Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 IV 205



124 IV 205

35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1998
i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 75 Ziff. 2 StGB; Unterbrechung der Vollstreckungsverjährung.Die
Vollstreckungsverjährung einer Busse wird durch die Mahnung unterbrochen
(E. 7b).

    Art. 49 Ziff. 1 bis 3 StGB; Umwandlung der Busse in Haft.Vor der
Einleitung des Umwandlungsverfahrens muss nicht in jedem Fall die
Betreibung vollständig durchgeführt worden sein. Die Behörde darf beim
Entscheid namentlich berücksichtigen, dass der Eintritt der absoluten
Verjährung für die Vollstreckung droht (E. 8c).

    Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. mit Art. 31 Ziff. 1 Abs. 1
StGB.Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs fällt ausser Betracht,
wenn der Gebüsste unter Berücksichtigung seiner anderen finanziellen
Verpflichtungen bis zum Beginn des Vollzugs der Umwandlungsstrafe zur
Zahlung der Busse in der Lage ist (E. 9b).

Sachverhalt

    Der Gerichtspräsident 13 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen wandelte
mit zwei Beschlüssen vom 26. Juni 1997 zwei gegen B. am 15. und 23.
November 1994 ausgesprochene Bussen von je Fr. 250.-- in je acht Tage
Haft um. Eine hiegegen von B. geführte Appellation wies das Obergericht
des Kantons Bern mit Urteil vom 4. November 1997 ab und bestätigte das
erstinstanzliche Urteil.Gegen diesen Entscheid führt B. unter anderem
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit dem Antrag, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

    6.- Die Vorinstanz nahm ohne Willkür und für den Kassationshof
im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich
(Art. 277bis Abs. 1 BStP) an, gegen die Beschwerdeführerin seien mit
Strafmandat vom 15. und 23. November 1994 zwei Bussen von je Fr. 250.--
ausgesprochen worden. Die Beschwerdeführerin sei am 21. September 1995
und am 10. Oktober 1996 für beide Bussenbeträge je separat gemahnt
worden. Dadurch sei die Frist für die Vollstreckungsverjährung der
Übertretungsstrafen unterbrochen worden. Auf Begehren der kantonalen
Staatskasse habe schliesslich der Gerichtspräsident 13 des Gerichtskreises
VIII Bern-Laupen mit zwei separaten Beschlüssen vom 26. Juni 1997 die
ausgefällten Geldstrafen in je 8 Tage Haft umgewandelt.Die Vorinstanz
gelangte zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe mit der Erhebung
des Rechtsvorschlags gegen den Zahlungsbefehl zur Eintreibung der
Bussen ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sei,
die ausstehenden Geldstrafen zu bezahlen. Mit der Zustellung des
Zahlungsbefehls sei der gesetzlichen Vorschrift von Art. 49 Ziff. 2 StGB
Genüge getan worden. Das Gesetz spreche lediglich von der Anordnung der
Betreibung und verlange nicht die Einleitung der Zwangsvollstreckung. Die
Vorinstanz verweigerte sodann den bedingten Strafvollzug mit der
Begründung, die Beschwerdeführerin habe die Bussen weder abbezahlt
noch abverdient und sich auch nicht darum gekümmert oder auch nur auf
behördliche Aufforderungen reagiert. Mit dieser Gesinnung biete sie
offensichtlich keine Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten.

Erwägung 7

    7.- a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die beiden Bussen seien
im Zeitpunkt der Betreibung vom 28. November 1996 verjährt gewesen. Selbst
wenn man mit der Vorinstanz davon ausgehen wollte, sie sei am 21. September
1995 und am 10. Oktober 1996 gemahnt worden, hätten diese Mahnungen nicht
eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt.

    b) Gemäss Art. 109 StGB verjährt eine Übertretung in einem Jahr,
die Strafe einer Übertretung in zwei Jahren. Gemäss Art. 75 Ziff. 2
Abs. 1 StGB wird die Verjährung unterbrochen durch den Vollzug und durch
jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung der Behörde, der
die Vollstreckung obliegt. Nach Abs. 2 derselben Bestimmung beginnt die
Verjährungsfrist mit jeder Unterbrechung neu zu laufen. Jedoch ist die
Strafe in jedem Fall verjährt, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die
Hälfte überschritten ist. Der Beginn der Vollstreckungsverjährung setzt
gemäss Art. 74 StGB mit dem Tag ein, an dem das Bussenurteil rechtlich
vollstreckbar wird (BGE 105 IV 14 E. 2).

    Als Unterbrechungshandlungen gelten bei Geldstrafen alle zur
Eintreibung der Busse vorgenommenen Akte, so insbesondere die Betreibung,
das Pfändungsbegehren und das Gesuch um Umwandlung in Haft (BGE 104
IV 266 E. 3; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar,
2. Aufl., Zürich 1997, Art. 75 N. 3). In der Literatur wird zusätzlich
auch die Zahlungsaufforderung als Unterbrechungshandlung genannt (REHBERG,
Strafrecht II, 6. Aufl., Zürich 1994, S. 121; ANDREA BRENN, Die Busse und
ihr Vollzug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, Diss. Bern 1945,
S. 102). Wesentlich ist, dass die Vollstreckungshandlung nach aussen in
Erscheinung tritt und keinen bloss internen Behördenvorgang darstellt
(STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil II, § 8 N. 10;
REHBERG, aaO). Dies ist bei einer Mahnung klarerweise der Fall. Es
entspricht im übrigen auch der Übung, dass die Vollstreckungsbehörde in
der Regel zuerst mahnt, bevor sie die Betreibung einleitet (vgl. RETO
BERNHARD, Der Bussenvollzug gemäss Art. 49 StGB, Diss. Zürich 1982,
S. 36). Der Schluss der Vorinstanz, die Vollstreckungsverjährung sei
in bezug auf die beiden Bussen noch nicht eingetreten, verletzt daher
Bundesrecht nicht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.

Erwägung 8

    8.- a) Die Beschwerdeführerin macht ferner eine Verletzung von
Art. 49 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB geltend. Sie sei weder mit der
Zustellung der Strafmandate zur Zahlung aufgefordert noch sei ihr je eine
Zahlungsfrist angesetzt worden. Ob in den angeblichen Mahnungen vom 21.
September 1995 und 10. Oktober 1996 eine Zahlungsfrist angesetzt worden
sei, sei nicht bekannt, da ihr die Mahnungen nicht zugegangen und für die
Akten keine Doppel erstellt worden seien. Selbst wenn das Anheben der
Betreibung zu Recht erfolgt sei, hätten die Behörden nicht direkt nach
der Erhebung des Rechtsvorschlages das Umwandlungsverfahren einleiten
dürfen. Das Betreibungsverfahren sei mehr als eine blosse Zwischenstufe
zur Bussenumwandlung. Ein Verzicht auf die Betreibung sei nur zulässig,
wenn der Misserfolg mit Sicherheit vorauszusehen sei. Zur Betreibung
gehöre auch das Rechtsöffnungsverfahren. Nur wenn die Betreibung
fruchtlos verlaufe, d.h. wenn ein Verlustschein resultiere, dürfe
die Busse umgewandelt werden. Die kantonalen Instanzen hätten daher im
Umwandlungsverfahren zunächst prüfen müssen, ob das Vollstreckungsverfahren
korrekt durchgeführt worden sei. Hiefür hätte die Vollstreckungsbehörde die
Belege über die richtige Durchführung der Bussenvollstreckung vorlegen
müssen. Im zu beurteilenden Fall fehlten indes nicht nur Kopien der
angeblichen Zahlungsaufforderungen, es fände sich in den Akten nicht
einmal das Betreibungsbegehren. Die Vorinstanz habe daher auch Art.
49 Ziff. 3 StGB verletzt, wenn sie dennoch die Anordnung der Umwandlung
durch den erstinstanzlichen Richter geschützt habe.

    b) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es sei ihr keine
Zahlungsfrist angesetzt worden, richtet sich ihre Beschwerde gegen die
Feststellung des Sachverhalts, die nur im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde überprüft werden kann. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde kann
insofern nicht eingetreten werden.

    Gemäss Art. 49 Ziff. 1 Abs. 1 StGB bestimmt die zuständige Behörde
dem zu einer Busse Verurteilten eine Frist von einem bis zu drei Monaten
zur Zahlung. Dem Verurteilten mit Wohnsitz in der Schweiz ist in jedem
Fall eine Zahlungsfrist anzusetzen, selbst wenn von vornherein erkennbar
ist, dass er dieser Aufforderung nicht nachkommen werde (BGE 74 IV 18;
TRECHSEL, aaO, Art. 49 N. 1). Bezahlt der Verurteilte die Busse in der ihm
bestimmten Zeit nicht, und verdient er sie auch nicht ab, so ordnet nach
Art. 49 Ziff. 2 StGB die zuständige Behörde die Betreibung gegen ihn an,
wenn davon ein Ergebnis zu erwarten ist (hiezu vgl. BGE 74 IV 57 E. 2),
oder wandelt der Richter die Busse gemäss Ziff. 3 Abs. 1 derselben
Bestimmung in Haft um. Nach Ziff. 3 Abs. 2 kann der Richter im Urteil
selbst oder durch nachträglichen Beschluss die Umwandlung ausschliessen,
wenn ihm der Verurteilte nachweist, dass er schuldlos ausserstande ist,
die Busse zu bezahlen. Im Falle der Umwandlung entsprechen Fr. 30.--
Busse einem Tag Haft, doch darf die Umwandlungsstrafe die Dauer von drei
Monaten nicht übersteigen (Ziff. 3 Abs. 3).

    Der Umwandlungsentscheid ist eine Ergänzung des Bussenentscheides
und bezweckt, diesen in anderer Form vollziehbar zu machen. Die
Umwandlungsstrafe ist nur Ersatz für die eigentlich zu leistende
Geldstrafe. Deshalb entfällt der Vollzug der Umwandlungsstrafe, wenn ihm
eine nachträgliche Zahlung der Busse zuvorkommt, denn mit der Geldleistung
ist das Bussenurteil erfüllt und bedarf keines Ersatzes mehr (BGE 105 IV
14 E. 2 mit Hinweis).

    c) Aufgrund der gesetzlichen Regelung setzt die Umwandlung einer
Busse in Haft in der Regel voraus, dass die Betreibung entweder fruchtlos
geblieben, d.h. die Busse uneinbringlich ist oder als aussichtslos
erscheint (STRATENWERTH, aaO, § 5 N. 35; vgl. auch TRECHSEL, aaO, Art. 49
N. 4). Als von vornherein ergebnislos erscheint die Betreibung etwa dann,
wenn bereits sämtliche verwertbaren Gegenstände des Gebüssten gepfändet
sind und vorauszusehen ist, dass der Erlös nicht einmal zur Deckung dieser
Forderungen ausreichen wird. Dasselbe gilt, wenn Verlustscheine vorliegen
(BERNHARD, aaO, S. 39; vgl. auch BRENN, aaO, S. 74, 89). Es soll demnach
grundsätzlich diejenige Strafe vollstreckt werden, zu welcher der Gebüsste
verurteilt worden ist. Indes ergibt sich aus dem Gesetz nicht zwingend,
dass die Betreibung in jedem Fall vollständig durchzuführen ist, bevor
das Umwandlungsverfahren angehoben werden darf (a.M. BRENN, aaO, S. 89).
Vielmehr steht der Behörde in dieser Hinsicht ein Ermessensspielraum
zu. Dies gilt im besonderen Masse dann, wenn der erfolgreiche Vollzug der
Busse auf dem Betreibungsweg deshalb in Frage steht, weil der Eintritt
der absoluten Verjährung für die Vollstreckung droht, was insbesondere
bei Übertretungen, bei denen die absolute Vollstreckungsverjährung schon
mit Ablauf von drei Jahren eintritt (vgl. Art. 109 i.V.m. Art. 75 Ziff. 2
Abs. 2 StGB), Bedeutung erlangen kann. Im zu beurteilenden Fall durfte die
Behörde somit ohne weiteres berücksichtigen, dass das Betreibungsverfahren,
nachdem die Beschwerdeführerin Rechtsvorschlag erhoben hatte, wegen des
zu erwartenden Eintritts der absoluten Vollstreckungsverjährung nicht
erfolgreich durchgeführt werden konnte. Dies gilt umso mehr, als es
die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen des erstinstanzlichen
Umwandlungsrichters darauf angelegt hatte, sich mit zivilrechtlichen
Hinhaltemanövern der Vollstreckung der Busse zu entziehen. Im Lichte dieser
tatsächlichen Feststellungen hat die Behörde ihr Ermessen nicht missbraucht
oder überschritten, wenn sie trotz offensichtlicher Zahlungsfähigkeit
der Beschwerdeführerin auf die Fortsetzung der Betreibung verzichtet und
dem Richter die Umwandlung der Bussen in Haft beantragt hat. Indem die
Vorinstanz die Umwandlung geschützt hat, hat sie somit kein Bundesrecht
verletzt. Dieses Ergebnis ist im übrigen auch deshalb unbedenklich, weil
nach der Rechtsprechung die Umwandlungsstrafe nicht abgesessen werden
muss, wenn die Busse nachträglich bezahlt wird (BGE 105 IV 14 E. 2). Die
Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt unbegründet.

Erwägung 9

    9.- a) Die Beschwerdeführerin wendet sich schliesslich gegen die
Verweigerung des bedingten Strafvollzugs. Für die Prognosestellung könne
nicht die schlechte Zahlungsmoral ausschlaggebend sein, da der bedingte
Strafvollzug dann von vornherein verweigert werden müsste, weil schon
die Umwandlung an sich voraussetze, dass die Busse schuldhaft nicht
bezahlt werde. Die Voraussetzungen des bedingten Strafvollzugs seien in
ihrem Fall gegeben.

    b) Gemäss Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 2 StGB sind die Bestimmungen über
den bedingten Strafvollzug auf die Umwandlungsstrafe anwendbar. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin ist in die Prognose des künftigen
Wohlverhaltens in diesem Zusammenhang auch der Wille zur Bussenzahlung
miteinzubeziehen (REHBERG, aaO, S. 115). Die günstige Prognose bezieht
sich daher nicht nur darauf, ob der Angeschuldigte in Zukunft nicht
mehr straffällig werde, sondern auch darauf, ob Aussicht besteht,
dass er im Falle einer erneuten Geldstrafe die Busse zu begleichen
versucht (STRATENWERTH, aaO, § 5 N. 41 f.; BERNHARD, aaO, S. 91 f.).
Nach der Rechtsprechung fällt die Gewährung des bedingten Strafvollzugs
daher ausser Betracht, wenn der Gebüsste unter Berücksichtigung seiner
anderen finanziellen Verpflichtungen bis zum Beginn des Vollzugs der
Umwandlungsstrafe zur Zahlung der Busse in der Lage ist. Andernfalls
hätte der in diesem Sinne zahlungsfähige Gebüsste faktisch die freie
Wahl zwischen der Zahlung der Busse und der - von ihm unter Umständen
als weniger schwerwiegend empfundenen - Verurteilung zu einer bedingt
vollziehbaren Freiheitsstrafe. Die Beschwerde erweist sich somit auch in
diesem Punkt als unbegründet.