Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 IV 170



124 IV 170

30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai
1998 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 268 Ziff. 1 BStP. Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen
Rückweisungsentscheid.

    Ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, durch den der Angeklagte
abweichend vom erstinstanzlichen Urteil schuldig gesprochen und die Sache
zur Festsetzung des Strafmasses an die erste Instanz zurückgewiesen wird,
kann mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden
(E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung).

    Nichtbefolgen von Aufgeboten zum Zivilschutz (Art. 66 Abs. 1 lit. a
ZSG).

    Bei dieser Straftat können die Beweggründe und Absichten des
Dienstpflichtigen (Verweigerung, Versäumnis usw.) und eine allfällige
nachträglich festgestellte Dienstuntauglichkeit nur im Rahmen der
Strafzumessung berücksichtigt werden (E. 2).

Sachverhalt

    Am 14. August 1995 erstattete der Gemeinderat von
Oberrohrdorf-Staretschwil gegen H. Strafanzeige wegen Widerhandlung im
Sinne von Art. 66 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1994 über den Zivilschutz
(ZSG; SR 520.1). H. wurde vorgeworfen, er habe den beiden Aufgeboten
zum Einteilungsrapport vom 4. Mai 1995 respektive zum Einteilungsrapport
vom 23. Juni 1995 ohne Dispens nicht Folge geleistet.

    Das Bezirksgericht Baden sprach H. am 12. Juni 1996 frei.

    Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Berufung
mit den Anträgen, H. sei der mehrfachen Widerhandlung gegen das
Zivilschutzgesetz gemäss Art. 66 Abs. 1 lit. a ZSG (Nichtfolgeleisten
eines Aufgebots) schuldig zu sprechen und hiefür zu einer Gefängnisstrafe
von sechs Wochen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier Jahren,
und zu einer Busse von 500 Franken zu verurteilen.

    Das Obergericht des Kantons Aargau sprach H. am 3. Dezember 1997 in
teilweiser Gutheissung der Berufung der mehrfachen Widerhandlung gegen
Art. 66 Abs. 1 lit. a ZSG schuldig und wies die Strafsache im Sinne der
Erwägungen zur Festsetzung des Strafmasses an die Vorinstanz zurück.

    H. ficht das Urteil des Obergerichts mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde an.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Durch das angefochtene Urteil wird der Beschwerdeführer der
mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 66 Abs. 1 lit. a ZSG schuldig erklärt
und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Festsetzung des Strafmasses
an das Bezirksgericht zurückgewiesen. Im angefochtenen Urteil wird
letztinstanzlich und für das Bezirksgericht verbindlich u.a. entschieden,
dass der Beschwerdeführer durch das ihm zur Last gelegte Nichtbefolgen
der Aufgebote zu den Einteilungsrapporten vom 4. Mai und vom 23. Juni 1995
auch dann der mehrfachen vorsätzlichen Widerhandlung im Sinne von Art. 66
Abs. 1 lit. a ZSG schuldig zu sprechen sei, wenn er, wie er behauptet,
im Zeitpunkt, in dem er hätte einrücken müssen, aus gesundheitlichen
Gründen gar nicht zivilschutzdiensttauglich gewesen sein sollte; denn
Art. 81 Ziff. 5 des Militärstrafgesetzes (MStG; SR 321.0) (in der Fassung
vor der Änderung durch Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995) sei entgegen
der Meinung des Beschwerdeführers nicht analog anwendbar. Damit liegt
im Schuldpunkt ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid vor, der mit
eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung eidgenössischen
Rechts angefochten werden kann (BGE 111 IV 189 E. 2 S. 191; 107 IV 133
E. 1a S. 135 f.; 80 IV 173 E. 1 S. 177).

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer macht wie schon im Berufungsverfahren
unter Hinweis auf ein in SJZ 93/1997 S. 29 f. wiedergegebenes Urteil des
Einzelrichters in Strafsachen des Bezirks Zürich vom 23. März 1994 geltend,
dass er in analoger Anwendung von Art. 81 Ziff. 5 MStG (in der Fassung
vor der Änderung durch Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995) freizusprechen
sei, da er zum Zeitpunkt der verweigerten Zivilschutzdienstleistung hätte
dienstuntauglich erklärt werden müssen.

    Die Vorinstanz verneinte eine Lücke im Zivilschutzgesetz, die in
analoger Anwendung von Art. 81 Ziff. 5 MStG zu füllen sei. Es sei Sache
des Gesetzgebers, allenfalls entsprechende Regelungen ins Zivilschutzgesetz
aufzunehmen.

    b) Das Militärstrafgesetz sieht für die Straftatbestände der
Dienstverweigerung, des Dienstversäumnisses und des fahrlässigen
Dienstversäumnisses vor, dass der Täter straflos bleibt, wenn er
dienstuntauglich erklärt wird und die Dienstuntauglichkeit bereits
zur Zeit der Tat bestanden hat (Art. 81 Abs. 6 lit. c, Art. 82 Abs. 5,
Art. 83 Abs. 4 MStG entsprechend Art. 81 Ziff. 5, Art. 81a Ziff. 4 und
Art. 82 Abs. 4 aMStG in der Fassung vor der Änderung durch Bundesgesetz
vom 6. Oktober 1995, in Kraft seit 1. Oktober 1996). Dasselbe sieht
auch das Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst vom 6. Oktober
1995 (Zivildienstgesetz, ZDG; SR 824.0) für die Straftatbestände der
Dienstverweigerung, des Dienstversäumnisses und des fahrlässigen
Dienstversäumnisses vor (Art. 72 Abs. 4, Art. 73 Abs. 5 und Art.
74 Abs. 4 ZDG).

    Mit der Teilrevision des Militärstrafgesetzes gemäss Anhang
Ziff. 5 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 ist indessen neu
ein (subsidiärer) Straftatbestand des Missachtens eines Aufgebots
zum Militärdienst (Art. 84 MStG) ins Militärstrafgesetz aufgenommen
worden. Danach wird mit Haft oder Busse bestraft, wer einrückungsfähig
ist und einem Aufgebot zur Aushebung oder zum Militärdienst nicht Folge
leistet, ohne sich damit der Dienstverweigerung, des Dienstversäumnisses
oder des fahrlässigen Dienstversäumnisses schuldig zu machen (Abs. 1);
in leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung (Abs. 2). Einen
entsprechenden Straftatbestand der Missachtung eines Aufgebots enthält
auch das Zivildienstgesetz in Art. 75. Durch Art. 84 MStG wird die
Einrükkungspflicht als solche strafrechtlich geschützt und damit eine Lücke
im Militärstrafgesetz geschlossen (siehe die Botschaft des Bundesrates
zum Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst, BBl 1994 III 1609 ff.,
1712, 1716). Das Nichtbefolgen eines Aufgebots zum Dienst ist und bleibt
auch dann als Missachtung eines Aufgebots (Art. 84 MStG bzw. Art. 75 ZDG)
strafbar, wenn der Täter in der Folge dienstuntauglich erklärt wird und
die Dienstuntauglichkeit schon zur Zeit der Tat bestanden hat. Allein eine
Bestrafung wegen Dienstverweigerung, Dienstversäumnis oder fahrlässigem
Dienstversäumnis scheidet in diesem Fall aus. Das Nichtbefolgen eines
Aufgebots zum Militärdienst durch einen Dienstpflichtigen, der in der Folge
dienstuntauglich erklärt wird und dessen Dienstuntauglichkeit bereits im
Zeitpunkt der Tat bestanden hat, ist somit nach der seit dem 1. Oktober
1996 geltenden Rechtslage immerhin als Missachtung eines Aufgebots im Sinne
von Art. 84 MStG strafbar. Dies scheint der Beschwerdeführer ausser acht
zu lassen.

    Die zur Zeit der inkriminierten Taten geltende Regelung im
Militärstrafrecht (Straflosigkeit bei nachträglich festgestellter
Dienstuntauglichkeit), deren analoge Anwendung der Beschwerdeführer
verlangt, ist mithin inzwischen als unbefriedigend und lückenhaft erkannt
und geändert worden. Schon aus diesem Grunde rechtfertigt es sich nicht,
jene Regelung auf das Nichtbefolgen von Aufgeboten zum Zivilschutz im
Sinne von Art. 66 Abs. 1 lit. a ZSG analog anzuwenden.

    c) Das Zivilschutzgesetz vom 17. Juni 1994 unterscheidet, wie schon
das frühere Zivilschutzgesetz vom 23. März 1962, nicht zwischen den
Straftatbeständen der Dienstverweigerung, des Dienstversäumnisses sowie
des fahrlässigen Dienstversäumnisses einerseits und der Missachtung eines
Aufgebots andererseits. Das vorsätzliche Nichtbefolgen eines Aufgebots
zum Zivilschutzdienst ist, ungeachtet der Beweggründe und Absichten des
Täters sowie der Tatumstände, stets als Widerhandlung im Sinne von Art. 66
Abs. 1 lit. a ZSG strafbar, der Gefängnis, Haft oder Busse androht. Den
Beweggründen und Absichten des Täters sowie den Tatumständen kann allein im
Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden. Das Zivilschutzgesetz
regelt in seinen Strafbestimmungen auch nicht den Fall, dass der Täter
dienstuntauglich erklärt wird und die Dienstuntauglichkeit schon zur Zeit
der Tat bestanden hat (zur Dienstuntauglichkeit siehe Art. 17 Abs. 1 ZSG
und Art. 24 der Zivilschutzverordnung [ZSV; SR 520.11]).

    d) Da das Zivilschutzgesetz im Unterschied zum Militärstrafgesetz
und zum Zivildienstgesetz somit nicht zwischen der Dienstverweigerung
und dem Dienstversäumnis einerseits und der Missachtung eines
Aufgebots andererseits unterscheidet, kann sich die Frage nicht
stellen, ob die auf die Straftatbestände der Dienstverweigerung und
des Dienstversäumnisses durch einen Dienstuntauglichen Bezug nehmenden
Vorschriften des Militärstrafgesetzes und des Zivildienstgesetzes analog
anwendbar seien. Es ist Sache des Gesetzgebers zu prüfen, ob auch im
Zivilschutzgesetz zwischen den Straftatbeständen der Dienstverweigerung
und des Dienstversäumnisses einerseits und der Missachtung eines Aufgebots
andererseits unterschieden werden und ob gegebenenfalls bei nachträglich
festgestellter Dienstuntauglichkeit des Täters, der einem Aufgebot
keine Folge geleistet hat, bloss eine Bestrafung wegen Missachtung eines
Aufgebots möglich sein soll.

    e) Wird ein Pflichtiger, der einem Aufgebot zum Zivilschutzdienst
vorsätzlich nicht Folge geleistet und dadurch den Straftatbestand
von Art. 66 Abs. 1 lit. a ZSG erfüllt hat, allenfalls nachträglich
dienstuntauglich erklärt und bestand die Dienstuntauglichkeit schon zur
Zeit der Tat, so wird der Richter de lege lata diesen Umstand allerdings
bei der Strafzumessung berücksichtigen. Der Täter bleibt aber - unter
dem Vorbehalt der Möglichkeit einer blossen Verwarnung gemäss Art. 66
Abs. 4 ZSG - auch in einem solchen Fall strafbar, so wie auch der
Dienstpflichtige, der ein Aufgebot zum Militärdienst missachtet, bei
nachträglich festgestellter Untauglichkeit immerhin gemäss Art. 84 MStG
strafbar ist.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit abzuweisen.

Erwägung 3

    3.- (Kostenfolgen).