstanz auf das Territorialitätsprinzip gemäss Art. 3 Ziff. 1
Abs. 1 StGB, welches nach Art. 333 Abs. 1 StGB auch für das UWG gelte,
greife zu kurz. Er führe im Grunde dazu, den Anwendungsbereich des UWG
auf das Gebiet unter anderem der Bundesrepublik Deutschland auszudehnen,
wo ein Verhalten der hier inkriminierten Art nicht strafbar sei. Dadurch
werde zudem der schweizerische Anbieter gegenüber deutschen Anbietern
benachteiligt. Nach Ansicht der Beschwerdeführer käme höchstens eine
stellvertretende Strafverfolgung in der Schweiz unter den in Art. 85 des
Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG;
SR 351.1) genannten Voraussetzungen in Betracht, wobei gemäss Art. 86
Abs. 2 IRSG das mildere ausländische Recht anwendbar wäre.

    c) aa) Gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB finden die allgemeinen Bestimmungen
des Strafgesetzbuches auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe
bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst
Bestimmungen aufstellen. Das UWG enthält keine Vorschriften über den
räumlichen strafrechtlichen Geltungsbereich. Daher sind Art. 3-7 StGB
anwendbar (siehe auch PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, 1992, S.
265). Nach Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist diesem Gesetz unterworfen,
wer in der Schweiz ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt. Gemäss
Art. 7 Abs. 1 StGB gilt ein Verbrechen oder ein Vergehen als da verübt,
wo der Täter es ausführt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist. Von
der Schweiz aus vorgenommene Werbe- und Verkaufsmethoden fallen
mithin auch dann unter Art. 3 UWG, wenn sie sich ausschliesslich
gegen Kunden im Ausland richten. Weder das UWG noch das StGB noch
das IRSG enthalten eine Art. 136 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das
Internationale Privatrecht (IPRG; SR 291) entsprechende Bestimmung,
wonach (zivilrechtliche) Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb dem Recht
des Staates unterstehen, auf dessen Markt die unlautere Handlung ihre
Wirkung entfaltet (sogenanntes Auswirkungsprinzip). Die Voraussetzungen
einer stellvertretenden Strafverfolgung in der Schweiz unter Anwendung
des allenfalls milderen ausländischen Rechts gemäss Art. 85 f. IRSG sind
entgegen der Meinung der Beschwerdeführer schon deshalb nicht erfüllt,
weil die inkriminierten Straftaten nicht im Sinne von Art. 85 IRSG im
Ausland, sondern in der Schweiz begangen worden sind.

    bb) Dass auch von der Schweiz aus vorgenommene Werbe- und
Verkaufsmethoden, die ausschliesslich auf Kunden im Ausland zielen, unter
Art. 23 i.V.m. Art. 3 UWG fallen können, ergibt sich im übrigen auch aus
den Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft zum Klagerecht des Bundes
gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. c UWG (BBl 1992 I 355 ff.). In der Botschaft
wird festgehalten, dass seit Jahren unseriöse Firmen den guten Ruf der
Schweiz für die weltweite Verbreitung ihrer zweifelhaften Angebote von
Telex- und Telefaxverzeichnissen, privaten Patent- und Markenregistern
usw. missbrauchen. Zum Teil hätten diese Firmen ihren Sitz tatsächlich
in der Schweiz, zum Teil operierten sie mittels Postfachadressen
von der Schweiz aus. Unternehmen in Ländern, die einen strengeren
Betrugstatbestand als die Schweiz kennen, verstünden nicht, weshalb
die Schweizer Behörden gegenüber solchen Machenschaften nicht von Amtes
wegen einschritten. In jüngster Zeit werde der Absender Schweiz zudem für
unlautere Werbegewinnspiele und Werbesendungen im Gebiet der ehemaligen DDR
missbraucht. Auch diese Art von Vertriebsmethoden bringe das Ansehen der
Schweiz im Ausland in Verruf. Da einerseits in diesen Fällen ein von Amtes
wegen zu verfolgender Betrug mangels der erforderlichen Arglist selten
vorliege und andererseits die betroffenen Unternehmen und Kunden im Ausland
auf eine Zivil- oder Strafklage in der Schweiz wegen des damit verbundenen
beträchtlichen Aufwands verzichteten, fehle ein wirksamer Rechtsschutz. Um
gegen Praktiken der genannten Art vorgehen zu können, werde dem Bund ein
Klagerecht und damit auch das Strafantragsrecht eingeräumt (S. 356 ff.).
Unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden dieser Art gegenüber Personen im
Ausland, die das Ansehen der schweizerischen Wirtschaft in Verruf bringen,
wirken sich indirekt auch auf die Wettbewerbsstellung von seriösen
Schweizer Unternehmen nachteilig aus.

    cc) Die den Beschwerdeführern zur Last gelegten Werbe- und
Verkaufsmethoden fallen somit nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz
unter die Strafbestimmungen des UWG, auch wenn sie ausschliesslich auf
Kunden im Ausland (Deutschland, Polen, damalige Tschechoslowakei) zielten.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen.

    d Dass das inkriminierte Verhalten auch im Falle der Anwendung des
UWG die Straftatbestände von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. b und lit. h
nicht erfülle, machen die Beschwerdeführer nicht geltend.

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, auch das
Lotteriegesetz sei nicht anwendbar, da sie die Unterlagen betreffend
die Preisausschreiben ausschliesslich direkt an Personen im Ausland
adressiert hätten und somit eine Teilnahme von Personen in der Schweiz
an den fraglichen Veranstaltungen ausgeschlossen gewesen sei. Eine
Bestrafung käme daher nur in Betracht, wenn diese Veranstaltungen auch
nach dem entsprechenden ausländischen Recht verboten und strafbar seien,
was nicht zutreffe.

    b) Nach Art. 38 Abs. 1 LG macht sich strafbar, wer eine durch dieses
Gesetz verbotene Lotterie ausgibt oder durchführt. Untersagt sind
gemäss Art. 4 LG die Ausgabe und die Durchführung einer durch dieses
Gesetz verbotenen Lotterie. Die Durchführung einer Lotterie umfasst
die dem Lotteriezweck dienenden Handlungen, wie die Ankündigung oder
Bekanntmachung einer Lotterie, die Ausgabe der Lose, die Empfehlung,
das Feilbieten, die Vermittlung und den Verkauf von Losen, Coupons
oder Ziehungslisten, die Losziehung, die Ausrichtung der Gewinne, die
Verwendung des Ertrages. Die Beschwerdeführer wirkten in mehrfacher
Hinsicht in der Schweiz an der Abwicklung der Werbegewinnspiele mit. Sie
stellten den ausländischen Veranstaltern ein Postfach zur Verfügung,
holten die eingegangene Post ab, sortierten und bearbeiteten diese und
benachrichtigten die Gewinner; sie besorgten das Inkasso, leiteten Checks
und Geld weiter und übernahmen, zusammen mit einem deutschen Verlag, die
Organisation des Gewinnversands. Damit nahmen die Beschwerdeführer in der
Schweiz Durchführungshandlungen im Sinne von Art. 4 LG vor und fallen sie
daher gemäss Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1
StGB unter den Anwendungsbereich von Art. 38 LG. Daran ändert nichts, dass
nur Personen im Ausland an den Werbegewinnspielen teilnehmen konnten. Das
Lotteriegesetz will nach seinem Sinn und Zweck nicht nur verhindern, dass
Personen in der Schweiz an verbotenen Lotterien und lotterieähnlichen
Unternehmungen teilnehmen, sondern es will auch verhindern, dass auf dem
Gebiet der Schweiz verpönte Lotterien und lotterieähnliche Unternehmungen,
für wen auch immer, ausgegeben und durchgeführt werden.

    Dass das inkriminierte Verhalten auch bei Anwendung des
Lotteriegesetzes den Tatbestand von Art. 38 Abs. 1 LG nicht erfülle,
machen die Beschwerdeführer nicht geltend.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit auch in diesem Punkt abzuweisen.