Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 IV 188



124 IV 188

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juni 1998
i.S. A. und B. gegen X. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Verantwortlichkeit der Presse (Art. 27 StGB); Legitimation des
Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 270 Abs. 1
BStP).

    Wird ein Chefredaktor vom Vorwurf der unlauteren Herabsetzung durch
Äusserungen in einem Zeitungsartikel mit der Begründung freigesprochen,
das ihm zur Last gelegte Verhalten begründe keine pressestrafrechtliche
Mitverantwortung neben dem bekannten Verfasser des Zeitungsartikels, so
kann sich dieser Entscheid nicht auf die Beurteilung einer Zivilforderung
gegen den Chefredaktor auswirken. Der Geschädigte ist daher zur
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gegen das freisprechende Urteil
nicht legitimiert (E. 1).

Sachverhalt

    A.- In den Ausgaben einer Wochenzeitung vom 18. Oktober 1990,
8. November 1990, 10. Januar 1991 und 11. April 1991 erschienen vier
Artikel, in denen der als Verfasser zeichnende G. sich kritisch
mit den Geschäftsgepflogenheiten unter anderem der A. AG und von
B. auseinandersetzte. Diese erstatteten mit Eingabe vom 9. Juli
1991 gegen G. sowie gegen den damaligen Chefredaktor und Herausgeber
X. Strafantrag wegen Kreditschädigung im Sinne von Art. 160 aStGB und
wegen Widerhandlungen im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a des
Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241).

    Die Bezirksanwaltschaft III des Kantons Zürich erhob nach
Durchführung einer umfangreichen Strafuntersuchung am 13. Februar 1995
gegen G. und X. Anklage wegen mehrfachen unlauteren Wettbewerbs im Sinne
von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG, angeblich begangen als Mittäter
durch verschiedene unrichtige, irreführende und/oder unnötig verletzende
Äusserungen im Artikel vom 11. April 1991. In bezug auf die übrigen drei
Artikel sowie hinsichtlich des Vorwurfs der Kreditschädigung (Art. 160
aStGB) stellte die Bezirksanwaltschaft III gleichentags das Verfahren ein.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 19. März 1997
in Bestätigung des Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirks
Zürich vom 21. Mai 1996 vom Vorwurf der Widerhandlung im Sinne von Art. 23
i.V.m. Art. 3 lit. a UWG frei.

    C.- Die A. AG und B. führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 19. März 1997 sei
aufzuheben und die Strafsache zur Verurteilung von X. gemäss Anklage der
Bezirksanwaltschaft III des Kantons Zürich als Mittäter oder Gehilfe des
Autors G. an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Der mitangeklagte Autor des Zeitungsartikels ist durch das Urteil
des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 1997 wegen mehrfachen
unlauteren Wettbewerbs im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG zu
einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von 10'000 Franken verurteilt
worden. Er hat diesen Entscheid mit kantonaler und mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Der Kassationshof des Bundesgerichts
hat daher auch das Verfahren in Sachen X. bis zur Erledigung der
von G. erhobenen kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde sistiert. Das
Kassationsgericht des Kantons Zürich hat die Nichtigkeitsbeschwerde des
G. am 20. Januar 1998 abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.

    Das Bundesgericht tritt auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
nicht ein

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP steht die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde auch dem Geschädigten zu, wenn er sich bereits
vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit sich der Entscheid auf die
Beurteilung seiner Zivilforderung auswirken kann.

    a) Die beiden Beschwerdeführer sind Geschädigte im Sinne dieser
Bestimmung und haben sich am kantonalen Verfahren beteiligt. Sie haben
überdies, auch noch im Berufungsverfahren, beantragt, der Beschwerdegegner
1 und der Mitangeklagte G. seien solidarisch zu verpflichten, ihnen eine
Genugtuung in der Höhe von je Fr. 20'000.-- zu bezahlen.

    b) Ob sich ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid im Sinne von
Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP auf die Beurteilung einer Zivilforderung
auswirken kann, ist eine mitunter nicht leicht zu beantwortende Frage. Im
Zweifelsfall wird sie zugunsten der Geschädigten zu bejahen sein (siehe
auch BERNHARD STRÄULI, Pourvoi en nullité et recours de droit public au
Tribunal fédéral, thèse Genève 1995, N. 230 in fine). Erforderlich ist
aber stets, dass zum einen eine Zivilforderung überhaupt noch besteht
(BGE 121 IV 317 E. 3a S. 323) und dass zum andern der angefochtene
Entscheid in Anbetracht der darin enthaltenen tatsächlichen und/oder
rechtlichen Erwägungen sich möglicherweise negativ auf die Beurteilung
der Zivilforderung im Grundsatz oder in der Höhe auswirkt (BGE 120 Ia
101 E. 2e S. 107 f.; 120 IV 38 E. 2c S. 41, 44 E. 6 S. 56 f.).

    Das angefochtene Urteil, durch welches der Beschwerdegegner 1
vom Vorwurf des mehrfachen unlauteren Wettbewerbs im Sinne von Art. 23
i.V.m. Art. 3 lit. a UWG freigesprochen worden ist, kann sich angesichts
der darin enthaltenen Erwägungen nicht im Sinne von Art. 270 Abs. 1 BStP
negativ auf die Beurteilung einer Zivilforderung auswirken.

    aa) Im angefochtenen Urteil wird der Freispruch des Beschwerdegegners 1
in Übereinstimmung mit den Ausführungen im erstinstanzlichen Entscheid im
wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der pressestrafrechtlichen
Sonderregelung gemäss Art. 27 StGB der - bekannte - Verfasser für
tatbestandsmässige Äusserungen in einem Zeitungsartikel grundsätzlich
allein strafrechtlich verantwortlich sei, dass insoweit der
Anwendungsbereich der allgemeinen strafrechtlichen Regeln betreffend
Mittäterschaft und Teilnahme beschränkt sei und dass daher der Redaktor
bzw. Chefredaktor, der einen Zeitungsartikel strafbaren Inhalts
zur Kenntnis nehme und publizieren lasse, nicht neben dem bekannten
Verfasser strafbar sei, auch dann nicht, wenn die Idee und der Auftrag
für den Artikel vom Chefredaktor stammen und in der von ihm präsidierten
Redaktion besprochen worden seien und er Tatherrschaft innegehabt haben
sollte. Nach Auffassung der Vorinstanz bleibt es dabei, dass einer
strafbaren Mitbeteiligung Dritter an Pressedelikten Ausnahmecharakter
zukommt. Art. 27 Ziff. 1 StGB, nach dessen Wortlaut der Verfasser allein
verantwortlich sei, dürfe nicht durch eine (von den Beschwerdeführern
vorgeschlagene) zeitgemässe Auslegung unter Berücksichtigung der
wesentlich veränderten Verhältnisse in der Presse relativiert werden, die
letztlich auf eine Änderung der pressestrafrechtlichen Verantwortlichkeit
hinauslaufe, welche dem Gesetzgeber vorbehalten sei.

    bb) Aus diesen zusammenfassend wiedergegebenen vorinstanzlichen
Erwägungen geht eindeutig hervor, dass die Vorinstanz den Freispruch des
Beschwerdegegners 1 vom Vorwurf des mehrfachen unlauteren Wettbewerbs
im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG unter Berufung auf die
Sonderregelung betreffend die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei
Pressedelikten gemäss Art. 27 StGB begründet hat. Diese Begründung ist
zivilrechtlich irrelevant, da das Zivilrecht keine Art. 27 StGB auch nur
annähernd entsprechende Bestimmung enthält. Umstritten ist vorliegend nicht
das - allenfalls auch zivilrechtlich relevante - Ausmass der Mitwirkung des
Chefredaktors an sich. Umstritten ist allein, ob die dem Chefredaktor zur
Last gelegte Mitwirkung dessen pressestrafrechtliche Mitverantwortung
als Mittäter oder Teilnehmer an der Tat des bekannten Verfassers
begründet, sei es, weil sie über eine pressemässig notwendige Mitwirkung
eines Chefredaktors hinausging, sei es, weil auch eine pressemässig
erforderliche Mitwirkung bei objektiv-zeitgemässer Auslegung von Art. 27
StGB in Anwendung der allgemeinen strafrechtlichen Regeln Mittäterschaft
oder Teilnahme an der Tat des bekannten Verfassers begründet. Das sind
spezifisch pressestrafrechtliche Fragen, die sich im Zivilrecht nicht
stellen. Das angefochtene Urteil, durch welches der Beschwerdegegner
1 freigesprochen worden ist, kann angesichts seiner Begründung einen
Entscheid über die allfällige zivilrechtliche Verantwortlichkeit des
Beschwerdegegners 1 für die im Zeitungsartikel enthaltenen Äusserungen
in keiner Weise präjudizieren.

    cc) Dass die Vorinstanz auf die adhäsionsweise geltend gemachten
Genugtuungsforderungen der Beschwerdeführer gegen den Beschwerdegegner
1 infolge des Freispruchs nicht eingetreten ist, ist unerheblich und
bedeutet nicht, dass sich der Freispruch im Sinne von Art. 270 Abs. 1
BStP auf die Beurteilung der Zivilforderung ausgewirkt hat. Zwar wäre den
Beschwerdeführern eine strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdegegners
1 auch zivilrechtlich nützlich. Dies allein vermag aber ihre Legitimation
zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gegen das den Beschwerdegegner
1 freisprechende Urteil nicht zu begründen. Entscheidend ist, dass das
angefochtene Urteil keine Erwägungen enthält, die sich negativ auf die
Beurteilung einer Zivilforderung gegen den Beschwerdegegner 1 wegen der
inkriminierten Äusserungen im Grundsatz oder in der Höhe auswirken könnten.

    Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht
einzutreten.

    c) Allerdings kann der Geschädigte eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde unter Umständen auch dann erheben, wenn
die Legitimationsvoraussetzungen gemäss Art. 270 Abs. 1 BStP nicht
erfüllt sind. So sind der Strafantragsteller und das Opfer im Sinne
des Opferhilfegesetzes ungeachtet der in Art. 270 Abs. 1 BStP genannten
Voraussetzungen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert,
soweit es um Fragen des Strafantragsrechts bzw. um Opferrechte geht,
und kann der Privatstrafkläger ungeachtet der in dieser Bestimmung
umschriebenen Voraussetzungen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
führen, wenn andernfalls der Rechtsweg an das Bundesgericht mangels
Beschwerdebefugnis der Anklagebehörden allzu stark eingeschränkt wäre und
das Bundesgericht daher nicht ausreichend für die einheitliche Anwendung
des Bundesrechts sorgen könnte (BGE 120 IV 44 E. 3b und E. 7 S. 50 f. und
57; 122 IV 71 E. 2 S. 75, 139 E. 3c S. 144). Keine dieser Voraussetzungen
ist hier erfüllt.

Erwägung 2

    2.- («Kostenfolgen»)