Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 372



124 II 372

36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. Juni 1998 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung und
Eidgenössische Steuerrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ÜbBest. BV; Art. 14 Ziff. 2
und 3 MWSTV. Von der Steuer ausgenommene Umsätze im Bereich des
Gesundheitswesens; Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken.

    Massgebendes Recht und Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung
(E. 4).

    Auslegung von Verfassungsbestimmungen (E. 5). Art. 8 Abs. 2 lit. b
Ziff. 2 ÜbBest. BV nimmt nur Heilbehandlungen am Menschen von der
Steuer aus. Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken gehören nicht
dazu. Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV hält sich im Rahmen der dem Bundesrat
durch die Verfassung eingeräumten Kompetenzen (E. 6).

    Vergleich mit der Richtlinienregelung in der Europäischen Union (E. 7).

    Die Praxis, wie die Eidgenössischen Steuerverwaltung sie verfolgt,
respektiert die durch Verfassung und Mehrwertsteuerverordnung
vorgezeichnete Ordnung und verletzt das Gleichbehandlungsgebot nicht
(E. 8).

Sachverhalt

    Die Tierarztpraxis X. AG wurde von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen mit Wirkung
ab 1. Januar 1995 eingetragen. Mit Eingabe vom 22. Mai 1995 stellte
sie das Gesuch, es sei festzustellen, dass Leistungen von Tierärzten
und Tierkliniken gegen Entgelt nach Art. 8 Abs. 2 lit. b übBest. BV
von der Mehrwertsteuer ausgenommen seien. Die Gesuchstellerin sei als
nicht mehrwertsteuerpflichtig mit Wirkung ex tunc aus dem Register
der Mehrwertsteuerpflichtigen zu streichen, und die bereits bezahlte
Mehrwertsteuer sei zurückzuerstatten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
wies am 12. Juli 1995 das Gesuch ab und hielt an der Steuerpflicht
der Tierarztpraxis ab 1. Januar 1995 fest. Mit Einspracheentscheid vom
12. Januar 1996 bestätigte sie diesen Entscheid.

    Die X. AG erhob Beschwerde bei der Eidgenössischen
Steuerrekurskommission, welche das Rechtsmittel am 4. Februar 1997
abwies. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission bestätigte die Auffassung
der Eidgenössischen Steuerverwaltung, dass sich die in Art. 8 Abs. 2
lit. b Ziff. 2 übBest. BV und Art. 14 Ziff. 2 und 3 der Verordnung vom
22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV; SR 641.201) vorgesehene
Steuerbefreiung allein auf die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
beziehe und Leistungen, welche von Tierärzten und Tierkliniken erbracht
werden, davon nicht erfasst werden.

    Die X. AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der
Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission sei aufzuheben und es
sei festzustellen, dass Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken nicht
der Mehrwertsteuer unterliegen und nicht zur Begründung der subjektiven
Steuerpflicht herangezogen werden könnten. Sie sei aus dem Register
der Mehrwertsteuerpflichtigen zu streichen und die bereits bezahlten
Mehrwertsteuern seien samt Zins zurückzuerstatten.

    Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt die kostenfällige
Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission
verzichtete auf eine Stellungnahme.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Gemäss Art. 41ter Abs. 1 lit. a BV kann der Bund eine
Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) erheben. Diese kann "in der Form einer
Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug auf den Lieferungen von Gegenständen,
auf Dienstleistungen sowie auf Einfuhren erhoben werden" (Abs. 3). Die
Ausführung ist Sache der Bundesgesetzgebung (Abs. 6).

    Abweichend davon beauftragt Art. 8 Abs. 1 übBest. BV den Bundesrat,
die Ausführungsbestimmungen zur Umsatzsteuer zu erlassen, die bis
zum Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung gelten sollen. Art. 8 Abs. 2
übBest. BV enthält die Grundsätze, welche vom Bundesrat beim Erlass der
Ausführungsbestimmungen zu beachten sind. Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2
übBest. BV sieht namentlich vor:

    b. Von der Steuer sind, ohne Anspruch auf Vorsteuerabzug, ausgenommen:

    2. die Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens;

    Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bundesrat in Art. 14 Ziff. 2-6
MWSTV bestimmte Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens von der Steuer
ausgenommen. Ziff. 2 und 3 dieser Vorschrift lauten wie folgt:

    Von der Steuer sind ausgenommen:

    2. die Spitalbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung in Spitälern
   im Bereich der Humanmedizin einschliesslich der damit eng verbundenen

    Umsätze, die von Spitälern sowie Zentren für ärztliche Heilbehandlung
und

    Diagnostik erbracht werden;

    3. die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin die von Ärzten,

    Zahnärzten, Zahntechnikern, Krankengymnasten, Hebammen oder Angehörigen
   ähnlicher Heilberufe ausgeübt werden; steuerbar sind jedoch die
   Lieferungen von Zahnprothesen;

    b) Im Kommentar zur Verordnung über die Mehrwertsteuer
hat das Eidgenössische Finanzdepartement festgehalten, dass
Heilbehandlungen, die von Tierärzten und Tierkliniken erbracht
werden, der Mehrwertsteuer unterliegen (BBl 1994 III 542). Die
entsprechende Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung ist in
der Branchenbroschüre Nr. 610.507-20 für Tierärzte, Tierpensionen und
Züchter (nachfolgend Branchenbroschüre) sowie in der Wegleitung 1997 für
Mehrwertsteuerpflichtige (nachfolgend Wegleitung) enthalten.

    Gemäss dieser Praxis üben Tierärzte und Tierkliniken zwar
Heilbehandlungen aus, doch müssen sie ihre Umsätze gleichwohl zum
anwendbaren Satz (in der Regel 6,5 Prozent) versteuern, weil nur
Heilbehandlungen am Menschen von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind
(Wegleitung Ziff. 596). Zum reduzierten Satz von zwei Prozent sind
steuerbar die Umsätze aus der Heilbehandlung von Vieh, Geflügel und
(Speise-)Fischen (Wegleitung Ziff. 393; Branchenbroschüre Ziff. 3.1). Es
handelt sich um Tiere, für deren Lieferung Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff.
1 MWSTV aus sozialpolitischen Gründen bereits den ermässigten Steuersatz
von zwei Prozent vorsieht (vgl. dazu BGE 123 II 16 E. 7b, S. 31). Die
Behandlung von allen anderen Tieren, wie Hunden, Katzen, Reptilien, Vögeln,
und die Beseitigung von Tierkadavern müssen zum Satz von 6,5 Prozent
abgerechnet werden (Wegleitung Ziff. 403; Branchenbroschüre Ziff. 3.2
und 3.3.). Gibt der Tierarzt bei der Behandlung Medikamente ab, die der
Tierhalter selber dem Tier verabreichen muss, so sind diese zum Satz von
2 Prozent zu versteuern. Werden Medikamente jedoch bei einer Behandlung
durch den Tierarzt selbst verabreicht, so unterliegt die Gegenleistung
dem gleichen Steuersatz wie die Behandlung selbst (Branchenbroschüre
Ziffer 3.5).

    Das Salär oder Entgelt, das ein selbständiger Tierarzt für seine
Tätigkeit als gewählter Kantons- oder Kreistierarzt (z.B. für Kontrollen
im Bereich des Tierschutzes oder seuchenpolizeiliche Aufgaben) oder
für Dienstleistungen als Fleischschauer (im Schlachthof oder beim
Fleischimport) erhält, unterliegt im übrigen der Mehrwertsteuer nicht
(Branchenbroschüre Ziff. 3.3. und 3.4). Der Tierarzt wird in dieser
Hinsicht gleich behandelt wie andere mit öffentlichen Aufgaben betraute
Personen, deren Leistungen, soweit diese in Ausübung hoheitlicher Gewalt
erbracht werden, nicht steuerpflichtig sind (Art. 17 Abs. 4 MWSTV).

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen ist zunächst, ob sich die Mehrwertsteuerverordnung
im Rahmen der dem Bundesrat durch die Verfassung eingeräumten Kompetenz
hält. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist der Begriff "Leistungen im
Bereich des Gesundheitswesens" in Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV
umfassend sowohl im humanmedizinischen wie auch im veterinärmedizinischen
Sinn zu verstehen. Die Bestimmungen in Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV seien,
soweit sie die tierärztlichen und tierklinischen Leistungen von der Steuer
nicht ausnehmen, verfassungswidrig.

    Um den Standpunkt der Beschwerdeführerin beurteilen zu können, ist die
Verfassungsvorschrift auszulegen und deren Tragweite zu ermitteln. Nach
schweizerischer Lehre und Praxis sind Verfassungsbestimmungen grundsätzlich
nach denselben methodologischen Regeln zu interpretieren wie Normen des
einfachen Gesetzesrechts (BGE 118 Ib 187 E. 4; 116 Ia 359 E. 5c). Ziel
der Auslegung ist die Ermittlung des Sinngehalts der Norm. Auszugehen ist
vom Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Besonders
wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt, muss nach
seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung der weiteren
Auslegungselemente, wie namentlich der Entstehungsgeschichte der Norm
und ihrem Zweck. Wichtig ist auch die Bedeutung, die der Norm im Kontext
mit anderen Bestimmungen zukommt (BGE 122 V 362 E. 4a; 121 V 17 E. 4a;
119 Ia 241 E. 7a; 119 II 353 E. 5). Das Bundesgericht hat sich bei der
Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen
(BGE 123 III 24 E. 2a; 121 III 219 E. 1d/aa) und nur dann allein auf
das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei
eine sachlich richtige Lösung ergab (BGE 114 V 219 E. 3a). Die Anwendung
dieser für die Auslegung einfachen Gesetzesrechts entwickelten Methoden
rechtfertigt sich im vorliegenden Fall um so mehr, als Art. 8 Abs. 2
lit. b übBest. BV zwar formell Verfassungsrang hat, materiell jedoch
Gesetzesrecht vertritt, das nur bis zum Erlass entsprechender Steuernormen
im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gilt, und Detailfragen regelt
(vgl. auch BGE 118 Ib 187 E. 4 zum alten Art. 8 Abs. 2 übBest. BV).

Erwägung 6

    6.- a) Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV nimmt (ohne Anspruch
auf Vorsteuerabzug) die "Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens"
von der Mehrwertsteuer aus. Die Vorschrift selbst definiert diesen
Begriff nicht näher. Dem Wortlaut lässt sich somit nicht entnehmen,
ob veterinärmedizinische Leistungen von der Steuer auszunehmen sind. Die
Norm legt lediglich das Konzept fest und überlässt dessen Ausgestaltung und
Abgrenzung im Einzelnen dem Gesetzgeber, hier dem Bundesrat. Art. 8 Abs. 2
lit. b Ziff. 2 übBest. BV ist daher anhand der weiteren Auslegungselemente
zu konkretisieren.

    Wie das Bundesgericht bereits in anderem Zusammenhang feststellen
konnte, sind die in Art. 8 Abs. 2 lit. b übBest. BV enthaltenen Befreiungen
unter teleologischen und systematischen Gesichtspunkten eher restriktiv
auszulegen, weil Steuerbefreiungen bei einer allgemeinen Verbrauchssteuer,
wie die Mehrwertsteuer sie darstellt, als systemwidrig erscheinen
und im Ergebnis zu Wettbewerbsverzerrungen und wegen des fehlenden
Vorsteuerabzugsrechts zu Schattensteuerbelastungen führen können (BGE 124
II 193 E. 5e). Eine teleologische und systematische Auslegung der Norm
führt daher nicht zwingend zu dem von der Beschwerdeführerin gewünschten
Ergebnis, die Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken zu befreien.

    Es ist daher in erster Linie auf die Entstehungsgeschichte der
Norm abzustellen und zu prüfen, ob der Verfassungsgeber dem Bundesrat
vorschreiben wollte, veterinärmedizinische Leistungen von der Steuer
auszunehmen. Bei der Berücksichtigung der Materialien handelt es sich
ebenfalls um einen Auslegungsvorgang, der den Sinn der Norm in der
Entstehungszeit zu ergründen sucht, damit beurteilt werden kann, ob
objektive Gründe eine Rechtsfortbildung erheischen. Vorliegend rechtfertigt
sich das Abstellen auf die Materialien um so mehr, als es sich um eine erst
kürzlich ergangene Vorschrift handelt und eine Anpassung an veränderte
Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis weniger in Frage kommt
(vgl. BGE 116 II 525 E. 2b S. 527 f.; 118 II 307 E. 3a; s. auch BGE 124
II 193 E. 5c).

    b) Im Entwurf vom 5. Juni 1989 zum Bundesbeschluss über die
Neuordnung der Bundesfinanzen hatte der Bundesrat vorgeschlagen,
Tierärzte und Tierspitäler für ihre Untersuchung, Behandlung und Pflege
von Tieren von der neuen Umsatzsteuer zu befreien (BBl 1989 III 60, 92,
ad Art. 9 Abs. 2 lit. c Ziff. 4 übBest. BV). Das Parlament folgte aber
dem Bundesrat in diesem Punkt nicht und hob die Befreiung auf (AB 1990 S
455, N 2227; BBl 1990 III 1657, 1659). An der Volksabstimmung vom 2. Juni
1991 wurde der Bundesbeschluss über die Neuordnung der Bundesfinanzen
verworfen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der heute in Kraft
stehende Art. 8 Abs. 2 übBest. BV dürfe nicht im Lichte dieser vom Volk
verworfenen Vorlage interpretiert werden. Wie es sich damit verhält,
kann offenbleiben. Jedenfalls lässt sich aus der verworfenen Vorlage
nichts zugunsten des Standpunktes der Beschwerdeführerin ableiten, weil
die Bestimmung über die Steuerausnahme bei den Tierärzten vom Parlament
gerade nicht angenommen wurde.

    Bei den Vorarbeiten zum geltenden Bundesbeschluss über die
Finanzordnung vom 18. Juni 1993 (AS 1994 258) lag der Kommission für
Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates eine Liste der von der Steuer zu
befreienden Umsätze vor, die dem Recht der Europäischen Gemeinschaften
entsprochen hätte. Die Kommission wollte diese Aufstellung indessen
nicht in den neuen Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV übernehmen,
weil sie zu umfangreich war. Sie beauftragte deshalb die Verwaltung,
die Liste zu kürzen, was auch geschah (vgl. BGE 124 II 193 E. 5c).
Die in Art. 8 Abs. 2 lit. b übBest. BV vorgesehenen Befreiungen wurden
im Parlament ausführlich diskutiert. Der Präsident der Kommission für
Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates wies bei der Erläuterung der
Vorlage ausdrücklich darauf hin, dass sich der Begriff der Leistungen
im Bereich des Gesundheitswesens auf Krankenhausbehandlungen und
ärztliche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin beziehe (AB 1993
N 332). In der Folge wurde von keiner Seite vorgeschlagen, die in dieser
Bestimmung vorgesehene Befreiung auf die Leistungen von Tierärzten und
Tierkliniken auszudehnen. Die Sonderdebatte über die Mehrwertsteuer,
die der Nationalrat am 6. Oktober 1994 (nach Annahme des neuen Art. 8
übBest. BV in der Volksabstimmung vom 28. November 1993) geführt hat,
ergibt keine Anhaltspunkte, dass das Parlament tierärztliche Leistungen
von der Steuer ausnehmen wollte. Eine Motion Leu vom 17. Dezember 1993,
mit der tierärztliche Leistungen von der Steuer hätten befreit werden
sollen, wurde vom Nationalrat nicht überwiesen (vgl. AB 1994 N 1821, 1838).

    c) Der Vorentwurf zu einem Gesetz über die Mehrwertsteuer vom
28. August 1995 der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates
sieht gegenüber Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV keine wesentlichen Änderungen
vor; von der Steuer ausgenommen sind insbesondere die Spital- und
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Der Bericht führt dazu
aus, dass die von Tierärzten im Rahmen ihrer Berufsausübung erbrachten
Leistungen von der Besteuerung nicht ausgenommen seien (BBl 1996 V 743 f.,
895 f., ad Art. 17 Ziff. 2 und 3). Die Beratung des Gesetzesentwurfs im
Nationalrat führte zu keinem anderen Ergebnis. Der Antrag Baumberger,
der Heilbehandlungen durch Tierärzte von der Steuer ausnehmen wollte,
wurde zurückgezogen, nachdem er im Rat ausführlich diskutiert und
ablehnend beurteilt worden war (AB 1997 N 201, 203, 205, 207). Auch
wenn es sich bei diesen Vorarbeiten zum Mehrwertsteuergesetz nicht
um Materialien zum geltenden Art. 8 Abs. 1 lit. b übBest. BV handelt,
dürfen sie berücksichtigt werden, um den Sinn der Norm im Hinblick auf
ein allenfalls verändertes Rechtsverständnis zu erforschen (BGE 124 II
193 E. 5d). Sie führen hier indessen zu keiner anderen Interpretation.

    d) Nach dem Gesagten zwingt keines der betrachteten Elemente dazu,
den Begriff der Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens in Art. 8
Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV auf die Veterinärmedizin auszudehnen.

Erwägung 7

    7.- Die Vorinstanz hat sich bei der Auslegung von Art. 8 Abs.  2 lit. b
Ziff. 2 übBest. BV und Ermittlung der Tragweite der Verfassungsnorm
auch auf die Sechste Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom
17. Mai 1977 (77/388/EWG, Abl. EG 1977 Nr. L 145, S. 1) gestützt. Die
Beschwerdeführerin rügt dieses Vorgehen, weil neben der sogenannten
"Eurokompatibilität" durchaus die Absicht des Verfassungsgebers bestanden
habe, den Eigenheiten des schweizerischen Rechtssystems Rechnung zu
tragen. Nach ihrer Ansicht sind die in § 4 Ziff. 14 ff. (recte: Art. 13
A Ziff. 1 lit. b und c) der Sechsten Richtlinie verwendeten Begriffe
bedeutend einschränkender formuliert als der vom Verfassungsgeber gewählte
Begriff "Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens".

    a) Gemäss Art. 13 A Ziff. 1 der Sechsten Richtlinie haben die
Mitgliedstaaten unter anderem folgende Leistungen von der Mehrwertsteuer
zu befreien:

    - die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie
die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von (näher umschriebenen)
Einrichtungen bewirkt werden (lit. b);

    - die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der
Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen
und arztähnlichen Berufe erbracht werden (lit. c).

    Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat entschieden, dass
sich die in lit. c vorgesehene Steuerbefreiung nicht auf die Leistungen
von Tierärzten erstrecke (EuGH, 24. Mai 1988, 122/87, Slg. 1988 III
2693; vgl. auch EuGH, 23. Februar 1988, 353/85, Slg. 1988 I 831). Die
Übergangsfrist, während der die Mitgliedstaaten eine bisherige abweichende
Regelung beibehalten durften, lief am 1. Januar 1992 ab (Art. 28 Abs. 3
lit. b und Anhang F Ziff. 9 [inzwischen gestrichen]; Art. 1 Ziff. 2 lit. c
der Achtzehnten Richtlinie vom 18. Juli 1989, 89/465/EWG; Terra/Kajus, A
Guide to the European VAT Directives, Amsterdam 1993, Commentary, Art. 13
X.2.3.2., Art. 28 XVI.5.2.). Die Mitgliedstaaten sind somit nicht mehr
berechtigt, tierärztliche Leistungen von der Steuer auszunehmen.

    b) Die Vorinstanz durfte sich mit Recht auf diese  Richtlinienregelung
stützen, um die Bestimmungen in Art. 14 Ziff. 2 und 3 MWSTV auf
ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen. Es steht ausser Frage, dass
der Verfassungsgeber, als er sich für die Mehrwertsteuer entschied,
die schweizerische Verbrauchsbesteuerung derjenigen der Europäischen
Gemeinschaft annähern wollte (AB 1993 N 329 ff. bzw. 337 ff., 346, 351,
1243, AB 1993 S 327). Zwar vermag die Sechste Richtlinie die Schweiz
als Nichtmitglied nicht zu binden und kann die Übereinstimmung mit
dem Gemeinschaftsrecht nicht einzige Richtschnur für oder gegen die
Verfassungsmässigkeit einer Vorschrift der Mehrwertsteuerverordnung
bilden. Dem Bundesrat ist es daher nicht verwehrt, eine im
Gemeinschaftsrecht vorgesehene Lösung abzulehnen, wenn er dafür sachliche
Gründe hat (BGE 124 II 193 E. 6a). Im vorliegenden Fall ist indessen
kein solcher Grund ersichtlich. Das ist um so weniger der Fall, als der
schweizerische Verfassungsgeber - wie im Gemeinschaftsrecht - tierärztliche
Leistungen von der Mehrwertsteuer nicht ausnehmen wollte (vorn E. 6b).

Erwägung 8

    8.- Zu prüfen bleibt, ob die Auslegung von Art. 14 Ziff. 2 und 3
MWSTV durch die Vorinstanz und die Eidgenössische Steuerverwaltung mit
Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV im Einklang steht und nicht
andere verfassungsmässige Grundsätze über die Mehrwertsteuer oder
verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzt.

    a) Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV nimmt "Leistungen im Bereich
des Gesundheitswesens" von der Steuer aus. Es handelt sich um eine unechte
Steuerbefreiung, weil der Anspruch auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen
ist. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Steuerbefreiungen
dieser Art restriktiv auszulegen sind (vorn E. 6a). Auch in der Doktrin
werden solche Steuerbefreiungen überwiegend als systemwidrig betrachtet und
daher abgelehnt (STEPHAN KUHN/PETER SPINNLER, Mehrwertsteuer, Muri/Bern
1994, S. 56, mit weiteren Hinweisen; PASCAL MOLLARD, La TVA suisse et
la problématique des exonérations, ASA 63 S. 443 ff., besonders 457 ff.,
471 ff.). Die restriktive Auslegung, welche die Vorinstanzen dem Begriff
der Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens in Art. 8 Abs. 2 lit. b
Ziff. 2 übBest. BV beilegen, ist unter diesem Gesichtswinkel nicht zu
beanstanden. Das Bundesgericht hat in BGE 124 II 193 für den Bereich der
Humanmedizin (i.c. Zahnmedizin) ebenfalls eine enge Auslegung des Begriffs
befürwortet und die Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung geschützt,
wonach die in Art. 8 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 übBest. BV und Art. 14
Ziff. 2 und 3 MWSTV vorgesehene Steuerbefreiung nicht alle medizinischen
Leistungen erfasst, sondern auf Heilbehandlungen beschränkt ist, die
direkt am Patienten vorgenommen werden. Deshalb sind die Lieferungen von
festsitzendem Zahnersatz und kieferorthopädischen Apparaturen von der
Steuer ausgenommen, sofern diese Gegenstände durch eine dazu befugte
Person (Zahnarzt, Zahnprothetiker) im Rahmen einer Heilbehandlung
abgegeben werden, im Gegensatz zu den Lieferungen von herausnehmbaren
Zahnprothesen durch Zahntechniker, Zahnprothetiker und Zahnärzte (BGE
124 II 193 E. 7b-d).

    b) Die Beschwerdeführerin weist zu Recht darauf hin, dass der Tierarzt
im Bereich des Gesundheitswesens wichtige Funktionen wahrnimmt. Das ergibt
sich bereits aus den zahlreichen rechtlichen Erlassen, die Bestimmungen
über die Tätigkeit von Tierärzten enthalten. Die Tätigkeit von Tierärzten
verfolgt auch im Hinblick auf die menschliche Gesundheit präventive
Zielsetzungen, indem sie verhindert oder verhindern will, dass Krankheiten
vom Tier auf den Menschen (direkt oder über Nahrungsmittel) übertragen
werden können. Deren Bedeutung steht hier ausser Frage. Doch führt das
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zwingend zum Ergebnis,
dass Leistungen von Tierärzten und Tierkliniken generell von der Steuer
auszunehmen sind: Soweit Tierärzte in hoheitlicher Funktion tätig werden,
beispielsweise als Fleischschauer oder als Kantonstierarzt, sind deren
Leistungen ohnehin von der Steuer befreit. Sie werden zum reduzierten
Satz von 2 Prozent besteuert, wenn Heilbehandlungen an bestimmten Tieren
vorgenommen werden, bei denen der Bundesrat aus sozialen Gründen den
Steuersatz ermässigen wollte, nämlich bei Vieh, Geflügel und Fischen
(vgl. vorn E. 4b). Selbst wenn die Veterinärmedizin teilweise noch
zur Humanmedizin (in einem weiten Sinn) gerechnet werden könnte, wie
die Beschwerdeführerin geltend macht, ist der Tierarzt nicht befugt, am
Menschen Heilbehandlungen vorzunehmen oder ihm Medikamente zu verabreichen
oder zu verschreiben. Die Auswirkungen der Tätigkeit des Tierarztes auf
den Menschen sind nur indirekter Natur. Das rechtfertigt die Besteuerung
der tierärztlichen Leistungen aus ähnlichen Überlegungen, wie sie das
Bundesgericht bereits bei der Besteuerung der Prothetikumsätze angestellt
hat: Auch bei diesen sind die Lieferungen von festsitzendem Zahnersatz
und kieferorthopädischen Apparaturen von der Steuer nur ausgenommen, wenn
sie durch einen Zahnarzt oder dazu befugten Zahnprothetiker im Rahmen
einer Heilbehandlung am Patienten abgegeben werden. Das ist nicht der
Fall bei der Lieferung von abnehmbaren Zahnprothesen durch Zahntechniker,
Zahnprothetiker oder Zahnärzte, deren Abgabe an den Patienten nicht als
Heilbehandlung gilt (BGE 124 II 193 E. 7b-d).

    c) Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, sie werde im Vergleich
zu Ärzten und Zahnärzten schlechter gestellt. Sie beruft sich damit
sinngemäss auf Art. 4 und 31 BV.

    aa) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts gewährleistet
Art. 31 BV die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen (BGE 121 I 129 E. 3d,
279 E. 4a). Dieser Gleichbehandlungsanspruch steht indessen nur direkten
Konkurrenten zu (BGE 124 II 193 E. 8c). In einem solchen gegenseitigen
Konkurrenzverhältnis stehen Ärzte und Tierärzte nicht. Denn Ärzte (und
Zahnärzte) führen Heilbehandlungen an Menschen aus, Tierärzte jedoch
an Tieren. Die Beschwerdeführerin kann sich daher nur insoweit auf das
Gleichbehandlungsgebot berufen, als ihr Art. 4 BV einen Anspruch einräumt.

    bb) Eine Regelung verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und
damit Art. 4 BV, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein
vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich
ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse
aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit
gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich
behandelt wird (BGE 123 I 1 E. 6a mit Hinweis). Bei der Anwendung
des Rechts verlangt Art. 4 BV, dass vergleichbare Sachverhalte gleich
behandelt werden. Wie bereits dargelegt worden ist, befinden sich jedoch
Tierärzte in einer anderen rechtlichen und tatsächlichen Situation als
Ärzte und Zahnärzte. Wenn auch die Tätigkeiten vergleichbar sind und
Tierärzte ebenfalls einem strengen Berufsrecht unterstehen, verfolgt die
Humanmedizin andere soziale und ethische Ziele als die Tiermedizin. Das
rechtfertigt eine unterschiedliche Besteuerung.