Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 215



124 II 215

25. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. März
1998 i.S. Z. und G. gegen Schweizerische Bundesbahnen und
Präsidentin der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Eröffnung eines kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs-
und Enteignungsverfahrens; Anfechtbarkeit.

    Einwendungen gegen die Enteignung, die im enteignungsrechtlichen
Einspracheverfahren bzw. während der Planauflage im kombinierten
eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren erhoben
werden können, sind in diesem hiefür bestimmten Verfahren und nicht schon
im Anschluss an die Eröffnung des Enteignungsverfahrens vorzubringen.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Am 16. Februar 1998 stellten die Schweizerischen Bundesbahnen,
vertreten durch die AlpTransit, Altdorf, bei der Präsidentin
der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, das Gesuch um
Eröffnung eines kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und
Enteignungsverfahrens für den Bau der Gotthard-Basislinie, Teilabschnitt
Erstfeld. Die Schätzungskommissions-Präsidentin gab diesem Begehren am
23. Februar 1998 statt. Sie erklärte in ihrer Verfügung das Verfahren
für eröffnet und forderte die Gemeinden Erstfeld, Silenen, Gurtnellen
und Schattdorf sowie den Kanton Uri auf, die Pläne und Verzeichnisse
während dreissig Tagen öffentlich aufzulegen und ihr nach Ablauf der
Einsprachefrist die eingegangenen Einsprachen zu übermitteln.

    Gegen die Verfügung der Präsidentin der Schätzungskommission haben
sowohl Z. als auch G., beide wohnhaft in Erstfeld, mit getrennten Eingaben
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Die beiden Beschwerden können -
wie sich im folgenden zeigt - gemeinsam behandelt werden.

Erwägung 2

    2.- Entscheide der Präsidenten der Eidgenössischen
Schätzungskommissionen über Gesuche um Eröffnung eines
Enteignungsverfahrens unterstehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
falls sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können
(Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 und 45 VwVG). Diese Voraussetzung
wird anders als im staatsrechtlichen Verfahren schon dann als erfüllt
betrachtet, wenn der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an
der sofortigen Aufhebung oder Abänderung der Verfügung hat (BGE 112
Ib 417 E. 2c). Ein solches Interesse kann jedoch nur insoweit bejaht
werden, als der Beschwerdeführer Einwendungen erhebt, die sich auf die
Eröffnungsverfügung selbst und die darin geregelten Belange beziehen und
später nicht mehr vorgebracht werden können. Werden dagegen Rügen gegen
die Enteignung selbst vorgebracht, wofür - wie im folgenden dargelegt -
den Enteigneten noch ein besonderer Rechtsweg offensteht, so erweisen sich
die Beschwerden gegen die Verfahrenseröffnung als verfrüht bzw. unzulässig,
da insofern die Eröffnungsverfügung mit keinem nicht wieder gutzumachenden
Nachteil verbunden sein kann (vgl. sinngemäss BGE 108 Ib 376).

Erwägung 3

    3.- Gemäss den Bestimmungen von Art. 30 Abs. 1 lit. a und b
sowie Art. 35 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711),
welche im kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs-
und Enteignungsverfahren anwendbar sind (vgl. Art. 12
Abs. 1 des Bundesbeschlusses über den Bau der schweizerischen
Eisenbahn-Alpentransversale vom 4. Oktober 1991 [SR 742.104] in Verbindung
mit Art. 14 Abs. 1 des Bundesbeschlusses über das Plangenehmigungsverfahren
für Eisenbahn-Grossprojekte vom 21. Juni 1991 [SR 742.100.1]), können
innert der Frist der öffentlichen Auflage Einsprache gegen die Enteignung
erhoben und Planänderungsgesuche sowie Begehren nach den Artikeln
7-10 EntG angemeldet werden. Nach der Rechtsprechung hat mithin der
Enteignete im Einspracheverfahren auch die Möglichkeit, das Vorliegen der
formellrechtlichen Bedingungen für eine Enteignung zu bestreiten, wie
materiellrechtlich geltend zu machen, die in Art. 1 EntG umschriebenen
Voraussetzungen zur Ausübung des Enteignungsrechtes seien nicht gegeben
(vgl. BGE 109 Ib 130 E. 2a; 108 Ib 376 E. 2, mit Hinweisen). Ebenso
kann eingewendet werden, es mangle an der für das projektierte Werk
erforderlichen spezialgesetzlichen Genehmigung (vgl. BGE 114 Ib 142 E. 3a,
mit Hinweisen, und sinngemäss BGE 115 Ib 424 E. 6b S. 438). Können diese
Argumente aber im enteignungsrechtlichen Einspracheverfahren vorgebracht
werden, so sind sie - soweit nicht geradezu ein Nichtigkeitsgrund angerufen
wird - bei der Verfahrenseröffnung ausgeschlossen.

    Die Schätzungskommission wäre denn auch zur Beurteilung von
Einwendungen gegen die Enteignung gar nicht zuständig. Wohl hat der
Präsident einer Eidgenössischen Schätzungskommission vor Einleitung
der Enteignung summarisch zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen
gegeben seien. Diese Prüfung beschränkt sich jedoch im wesentlichen darauf,
ob der Gesuchsteller überhaupt mit dem Enteignungsrecht ausgestattet sei
oder noch ausgestattet werden könne und ob die Unterlagen den gesetzlichen
Anforderungen genügten (vgl. BGE 109 Ib 130 E. 2b; 115 Ib 13 E. 3; s.a. BGE
104 Ib 337 E. 3d). Dagegen ist es dem Schätzungskommissions-Präsidenten
zum Beispiel verwehrt, bei der Prüfung eines Begehrens um Eröffnung
des Enteignungsverfahrens darüber zu befinden, ob der Gesuchsteller
unter den verschiedenen möglichen Arten des Landerwerbs richtig gewählt
habe, insbesondere ob er der vom Gesetzgeber aufgestellten Rangfolge -
der Bevorzugung des freihändigen Landerwerbs vor der Landumlegung und
schliesslich der Enteignung (vgl. Art. 3 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes
vom 20. Dezember 1957 [SR 742.101]) - genügend Beachtung geschenkt
habe. Der Entscheid über diese Frage wie über die weiteren Einwände
gegen die Enteignung ist der Einsprachebehörde vorbehalten (BGE 116
Ib 241 E. 3a S. 246 mit zahlreichen Hinweisen; s.a. BGE 104 Ib 79 E.
1c und 105 Ib 94 E. 5a).

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass die SBB nicht
über das Enteignungsrecht verfügten oder ein zur Enteignung erforderliches
Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Sie wenden auch nichts gegen
die Ansetzung der dreissigtägigen Auflagefrist ein (vgl. Art. 30 Abs. 2
EntG). Z. verlangt vielmehr eine Verlegung der geplanten Stromleitung und
stellt damit ein Planänderungsbegehren, während G. bemerkt, er sei mit
einem Landabtausch einverstanden, weshalb sich eine Enteignung erübrige.
Planänderungsbegehren und Einwendungen gegen die Art des Landerwerbs
sind jedoch wie geschildert im Einspracheverfahren anzubringen und im
vorliegenden Verfahren ausgeschlossen. Auf die beiden Beschwerden kann
daher nicht eingetreten werden.

Erwägung 5

    5.- Abschliessend stellt sich die Frage, ob die beiden Beschwerden
direkt als Einsprachen entgegenzunehmen seien. Dies abzuklären, ist Sache
der Präsidentin der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, an
die die eingereichten Rechtsschriften zu überweisen sind (vgl. Art. 32
Abs. 5 OG; BGE 108 Ib 376 E. 2).