Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 8



124 II 8

2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5.
November 1997 i.S. B. S. gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des
Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsrechtliche
Abteilung) (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 12 Abs. 2 OHG; Berücksichtigung des Selbstverschuldens bei der
Ausrichtung und Bemessung einer Genugtuung nach OHG.

    Grundsätzlich keine Bindung der Opferhilfebehörde an eine Vereinbarung
zwischen dem Täter und dem Opfer über eine Genugtuungsleistung (E. 2b).

    Bei der vorliegenden Genugtuungsvereinbarung handelt es sich um einen
gerichtlichen Vergleich (E. 3a). Rechtsnatur des gerichtlichen Vergleichs
(E. 3b). Bloss relative Gleichstellung des gerichtlichen Vergleichs
mit einem Urteil (E. 3c). Wirkungen eines gerichtlichen Vergleichs
über die zivilrechtliche Genugtuung auf den Genugtuungsanspruch aus OHG
(E. 3d). Die OHG-Behörden dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen
von einem Strafurteil abweichen. Der vorliegende Vergleich ist für die
OHG-Behörden nicht verbindlich (E. 3d/cc).

    Bedeutung des Selbstverschuldens für die Ausrichtung und Bemessung
der Genugtuung im vorliegenden Fall (E. 5c).

Sachverhalt

    Im Februar 1995 kam es in einem serbischen Vereinslokal zu einem
Streit zwischen den Brüdern B. S. und Z. S. einerseits und T. anderseits.
Kurz vor Mitternacht begannen Musiker am Tisch von T. Zigeunerlieder zu
singen. Weil B. S. die Musik nicht passte, ging er zu T. und verlangte,
diese müsse aufhören. T. erwiderte, er solle dies den Musikern selber
sagen. Daraufhin soll B. S. zu T. gesagt haben, er reisse ihm den
Schnauz aus. Weiter drohte B. S., er werde T. die Leber aus dem Leib
reissen und bewegte seine Hand zu seiner Jackentasche. Aus Angst, von
B. S. mit einem Messer angegriffen zu werden, zückte T. eine Pistole
und schoss auf B. S.. Dieser wurde leicht verletzt und war ca. vier
Monate arbeitsunfähig. Im Strafverfahren gegen T. stellte sich B. S. als
Privatkläger. Zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht
Emmental-Oberaargau wurde ein Vergleich unterzeichnet, in dem sich der
Angeklagte u.a. verpflichtete, B. S. Schadenersatz von Fr. 14'105.--,
Genugtuung von Fr. 8'000.-- sowie einen Parteikostenersatz für das
Opferhilfeverfahren von Fr. 1'600.-- auszurichten. Dieser Vergleich
wurde vom Geschwornengericht am 30. April 1996 gerichtlich genehmigt,
worauf sich B. S. aus dem Verfahren zurückzog. Mit Urteil gleichen Datums
wurde T. u.a. der vollendet versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig
erklärt. Das Geschwornengericht billigte dem Angeschuldigten zu, er
habe bei der Abgabe des ersten Schusses in Putativnotwehr gehandelt;
hingegen sei die Verhältnismässigkeit der Abwehr nicht gewahrt gewesen,
weshalb ein Putativnotwehrexzess vorliege.

    Am 31. Oktober 1996 sprach die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
des Kantons Bern (JKG) B. S. eine Entschädigung nach Art. 12 Abs. 1
OHG (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von
Straftaten [OHG; SR 312.5]) zu, wies hingegen dessen Gesuch um
Genugtuung gemäss Art. 12 Abs. 2 OHG ab. Am 24. März 1997 wies die
verwaltungsrechtliche Abteilung des bernischen Verwaltungsgerichts
(nachfolgend: Verwaltungsgericht) die Beschwerde von B. S. gegen diesen
Entscheid der JKG ab.

    B. S. hat dieses Urteil beim Bundesgericht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Er beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheids und die Zusprechung einer Genugtuung von
Fr. 8'000.--.

    Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen Opfer einer Straftat
im Sinn von Art. 2 Abs. 1 OHG geworden und daher grundsätzlich berechtigt,
die im Gesetz vorgesehene Hilfe zu beanspruchen. Die kantonalen Behörden
richteten dem Beschwerdeführer denn auch eine Entschädigung gemäss Art. 12
Abs. 1 OHG aus. Hingegen verweigerten sie die Leistung einer Genugtuung
nach Abs. 2 von Art. 12 OHG. Das Verwaltungsgericht begründete diese
Verweigerung mit dem Selbstverschulden des Beschwerdeführers. Darin sieht
dieser eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 12 Abs. 2 OHG).

    a) Das Verwaltungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, es sei
nicht an den Vergleich gebunden, welchen der Beschwerdeführer mit dem
Täter im Rahmen der im Strafverfahren adhäsionsweise anhängig gemachten
Zivilklage abgeschlossen habe. Aus den Strafakten gehe zwar hervor,
dass dieser Vergleich mit Hilfe der Kriminalkammer ausgearbeitet worden
sei. Das Geschwornengericht habe im Genehmigungsbeschluss jedoch
nicht in einer für die mit der Genugtuungsfrage nach OHG befassten
Verwaltungsjustizbehörde verbindlichen Weise über die grundsätzliche
Frage und die Höhe einer Genugtuung geurteilt. Es habe lediglich
vom Vergleichsabschluss Kenntnis genommen und die Prozesserledigung
festgestellt. Weiter führte das Verwaltungsgericht aus, obwohl es nicht
an den Vergleich gebunden sei, weiche es dennoch nicht leichthin davon
ab, wenn sich die Kriminalkammer mit der Frage der Genugtuung befasst
und einen entsprechenden Vergleichsvorschlag unterbreitet habe. Ein
Abweichen rechtfertige sich aber dann, wenn eine umfassende Prüfung der
Voraussetzungen, die für den Zuspruch einer Genugtuung bestünden, ergebe,
dass diese an sich oder der vereinbarten Höhe nach im Lichte des OHG als
nicht angemessen erscheine. Dabei bleibe im übrigen die Schuldpflicht des
Täters aus dem genannten Vergleich vom Entscheid des Verwaltungsgerichts
unberührt.

    b) Vorweg ist festzuhalten, dass durch die Vereinbarung einer
(zivilrechtlichen) Genugtuungsleistung des Täters an das Opfer keine
grundsätzliche Bindung der (staatlichen) Opferhilfebehörde an ebendiese
Genugtuung erreicht werden kann. Wollte man es anders halten, hiesse
das, Verträge zulasten Dritter billigen, was nicht angeht. Hingegen
fragt sich, ob - und wenn ja - welche Bedeutung dem Umstand zukommt,
dass die besagte Vereinbarung zwischen Opfer und Täter im Rahmen des
Strafverfahrens mit gerichtlicher Hilfestellung und unter Beachtung
bestimmter Verfahrensvorschriften geschlossen wurde. Der Beschwerdeführer
macht geltend, es handle sich um einen gerichtlichen Vergleich, an welchen
das Verwaltungsgericht gebunden sei; ein Abweichen davon rechtfertige
sich nur dann, wenn der darin festgelegte Betrag im Lichte des OHG als
nicht angemessen erscheine.

Erwägung 3

    3.- a) Die prozessuale Form des gerichtlichen Vergleichs bestimmt
sich nach kantonalem Recht (vgl. BGE 76 II 371 E. 3 S. 374). Das
bernische Zivilprozessrecht verlangt die gerichtliche Protokollierung
des Vergleichs (Art. 152 Abs. 1 und Art. 207 Abs. 1 des Gesetzes vom
7. Juli 1918 betreffend die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern [ZPO];
vgl. Georg Leuch/Omar Marbach/Franz Kellerhals, Die Zivilprozessordnung für
den Kanton Bern, Kommentar, Bern 1995, Ziff. 1 und 2 zu Art. 152 ZPO und
Ziff. 2d zu Art. 207 ZPO). Gleiches muss gelten für Zivilansprüche, die
adhäsionsweise vor bernischen Strafjustizbehörden anhängig gemacht worden
sind (vgl. zur Zivilklage vor bernischen Strafgerichten Art. 47 Abs. 2
Ziff. 2 und Art. 310 des Gesetzes vom 15. März 1995 über das Strafverfahren
[StrV] sowie PETER STAUB, Kommentar zum [alten] Strafverfahren des Kantons
Bern, Bern 1992, S. 26/27), und nichts anderes gilt auch in der bernischen
Verwaltungsrechtspflege (vgl. dazu THOMAS MERKLI/ARTHUR AESCHLIMANN/RUTH
HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton
Bern, Bern 1997, N. 9 ff. zu Art. 39 VRPG). Dieses Formerfordernis
ist hier beachtet worden: Die protokollierten Parteiverhandlungen zum
adhäsionsweise anhängig gemachten Zivilpunkt standen unter der Leitung
des Vorsitzenden des Geschwornengerichts (bzw. Kriminalkammer); der
Vertragstext fand anschliessend Aufnahme in die Urteilsmotive und der
Vergleich wurde im Urteilsdispositiv ausdrücklich genehmigt. Damit liegt
ein gerichtlicher Vergleich vor.

    b) Mit dem gerichtlichen Vergleich einigen sich die Parteien über den
Streitgegenstand (BGE 121 III 397 E. 2c S. 404 f. mit Hinweisen). Der
(gerichtliche) Vergleich ist im Bundesprivatrecht nicht geregelt und
daher Innominatskontrakt; als solcher untersteht er den Regeln des
Obligationenrechts und ist wegen Übervorteilung sowie insbesondere
wegen Willensmängeln anfechtbar (vgl. BGE 114 Ib 74 E. 1; 110 II
44 E. 4 S. 46 ff.; 105 II 273 E. 3a S. 277; WALTHER J. HABSCHEID,
Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Auflage,
Basel und Frankfurt am Main, 1990, Rz. 312, S. 171; HANS PETER WALTER,
Parteiautonome Prozesserledigung und Willensmängel, in: Mitteilungen
aus dem Institut für zivilgerichtliches Verfahren in Zürich, Heft
Nr. 22/1997, S. 7 ff.). Einem gerichtlichen Vergleich sind jedoch nur
Ansprüche zugänglich, über welche die Parteien frei verfügen können
(LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, aaO, lit. 2c zu Art. 207, S. 443; MAX
GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, Ziff. 5,
S. 395). Das Gericht hat vom Vergleichsabschluss grundsätzlich nur
Kenntnis zu nehmen und die Prozesserledigung festzustellen, nicht aber die
Angemessenheit des Vereinbarten zu überprüfen (vgl. BGE 99 II 359 E. 3c
mit Hinweisen). Bloss dort, wo das Vereinbarte offensichtlich nicht vor
dem Recht standhält (wie etwa bei Übervorteilung einer Partei), hat das
Gericht die Erledigungserklärung zu versagen, was die Parteien zwingt,
den Prozess über den Streitgegenstand fortzuführen oder sich anders zu
vergleichen (MAX KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, Bern 1984,
S. 150). Hingegen hat der Richter zumindest zu prüfen, ob der Vergleich
klar und vollständig ist. Ist der Vergleich mangelhaft, so ist es Pflicht
des Gerichts, auf seine Verbesserung hinzuwirken (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS,
aaO, lit. 2d zu Art. 207 S. 444; MAX GULDENER, aaO, S. 396 Ziff. 7).

    c) Im bernischen Zivilprozess (vgl. Art. 152 und Art. 397 Abs. 3 ZPO)
und in der bernischen Verwaltungsrechtspflege (vgl. Art. 114 Abs. 3 VRPG)
wird der gerichtliche Vergleich ausdrücklich einem rechtskräftigen Urteil
gleichgestellt. Er kann wie ein Urteil vollstreckt werden und stellt einen
definitiven Rechtsöffnungstitel dar (vgl. Art. 80 Abs. 2 SchKG; BGE 114 Ib
74 E. 1 S. 78; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, aaO, Ziff. 1 und 2 zu Art. 152
ZPO, S. 318 f. und Ziff. 3d zu Art. 207 ZPO; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG,
aaO, N. 9 f. zu Art. 114 Abs. 3 VRPG). Der gerichtliche Vergleich
verschafft somit dem Gläubiger im Verhältnis zur aussergerichtlichen
Einigung einen Vorteil hinsichtlich der (sofortigen) Eintreibung
seiner Forderung. Anderseits bleibt der gerichtliche Vergleich ein der
Privatautonomie unterliegender Vertrag, dessen Inhalt von den Parteien
und nicht vom Gericht bestimmt wird. Letzteres nimmt nur eine rudimentäre,
gleichsam auf Rechtsmissbrauch beschränkte, inhaltliche Prüfung vor. Die
Gleichstellung von Urteil und gerichtlichem Vergleich ist mithin keine
absolute, was für den hier zu beurteilenden Fall von Bedeutung ist.

    d) Es stellt sich die Frage, welche Wirkungen der zwischen dem
Opfer und dem Täter abgeschlossene gerichtliche Vergleich über die
zivilrechtliche Genugtuung auf den dem Opfer allenfalls nach Art. 12
Abs. 2 OHG zustehenden Genugtuungsanspruch hat.

    aa) Im Zusammenhang mit dem administrativen Führerausweisentzug hat
das Bundesgericht festgehalten, grundsätzlich seien Führerausweisentzug und
Strafe voneinander unabhängig; Administrativbehörden und Strafrichter seien
dementsprechend aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips gegenseitig nicht an
ihre Erkenntnisse gebunden (BGE 109 Ib 203). Die dadurch entstehende Gefahr
sich widersprechender Entscheide verletze aber wesentliche Interessen der
Rechtseinheit und Rechtssicherheit. Die Administrativbehörde solle deshalb
nicht ohne Not von den tatsächlichen Feststellungen der Strafbehörde
abweichen, insbesondere, wenn aufgrund eingehender Sachverhaltsabklärungen
und Beweisabnahmen ein Strafverfahren sachnäher sei (BGE 115 Ib 163 E. 2a
S. 164 mit Hinweisen; RENÉ A. RHINOW, BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt a.M.,
1990, Nr. 49, S. 158). Anderseits darf die Administrativbehörde namentlich
dann von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters abweichen,
wenn sie aufgrund eigener Beweiserhebungen Tatsachen feststellt, die dem
Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat, ferner wenn
neue Tatsachen vorliegen, deren Würdigung zu einem abweichenden Entscheid
führt, weiter wenn die Beweiswürdigung des Strafrichters feststehenden
Tatsachen klar widerspricht oder wenn der Strafrichter bei der Anwendung
des geltenden Rechts auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt
hat (BGE 109 Ib 203 E. 1, S. 204 f.). In reinen Rechtsfragen ist die
Verwaltungsbehörde dagegen nicht an die Beurteilung durch den Strafrichter
gebunden, da sie sonst in ihrer freien Rechtsanwendung beschränkt würde
(BGE 115 Ib 163 E. 2a S. 164 mit Hinweis; RHINOW/KRÄHENMANN, aaO, S. 158
f.). Verzichtet die Verwaltung auf eine eigene Beweiserhebung, sollte
sie die von der anderen Instanz gemachte Beweiswürdigung anerkennen,
wenn sie nicht feststehenden Tatsachen klar widerspricht (BGE 101 Ib 270
E. 1b S. 274).

    bb) Diese Rechtsprechung in bezug auf das Verhältnis der Administrativ-
zu den Strafbehörden kann auf Sachverhalte, wie hier einer vorliegt,
sinngemäss angewendet werden. Dabei sind insbesondere die folgenden
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der von den Opferhilfeinstanzen einerseits
und den Straf- oder Zivilgerichten anderseits zu fällenden Entscheide
zu berücksichtigen.

    Bei den im Strafverfahren aufgrund einer Adhäsionsklage oder in einem
Zivilprozess beurteilten Ansprüchen handelt es sich um Forderungen unter
Privaten und nicht um Ansprüche gegenüber dem Staat, wie dies nach dem
Opferhilfegesetz der Fall ist. Nicht identisch sind zudem im Verhältnis OR
zu OHG der Rechtsgrund bzw. die rechtliche Natur der in Frage stehenden
Leistungen. Dies kann zu Unterschieden in den Entschädigungssystemen
führen (BGE 121 II 369 E. 3c/aa S. 373). Wie jedoch das Bundesgericht
(in BGE 123 II 210 E. 3b/aa S. 215) festgestellt hat, stimmen in der
Frage, ob ein (wesentliches) Mitverschulden des Opfers den gänzlichen
Ausschluss einer Genugtuung nach OHG rechtfertigen könne, das OHG und
die zivilrechtlichen Grundsätze gemäss Art. 47 und 44 OR weitgehend
überein. Zudem betrachtete es das Bundesgericht als sinnvoll, wenn sich
die Bemessung der Genugtuung nach dem Opferhilfegesetz nicht zu weit
von den zivilrechtlichen Grundsätzen entfernt. Ansonsten könnte sich
etwa ein Opfer, das bereits ein rechtskräftiges Urteil auf Genugtuung
gegen den Täter erwirkt habe und nun ein Gesuch um Opferhilfe mangels
Zahlungskraft des Täters einreiche, nicht auf dieses Urteil stützen;
statt dessen müsste erneut eine Genugtuungssumme festgesetzt werden -
diesmal nach den speziellen Kriterien des Opferhilfegesetzes (BGE 123
II 210 E. 3b/dd S. 216). Es kommt hinzu, dass der Entschädigungs- oder
Genugtuungsanspruch nach OHG im Verhältnis zu jenem nach OR in dem Sinne
subsidiär ist, dass Leistungen, die das Opfer nach OR erhalten hat, von der
Entschädigung oder der Genugtuung nach OHG abgezogen werden bzw., dass der
Staat im Umfang seiner Leistungen in die entsprechenden zivilrechtlichen
Ansprüche subrogiert (Art. 14 Abs. 1 und 2 OHG). Das OHG will sodann
dem Opfer wirksame Hilfe verschaffen und ihm die Geltendmachung von
Zivilansprüchen möglichst erleichtern (vgl. dazu BGE 123 II E. 35 und
120 Ia 101 E. 2e).

    cc) Läge somit im hier zu entscheidenen Fall ein Urteil einer
Strafbehörde über die Zivilansprüche gemäss Art. 47 OR vor, in welchem dem
Opfer nach umfassenden Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigungen und
rechtlichen Erwägungen eine Genugtuung in bestimmter Höhe zugesprochen
worden wäre, dann dürften die OHG-Behörden nur unter den oben (E. 3d/aa
und bb) geschilderten Voraussetzungen vom Strafurteil abweichen. Hier
liegt jedoch kein solches Urteil vor: Die Parteien haben einen Vergleich
abgeschlossen, der vom Gericht zwar genehmigt worden ist, zu dem es
jedoch inhaltlich nicht Stellung genommen hat. Aus den Erwägungen des
Urteils des Geschwornengerichts ist nicht ersichtlich, dass das Gericht
aufgrund seiner eigenen rechtlichen Würdigung und aufgrund eigener
umfassender Sachverhaltsabklärungen diese Genugtuung vorgeschlagen
hat. Insbesondere hat sich das Geschwornengericht weder mit den
Voraussetzungen des Genugtuungsanspruchs noch mit der Festsetzung
der Höhe einer Genugtuung bzw. mit allfälligen Herabsetzungsgründen
auseinandergesetzt. Es rechtfertigt sich somit nicht, diesen gerichtlichen
Vergleich - wie ein Urteil - als für die OHG-Behörden (einschliesslich des
Verwaltungsgerichts) verbindlich anzusehen. Die OHG-Behörden sind befugt,
aufgrund der vom Geschwornengericht getätigten Sachverhaltsfeststellungen
und Beweiswürdigungen ihre eigenen rechtlichen Erwägungen zur Frage der
Genugtuung anzustellen.

    Aus diesen Gründen war das Verwaltungsgericht nicht an die im
gerichtlichen Vergleich enthaltene Genugtuung gebunden.

Erwägung 4

    4.- (zur Frage der teilweisen oder vollständigen Verweigerung der
Genugtuung nach OHG infolge Selbstverschuldens des Opfers: BGE 121 II
369 E. 3c/aa S. 373 und E. 4 S. 375).

Erwägung 5

    5.- a) Das Verwaltungsgericht führte aus, es sei unbestritten,
dass der Beschwerdeführer durch die Verletzung in seinen persönlichen
Verhältnissen schwer betroffen worden sei. Er habe das schädigende
Ereignis nicht selber zu verantworten. Der Täter habe ihn durch einen
Schuss in den Bauch verletzt. Den Beschwerdeführer treffe jedoch ein
erhebliches Mitverschulden, weil er den Täter verbal schwer bedroht und
provoziert habe. Diese Drohungen hätten indessen den Kausalzusammenhang
zwischen der Tathandlung und dem eingetretenen Erfolg, d.h. zwischen der
gezielten Schussabgabe aus geringer Distanz und der Bauchverletzung nicht
unterbrechen können. Im weiteren berücksichtigte das Verwaltungsgericht
jedoch das Verhalten des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von
Art. 12 Abs. 2 OHG geforderten "besonderen Umstände". In dieser Hinsicht
könnten u.a. die besonderen Schmerzen, lange Krankenhausaufenthalte,
Narben (kosmetische Schäden) und die Folgen der Verletzung auf die
Erwerbsfähigkeit und den Berufswunsch des Opfers (Invaliditätsschäden)
berücksichtigt werden. Auch seelische und sexuelle Störungen seien zu
beachten. Als besonderen Umstand betrachtete das Verwaltungsgericht -
bezogen auf den vorliegenden Fall -, das sehr schwere Verschulden des
Täters, der dem Beschwerdeführer aus kurzer Distanz gezielt in den Bauch
geschossen habe, obwohl er gewusst habe, dass er den Beschwerdeführer
damit tödlich hätte verletzen können. Hingegen habe der Täter auf den
Beschwerdeführer geschossen, weil er subjektiv der Auffassung gewesen sei,
er befinde sich wegen der Bedrohung durch den Beschwerdeführer und dessen
Bruder in einer Notwehrsituation. Die vom Beschwerdeführer ausgesprochene
Drohung sei als Todesdrohung verstanden worden. Aus diesen Gründen habe
das Geschwornengericht dem Täter zugebilligt, er habe in Putativnotwehr
einen vermeintlichen Angriff abgewehrt, wobei er die Grenzen angemessener
Notwehr überschritten habe. Die Erfahrung zeige, dass in den Kreisen
des Beschwerdeführers oft heftig auf Provokationen reagiert werde. Es
sei dem Verhalten des Beschwerdeführers und demjenigen seines Bruders
zuzuschreiben, dass die Spannung habe entstehen und eskalieren können. Bei
dieser Sachlage könne im Verschulden des Täters kein hinreichender Grund
für die Annahme eines besonderen Umstandes erblickt werden. Die bloss
vorübergehende Arbeitsunfähigkeit rechtfertige die Annahme besonderer
Umstände nicht. Auch habe der Beschwerdeführer weder seelischen Schaden
zu beklagen, noch mache er einen kosmetischen Schaden geltend. Der
Beschwerdeführer habe aufgrund der Körperverletzung keine bleibende
Beeinträchtigung physischer oder psychischer Art erlitten. Es sei
somit keine Beeinträchtigung im Sinne der Lehre und Rechtsprechung
ersichtlich, die es auszugleichen gelte. Aus diesen Gründen verweigerte
das Verwaltungsgericht die Zusprechung einer Genugtuung nach Art. 12
Abs. 2 OHG.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht damit rechnen
müssen, für seine Drohungen mit einer Kugel in den Bauch bestraft zu
werden. Die Notwehr sei völlig putativ gewesen; es habe keine objektiven
Anhaltspunkte für eine Notwehrsituation gegeben. Das Geschwornengericht
habe festgestellt, es sei beweismässig erstellt, dass der Angeklagte
weder von ihm - dem Beschwerdeführer - noch von dessen Bruder angegriffen
worden sei und es gebe objektiv auch keine Anzeichen dafür, dass ein
solcher Angriff unmittelbar bevorgestanden habe. Der Täter hätte genügend
Zeit gehabt, das Opfer vorgängig zu warnen und hätte beispielsweise einen
Warnschuss abgeben können. Zudem habe das Geschwornengericht festgestellt,
der Täter habe exzessiv und nicht in einem Affektzustand gehandelt. Weiter
müsse man trennen zwischen den Voraussetzungen für eine Genugtuung
und der allfälligen Herabsetzung des Betrages wegen Mitverschuldens,
wobei ein relativ geringes Mitverschulden des Opfers keinesfalls zum
gänzlichen Ausschluss einer Genugtuung führen dürfe. Stelle man das
Verschulden des Täters demjenigen des Opfers gegenüber, so sei klar,
dass wegen unverhältnismässiger Reaktion des Täters eine Genugtuungssumme
geschuldet sei, die allenfalls reduziert werden könne. Doch könne diese
Reduktion nur bei schwerwiegendem Selbstverschulden vorgenommen werden,
was dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden
könne. Die besonderen Umstände seien angesichts der Schmerzen, der
viermonatigen Arbeitsunfähigkeit, der relativ langen Leidenszeit sowie
der Komplikationen gegeben. Schliesslich zitiert der Beschwerdeführer
verschiedene Fälle von Genugtuungszahlungen, die er mit der von ihm
erlittenen Beeinträchtigung vergleicht.

    c) Aus den Akten - insbesondere dem Urteil des Geschwornengerichts -
ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer keine strafrechtlich relevante
Handlung vorgeworfen wurde. Der Täter wurde hingegen wegen versuchter
vorsätzlicher Tötung verurteilt. Wie bereits das Verwaltungsgericht
festgehalten hat, ist das provokative Verhalten des Beschwerdeführers
vorliegend nicht dermassen gravierend, dass die Straftaten des Täters
als zwingend bzw. als ohne weiteres voraussehbar qualifiziert werden
müssten. Von einer den Kausalzusammenhang der Ereignisse unterbrechenden
Handlung durch den Beschwerdeführer kann somit nicht die Rede sein. Da
der Beschwerdeführer auch nicht in seine Verletzung eingewilligt hat,
sind die beiden möglichen Voraussetzungen für den Ausschluss einer
Genugtuung vorliegend nicht erfüllt. Wie oben dargestellt, darf eine
an sich geschuldete Genugtuung wegen Mitverschuldens des Opfers
weder nach OR noch nach OHG ganz verweigert werden. Indessen kann
ein (auch nur untergeordnetes) Mitverschulden zu einer Reduktion des
Genugtuungsanspruches führen. Der Beschwerdeführer hat - aus nichtigem
Anlass - mehrmals heftige Drohungen gegen den Täter ausgesprochen. Auch
wenn er nicht mit der - unbestrittenermassen - unverhältnismässigen
Reaktion hat rechnen müssen, so hat er doch einen wesentlichen Beitrag
zum Streit geliefert, der in der Folge eskalierte. Damit hat er sich -
selbst wenn er keine Straftaten begangen hat - in eine kritische und
konfliktgeladene Situation begeben, die sich auch zu Tätlichkeiten
hat entwickeln können. Dieser Umstand darf bei der Beurteilung der
Genugtuung, angesichts des grossen Ermessens der Behörden in diesem
Bereich, durchaus im Sinne eines relevanten Mitverschuldens berücksichtigt
werden. Hingegen darf die Genugtuung wegen des Selbstverschuldens nicht
ganz verweigert werden. Beim Mitverschulden handelt es sich nur um einen
Aspekt zur Beurteilung der Genugtuung, dem die relativ schwerwiegende
Beeinträchtigung der Gesundheit des Beschwerdeführers, dessen Schmerzen,
Narben und Arbeitsunfähigkeit gegenüberstehen. Diese körperlichen und
seelischen Schäden vermögen an sich grundsätzlich den Anspruch auf eine
Genugtuung zu begründen.

    Durch die gänzliche Verweigerung einer Genugtuung hat das
Verwaltungsgericht dem Selbstverschulden des Beschwerdeführers zuviel
Gewicht beigemessen und Art. 12 Abs. 2 OHG verletzt.

    d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und
der angefochtene Entscheid aufzuheben. Da sich noch keine kantonale
Verwaltungs- oder Verwaltungsjustizbehörde mit der Höhe einer Genugtuung
auseinandergesetzt hat, ist die Sache zur Festsetzung einer solchen an
die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG).