Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 II 180



124 II 180

22. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 4. März 1998 i.S. E. SA, F. SA, G. Ltd., H. Inc. und
I. Inc. gegen Bundesamt für Polizeiwesen, Zentralstelle USA
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bundesgesetz zum Rechtshilfevertrag mit den USA (BG-RVUS): Legitimation
des Kontoinhabers.

    Ist das Bundesamt für Polizeiwesen in einer Rechtshilfesache
auf die bei ihm eingereichte Einsprache nicht eingetreten, ist
der Einsprecher legitimiert, gegen den Nichteintretensentscheid
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen (E. 1).

    In Rechtshilfesachen ist der Inhaber des von der Rechtshilfe
betroffenen Bankkontos legitimiert, gegen die Übermittlung der Protokolle
von Zeugeneinvernahmen Rechtsmittel zu erheben, sofern die Protokolle
Informationen enthalten, die einer Übermittlung von Kontounterlagen
gleichkommen, und der Kontoinhaber berechtigt wäre, gegen eine allfällige
Übermittlung der Kontounterlagen Rechtsmittel zu erheben (E. 2).

Sachverhalt

    In einem Rechtshilfeersuchen verlangen die amerikanischen Behörden
die vollständigen Unterlagen zu einigen mit ihren Nummern bezeichneten
Bankkonten sowie zu allen Bankkonten bei schweizerischen Banken, welche
mit dem Gegenstand des Rechtshilfeersuchens in Zusammenhang stehen
könnten. Ausserdem ersuchen sie um die Einvernahme leitender Mitarbeiter
der betroffenen Banken als Zeugen, welche über die im Ersuchen genannten
Konten Auskunft geben sollten.

    Nachdem das Bundesamt für Polizeiwesen die Rechtshilfe für zulässig
erklärt hatte, erhoben der E. SA, die F. SA, die G. Ltd., die H. Inc. und
die I. Inc. Einsprache, welche das Bundesamt für Polizeiwesen mit
Verfügung vom 2. Mai 1997 abwies, soweit es darauf eintrat.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 4. Juni 1997 stellen die
Beschwerdeführerinnen hauptsächlich den Antrag, die Verfügung des
Bundesamtes für Polizeiwesen vom 2. Mai 1997 sei aufzuheben. Das
Bundesgericht tritt auf die Beschwerde ein aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Beurteilung von Rechtshilfebegehren der Vereinigten Staaten
von Amerika richtet sich nach dem zwischen den USA und der Schweiz am
25. März 1973 abgeschlossenen Staatsvertrag über gegenseitige Rechtshilfe
in Strafsachen (RVUS, SR 0.351.933.6) und nach dem vom 3. Oktober 1975
datierten Bundesgesetz zu diesem Staatsvertrag (BG-RVUS, SR 351.93).
Soweit sich dem Staatsvertrag und dem zugehörigen Spezialgesetz keine
Regeln für die Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage entnehmen lassen,
sind das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen
vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1) und die zu diesem Gesetz gehörende
Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11) anzuwenden (vgl. Art. 1
Abs. 1 IRSG).

    b) Die Beschwerdeführerinnen sind als Kontoinhaber durch die streitigen
Rechtshilfemassnahmen unmittelbar in ihren eigenen Interessen betroffen
und zunächst soweit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, als sie
sich gegen die Übermittlung der beschlagnahmten Kontounterlagen in die USA
zur Wehr setzen (Art. 17 Abs. 1 BG-RVUS in Verbindung mit Art. 103 lit. a
OG; BGE 118 Ib 442 ff. mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerinnen sind
darüber hinaus aber auch insofern persönlich und unmittelbar betroffen,
als ihnen das Bundesamt für Polizeiwesen die Legitimation absprach,
gegen die Übermittlung der bei den Zeugeneinvernahmen erstellten
Protokolle Einsprache zu erheben. Die gegen den entsprechenden
Nichteintretensentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist ebenfalls zulässig, weil insoweit die Legitimation der
Beschwerdeführerinnen zur Einsprache nach Art. 16 Abs. 1 BG-RVUS Gegenstand
der Beschwerde bildet. Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen
erfüllt sind, ist soweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss den vom Bundesamt für Polizeiwesen zitierten nicht
veröffentlichten Entscheiden des Bundesgerichts vom 30. Januar 1997
und vom 3. März 1997, beide i.S. M., sind die Beschwerdeführerinnen
grundsätzlich nicht berechtigt, gegen die Übermittlung der Protokolle
aus den Zeugeneinvernahmen Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen,
denn das entscheidende Element sei nicht der Inhalt der Protokolle,
sondern die Art und Weise, in welcher die Protokolle erhoben wurden.

    b) Nach der Rechtsprechung ist ein Zeuge nur unter bestimmten
Voraussetzungen legitimiert, Beschwerde gegen die Übermittlung des
Protokolls an den ersuchenden Staat zu führen (BGE 122 II 130 E. 2b
S. 133; 121 II 459 E. 2c S. 461 f.). Demgegenüber kommt einem Dritten,
selbst wenn er durch protokollierte Aussagen persönlich berührt wird,
keine Beschwerdebefugnis zu (BGE 123 II 153 E. 2b S. 156). An dieser
Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten. Eine rigorose Handhabung
dieser Praxis hätte allerdings - wie die Beschwerdeführerinnen zu
Recht vorbringen - zur Folge, dass in bezug auf Kontoinformationen
der Rechtsschutz unterlaufen werden könnte: Verlangen ausländische
Behörden die Übermittlung der Unterlagen zu einem Bankkonto, könnten die
schweizerischen Rechtshilfebehörden deren Inhalt durch das zuständige
Personal der Bank in einer Zeugeneinvernahme bestätigen lassen, anstelle
der Bankunterlagen die Einvernahmeprotokolle in den ersuchenden Staat
übermitteln und auf diese Weise jedes Rechtsmittel der Kontoinhaber
zum vornherein ausschliessen. Bei diesem Vorgehen wären auch die Bank
selbst oder der einvernommene Mitarbeiter der Bank nicht zur Beschwerde
berechtigt, weil die Übermittlung der Protokolle in der Regel nicht
ihre eigenen Interessen beeinträchtigt. Damit die im Rechtshilferecht
vorgesehenen Rechtsmittel nicht ihren Sinn verlieren, muss den Inhabern
von Bankkonten die Legitimation zur Beschwerde gegen die Übermittlung
von Einvernahmeprotokollen zugestanden werden, wenn und soweit diese
Informationen enthalten, die einer Übermittlung von Kontounterlagen
gleichkommen, und der betroffene Kontoinhaber berechtigt wäre, gegen eine
allfällige Übermittlung der Unterlagen zu seinem Bankkonto Beschwerde
zu führen.

    c) Das Bundesamt darf demnach den Inhabern derjenigen
Bankkonten, welche Gegenstand von Zeugeneinvernahmen bildeten,
die Rechtsmittellegitimation nicht allein mit dem Hinweis auf die
erwähnten nicht veröffentlichten Entscheide des Bundesgerichts vom
30. Januar 1997 und vom 3. März 1997 absprechen. Der in diesen beiden
Entscheiden angewandte Grundsatz ist vielmehr dahin zu präzisieren, dass
die Inhaber der Bankkonten dann zu Rechtsmitteln gegen die Anordnung
von Rechtshilfehandlungen legitimiert sind, wenn die angeordneten
Zeugeneinvernahmen - wie gesagt - der Erhebung von Kontounterlagen
gleichkommen (vgl. das nicht publizierte Urteil des Bundesgerichts vom
16. Januar 1997 i.S. P. u. Mitbet., E. 12b, mit Hinweisen auf BGE 118 Ib
547 E. 1d und 117 Ib 64 E. 2b/bb, mit weiteren Hinweisen). Enthalten die
Einvernahmeprotokolle hingegen keine Angaben über die von der Rechtshilfe
betroffenen Konten oder enthalten sie bloss Angaben, welche bereits
im Rechtshilfeersuchen oder in den Beilagen dazu erwähnt werden, sind
die Inhaber der Konten nicht legitimiert, gegen die Übermittlung der
Einvernahmeprotokolle Beschwerde zu führen.

    d) Wie es sich damit im vorliegenden Fall verhält, kann nicht
abschliessend gesagt werden, weil sich die umstrittenen Protokolle nicht
bei den Akten befinden. Das Bundesamt für Polizeiwesen wird deshalb
unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Grundsätze erneut prüfen
müssen, ob die Beschwerdeführerinnen im Sinne von Art. 16 Abs. 1 BG-RVUS
legitimiert sind, gegen die Übermittlung der Einvernahmeprotokolle
Einsprache zu erheben. Nach dem Gesagten verletzt der angefochtene
Nichteintretensentscheid Bundesrecht. Er ist daher aufzuheben, und
die Sache ist zu neuem Entscheid an das Bundesamt für Polizeiwesen
zurückzuweisen.