Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 IV 313



124 IV 313

50. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 2. November 1998 i.S.
Casino Obwalden AG, B. und C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft
(Beschwerde) Regeste

    Art. 65 ff. BStP; Art. 6 SBG, Art. 10 SBG; Art. 9 GSAV, Art. 10 GSAV.
Beschlagnahme von Geldspielautomaten und Spielgeldern.

    Kognition der Anklagekammer (E. 2).

    Aus Art. 10 SBG ergibt sich auch die Befugnis, die allenfalls der
Einziehung unterliegenden Spielgeräte und Spielgelder vorläufig zu
beschlagnahmen (E. 3).

    Voraussetzungen der Beschlagnahme und Prüfungsumfang der Anklagekammer
(E. 4).

    Bejahung des Tatverdachts und der Verhältnismässigkeit (E. 6-8).

Sachverhalt

    Die am 4. März 1998 durch den Tourismusverein Engelberg, den
Verein Obwalden Tourismus und die A. AG gegründete Casino Obwalden
AG beabsichtigte, gestützt auf eine dem Verein Obwalden Tourismus
durch den Regierungsrat des Kantons Obwalden am 23. Dezember 1997
erteilte Bewilligung, Am 30. April 1998 in Sarnen ein Casino mit 100
Geldspielautomaten samt Jackpotsystemen zu eröffnen.

    Am 22. April 1998 erliess der Bundesrat die Verordnung über
Geldspielautomaten (Geldspielautomatenverordnung; GSAV; AS 1998, S. 1518;
SR 935.522), die er am selben Tag in Kraft setzte. Nach dieser können nach
bisheriger Praxis des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes
homologierte (Geschicklichkeits-)Geldspielautomaten und Jackpotsysteme nur
noch betrieben werden, wenn sie am 22. April 1998 bereits in Betrieb waren.

    Am 23. April 1998 nahm das Bundesamt für Polizeiwesen eine
Kontrolle des Casinos Sarnen vor, bei welcher festgestellt wurde, dass
die Spielautomaten zwar betriebsbereit seien, diese aber wegen der noch
andauernden Fertigstellungsarbeiten erst in einigen Tagen tatsächlich in
Betrieb genommen werden könnten. Die Casino Obwalden AG beschloss deshalb,
die Eröffnung des Casinos Sarnen zu verschieben.

    Nachdem ein durch die Casino Obwalden AG in Auftrag gegebenes
Rechtsgutachten zum Schluss gekommen war, auch an ihrem Einsatzort
aufgestellte betriebsbereite Geldspielautomaten seien bereits «in Betrieb»,
nahm diese am 9. Juni 1998 das Casino Sarnen in Betrieb.

    Dem Ersuchen des Bundesamtes für Polizeiwesen vom selben Tag,
den Betrieb der Geldspielautomaten im Casino Sarnen sofort, d.h. ab dem
10. Juni 1998 einzustellen, kam die Casino Obwalden AG nicht nach, worauf
das Bundesamt für Polizeiwesen am 15. Juni 1998 bei der Bundesanwaltschaft
Strafanzeige gegen die verantwortlichen Organe des Casinos erstattete.

    Nachdem diese noch am selben Tag gegen die Verantwortlichen der
Casino Obwalden AG ein Strafverfahren wegen Verdachts der Widerhandlung
im Sinne von Art. 6 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom
5. Oktober 1929 (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52) in Verbindung mit der
Geldspielautomatenverordnung eröffnet hatte, verfügte sie am 16. Juni
1998 die Durchsuchung der Liegenschaften und Räumlichkeiten der Casino
Obwalden AG an deren Sitz in Engelberg und am Casinostandort Sarnen;
verfügt wurde zudem die Beschlagnahme der als verboten beanstandeten
Glücksspielautomaten des Casinos Sarnen, von Unterlagen im Zusammenhang
mit der Eröffnung und dem Betrieb dieser Automaten sowie der mit diesen
eingespielten Gelder als Beweismittel. Anlässlich der Hausdurchsuchung
in Sarnen wurden 96 Geldspielautomaten versiegelt; aus dem Kassen-
und Tresorraum sowie aus den Geldspielautomaten wurden Fr. 22'279.70
und verschiedene Unterlagen in Verwahrung genommen. In Engelberg wurden
verschiedene Unterlagen und Disketten sichergestellt.

    Mit Beschwerde vom 23. Juni 1998 beantragen die Casino Obwalden AG,
B. und C. der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Beschlagnahmeverfügung
aufzuheben und die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte der
Casino Obwalden AG freizugeben.

    Mit Verfügung vom 26. Juni 1998 wies der Präsident der Anklagekammer
das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab.

    Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei.

    Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

    Am 25. August 1998 reichte der Regierungsrat des Kantons
Obwalden beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Klage ein gegen
die Schweizerische Eidgenossenschaft, in welcher er zur Hauptsache
beantragt, es sei festzustellen, dass der Bundesrat mit Art. 9 f. GSAV
in die Kompetenz des Kantons Obwalden zur Regelung der Zulassung von
Geschicklichkeitsspielen eingegriffen habe; die Beschlagnahme kantonal
bewilligter Geschicklichkeitsspielautomaten im Casino Sarnen durch die
Bundesanwaltschaft gemäss Verfügung vom 16. Juni 1998 sei aufzuheben. Diese
ist zur Zeit noch hängig.

    In ihrer Replik erklären die Beschwerdeführer diese staatsrechtliche
Klage zum integrierenden Bestandteil ihrer Eingabe im vorliegenden
Beschwerdeverfahren.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Bei Beschwerden gegen Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende
Amtshandlungen der Bundesanwaltschaft gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP prüft
die Anklagekammer, ob diese Bundesrecht verletzt bzw. die Grenze des ihr
zustehenden Ermessens offensichtlich überschritten hat (Zusatzbotschaft
zum Datenschutzgesetz, BBl 1990 III 1235, unter ausdrücklichem Hinweis
auf BGE 96 IV 139 E. 2 und BGE 95 IV 45 E. 2).

Erwägung 3

    3.- a) Im Hausdurchsuchungsbefehl vom 16. Juni 1998 ist zwar nur
die Rede davon, dass Gegenstände, die im Verfahren als Beweismittel von
Bedeutung sein können, zu beschlagnahmen seien. In ihrer Vernehmlassung
weist die Beschwerdegegnerin indessen darauf hin, die Beschlagnahme sei
sowohl zur Sicherung der Beweismittel als auch zur Sicherung der in Art. 10
SBG vorgesehenen Einziehung der Spielgelder und Spielgeräte verfügt worden.

    b) Art. 65 BStP, welcher Grundlage der angefochtenen Verfügung bildet,
regelt zwar nur die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel
von Bedeutung sein können, ausdrücklich. Nach der Praxis unterliegen dem
Beschlag aber auch Gegenstände, deren spätere Einziehung in Frage kommt
(BGE 74 IV 213). Gemäss Art. 10 SBG kann der Richter bei Feststellung
verbotenen Spieles ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten
Person die Spielgeräte und Spielgelder einziehen. Daraus ergibt sich auch
die Befugnis zur vorläufigen Beschlagnahme solcher Gegenstände (BGE vom 28.
Juni 1979, ZBl 80 [1979] S. 174 E. 3a und BGE vom 20. Februar 1980, SJ,
1980 525, E. 3a, die das Gleiche aus Art. 58 und 59 StGB ableiten).

Erwägung 4

    4.- Die Beschlagnahme ist eine provisorische (konservatorische)
prozessuale Massnahme zur vorläufigen Sicherung der Beweismittel bzw. der
allenfalls der Einziehung unterliegenden Gegenstände und Vermögenswerte
(BGE 120 IV 365 E. 1c). Voraussetzung für die Beschlagnahme ist ein
hinreichender, objektiv begründeter konkreter Tatverdacht gegenüber dem
Inhaber des Gegenstandes bzw. Vermögenswertes oder einem Dritten. Im
Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat die Anklagekammer bei der
Überprüfung des Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung der in Betracht
fallenden Tat- und Rechtsfragen vorzunehmen. Dies gilt namentlich auch
dann, wenn der Tatverdacht wie hier mit dem Argument bestritten wird, die
in Frage kommende Strafbestimmung sei nicht anwendbar bzw. es verletze
Bundesrecht, dies zu bejahen. Die Anklagekammer des Bundesgerichts
hebt die Beschlagnahme nur auf, wenn die behauptete Rechtsverletzung
offensichtlich ist.

Erwägung 5

    5.- a) Gemäss Art. 35 Abs. 1 BV - in der Fassung vor Revision dieser
Bestimmung vom 7. März 1993, die noch nicht in Kraft gesetzt wurde -
sind die Errichtung und der Betrieb von Spielbanken verboten.

    Nach den Art. 1 bis 3 SBG gilt auch das Aufstellen von
Spielautomaten und ähnlichen Apparaten als (verbotene) Spielbank
bzw. Glücksspielunternehmung, sofern nicht der Spielausgang in
unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruht. Das
Eidg. Justiz- und Polizeidepartement entscheidet, welche Apparate unter
diese Bestimmung fallen, bzw. welche Automaten als Glücksspiel- und welche
als Geschicklichkeitsspielautomaten gelten; dieser Homologationsentscheid
unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht (Art. 3
Abs. 2 SBG; vgl. dazu BBl 1929 I 374).

    Nach Art. 6 SBG wird mit Busse von 300 bis 10'000 Franken bestraft,
wer eine Spielbank errichtet, hierzu Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.

    b) Am 22. April 1998 erliess der Bundesrat in Ausführung von
Art. 1 bis 3 SBG die Geldspielautomatenverordnung (GSAV) und setzte sie
sofort in Kraft. Gemäss Art. 9 Abs. 1 GSAV verlieren die bisher durch
das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement für Geldspielautomaten und
Jackpotsysteme erteilten Homologationen mit dem Inkrafttreten der GSAV -
d.h. am 22. April 1998 - ihre Gültigkeit (Art. 9 GSAV), es sei denn, sie
seien zu diesem Zeitpunkt bereits in Betrieb gewesen; in diesem Fall dürfen
sie an ihrem bisherigen Standort und in bisherigem Umfang weiter betrieben
werden (Art. 10 GSAV), wenn sie spätestens einen Monat nach Inkrafttreten
der GSAV dem Bundesamt für Polizeiwesen gemeldet werden (Art. 12 Abs. 1
GSAV). Nicht gemeldete Geldspielautomaten und Jackpotsysteme gelten bis
zum Beweis des Gegenteils als verbotene Glücksspielunternehmung (Art. 12
Abs. 2 GSAV).

Erwägung 6

    6.- a) Die Beschwerdeführer machen geltend, Art. 10 GSAV sei
dahingehend auszulegen, dass auch bereits an ihrem Bestimmungsort
aufgestellte und betriebsbereite Geräte unter die Bestandesgarantie
fielen. Die Beschwerdegegnerin hält dem den Wortlaut und

    -sinn sowie die Zielsetzung der GSAV entgegen.

    b) Eine Kontrolle durch das Bundesamt für Polizeiwesen vom 23. April
1998 ergab, dass die beschlagnahmten Geldspielautomaten montiert und am
Netz angeschlossen waren, dass aber die tatsächliche Inbetriebnahme auf
Grund des Standes der Fertigstellungsarbeiten erst in einigen Tagen hätte
stattfinden können. Insbesondere war die Eröffnung des Casinos erst auf
den 29. bzw. 30. April 1998 vorgesehen und entsprechend publiziert worden,
und nach der Aktenlage standen die Apparate am 23. April 1998 den Kunden
noch nicht zur Verfügung.

    Unter diesen Umständen erweist sich die Beurteilung der
Beschwerdegegnerin, die beschlagnahmten Geldspielautomaten seien im
fraglichen Zeitpunkt, d.h. am 22. April 1998 nicht in Betrieb gewesen,
nicht als offensichtlich unhaltbar.

    Damit besteht der begründete Verdacht, die nach dem 22. April 1998
erfolgte Inbetriebnahme der beschlagnahmten Automaten könnte nach Art. 6
SBG in Verbindung mit Art. 9 und 10 GSAV strafbar sein.

Erwägung 7

    7.- a) Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die beschlagnahmten
Geldspielautomaten seien gar keine Glücksspielautomaten sondern
Geschicklichkeitsspielautomaten, da sie durch das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement als solche homologiert worden seien. Die mit dem
Inkrafttreten der GSAV erfolgte Änderung der bisherigen Homologationspraxis
greife daher in unzulässiger Weise in die Zuständigkeit der Kantone
ein und sei auch mit Art. 13 SBG nicht vereinbar. Die Bestimmung von
Art. 9 GSAV, nach welcher die durch das Departement bereits erteilten
Homologationen von Geldspielautomaten ihre Gültigkeit verlieren, sei
deshalb verfassungswidrig, da sie die bundesstaatliche Kompetenzverteilung
verletze und Art. 13 des Spielbankengesetzes widerspreche; sie sei daher
nicht anwendbar.

    b) Die beschlagnahmten Geldspielautomaten waren nach der
(unwidersprochenen) Darstellung der Beschwerdeführer zwar durch das dafür
zuständige (Art. 3 Abs. 2 SBG) Eidg. Justiz- und Polizeidepartement als
Geschicklichkeitsgeldspielautomaten homologiert. Mit Inkrafttreten der
GSAV am 22. April 1998 verloren nun aber die erteilten Homologationen
ihre Gültigkeit (Art. 9 Abs. 1 GSAV). Nicht unter die Bestandesgarantie
fallende Automaten gelten bis zum Beweis des Gegenteils als verbotene
Glücksspielunternehmung (Art. 12 Abs. 2 GSAV). Vor diesem Hintergrund
besteht der hinreichende Verdacht einer Widerhandlung, wenn auf die nicht
offensichtlich unhaltbare Beurteilung abzustellen ist, dass die fraglichen
Automaten beim Inkrafttreten der GSAV am 22. April 1998 nicht in Betrieb
waren. Dass bei den hier betroffenen Automaten der Spielausgang tatsächlich
in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruhe
(Art. 3 Abs. 1 SBG), legen die Beschwerdeführer nicht dar. Insoweit ist
auch keineswegs evident, dass mit dem Erlass der GSAV und konkret mit dem
Verbot der hier in Frage stehenden Automaten in die kantonale Zuständigkeit
eingegriffen worden wäre.

Erwägung 8

    8.- a) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, bei Art. 10 GSAV
gehe es um den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Vertrauens
der bisherigen Betreiber altrechtlich homologierter Spielautomaten und
gleichzeitig um die Gewährleistung der eigentumsrechtlich geschützten
Position derselben.

    b) Der Bundesrat hat die Kantone bereits 1996 gewarnt, eine Änderung
der bisherigen Homologationspraxis werde insbesondere im Hinblick auf die
Zunahme von vom Boulespiel losgelösten Automatencasinos nötig werden. Wer
sich daher nicht an das Moratorium halte, tue dies auf eigenes Risiko. Die
Beschwerdeführer machen nicht geltend, dies sei ihnen nicht bekannt
gewesen. Bei dieser Sachlage ist nun aber keineswegs evident, dass der
ab dem 22. April 1998 Wirkung entfaltende Widerruf der Homologierung
gegen den Vertrauensgrundsatz bzw. eine eigentumsrechtlich geschützte
Position verstossen würde. Ebensowenig ist die Unverhältnismässigkeit
der Beschlagnahme mit dem Hinweis dargetan, dass der Straftatbestand,
dessen die Beschwerdeführer (zu Unrecht) verdächtigt würden, bloss eine
Übertretung darstelle und die Betreiberin der Spielautomaten in ihrer
Existenz bedroht sei.

    c) Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, das Bundesamt für
Polizeiwesen hätte mittels - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbarer
- Verfügung die Schliessung des Casinos anordnen bzw. feststellen
müssen, dass es sich bei den in Frage stehenden Automaten um (illegale)
Glücksspielautomaten handle, sind sie nicht zu hören. Die Anklagekammer hat
im vorliegenden Verfahren lediglich die Zulässigkeit der Beschlagnahme zu
prüfen, die in der gegen die Beschwerdeführer eröffneten Strafuntersuchung
verfügt wurde.

Erwägung 9

    9.- Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Verdacht begründet ist,
die Beschwerdeführer könnten eine strafbare Handlung im Sinne von Art. 6
SBG begangen haben. Eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes
ist nicht dargetan; ebensowenig die offenkundige Verletzung anderer
Rechtsnormen oder -grundsätze. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.

    Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens unter Solidarhaftung den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 245 BStP in Verbindung mit Art. 156 OG; vgl. BGE 123
IV 236 E. 11, S. 251).