Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 480



124 II 480

44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
24. August 1998 i.S. Erben P. gegen Kantonales Steueramt Zürich und
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Revisionsgesuch) Regeste

    Art. 50 EMRK, Art. 53 EMRK; Art. 113 Abs. 3 BV, Art. 114bis Abs. 3 BV;
Art. 139a OG; Haftung der Erben für die vom Erblasser verschuldete Busse
(Art. 130 Abs. 1 BdBSt); Revision des bundesgerichtlichen Urteils wegen
Feststellung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention
(i.c. Art. 6 Ziff. 2) durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte.

    Art. 139a OG ist auch anwendbar auf Entscheide, die vor dem
Inkrafttreten dieser Bestimmung gefällt wurden, wenn die Frist zur
Anfechtung solcher Entscheide mit dem Revisionsgesuch erst nach diesem
Zeitpunkt abläuft (E. 1b).

    Verhältnis von Art. 139a OG zu Art. 50 EMRK. Die Revision nach
Art. 139a OG ist nur zulässig, wenn Wiedergutmachung nicht anderweitig
möglich ist. Der Schuldvorwurf, der den Gesuchstellern nach dem Urteil
des Gerichtshofes zu Unrecht gemacht wurde, weil sie für die vom Erblasser
verschuldete Busse haftbar erklärt wurden (Art. 130 Abs. 1 BdBSt), kann nur
durch Wiederaufnahme des staatlichen Verfahrens beseitigt werden (E. 2).

    Die EMRK-widrige Norm ist nicht mehr anzuwenden, auch wenn
der Gerichtshof nur den in Anwendung dieser Norm ergangenen
individuell-konkreten Anwendungsakt als konventionswidrig bezeichnet
hat. Verhältnis von Art. 139a OG zu Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV
(E. 3).

    Rückerstattung der Steuerbusse; Verzinsung (E. 4).

Sachverhalt

    P. starb im Jahre 1984. Er hinterliess als gesetzliche Erben seine
Ehefrau und zwei Söhne. Nach seinem Tode ergaben sich Hinweise darauf, dass
er Steuern hinterzogen hatte. Das kantonale Steueramt führte in der Folge
das Verfahren gegenüber den Erben durch. Mit Verfügung vom 16. Januar 1990
setzte es die vom Erblasser in der Periode 1983/84 hinterzogene direkte
Bundessteuer auf Fr. 8'870.40 und die von ihm verschuldete Busse auf Fr.
2'882.90 fest und erklärte die Erben für diese Beträge haftbar (Art. 130
Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung
einer direkten Bundessteuer).

    Am 19. September 1990 bestätigte die Bundessteuer-Rekurskommission
des Kantons Zürich diese Nachsteuer- und Bussenauflage. Eine gegen diesen
Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Bundesgericht
mit Urteil vom 5. Juli 1991 ab.

    Die Erben erhoben gegen dieses Urteil eine Individualbeschwerde bei
der Europäischen Kommission für Menschenrechte. Sie rügten darin, es werde
ihnen ohne persönliches Verschulden eine Busse auferlegt; das verletze die
Vermutung der Schuldlosigkeit gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Zudem beklagten
sie sich darüber, dass ihnen die besonderen Verfahrensgarantien nach
Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK bisher nicht gewährt worden seien. Mit Bericht
vom 18. April 1996 verneinte die Europäische Kommission für Menschenrechte
eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK, weil die Beschwerdeführer nicht
als "wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte" anzusehen seien. Eine
Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erblickte die Kommission jedoch in
der fehlenden Öffentlichkeit der Verhandlung.

    Die Sache wurde durch die Kommission beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte innerhalb der Frist von drei Monaten anhängig gemacht
(Art. 32 Ziff. 1, 47 EMRK). Mit Urteil vom 29. August 1997 erkannte
der Gerichtshof:

    1. mit sieben zu zwei Stimmen, dass Art. 6 Ziff. 2 (der Konvention) im
   vorliegenden Fall Anwendung findet und verletzt worden ist;

    2. einstimmig, dass die behauptete Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 und 3
   der

    Konvention nicht zu prüfen ist;

    3. einstimmig,

    a) dass der beklagte Staat den Beschwerdeführern innert drei Monaten
Fr.

    7'000.- für die im Verfahren vor den Strassburger Organen erwachsenen

    Kosten und Auslagen zu bezahlen hat;

    b) dass dieser Betrag nach Ablauf dieser Frist und bis zur Bezahlung um
   einen jährlichen Zins von 5% zu erhöhen ist.

    Am 15. September 1997 ersuchten die Erben gestützt auf Art. 139a
OG um Revision des Urteils des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991 und um
Rückerstattung der bezahlten Busse.

    Das Bundesgericht heisst das Revisionsgesuch gut, hebt das Urteil vom
5. Juli 1991 auf und entscheidet über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
neu. Es heisst die Beschwerde gut, soweit sie sich gegen die
Bussenauflage richtet, und verpflichtet die kantonale Behörde, die
Busse zurückzuerstatten. Die Nachsteuerforderung wird vom Bundesgericht
bestätigt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    I. Revisionsgesuch

Erwägung 1

    1.- a) Das Bundesamt für Justiz hat dem Anwalt der Gesuchsteller das
Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. August 1997 am 2. September
1997 zugesandt. Mit dem Revisionsgesuch vom 15. September 1997 haben
die Gesuchsteller die Frist von 90 Tagen, die Art. 141 Abs. 1 lit. c OG
vorsieht, gewahrt.

    b) Art. 139a OG, auf den das Revisionsgesuch sich stützt, wurde mit
der Änderung vom 4. Oktober 1991 eingeführt und steht seit dem 15. Februar
1992 in Kraft. Die Vorschrift bildete im Zeitpunkt der Einreichung des
Revisionsgesuchs (15. September 1997), nicht jedoch im Zeitpunkt, da das
hier angefochtene Urteil des Bundesgerichts gefällt wurde (5. Juli 1991),
geltendes Recht, so dass sich die intertemporalrechtliche Frage stellt.

    Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 4. Oktober
1991 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege
(OG) bestimmt:

    Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten

    Verfahren des Bundesgerichts und des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts
   anwendbar, auf ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren jedoch nur dann,
   wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
   Gesetzes ergangen ist.

    Die Revision nach Art. 139a OG wird vom Vorbehalt, den die
Schlussbestimmung für Beschwerden und Berufungen aufstellt, nicht
erfasst. Revisionsgesuche sind somit auch dann nach neuem Verfahrensrecht
zu beurteilen, wenn der angefochtene Entscheid unter dem alten Recht
gefällt worden ist, die Frist zur Anfechtung dieses Entscheides jedoch
erst unter dem neuen Recht abläuft. So verhält es sich hier. Dass Ziff. 3
Abs. 1 der Schlussbestimmung die Revisionsgesuche nicht ausdrücklich
erwähnt, rechtfertigt es nicht, eine Lücke anzunehmen und Revisionsgesuche
gleich zu behandeln wie Berufungen und Beschwerden. Mit der Änderung vom
4. Oktober 1991 wollten Bundesrat und Parlament die zur Entlastung des
Bundesgerichts unerlässlichen Massnahmen, aber auch die für die Einhaltung
der Konventionsgarantien notwendigen Anpassungen der Verfahrensgesetze
des Bundes möglichst rasch einführen, nachdem eine erste Vorlage vom
23. Juni 1989 an der Volksabstimmung vom 1. April 1990 gescheitert
war (vgl. BBl 1991 II 467, 471; AB 1991 N 1309, S 865). Es ist nicht
anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Revision nach dem neuen Art. 139a OG
dann nicht zulassen wollte, wenn der angefochtene Entscheid noch unter
altem Recht gefällt wurde, die Frist zur Anfechtung dieses Entscheides
beim Inkrafttreten des neuen Rechts noch läuft oder noch gar nicht zu
laufen begonnen hat. Verfahren vor den Strassburger Instanzen dauern
oft sehr lange. Im vorliegenden Fall vergingen von der Einreichung der
Individualbeschwerde bis zum Entscheid des Gerichtshofes mehr als fünf
Jahre. Der Vorbehalt in Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmungen bezüglich
der Berufungs- und Beschwerdeverfahren bezweckt, Entscheide nicht beliebig
nach altem oder neuem Verfahrensrecht anfechten zu lassen, wenn die Frist
dazu erst unter dem neuen Recht abläuft (vgl. auch BGE 115 II 97 ff.,
besonders E. 2c S. 101; ferner Urteil vom 30. September 1997 i.S. F., Pra
1998 Nr. 20 E. 3b in fine). Die Revision nach Art. 139a OG wurde indessen
eingeführt, damit die Schweiz ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen
aus der Konvention (Art. 50 und 53 EMRK) nachkommen kann. Auf ein
Revisionsgesuch nach Art. 139a OG nur deshalb nicht einzutreten, weil das
Verfahren vor den Strassburger Instanzen lange gedauert hat, würde deshalb
dem Sinngehalt des Gesetzes widersprechen. Die Revision nach Art. 139a OG
muss somit auch dann zulässig sein, wenn der angefochtene Entscheid vor dem
Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts gefällt worden ist, die Frist
zur Anfechtung dieses Entscheides aber erst nach diesem Zeitpunkt abläuft.

    c) Auf das Revisionsgesuch, das auch den übrigen formellen
Anforderungen genügt, ist somit einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Art. 139a OG hat folgenden Wortlaut:

    1 Die Revision eines Entscheides des Bundesgerichts oder einer
Vorinstanz
   ist zulässig, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
   oder das

    Ministerkomitee des Europarates eine Individualbeschwerde wegen
Verletzung
   der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und

    Grundfreiheiten und deren Protokolle gutgeheissen hat und eine

    Wiedergutmachung nur durch Revision möglich ist.

    2 Stellt das Bundesgericht fest, dass die Revision geboten, aber eine

    Vorinstanz zuständig ist, so überweist es ihr die Sache zur
Durchführung
   des Revisionsverfahrens.

    3 Die kantonale Vorinstanz hat auch dann auf das Revisionsgesuch
   einzutreten, wenn das kantonale Recht diesen Revisionsgrund nicht
   vorsieht.

    b) Die erste nach Art. 139a OG für die Gutheissung eines
Revisionsgesuches erforderliche Voraussetzung, die Gutheissung einer
Individualbeschwerde durch den Gerichtshof (oder das Ministerkomitee) wegen
Verletzung der Konvention, ist erfüllt. Der Gerichtshof hat festgestellt,
das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 5. Juli 1991, in welchem
den Gesuchstellern ohne persönliches Verschulden eine Steuerbusse für
die vom Erblasser begangene Steuerhinterziehung auferlegt worden sei,
verstosse gegen das Recht auf Vermutung der Schuldlosigkeit, wie es
in Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantiert sei. Damit hat der Gerichtshof eine
Konventionsverletzung bejaht und den Standpunkt der Beschwerdeführer und
heutigen Gesuchsteller geschützt.

    c) Weitere Voraussetzung für eine Gutheissung des Revisionsgesuchs
nach Art. 139a Abs. 1 OG ist, dass keine andere Möglichkeit der
Wiedergutmachung (als jene der Revision) besteht. Diese Voraussetzung
ist insbesondere im Zusammenhang mit Art. 50 EMRK zu sehen, wonach der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Entschädigung zuspricht,
wenn die innerstaatlichen Gesetze nur eine unvollkommene Wiedergutmachung
gestatten. In den Materialien zu Art. 139a OG wird ausgeführt, in
manchen Fällen werde das Urteil bzw. der Entscheid der europäischen
Behörden, allenfalls zusammen mit der Leistung einer Geldsumme als
Schadenersatz oder Genugtuung, genügen. Nur wenn dies nicht zutreffe,
solle das schweizerische Verfahren wieder aufgerollt werden (Botschaft
des Bundesrates vom 18. März 1991 zur Änderung des Bundesgesetzes über
die Organisation der Bundesrechtspflege, BBl 1991 II 529; vgl. BGE 123
I 283 E. 3a).

    Der Schuldvorwurf, der den Gesuchstellern nach dem Urteil
des Gerichtshofes zu Unrecht gemacht worden ist, kann auf dem
Weg der Entschädigung nicht oder nur unvollkommen wieder gutgemacht
werden. Vollkommene Gutmachung ist nur durch Verfahrenswiederaufnahme nach
innerstaatlichem Recht möglich, wenn damit der Schuldvorwurf beseitigt
werden kann. Der Gerichtshof hat in seinem Entscheid den Gesuchstellern
lediglich eine Entschädigung für das Verfahren vor den Strassburger
Instanzen zugesprochen, nicht jedoch für das Unrecht, das ihnen durch die
Konventionsverletzung erwachsen ist. Er hat damit die Voraussetzungen
für ein Vorgehen nach Art. 50 EMRK zumindest vorläufig - implizit -
verneint. Einer vollkommenen Wiedergutmachung durch Wiederaufnahme des
innerstaatlichen Verfahrens steht damit nichts im Weg. Das Gesuch ist somit
grundsätzlich begründet und die Revision nach Art. 139a OG zu gewähren.

    d) Nach Art. 144 Abs. 1 OG hat das Bundesgericht die frühere
Entscheidung aufzuheben und aufs Neue zu entscheiden, wenn es zum Ergebnis
gelangt, dass der Revisionsgrund zutreffe. Das Revisionsgesuch ist somit
gutzuheissen und das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991 aufzuheben.

    II. Verwaltungsgerichtsbeschwerde 2A.431/1990

Erwägung 3

    3.- Mit der Aufhebung des Urteils des Bundesgerichts vom 5. Juli 1991
steht das Verfahren zur Neubeurteilung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
vom 21. Dezember 1990 wieder offen (Art. 144 Abs. 1 OG).

    a) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, die
Haftung der Erben für die vom Erblasser verschuldete Steuerbusse verstosse
gegen die Konvention. Diese Feststellung beschränkt sich zwar auf den im
Einzelfall ergangenen "innerstaatlichen Vollzugsakt", das heisst auf das
vor den Strassburger Organen angefochtene Urteil des Bundesgerichts, doch
wurde dieses unmittelbar durch eine "bestimmte Gesetzeslage determiniert",
nämlich Art. 130 Abs. 1 BdBSt, den das Bundesgericht anzuwenden hatte
(vgl. JÖRG POLAKIEWICZ, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen
des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Berlin, Heidelberg
usw. 1993, S. 215 ff., besonders 253 ff.). Gemäss dieser Vorschrift
haften die Erben "bis zur Höhe ihrer Erbteile solidarisch für die vom
Erblasser hinterzogene Steuer und von ihm verwirkten Bussen ohne Rücksicht
auf ein eigenes Verschulden." Diese Bestimmung erweist sich nach den
Motiven, die der Gerichtshof seinem Entscheid zu Grunde gelegt hat, als
konventionswidrig. Wortlaut und Sinn von Art. 130 Abs. 1 BdBSt sind klar,
so dass ein mit der Konvention im Einklang stehendes Resultat sich auch
nicht durch eine "konventionsfreundliche" Auslegung des Gesetzes erzielen
lässt. Die Schweiz kann somit ihren Verpflichtungen aus Art. 50 und 53
EMRK nur nachkommen, wenn sie diese Norm nicht anwendet. Das muss gelten,
obschon der Gerichtshof zum Gesetz nicht ausdrücklich Stellung genommen,
sondern den individuell-konkreten Anwendungsakt als konventionswidrig
bezeichnet hat. Nur in seltenen Fällen stellen nämlich die EMRK-Organe
ausdrücklich fest, dass das Gesetz selbst die Konvention verletze (MARK E.
VILLIGER, Die Wirkungen der Entscheide der EMRK-Organe im innerstaatlichen
Recht, namentlich in der Schweiz, ZSR 104/1985 I S. 495). Es ist nicht
anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber bei der Einführung von Art. 139a
OG die Wiedergutmachung durch Revision auf die Fälle beschränkt haben
wollte, wo der Gerichtshof die Konventionswidrigkeit des Gesetzes
ausdrücklich festgestellt hat. Eine solche Absicht ergibt sich auch aus
den Materialien nicht (BBl 1985 II 860 ff., 893; 1991 II 508 f., 529 f.;
AB 1987 N 380; 1988 S 261; 1991 N 1309, S 868). Das Bundesgericht hat
daher dem Art. 130 Abs. 1 BdBSt, soweit die Bestimmung sich auf Grund
der Entscheidung des Gerichtshofes als konventionswidrig erwiesen hat,
die Anwendung zu versagen.

    Diese Auslegung von Art. 139a OG steht zu Art. 113 Abs. 3 und
114bis Abs. 3 BV nicht im Widerspruch. Nach diesen Bestimmungen ist das
Bundesgericht nicht nur an die Bundesgesetzgebung, zu welcher auch der
Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten
Bundessteuer gehört (BGE 117 Ib 367 E. 1a), sondern auch an die von der
Bundesversammlung genehmigten Staatsverträge gebunden. Die Europäische
Menschenrechtskonvention ist somit für das Bundesgericht nicht weniger
verbindlich als die Bundesgesetzgebung. Die Verfassungsbestimmungen
lösen jedoch den Konflikt nicht, der sich ergibt, wenn ein Bundesgesetz
einem Staatsvertrag, hier der Europäischen Menschenrechtskonvention,
widerspricht (vgl. BGE 117 Ib 367 E. 2). Insofern stellt Art. 139a OG eine
Sondernorm dar, die nach ihrem Sinn und Zweck es dem Richter verbietet,
ein Gesetz weiterhin anzuwenden, wenn auf Grund einer Entscheidung des
Gerichtshofes oder des Ministerkomitees festgestellt worden ist, dass es
der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht.

    b) Ist aber Art. 130 Abs. 1 BdBSt auf Grund der Entscheidung des
Gerichtshofes insoweit unanwendbar geworden, so können die Gesuchsteller
und Beschwerdeführer nicht für die Bezahlung der vom Erblasser verwirkten
Busse haftbar erklärt werden. Ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist
gutzuheissen, soweit sie sich gegen die Steuerbusse richtet.

    Hingegen ist die mit Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission
vom 19. September 1990 auf Fr. 8'870.40 festgesetzte Nachsteuer zu
bestätigen mit den Erwägungen, die das Bundesgericht bereits im Entscheid
vom 5. Juli 1991 (E. 2a) angestellt hat. Auch der Gerichtshof konnte darin,
dass die Erben für die Nachsteuer solidarisch haftbar erklärt wurden, keine
Menschenrechtsverletzung erkennen. Insoweit wird der aufgehobene Entscheid
durch den Revisionsgrund nicht berührt und ist das Bundesgericht an sein
früheres Urteil und dessen Erwägungen gebunden. Die Beschwer-deführer
verlangen denn auch - mit Recht - keine Revision des Entscheides in Bezug
auf die Nachsteuern.

Erwägung 4

    4.- Die Gesuchsteller beantragen ferner, dass die kantonale
Steuerverwaltung verpflichtet werde, den Gesuchstellern die bezahlte Busse
von Fr. 2'882.90 samt Zins zurückzuzahlen. Es kann offen bleiben, inwieweit
neue Tatsachen und Rechtsbegehren in einem Revisionsgesuch zuzulassen
sind (vgl. Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation
judiciaire, Art. 140 N 4). Hebt das Bundesgericht sein früheres Urteil
auf und entscheidet neu, dass den Beschwerdeführern keine Busse auferlegt
werden dürfe, so haben die kantonalen Behörden die bereits bezahlten
Beträge zurückzuerstatten. Dieses Vorgehen entspricht ständiger Praxis
des Bundesgerichts in Steuersachen, weil Veranlagungsverfahren und
Steuerbezugsverfahren verschiedene Verfahrensabschnitte darstellen. Die
exakte Berechnung kann deshalb sinnvollerweise nicht durch das
Bundesgericht vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass
auf Grund der Vorbringen im Revisionsgesuch nicht feststeht, wer von den
solidarisch haftbar erklärten Gesuchstellern welchen Betrag der Busse
bezahlt hat und rückerstattungsberechtigt ist. Art. 139a OG schreibt auch
nicht vor, dass die Wiedergutmachung zwingend durch das Bundesgericht
zu erfolgen habe. Das ergibt sich daraus, dass Art. 139a Abs. 1 OG ein
Revisionsgesuch nur insoweit zulässt, als die Wiedergutmachung "nur
durch (diese) Revision möglich ist". Aus diesen Gründen rechtfertigt
es sich, dass die zuständige kantonale Behörde über die Rückerstattung
der Steuerbusse befindet. Sie wird dabei zu beachten haben, dass nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Forderungen regelmässig nach den jeweils geltenden landesüblichen Ansätzen
zu verzinsen sind, auch wenn das Landesrecht die Verzinsung nicht vorsieht.