Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 241



124 II 241

27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. Februar 1998 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen
X., Kreiskommando Schwyz und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG und Art. 1 Abs. 1 WPEV; Militärpflichtersatz;
Ersatzbefreiung wegen erheblicher körperlicher oder geistiger Behinderung.

    Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung einer unselbständigen
Verordnung des Bundesrates (E. 3).

    Auslegung von Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG: Der Begriff der erheblichen
körperlichen oder geistigen Behinderung ist im medizinischen und nicht
im invalidenversicherungsrechtlichen Sinn zu verstehen. Art. 1 Abs. 1
WPEV, wonach eine Behinderung dann als erheblich im Sinne von Art. 4
Abs. 1 lit. a WPEG gilt, wenn sie den für die Ausrichtung einer Rente
der Eidgenössischen Invalidenversicherung massgebenden Mindestgrad an
Invalidität erreicht, ist gesetzwidrig (E. 4).

    Der teilweise Verlust eines Beines stellt für einen Forstarbeiter
eine erhebliche Behinderung dar (E. 5).

Sachverhalt

    X., Jahrgang 1961, von Beruf Forstwart, erlitt im Jahre 1979 bei
Forstarbeiten einen Unfall. Es musste ihm der rechte Unterschenkel
amputiert werden. Seither ist er auf eine Prothese angewiesen. Heute
arbeitet er bei der Firma Y. in Z. Er erlitt gegenüber seinem erlernten
Beruf in der Forstwirtschaft eine Einbusse beim Einkommen von 18 Prozent
und erreichte damit den für eine IV-Rente (Viertelsrente) erforderlichen
Invaliditätsgrad von 40 Prozent nicht (vgl. Art. 4 Abs. 1, 28 Abs. 1 des
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959, IVG,
SR 831.20). Eine Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV)
wurde deshalb nicht zugesprochen.

    Seit 1981 bezahlte X. den Militärpflichtersatz (heute:
Wehrpflichtersatz). Gegen die Veranlagungsverfügung für das Ersatzjahr
1995 erhob er Einsprache und verlangte, von der Ersatzpflicht künftig
befreit zu werden. Er berief sich auf den am 17. Juni 1994 revidierten
Art. 4 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1959 über den
Wehrpflichtersatz (WPEG, SR 661), in Kraft seit 1. Januar 1995, und
machte geltend, er erfülle die Voraussetzungen für die Befreiung von
der Ersatzpflicht.

    Mit Entscheid vom 15. Mai 1996 wies die kantonale
Wehrpflichtersatzverwaltung (Kreiskommando Schwyz) die Einsprache
ab. Zur Begründung wird ausgeführt, Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG setze
für die Befreiung vom Wehrpflichtersatz unter anderem voraus, dass der
Gesuchsteller erheblich körperlich oder geistig behindert sei. Gemäss
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über den Wehrpflichtersatz vom 30. August 1995
(WPEV, SR 661.1) gelte eine Behinderung dann als "erheblich", wenn sie den
für die Ausrichtung einer Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung
massgebenden Invaliditätsgrad von 40 Prozent aufweise. Dieser Mindestgrad
an Invalidität werde hier nicht erreicht.

    Eine Beschwerde von X. hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz am 27. September 1996 gut und wies die Sache zu neuem Entscheid
an die Wehrpflichtersatzverwaltung zurück. Es erwog, Art. 1 Abs. 1
WPEV widerspreche dem Gesetz und sei nicht anwendbar. Bereits Art. 4
Abs. 1 lit. abis WPEG knüpfe für die Ersatzbefreiung an die Zusprechung
einer Invalidenrente oder Hilflosenentschädigung der Eidgenössischen
Invalidenversicherung oder der Unfallversicherung an. Dieser
Ersatzbefreiungstatbestand sei (wie auch derjenige nach lit. ater) im
Rahmen der Revision 1994 in das Gesetz eingefügt worden und ergänze die
Ersatzbefreiung nach lit. a. Die "erhebliche körperliche oder geistige
Behinderung" im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG könne daher durch
den Verordnungsgeber nicht in dem Sinne konkretisiert werden, dass sie
den für die Zusprechung einer IV-Rente erforderlichen Mindestgrad an
Invalidität erfordere.

    Die Behinderung von X. sei erheblich. Er habe deshalb Anspruch
auf Befreiung vom Wehrpflichtersatz, sofern sein Einkommen den
Grenzbetrag nach Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG nicht übersteige, was von der
Wehrpflichtersatzverwaltung noch zu prüfen sei.

    Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz führt
die Eidgenössische Steuerverwaltung Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass X. für das Ersatzjahr 1995 den Wehrpflichtersatz
schulde.

    Das Kreiskommando Schwyz beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gutzuheissen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz schliesst auf
Abweisung der Beschwerde. X. reichte seine Vernehmlassung verspätet ein.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Mit Gesetz vom 17. Juni 1994, in Kraft seit 1. Januar 1995,
hat der Gesetzgeber Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG neu gefasst und gleichzeitig
in Abs. 1 zwei neue Ersatzbefreiungstatbestände als lit. abis und ater
eingefügt. Art. 4 Abs. 1, lit. a-ater, WPEG lautet nun wie folgt:

    1 Von der Ersatzpflicht ist befreit, wer im Ersatzjahr:

    a. wegen erheblicher körperlicher oder geistiger Behinderung ein
   taxpflichtiges Einkommen erzielt, das nach nochmaligem Abzug von

    Versicherungsleistungen gemäss Art. 12 Absatz 1 Buchstabe c sowie von
   behinderungsbedingten Lebenshaltungskosten sein betreibungsrechtliches

    Existenzminimum um nicht mehr als 100 Prozent übersteigt;

    abis. wegen einer erheblichen Behinderung als dienstuntauglich
gilt sowie
   eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der Eidgenössischen

    Invalidenversicherung oder der Unfallversicherung bezieht;

    ater. wegen einer erheblichen Behinderung als dienstuntauglich gilt und
   keine Hilflosenentschädigung bezieht, aber dennoch eine
   der zwei mindestens erforderlichen Voraussetzungen für eine
   Hilflosenentschädigung erfüllt;

    In Art. 1 Abs. 1 WPEV hat der Bundesrat Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG
wie folgt konkretisiert:

    1 Als erheblich im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des
Gesetzes gilt eine Behinderung, wenn sie den für die Ausrichtung einer
Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung massgebenden Mindestgrad
an Invalidität aufweist.

    Diese Vorschrift ist erstmals für das Ersatzjahr 1995 anwendbar
(Art. 59 WPEV).

    b) Im vorliegenden Fall umstritten und zu entscheiden ist einzig, ob
sich die Verordnungsbestimmung als gesetzmässig erweist. Die Vorinstanz
ist der Ansicht, der Bundesrat habe sich bei der Konkretisierung des
Begriffs der "erheblichen" Behinderung nach Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG
nicht an den vom Gesetz vorgezeichneten Rahmen gehalten. Sie beruft sich
unter anderem auf das Ergebnis der parlamentarischen Beratungen sowie
auf die ratio legis der Gesetzesnorm.

    Diese Auffassung wird durch die Beschwerdeführerin bestritten. Sie
macht geltend, Voraussetzung für die Ersatzbefreiung nach Art. 4
Abs. 1 lit. a WPEG sei eine "erhebliche" Behinderung. Der Begriff der
Behinderung werde auch im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung
(IVG) definiert. Als Invalidität im Sinne dieses Gesetzes gelte die
durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden verursachte,
voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit
(Art. 4 IVG). Massgebend für die Anspruchsberechtigung sei der Grad
der Behinderung. Anspruch auf eine Viertelsrente bestehe ab einem
Invaliditätsgrad von 40 Prozent (Art. 4 Abs. 1, 28 IVG). Indem Art. 1
Abs. 1 WPEV für den Begriff der "erheblichen" Behinderung im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG auf diesen Invaliditätsgrad verweise, verwende
er ein einheitliches Kriterium. Auch Art. 4 Abs. 1 lit. abis und ater
WPEG würden an dieses Merkmal anknüpfen.

Erwägung 3

    3.- Das Bundesgericht kann im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorfrageweise Verordnungen des Bundesrates
auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen
Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft
es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten
Befugnis gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt,
von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die
Verfassungsmässigkeit von unselbständigen Verordnungen. Wird dem Bundesrat
durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Bereich des Ermessens
für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum
nach Art. 114bis Abs. 3 BV für das Bundesgericht verbindlich. Es darf in
diesem Fall bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen
an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern hat seine Prüfung
darauf zu beschränken, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat
im Gesetz delegierten Kompetenz offensichtlich sprengt oder aus anderen
Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (BGE 122 II 193 E. 2c/bb;
120 Ib 97 E. 3a; 118 Ib 81 E. 3b, je mit Hinweisen).

    Art. 47 Abs. 1 Satz 1 WPEG ermächtigt den Bundesrat, die
Ausführungsbestimmungen zu erlassen, doch regelt das Gesetz in Art. 4
Abs. 1 lit. a-d die Ersatzbefreiungstatbestände abschliessend und
relativ eingehend. Dem Bundesrat ist damit zum vornherein kein grosser
Ermessensspielraum eingeräumt. Er kann im wesentlichen im Interesse
einer einheitlichen Verwaltungspraxis die auslegungsbedürftigen Begriffe
konkretisieren, hat sich dabei aber an die Vorgaben des Gesetzes und der
Verfassung zu halten. Ob der Bundesrat bei der Konkretisierung von Art. 4
Abs. 1 lit. a WPEG diese Schranken beachtet hat, ist durch Auslegung der
Gesetzesnorm zu ermitteln. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut,
doch kann der Wortlaut einer Norm nicht allein massgebend sein, namentlich
wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt. Vielmehr
muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung
weiterer Auslegungselemente, wie namentlich der Entstehungsgeschichte
der Norm und ihres Zwecks. Wichtig ist auch die Bedeutung, die der
Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt (BGE 122 V 362 E. 4a;
121 V 17 E. 4a; 119 Ia 241 E. 7a). Das Bundesgericht hat sich bei der
Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen
(BGE 123 III 24 E. 2a; 121 III 219 E. 1d/aa) und nur dann allein auf das
grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifellos eine
sachlich richtige Lösung ergab (BGE 114 V 219 E. 3a).

Erwägung 4

    4.- a) Dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG lässt sich nicht
entnehmen, welchen Grad die Behinderung aufweisen muss, damit eine
Ersatzbefreiung in Betracht fallen kann. Das Gesetz spricht von einer
"erheblichen" Behinderung (handicap "majeur", "notevole menomazione"),
ohne den Begriff näher zu definieren. Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1
lit. a WPEG schliesst damit die bundesrätliche Lösung in Art. 1 Abs. 1
WPEV weder aus noch gebietet er sie.

    b) Teleologisch zielt Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG darauf ab, den
Wehrpflichtigen, dessen Einkommen wegen der Behinderung einen bestimmten
Mindestbetrag nicht übersteigt, von der Ersatzpflicht zu befreien. Die
Vorschrift stellt drei Voraussetzungen auf: Erstens die erhebliche
körperliche oder geistige Behinderung, sodann ein bestimmtes taxpflichtiges
Einkommen, gekürzt um bestimmte Abzüge, das einen bestimmten Betrag nicht
überschreiten darf, sowie, drittens, einen Kausalzusammenhang zwischen
beiden. Es ist klar, dass der Behinderung eine gewisse Schwere zukommen
oder sie mit anderen Worten ernsthaft ins Gewicht fallen muss, damit sie
als ursächlich für die Bedürftigkeit bezeichnet werden kann. Das Gesetz
spricht denn auch von einer "erheblichen" körperlichen oder geistigen
Behinderung.

    Fraglich ist jedoch, ob der für die Zusprechung einer Invalidenrente
erforderliche Mindestgrad an Invalidität ein taugliches Kriterium bildet,
um die Schwere der Behinderung zu bestimmen. Beim Invaliditätsgrad im
Sinne der Invalidenversicherung handelt es sich um einen wirtschaftlichen
Begriff: Weil im Bereich der Invalidenversicherung zur Bestimmung des
Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Personen ein Einkommensvergleich
durchgeführt, das heisst das Einkommen ohne Gesundheitsschaden mit
dem Einkommen nach eingetretener Invalidität verglichen wird, kann
der Invaliditätsgrad zur Bestimmung der Einkommenseinbusse, welche
die betreffende Person wegen ihrer Invalidität erleidet, herangezogen
werden (vgl. THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts,
2. Aufl. 1997, § 40 Rz. 13 ff., S. 263 ff.). Der Invaliditätsgrad für
sich allein sagt jedoch nichts über die Bedürftigkeit und wenig über
die Schwere der Behinderung aus. Eine Person ohne Behinderung kann viel
und nach Eintritt der Behinderung gleich viel, weniger oder viel weniger
verdienen. Einkommensvergleiche können sowohl auf hohem wie auf tiefem
Niveau durchgeführt werden. Unter teleologischem Gesichtspunkt bildet
daher der Invaliditätsgrad der Invalidenversicherung kein taugliches
Kriterium zur Konkretisierung der Vorschrift.
   c) Die historische Interpretation führt zu keinem anderen Ergebnis.

    Art. 4 Abs. 1 WPEG wurde im Rahmen der Revision 1994 teilweise
geändert. Der Entwurf des Bundesrates zum neuen Art. 4 Abs. 1 lit. a
WPEG wollte an der bisherigen Regelung festhalten und den Behinderten
lediglich durch eine grosszügigere Berechnung des massgebenden Einkommens
entgegenkommen. Wurde die Befreiung nach bisherigem Recht gewährt,
wenn die Einkünfte nach Abzug der gebrechlichkeitsbedingten Kosten
den Betrag des betreibungsrechtlichen Existenzminimums um nicht mehr
als 50 Prozent überschritten, so sollte dieser Grenzbetrag neu auf 100
Prozent angehoben werden (Botschaft vom 12. März 1993, BBl 1993 II 733,
739). Zudem war vorgesehen, für Behinderte, die nach Art. 4 Abs. 1
lit. a WPEG nicht von der Ersatzpflicht befreit sind, die Ersatzabgabe
um die Hälfte herabzusetzen (jetzt Art. 13 Abs. 2 WPEG). Das Parlament
wollte den Behinderten noch mehr entgegenkommen. Dies verlangte auch die
Standesinitiative des Kantons Jura. Mit Art. 4 Abs. 1 lit. abis und ater
WPEG wurden deshalb zwei weitere Ersatzbefreiungstatbestände geschaffen:

    Mit lit. abis wollte die Kommission des Ständerates, auch jene
Personen von der Ersatzpflicht befreien, die infolge erheblicher
Behinderung dienstuntauglich sind und gleichzeitig eine Rente oder
Hilflosenentschädigung der Eidgenössischen Invalidenversicherung oder
der Unfallversicherung beziehen (AB 1993 S 778).

    Mit lit. ater, der auf einen Antrag von Nationalrat Suter zurückgeht
(AB 1994 N 131, 132), sollte der Kreis der ersatzbefreiten Personen
nochmals ausgedehnt werden, und zwar auf jene Personen, die wegen
einer erheblichen Behinderung dienstuntauglich sind und "eine der zwei
mindestens erforderlichen Voraussetzungen für eine Hilflosenentschädigung"
erfüllen. Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Eidgenössischen
Invalidenversicherung besteht, wenn der Versicherte "in mindestens
zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise
auf die Hilfe Dritter angewiesen ist" (Art. 36 Abs. 3 lit. a, Art. 37
der Verordnung über die Invalidenversicherung, IVV, SR 831.201). Als
alltägliche Lebensverrichtungen gelten nach der Gerichtspraxis im Sinne
einer abschliessenden Aufzählung (vgl. LOCHER, aaO, § 13 Rz. 6, S. 87,
mit Hinweisen):

    1. Ankleiden, Ausziehen;

    2. Aufstehen, Absitzen, Abliegen;

    3. Essen;

    4. Körperpflege;

    5. Verrichtung der Notdurft;

    6. Fortbewegung, Kontaktaufnahme.

    Demgegenüber gewährt Art. 4 Abs. 1 lit. ater WPEG die Ersatzbefreiung
bereits dann, wenn der Behinderte in einem Bereich alltäglicher
Lebensverrichtung hilflos ist.

    Der Gesetzgeber hat zwar mit den Buchstaben abis und ater zwei weitere
Ersatzbefreiungstatbestände geschaffen, dabei aber am Grundgehalt von
lit. a nichts geändert. Im Parlament wurde insbesondere betont, dass
der neue Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG die bisherige Praxis bestätige und
nur der Wortlaut klarer gefasst werden solle. Die neue Formulierung -
"wegen erheblicher körperlicher oder geistiger Behinderung" - bezweckte
keine materielle Änderung gegenüber dem alten Text (vgl. Loretan,
Berichterstatter, AB 1993 S 778; Botschaft, BBl 1993 II 733, 739). Bei
der parlamentarischen Beratung war unbestritten, dass Buchstabe a -
im Gegensatz zu den Buchstaben abis und ater - auf die schlechte
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betreffenden Person abstellt
(AB 1993 S 778 [Loretan], 779 [Plattner], 1994 N 131, 132 [Goll],
134 [Seiler, Brunner]). Im Lichte der parlamentarischen Debatte kann
Buchstabe a daher schwerlich in dem Sinne ausgelegt werden, dass für die
Annahme einer erheblichen körperlichen oder geistigen Behinderung der für
die Zusprechung einer Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung
erforderliche Invaliditätsgrad gegeben sein müsse. Das entspricht der
Auffassung jedenfalls der Parlamentsmehrheit, wie aus den Voten klar
hervorgeht. Dieser Wille des Gesetzgebers hat auch im Gesetzeswortlaut -
Art. 4 Abs. 1 lit. a und abis - seinen Niederschlag gefunden.

    Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass schon in der bisherigen
Praxis die kantonalen Militärpflichtersatzverwaltungen gestützt auf
den alten Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG jeweils geprüft hätten, ob der
Ersatzpflichtige eine Rente der Eidgenössischen Invalidenversicherung
oder der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt bezogen habe. Diese
- übrigens nicht belegte und vom Beschwerdegegner bestrittene - Praxis
liesse die heutige indessen nicht als richtiger erscheinen.

    d) Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG kann auch systematisch im Lichte
von lit. abis und ater ausgelegt werden. Der Buchstabe abis knüpft
an die Rente oder die Hilflosenentschädigung der Eidgenössischen
Invalidenversicherung oder der Unfallversicherung an. Der Buchstabe ater
gewährt die Ersatzbefreiung, wenn der Behinderte - ohne Anspruch auf eine
Hilflosenentschädigung - in mindestens einem Bereich der alltäglichen
Lebensverrichtungen hilflos ist. Eine wirtschaftliche Bedürftigkeit, wie
sie lit. a voraussetzt, ist weder für die Ersatzbefreiung nach lit. abis
noch für diejenige nach lit. ater gefordert.

    Diese beiden Tatbestände gehen weit, weil auch sehr vermögende oder
gutverdienende Invalide in den Genuss der Ersatzbefreiung gelangen. Es
ist unbestritten und steht aufgrund der Materialien fest, dass der
Gesetzgeber keine generelle Befreiung der Behinderten wollte. Es muss
deshalb darauf geachtet werden, dass der Kreis der ersatzbefreiten
Personen nicht über Gebühr ausgedehnt wird. Der Begriff der erheblichen
Behinderung ist folglich im Sinne des Gesetzes, das heisst restriktiv
auszulegen. Anderseits darf jedoch der Kreis der wirklich Bedürftigen,
die Hilfe nötig haben und auf die Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG abzielt,
nicht zu sehr eingeengt werden. Es darf nicht vorkommen, dass
körperlich oder geistig erheblich Behinderte, die sich tatsächlich
in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinden, nicht in
den Genuss der Ersatzbefreiung gelangen, weil die Einschränkung ihrer
Erwerbsfähigkeit - ausgedrückt durch den Invaliditätsgrad - nicht derart
ist, dass sie Anspruch auf eine IV-Rente haben. Diese gegenläufigen
Forderungen lassen sich nur verwirklichen, wenn der Begriff der
erheblichen Behinderung grundsätzlich in einem medizinischen und nicht
im invalidenversicherungsrechtlichen Sinn ausgelegt wird. Damit kann
auch dem Anliegen der Beschwerdeführerin, den Kreis der ersatzbefreiten
Personen nicht über Gebühr auszudehnen, Rechnung getragen werden.

    e) Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG verweist für die Berechnung des
massgebenden Einkommens, das nicht überschritten werden darf, auf
Art. 12 Abs. 1 lit. c WPEG. Diese Vorschrift erwähnt die steuerbaren
Leistungen, die der Ersatzpflichtige von der Militärversicherung, der
Invalidenversicherung, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt oder
von einer anderen öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Unfall-,
Kranken- oder Invalidenversicherung erhält. Dabei geht es jedoch nur
um die Abzüge, die bei der Berechnung des taxpflichtigen Einkommens
und des Grenzbetrages nach Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG zu berücksichtigen
sind. Daraus zu schliessen, dass der Betroffene im Rahmen einer solchen
Versicherung als invalid erklärt worden sein muss, um in den Genuss der
Ersatzbefreiung nach Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG zu gelangen, geht nicht
an. Hierfür steht vielmehr Art. 4 Abs. 1 lit. abis WPEG offen.

    f) Die Beschwerdeführerin beruft sich für die vom Bundesrat in Art. 1
Abs. 1 WPEV getroffene Lösung auf Gründe der Praktikabilität.

    Es ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass die Abgrenzung
zwischen einer leichten und einer erheblichen Behinderung Fragen aufwerfen
kann. Ob das Ausmass der Beeinträchtigung durch Spezialärzte abgeklärt
oder anhand von Tabellen oder auf andere Weise bemessen wird, muss der
Verwaltungspraxis überlassen werden. Es ist hier auch nicht darüber zu
befinden, ob der Begriff der "erheblichen körperlichen oder geistigen
Behinderung" bereits auf Verordnungsstufe konkretisiert werden muss
oder ob hierfür eine Anordnung (Weisung, Kreisschreiben) der Verwaltung
genügt. Diese Fragen sind vielmehr durch den Bundesrat und die Verwaltung
zu entscheiden. Hier ist lediglich festzuhalten, dass der Invaliditätsgrad
im Sinne der Eidgenössischen Invalidenversicherung kein taugliches
Kriterium zur Konkretisierung des Begriffes bildet.

    g) Die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 lit. a WPEG ergibt somit, dass
der Begriff der erheblichen körperlichen oder geistigen Behinderung
nicht im invalidenversicherungsrechtlichen Sinn ausgelegt werden
darf. Art. 1 Abs. 1 WPEV, der auf den Invaliditätsgrad der Eidgenössischen
Invalidenversicherung abstellt, erweist sich daher als gesetzwidrig und
ist nicht anwendbar. Dies hat die Vorinstanz zu Recht erkannt.

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen bleibt, ob die körperliche Beeinträchtigung des
Beschwerdegegners als erheblich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a
WPEG eingestuft werden kann und die übrigen Voraussetzungen für die
Ersatzbefreiung nach dieser Bestimmung erfüllt sind.

    Der Beschwerdegegner erlitt bei Waldarbeiten einen Unfall. In der
Folge musste ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden. Die Vorinstanz
hat diese Behinderung als erheblich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a
WPEG qualifiziert. Es steht zwar nicht fest, nach welchen Kriterien
die Verwaltungspraxis den Begriff der erheblichen Behinderung künftig
konkretisieren will. Unabhängig davon kann aber gesagt werden, dass
für einen Forstarbeiter der teilweise Verlust des Beines, wie er hier in
Frage steht, eine erhebliche körperliche Behinderung im Sinne des Gesetzes
darstellt. Es ist auch erwiesen, dass der Beschwerdegegner infolge dieser
Behinderung eine Einkommenseinbusse erlitten hat. Das folgt bereits daraus,
dass nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid
von einem Invaliditätsgrad, das heisst von einer behinderungsbedingten
Einkommenseinbusse von 18 Prozent auszugehen wäre. Ein Kausalzusammenhang
zwischen der Behinderung und der gegenwärtigen Einkommenssituation des
Beschwerdegegners ist damit zu bejahen.

    Zu prüfen bleibt, ob das vom Beschwerdegegner erzielte taxpflichtige
Einkommen unter Berücksichtigung der Abzüge nach Art. 4 Abs. 1 lit. a
in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 lit. c WPEG das betreibungsrechtliche
Existenzminimum um nicht mehr als 100 Prozent übersteigt. Geht das
massgebende Einkommen über diesen Grenzbetrag nicht hinaus, so ist der
Beschwerdegegner von der Ersatzpflicht zu befreien. Art. 1 Abs. 1 WPEV
ist nicht anwendbar. Überschreitet das massgebende Einkommen diesen
Betrag, so ist die Ersatzabgabe um die Hälfte herabzusetzen (Art. 13
Abs. 2 WPEG). Die Vorinstanz hat die Sache zu Recht an die kantonale
Wehrpflichtersatzverwaltung zurückgewiesen, damit diese die notwendigen
Abklärungen vornimmt und neu entscheidet. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wird abgewiesen.