Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 III 321



124 III 321

58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juli 1998 i.S. Imprafot AG gegen
Nintendo Co. Ltd. und Waldmeier AG (Berufung) Regeste

    Art. 12 Abs. 1 URG. Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht.
Parallelimporte urheberrechtlich geschützter Produkte.

    Nach dem neuen Urheberrechtsgesetz gilt weiterhin die internationale
Erschöpfung. Parallelimporte urheberrechtlich geschützter Produkte,
die mit Zustimmung des Urhebers im Ausland in Verkehr gesetzt worden
sind, lassen sich mit den Mitteln des Urheberrechts nicht unterbinden
(E. 1 und 2), und zwar auch dann nicht, wenn sich das der ausländischen
Vertriebsfirma vertraglich eingeräumte Verbreitungsrecht nicht auf die
Schweiz erstreckt (E. 3). Auch unter dem Blickwinkel des Wettbewerbsrechts
sind Parallelimporte zulässig, es sei denn, dem Parallelimporteur werde
eine Verleitung zum Vertragsbruch oder ein sonst wie gegen Treu und
Glauben verstossendes Verhalten nachgewiesen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Nintendo Co. Ltd. ist Inhaberin der Urheberrechte am Videospiel
«Donkey Kong Land», das sich mit einem sogenannten «Game Boy» betreiben
lässt. Sie trat ihre Urheberrechte räumlich begrenzt auf die USA, Kanada,
Mexiko und Lateinamerika an ihre amerikanische Tochtergesellschaft Nintendo
of America Inc. ab. Diese brachte das Spiel in der Game Boy-Version in den
USA auf den Markt, mit englischer Spielanleitung, mit auf sie lautendem
Copyright-Vermerk und mit dem Hinweis «For sale, rental and use only in
USA, Canada, Mexico and Latin America». In der Schweiz ist die Waldmeier
AG Alleinvertriebsberechtigte für Nintendo-Videospiele. Sie brachte das
Game Boy-Spiel «Donkey Kong Land» ab Juli 1995 mit einer von ihr selbst
verfassten Spielanleitung in deutscher und französischer Sprache zum
offiziellen Verkaufspreis von Fr. 32.76 auf den schweizerischen Markt.

    Die Wahl Eximpo AG, die heute die Firma Imprafot AG führt, bot gemäss
einer Preisliste vom Dezember 1995 die amerikanische, mit einer englischen
Spielanleitung versehene Game Boy-Version des Spiels «Donkey Kong Land»
zu einem Preis von Fr. 29.90 an. Am 15. November 1995 verkaufte sie ein
solches Videospiel an die Zihlmann AG in Rheinfelden.

    B.- Am 8. Mai 1996 erwirkte die Nintendo Co. Ltd. beim Handelsgericht
des Kantons Aargau eine vorsorgliche Verfügung, worin der Wahl Eximpo
AG einstweilen verboten wurde, erstmals im Ausland in Verkehr gesetzte
Nintendo-Videospiele «Game Boy Donkey Kong Land» in die Schweiz zu
importieren und hier zu vertreiben. Eine staatsrechtliche Beschwerde der
Wahl Eximpo AG gegen den Massnahmeentscheid wies das Bundesgericht am
27. November 1996 ab.

    Am 7. Juni 1996 reichten die Nintendo Co. Ltd. und die Waldmeier AG
beim Handelsgericht des Kantons Aargau Klage gegen die Wahl Eximpo AG
ein. Sie verlangten die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte mit
ihren Parallelimporten Urheberrechte der Erstklägerin verletzt und zudem
unlauteren Wettbewerb gegenüber der Zweitklägerin begangen habe. Weiter
beantragten sie ein an die Beklagte gerichtetes Verbot, erstmals im Ausland
in Verkehr gesetzte Nintendo-Videospiele «Game Boy Donkey Kong Land»,
insbesondere die von der Nintendo of America Inc. auf den amerikanischen
Markt gebrachten Spiele, in die Schweiz zu importieren und daselbst
anzubieten, zu veräussern oder sonst wie zu verbreiten oder zu verbreiten
helfen. Schliesslich forderten sie entweder eine Lizenzgebühr von 10% des
Fakturabetrags der von der Beklagten widerrechtlich verkauften Spiele oder
Herausgabe des mit solchen Verkäufen widerrechtlich erzielten Gewinns, je
nachdem, welcher Betrag nach Massgabe des Beweisverfahrens der höhere sei.

    Mit Urteil vom 16. Dezember 1997 hiess das Handelsgericht das
Feststellungs- und das Unterlassungsbegehren der Klägerinnen gut. Die
Forderung aus Schadenersatz oder Gewinnherausgabe wies es dagegen ab.

    C.- Das Bundesgericht heisst die Berufung der Beklagten gut, hebt
das handelsgerichtliche Urteil auf und weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 12 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (URG; SR 231.1)
dürfen Werkexemplare, die der Urheber veräussert oder deren Veräusserung
er zugestimmt hat, weiterveräussert oder sonst wie verbreitet werden. Mit
der willentlichen Veräusserung der Werkexemplare begibt der Rechtsinhaber
sich seines Anspruchs, deren Weiterverbreitung mit urheberrechtlichen
Mitteln zu kontrollieren (vgl. BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht,
N. 1 zu Art. 12). Wird dieser sogenannte Erschöpfungsgrundsatz
national verstanden, gilt das Verbreitungsrecht nur für Werkexemplare als
erschöpft, die mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf den inländischen Markt
gelangt sind; wird er dagegen international verstanden, bewirkt auch die
Erstveräusserung im Ausland die Erschöpfung des Verbreitungsrechts, mit
der Folge, dass der Rechtsinhaber den Import von im Ausland veräusserten
Werkexemplaren in die Schweiz urheberrechtlich nicht verhindern kann.

    Das Handelsgericht legt Art. 12 Abs. 1 URG im Sinne der nationalen
Erschöpfung aus. Es gelangt daher zum Schluss, dass die Parallelimporte
der Beklagten aus den USA das Urheberrecht der Erstklägerin verletzen. Die
Beklagte rügt diese Auffassung als bundesrechtswidrig.

Erwägung 2

    2.- Eine Gesetzesbestimmung ist in erster Linie nach ihrem Wortlaut
auszulegen (grammatikalisches Auslegungselement, E. a hienach). Von
Bedeutung ist jedoch auch, welche Überlegungen der Gesetzgeber bei
ihrem Erlass angestellt hat (historisches Auslegungselement, E. b
hienach). Dabei ist die Entstehungsgeschichte für sich allein zwar nicht
entscheidend, wohl aber insoweit beachtlich, als sie Aufschluss über die
Regelungsabsicht des Gesetzgebers gibt. In die Betrachtung einzubeziehen
ist sodann der Zusammenhang der auszulegenden Bestimmung mit anderen Normen
(systematisches Auslegungselement, E. c - h hienach). Schliesslich ist
nach dem Ziel, das die Bestimmung verfolgt, nach dem Zweck, dem sie dient,
zu fragen (teleologisches Auslegungselement, E. i hienach). Der Normzweck
lässt sich dabei allerdings nicht aus sich selbst heraus begründen, sondern
ergibt sich letztlich wiederum aus grammatikalischen, historischen und
systematischen Gesichtspunkten (BGE 122 III 324 E. 7a S. 325, 469 E. 5a
S. 474; 116 II 525 E. 2a und b S. 526 f., je mit Hinweisen).

    a) Dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 URG lässt sich nicht entnehmen,
wo die Erstveräusserung stattgefunden haben muss, um die Erschöpfung
des Verbreitungsrechts des Rechtsinhabers nach sich zu ziehen. Das
Urheberrechtsgesetz von 1922 äusserte sich allerdings ebenfalls nicht
ausdrücklich zu dieser Frage. Aus Art. 58 Abs. 1 und 2 aURG liess sich
jedoch ableiten, dass grundsätzlich internationale Erschöpfung galt,
wobei Art. 58 Abs. 3 aURG allerdings eine Ausnahme für mechanische
Ton- und Bildträger vorsah (ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht,
Bd. II, 3. Aufl. 1985, S. 767 f. und 905 f.; DOMINIQUE GRAZ, Propriété
intellectuelle et libre circulation des marchandises, Diss. Lausanne
1988, S. 94 f.; KASPAR SPOENDLIN, Der internationale Schutz des Urhebers,
UFITA 107/1988, S. 31 f.; vgl. auch BGE 85 II 431 E. 3c S. 442). Seit
Inkrafttreten des neuen Gesetzes ist die Rechtslage hingegen unklar. Die
Auffassungen sind geteilt: Ein Teil der Lehre nimmt nationale (VON BÜREN,
in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. I/1, S. 179;
derselbe, daselbst, Bd. II/1, S. 221; BARRELET/EGLOFF, aaO, N. 2 zu Art. 12
URG; PERRET, Quelques observations sur l'épuisement des droits de propriété
intellectuelle, SZIER 1997, S. 283 ff.; zumindest im Ergebnis ähnlich
auch REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Aufl. 1996, S. 98 f.,
vgl. dazu E. 3 hienach), ein anderer internationale Erschöpfung an (THOMAS
COTTIER/MARC STUCKI, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und
Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, in: Conflit
entre importations parallèles et propriété intellectuelle?, Comparativa 60,
1996, S. 44; MARIANNE BIERI-GUT, Parallelimport und Immaterialgüterrechte
nach schweizerischen Spezialgesetzen und dem Recht der EU, AJP 1996,
S. 569 f.; MARTINA ALTENPOHL, Zur Zulässigkeit des Parallelimportes
von urheberrechtlich geschützten Produkten, sic! 1998, S. 145; IVAN
CHERPILLOD, Protection des logiciels et des bases de données: la révision
du droit d'auteur en Suisse, SMI 1993, S. 59 f.; differenzierend CHRISTOPH
WILLI, Schutz selektiver Vertriebssysteme durch das Urheberrecht, SJZ
91/1995, S. 205 ff., insbes. 207 ff.); weitere Autoren beschränken sich
darauf, die Frage aufzuwerfen und eine abwartende Haltung einzunehmen
(KAMEN TROLLER, Manuel du droit suisse des biens immatériels, Bd. II,
2. Aufl. 1996, S. 661 f.; PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, S. 155 f.; RETO M. HILTY, Die Leistungsschutzrechte
im schweizerischen Urheberrechtsgesetz, UFITA 124/1994, S. 108 ff.;
PETER MOSIMANN, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht,
Bd. II/1, S. 352 f.; IVAN CHERPILLO, Logiciels et importations parallèles,
in: Conflit entre importations parallèles et propriété intellectuelle?,
Comparativa 60, 1996, S. 65 ff.).

    b) Die Gründe für den Meinungsstreit sind hauptsächlich in der
Entstehungsgeschichte des geltenden Art. 12 Abs. 1 URG zu suchen. Die
Vorentwürfe und Entwürfe zum neuen Urheberrechtsgesetz sahen durchwegs
ein Recht der Weiterveräusserung für alle Werkexemplare vor, die
vom Urheber oder mit seiner Zustimmung im In- oder Ausland veräussert
worden waren. Die bundesrätliche Botschaft hielt ausdrücklich fest, dass
damit das Prinzip der internationalen Erschöpfung zur Anwendung gelange
(BBl 1989 III 531; ebenso die Botschaft zum ersten Entwurf, BBl 1984 III
210). In der parlamentarischen Beratung wurde dann jedoch im Hinblick auf
den angestrebten Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) beschlossen, auf die Wendung «im In- und Ausland» zu verzichten,
da das EWR-Abkommen nicht eine allgemeine internationale, sondern bloss
eine EWR-weite Erschöpfung vorsah. Zur Übernahme dieses Grundsatzes kam
es allerdings in der Folge nicht, wurde doch das EWR-Abkommen in der
Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 verworfen. Damit hat der Verzicht
auf die Wendung «im In- und Ausland» seinen ursprünglichen Sinn verloren,
und es erhebt sich die Frage, ob ihm nunmehr die Bedeutung eines Übergangs
von der internationalen zur nationalen Erschöpfung beizulegen ist, wie
dies das Handelsgericht und die Klägerinnen annehmen.

    Im angefochtenen Urteil wird in diesem Zusammenhang zunächst darauf
hingewiesen, dass es nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers darum
ging, das schweizerische Urheberrecht eurokompatibel auszugestalten und
insbesondere die Übernahme der regionalen, d.h. EWR-weiten Erschöpfung
zu ermöglichen. Im Anschluss daran wird ausgeführt, der regionalen
Erschöpfung entspreche innerstaatlich die nationale Erschöpfung. Denn
die regionale Erschöpfung garantiere nur den freien Warenverkehr
zwischen den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes,
nicht aber zwischen diesen und Drittländern. Sie stehe daher einer
Abschottung des europäischen Binnenmarktes gegenüber Parallelimporten von
immaterialgüterrechtlich geschützten Erzeugnissen aus Drittländern nicht
nur nicht entgegen, sondern bezwecke diese geradezu. Diese Argumentation
vermag nicht zu überzeugen. Richtig ist zwar, dass die regionale
Erschöpfung Drittländer ausgrenzt und insofern - wie die nationale
Erschöpfung - zu einer Marktabschottung führt. Im Verhältnis zwischen
den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes entspricht
die regionale jedoch der internationalen Erschöpfung. Der Sinn des
europäischen Binnenmarktes liegt gerade darin, eine gegenseitige
Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten zu verhindern. Der Beitritt
zum Europäischen Wirtschaftsraum sollte der Schweiz Anschluss an diesen
Binnenmarkt verschaffen. Das Ziel bestand mit anderen Worten in erster
Linie in einer Marktöffnung gegenüber anderen europäischen Staaten und
nicht in der Ausgrenzung von Drittstaaten. Die nationale Erschöpfung ist
demgegenüber geeignet, den schweizerischen Markt für urheberrechtlich
geschützte Produkte gerade auch gegenüber den europäischen Handelspartnern
abzuschotten. Das aber stünde im Gegensatz zu dem, was der Gesetzgeber
wollte.

    Die Klägerinnen wenden allerdings ein, der Gesetzgeber habe
zumindest gegenüber Ländern ausserhalb des europäischen Binnenmarktes
die nationale Erschöpfung gewollt. Dass er für den Fall einer Ablehnung
des EWR-Abkommens nicht mehr an der diesbezüglichen Harmonisierung
mit dem europäischen Recht habe festhalten wollen, lasse sich den
Materialien in keiner Weise entnehmen. Parallelimporte seien sehr viel
weniger aus den Ländern der Europäischen Union (EU) zu erwarten als
aus billigeren Drittländern, gegenüber welchen die EU-Staaten ihren
Markt abschotten würden. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass
mit dem Verzicht auf den EWR-Beitritt die Einführung der nationalen
Erschöpfung gegenstandslos geworden sei. Als Kern des gesetzgeberischen
Willens möchten die Klägerinnen mithin die Abkehr vom internationalen
Verständnis der Erschöpfung hinstellen. Sie versuchen diese Auffassung
mit Zitaten verschiedener Einzelvoten aus den parlamentarischen Beratungen
zu untermauern. Aus den Materialien und namentlich auch aus den von den
Klägerinnen zitierten Voten ergibt sich jedoch, dass sich das Parlament
mit den Auswirkungen einer allfälligen Verwerfung des EWR-Abkommens gar
nicht vertieft auseinander gesetzt hat (vgl. AB 1992 N 2 ff., insbes. 15;
AB 1992 S 372 ff., insbes. 373). Namentlich ist es in den parlamentarischen
Beratungen weder in den vorberatenden Kommissionen noch im Plenum zu einer
Grundsatzdebatte darüber gekommen, ob diesfalls die internationale oder die
nationale Erschöpfung den Vorzug verdiene. Angesichts der langen Tradition,
welche die internationale Erschöpfung im schweizerischen Urheberrecht
hat, darf aber dem Gesetzgeber nicht leichthin der Wille unterschoben
werden, diesen Grundsatz in sein Gegenteil zu verkehren. Das gilt umso
mehr, als sich die tiefe Verankerung der internationalen Erschöpfung
im schweizerischen Rechtsbewusstsein auch darin zeigt, dass sie in
sämtlichen Vorentwürfen und Entwürfen ausdrücklich vorgesehen worden
war. Insgesamt ergibt deshalb die Entstehungsgeschichte des Art. 12 Abs. 1
URG keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber sich vom
eingewurzelten weiten Verständnis der Erschöpfung radikal hätte abwenden
und zu einer äusserst eng, nämlich rein national verstandenen Erschöpfung
hätte übergehen wollen.

    c) In systematischer Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen,
dass im Markenrecht nach der Rechtsprechung ebenfalls die internationale
Erschöpfung gilt (BGE 122 III 469 E. 3-5 S. 471 ff.). Diese Praxis wurde
zwar unter anderem damit begründet, dass die Kennzeichnungsfunktion
der Marke durch Parallelimporte nicht beeinträchtigt wird (aaO, E. 5f
S. 479). Daran anknüpfend führt das Handelsgericht im angefochtenen Urteil
aus, die unterschiedliche Funktion des Marken- und des Urheberrechts
lasse einen Analogieschluss von der markenrechtlichen Rechtsprechung
auf die vorliegend zu beurteilende Erschöpfungsfrage nicht zu (vgl. dazu
auch CHERPILLOD, aaO, Comparativa 60, S. 67, sowie GRAZ, aaO, S. 99). Der
funktionelle Unterschied zwischen Marken- und Urheberrecht darf aber nicht
überbetont werden. Wohl ist richtig, dass die Marke zunächst dazu dient,
Waren oder Dienstleistungen zu kennzeichnen, während es beim Urheberrecht
direkt um den Schutz einer geistigen Leistung sowie insbesondere darum
geht, dem Urheber das alleinige Recht zur Verwertung dieser Leistung
vorzubehalten. Das darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch
der Markenschutz dem Rechtsinhaber das ausschliessliche Recht verschafft,
die geschützte Marke zu verwenden. Von seiner wirtschaftlichen Funktion
her erlaubt daher der Markenschutz dem Rechtsinhaber ebenfalls, den Wert,
den seine Marke verkörpert, unter Ausschluss anderer zu realisieren. Dabei
zielt das Markenrecht wiederum zumindest auch darauf ab, die geistigen
Leistungen zu schützen, die hinter der Schaffung, der Einführung und
der Vermarktung einer Marke stehen und auf die deren Kennzeichnungskraft
zurückgeht. In der Literatur wird deshalb zu Recht darauf hingewiesen,
dass es sich kaum rechtfertigt, Marken- und Urheberrecht in Bezug auf
die Erschöpfung unterschiedlich zu behandeln (COTTIER/STUCKI, aaO, S. 50).

    d) Ein mit dem Urheberrecht funktionsverwandtes Verwertungsrecht
sieht das Handelsgericht im Patentrecht. Dazu führt es aus, bei der
jüngsten Revision des Patentgesetzes sei die in Art. 8a des Entwurfs
von 1989 vorgesehene internationale Erschöpfung in der Vorlage von 1993
wieder fallen gelassen worden. Art. 8a des Entwurfs von 1989 enthält aber
lediglich eine Sonderregelung der Erschöpfung für biologisch vermehrbare
Materie und äussert sich weder für diesen besonderen Bereich noch allgemein
zur Frage, ob nationale oder internationale Erschöpfung Anwendung
finden soll (BBl 1989 III 266); dasselbe gilt für die einschlägigen
Ausführungen in der zugehörigen bundesrätlichen Botschaft (BBl 1989 III
255 f.). Folglich lässt der Umstand, dass der vorgeschlagene neue Art. 8a
in die Vorlage vom 18. August 1993 nicht mehr aufgenommen wurde (vgl. BBl
1993 III 716) und deshalb auch keinen Eingang in die auf den 1. September
1995 in Kraft getretene Änderung des Patentgesetzes gefunden hat, entgegen
der Ansicht der Vorinstanz nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber im
Patentrecht ausdrücklich auf die internationale Erschöpfung verzichtet
hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Gesetz die Frage nicht
regelt. Der Botschaft zum Entwurf von 1989 lässt sich übrigens entnehmen,
dass der Gedanke der Einführung einer regionalen, auf die Mitgliedstaaten
der EG und der EFTA ausgedehnten Erschöpfung damals bereits im Vorverfahren
wieder fallen gelassen worden war (vgl. BBl 1989 III 246).

    Richtig ist hingegen, dass in der Lehre für das Patentrecht bisher
überwiegend die Auffassung vertreten wird, es gelte nationale Erschöpfung
(ALOIS TROLLER, aaO, S. 767; PEDRAZZINI, Patent- und Lizenzvertragsrecht,
2. Aufl. 1987, S. 123; KAMEN TROLLER, aaO, S. 661; GRAZ, aaO, S. 107 ff.;
ebenso die herrschende Lehre in anderen europäischen Staaten: BEIER, Zur
Zulässigkeit von Parallelimporten patentierter Erzeugnisse, GRUR int. 1996,
S. 1 ff., insbes. S. 3 ff., mit umfassenden rechtsvergleichenden
Hinweisen; a.M. jedoch BIERI-GUT, Parallelimport und Immaterialgüterrechte
nach schweizerischen Spezialgesetzen und dem Recht der EU, AJP 1996, S. 574
; kritisch ebenfalls COTTIER/STUCKI, aaO, S. 50 f.; vgl. dazu allerdings
auch DUTOIT, Les importations parallèles au crible de quel droit?, in:
Conflit entre importations parallèles et propriété intellectuelle?,
Comparativa 60, 1996, S. 98 f.). Eine feststehende Gerichtspraxis,
welche diese Auffassung bestätigen würde, fehlt indessen. Das letzte
Wort ist noch nicht gesprochen (vgl. PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, aaO,
S. 155 f. Rz. 641).

    Im Übrigen bedürfte auch näherer Prüfung, ob die funktionellen
Ähnlichkeiten zwischen Urheber- und Patentrecht in der Tat zwingend eine
übereinstimmende Regelung der Erschöpfung erheischen. Das Patentrecht
unterscheidet sich vom Urheberrecht immerhin dadurch, dass die Erlangung
des Patentschutzes für jedes Land erhebliche Kosten verursacht und dass
auch die Aufrechterhaltung des Schutzes nicht kostenfrei möglich ist,
sondern die periodische Entrichtung von Patentgebühren in den verschiedenen
Schutzländern voraussetzt. Man kann sich daher die Frage stellen, ob und
wieweit dem Patentinhaber ermöglicht werden soll, seine Investitionen
in den Patentschutz in jedem Land gesondert zu rentabilisieren, ohne
dabei durch Parallelimporte beeinträchtigt zu werden. Eine besondere
Behandlung des Patents in Bezug auf die Erschöpfung wird zum Teil auch
in der Lehre befürwortet (DUTOIT, aaO, S. 98 f.; ebenso für das deutsche
Recht DIETRICH REIMER, Der Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht und
gewerblichen Rechtsschutz unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs, GRUR 1976 Int., S. 228 f.). Für eine
einheitliche Geltung der internationalen Erschöpfung sowohl im Urheber-
als auch im Patentrecht lassen sich allerdings ebenfalls beachtliche
Argumente anführen (COTTIER/STUCKI, aaO; vgl. auch E. g und i hienach). Im
vorliegenden Zusammenhang braucht die Frage indessen nicht abschliessend
beurteilt zu werden. Festzuhalten ist jedenfalls, dass sich aus dem
Vergleich mit dem Patentrecht nichts zugunsten einer Auslegung von Art. 12
Abs. 1 URG im Sinne der nationalen Erschöpfung ableiten lässt.

    e) Die Beklagte wirft der Vorinstanz vor, bei ihrer systematischen
Auslegung das Kartellrecht nicht berücksichtigt zu haben. Die Klägerinnen
weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass das Kartellgesetz (KG, SR 251)
in Art. 3 Abs. 2 Wettbewerbswirkungen, die sich ausschliesslich aus der
Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben, ausdrücklich von seinem
Geltungsbereich ausnimmt. Aus den Materialien geht hervor, dass der
Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, hinsichtlich der Erschöpfung
von Immaterialgüterrechten «in die Belange der gesetzlichen Regelung des
geistigen Eigentums einzugreifen und einer allfälligen höchstrichterlichen
Auslegung vorzugreifen» (BBl 1995 I 542). Aus dem Kartellrecht lassen sich
deshalb - entgegen ALTENPOHL (aaO, S. 155) - weder für die eine noch für
die andere Auslegungsvariante entscheidende Argumente gewinnen.

    f) Entsprechendes gilt für das GATT-Recht, auf das sich die Beklagte
ebenfalls beruft. Beim Abschluss des TRIPs-Abkommens, das als Anhang
1C Bestandteil des WTO-Übereinkommens ist (SR 0.632.20, S. 342 ff.),
wurde die Frage der Erschöpfung von Immaterialgüterrechten angesichts
der unüberbrückbaren Gegensätzlichkeit der Verhandlungspositionen
bewusst ausgeklammert (Art. 6 des TRIPs-Abkommens; dazu BBl 1994 IV 291
f.). Auf eine allgemeine Einführung der internationalen Erschöpfung wurde
verzichtet; den einzelnen Vertragsstaaten bleibt deren Praktizierung
aber unbenommen (Alesch Staehelin, Das TRIPs-Abkommen, S. 28 ff.;
Rehbinder/Staehelin, Das Urheberrecht im TRIPs-Abkommen, UFITA 127/1995,
S. 16 f.; Paul Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int. 1995,
S. 463; Stanislaw Soltysinski, International Exhaution of Intellectual
Property Rights under the TRIPs, the EC Law and the Europe Agreements,
GRUR Int. 1996, S. 318 ff.). Ob und wieweit vor diesem Hintergrund Raum
dafür bleibt, die grundsätzliche Geltung der internationalen Erschöpfung
aus anderen Teilen des WTO-Übereinkommens, insbesondere aus Art. XI des
Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT, SR 0.632.21 in Verbindung
mit SR 0.632.20, Anhang 1A.1, Ziff. 1 lit. a, S. 14), abzuleiten (so
COTTIER/STUCKI, aaO, S. 51 ff., insbes. 56 und 58; vgl. auch COTTIER, aaO,
S. 53 ff.), erscheint fraglich, braucht aber vorliegend nicht abschliessend
geprüft zu werden.

    g) Beachtlich ist hingegen wiederum, dass die in
Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit auch die
Aussenwirtschaftsfreiheit mit einschliesst, und zwar insbesondere auch die
Freiheit, immaterialgüterrechtlich geschützte Produkte ein- und auszuführen
(BGE 122 III 469 E. 5g/aa S. 480). Eine Beschränkung dieser Freiheit
wäre nur verfassungskonform, wenn sie durch eine ausreichende gesetzliche
Grundlage gedeckt und durch ein überwiegendes öffentliches Interesse
gerechtfertigt wäre (vgl. BGE 123 I 212 E. 3a S. 217, mit Hinweisen). Der
Vorschrift von Art. 12 Abs. 1 URG lässt sich jedoch kein klarer Wille des
Gesetzgebers entnehmen, Parallelimporte urheberrechtlich geschützter
Produkte zu verbieten (vgl. E. a und b hievor). Ein überwiegendes
öffentliches Interesse an einem solchen Verbot lässt sich ebenfalls kaum
namhaft machen; die Öffentlichkeit ist im Gegenteil vor allem an einem
möglichst ungehinderten Zugang zu ausländischem Kulturgut interessiert
(vgl. ZÄCH, Recht auf Parallelimporte und Immaterialgüterrecht, SJZ 91/
1995, S. 303 ff. und 307 f.). Die Klägerinnen befürchten allerdings,
dass eine Zulassung von Parallelimporten die Kulturgüterindustrie
zur Abwanderung aus der Schweiz veranlassen und die Fachhändler -
wegen des Drucks auf ihre Marge - zu vermehrter Konzentration auf
umsatzträchtige Produkte und zu einer Ausdünnung des Sortiments zwingen
könnte. Solche Befürchtungen sind jedoch unbegründet, galt doch in der
Schweiz schon unter der Herrschaft des früheren Rechts seit jeher die
internationale Erschöpfung, ohne dass Klagen über negative Auswirkungen
auf Kulturgüterindustrie und Fachhandel laut geworden wären. Gründe,
die geeignet wären, die mit einem Übergang zur nationalen Erschöpfung
verbundene Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit zu rechtfertigen,
sind daher nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der verfassungskonformen
Auslegung (vgl. BGE 122 III 469 E. 5a S. 474; 119 Ia 241 E. 7a S. 248,
mit Hinweisen) spricht somit ebenfalls dafür, Art. 12 Abs. 1 URG im Sinne
der im bisherigen Recht geltenden internationalen Erschöpfung zu verstehen.

    h) Die Klägerinnen führen im Rahmen der systematischen Auslegung
auch den «ausgesprochen urheberfreundlichen Geist» ins Feld, von dem
die Revision des Urheberrechtsgesetzes in den Jahren 1991 und 1992
getragen gewesen sein soll. Daraus möchten sie ableiten, dass eine
systematische Auslegung des Urheberrechtsgesetzes im Zweifelsfall zur
urheberfreundlicheren von zwei möglichen Auslegungen gelangen müsse. Sie
verschweigen jedoch, dass die Urheberfreundlichkeit sich nicht etwa
erst in der parlamentarischen Schlussphase der Gesetzesrevision zeigte,
sondern in noch stärkerem Masse bereits die früheren Vorentwürfe und
Entwürfe prägte; den ersten vom Bundesrat vorgelegten Gesetzesentwurf
wies das Parlament zurück, weil er die Interessen der Urheber gegenüber
jenen der Produzenten und Werknutzer zu stark betonte (BBl 1989 III 482,
485 und 503). Trotz ihrer ausgeprägten Urheberfreundlichkeit sahen aber
die Vorentwürfe und Entwürfe durchwegs die internationale Erschöpfung vor
(vgl. E. b hievor). Es ist daher nicht einzusehen, weshalb dieser Grundsatz
nunmehr mit Hilfe einer «urheberfreundlichen Auslegung» beseitigt und
durch jenen der nationalen Erschöpfung ersetzt werden soll.

    i) Ziel der in Art. 12 Abs. 1 URG statuierten Regel, wonach sich
das ausschliessliche Verbreitungsrecht mit der ersten rechtmässigen
Inverkehrsetzung erschöpft, ist der Ausgleich zwischen den Interessen des
Inhabers des Urheberrechts und jenen der sachenrechtlichen Eigentümer von
Werkexemplaren. Die erste Vermarktung gibt dem Rechtsinhaber Gelegenheit,
die ihm zustehenden Gewinnmöglichkeiten zu realisieren. Könnte
er darüber hinaus den weiteren Vertrieb beliebig untersagen oder
von Bedingungen abhängig machen, würde dies den Wirtschaftsverkehr
übermässig behindern. Nach der ersten Inverkehrsetzung hat daher sein
Interesse zurück- und dasjenige des Handels und der Konsumenten an
der Verkehrsfähigkeit der Werkexemplare in den Vordergrund zu treten
(REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 2. Aufl. 1996, S. 97; WILLI,
Schutz selektiver Vertriebssysteme durch das Urheberrecht, SJZ 91/1995,
S. 206; BIERI-GUT, aaO, S. 569; OMSELS, Erschöpfung ohne Veräusserung,
GRUR 1994, S. 165).

    Für Werkexemplare, die erstmals im Ausland in Verkehr gesetzt
worden sind, ist davon auszugehen, dass der Rechtsinhaber bereits dort
Gelegenheit zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Vorteile gehabt hat (so
auch ein jüngstes amerikanisches Urteil, vgl. dazu JOLLER, U.S. Supreme
Court für internationale Erschöpfung des Urheberrechts, European
Law Reporter 1998, S. 142 ff.). Allerdings ist nicht zu übersehen,
dass die Gewinnmöglichkeiten in den verschiedenen Ländern wegen der
unterschiedlichen Ausgestaltung des Urheberrechtsschutzes variieren
können (vgl. GRAZ, aaO, S. 99 ff.). Es liegt jedoch am Rechtsinhaber
zu prüfen, wo ausreichende Gewinnmöglichkeiten bestehen, und gestützt
darauf zu entscheiden, wo er das Werk vermarkten will. Dabei ist ihm
durchaus zuzumuten, bei seiner Marktanalyse und bei der Festlegung seiner
Vermarktungsstrategie auch mit allfälligen Parallelimporten zu rechnen. Das
Gewinninteresse des Rechtsinhabers vermag deshalb das allgemeine Interesse
am freien Handel und an der Ermöglichung des Wettbewerbs nicht aufzuwiegen,
zumal einem möglichst freien Zugang der Konsumenten zu ausländischem
Kulturgut in der Schweiz seit jeher grosses Gewicht beigemessen wird;
als kleines Land ist die Schweiz auf den kulturellen Austausch besonders
angewiesen (SPOENDLIN, Der internationale Schutz des Urhebers, UFITA
107/1988, S. 32).

    Aus dem Blickwinkel einer teleologischen Gesetzesauslegung lässt
es sich daher ebenfalls nicht rechtfertigen, mit einem Übergang zur
nationalen Erschöpfung eine Abschottung des schweizerischen Marktes für
urheberrechtlich geschützte Produkte herbeizuführen. Dagegen ist auch
mit dem in der Berufungsantwort mehrfach vorgebrachten Argument nicht
aufzukommen, die Klägerinnen müssten den chinesischen Markt wegen des
absolut erforderlichen Kampfes gegen Piraterieprodukte zu äusserst billigen
Preisen beliefern. Denn abgesehen davon, dass vorliegend Parallelimporte
von für den amerikanischen Markt bestimmten Videospielen in Frage stehen,
liegt die Bekämpfung des Piraterieprodukte-Geschäfts in China jedenfalls
ausserhalb des Normzwecks von Art. 12 Abs. 1 URG.

    j) Zusammenfassend ergibt sich, dass nach dem neuen Urheberrecht
weiterhin die internationale Erschöpfung gilt. Das Verwertungsrecht des
Urhebers ist somit auch für Werkexemplare erschöpft, die mit seiner
Zustimmung erstmals im Ausland veräussert worden sind. Die Einfuhr
solcher Produkte in die Schweiz kann mit urheberrechtlichen Mitteln nicht
unterbunden werden.

Erwägung 3

    3.- Im Sinne einer Eventualerwägung führt das Handelsgericht aus,
der Erstklägerin stünden selbst dann urheberrechtliche Abwehransprüche
gegen die Beklagte zu, wenn davon auszugehen sei, dass im schweizerischen
Urheberrecht die internationale Erschöpfung gelte. Es verweist dazu
namentlich auf die Lehrmeinung von REHBINDER, wonach der Rechtsinhaber
das Verbreitungsrecht einem Verleger mit räumlichen, zeitlichen oder
inhaltlichen Beschränkungen übertragen kann (aaO, S. 98 und 128). REHBINDER
stellt sich auf den Standpunkt, dass im Ausland in Verkehr gesetzte
Werkexemplare in der Schweiz nicht weiterverbreitet werden dürfen,
wenn sich das dem ausländischen Verleger eingeräumte Verbreitungsrecht
nicht auf die Schweiz erstrecke (aaO, S. 99; ebenso - für das deutsche
Recht - SCHRICKER/LOEWENHEIM, Urheberrecht, München 1987, N. 24 zu § 17,
mit weiteren Hinweisen, und REIMER, aaO, S. 226 f., mit ausführlicher
Begründung; vgl. auch CHERPILLOD, aaO, Comparativa 60, S. 67 f.;
BARRELET/EGLOFF, aaO, N. 17 zu Art. 10 und N. 18 zu Art. 16). Gestützt
darauf gelangt die Vorinstanz zum Schluss, im vorliegenden Fall habe die
Erschöpfung nur soweit eintreten können, als das der Nintendo of America
Inc. abgetretene Verbreitungsrecht reiche, d.h. nur für die USA, Kanada,
Mexiko und Lateinamerika. Dies habe zur Folge, dass die Erstklägerin, weil
ihr für die übrigen Gebiete und insbesondere für die Schweiz weiterhin
das volle Urheberrecht zustehe, urheberrechtliche Abwehransprüche gegen
den Parallelimport von Videospielen geltend machen könne, die durch die
Nintendo of America Inc. in den USA in Verkehr gesetzt worden seien.

    Die Beklagte beanstandet diese Erwägung zu Recht als
bundesrechtswidrig. Die Auffassung des Handelsgerichts läuft darauf
hinaus, die Erschöpfung gewissermassen durch die Hintertür doch wieder
weitgehend auf eine bloss nationale Tragweite einzugrenzen. Würde dieser
Betrachtungsweise gefolgt, so würde den Inhabern von Urheberrechten
ermöglicht, bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung ihrer
Vertriebsorganisation doch wieder über die Erstveräusserung der
Werkexemplare hinaus auch den weiteren Vertrieb mit den Mitteln
des Urheberrechts zu steuern. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb
eine Rechtsinhaberin der Erschöpfung ihres Verwertungsrechts dadurch
entgehen können soll, dass sie, statt ihre urheberrechtlich geschützten
Produkte im Ausland selbst in Verkehr zu setzen, die Inverkehrsetzung
über eine Tochtergesellschaft bewerkstelligt und dieser dabei ein auf
bestimmte Länder beschränktes Verbreitungsrecht einräumt, wie dies im
vorliegenden Fall geschehen ist. Aus dem Blickwinkel des schweizerischen
Urheberrechts ist einzig entscheidend, ob die Werkexemplare mit Zustimmung
der Rechtsinhaberin veräussert worden sind, sei es im Inland oder
im Ausland (E. 2 hievor). Vertragliche Beschränkungen übertragener
Verbreitungsrechte können daher nur schuldrechtliche Verpflichtungen
gegenüber dem Vertragspartner begründen. Es ist ausgeschlossen, sie -
im Sinne von Begrenzungen der Erschöpfung - Dritten entgegenzuhalten.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerinnen weisen zur Stützung des angefochtenen Urteils
zusätzlich auf eine von MARIANNE BIERI-GUT geäusserte Lehrmeinung hin.
Diese Autorin hält eine Ausnahme der von ihr sonst vertretenen
internationalen Erschöpfung dann für gerechtfertigt, wenn sowohl
der Schutzrechtsinhaber als auch die Konsumenten ein Interesse an der
Verhinderung von Parallelimporten hätten. Dies sei der Fall bei technisch
anspruchsvollen Erzeugnissen, bei welchen der Konsument eine besondere
Vertriebsqualität erwarte, die nur der autorisierte Händler erbringen
könne. Es gehe dabei um Kundendienstleistungen, d.h. um Zusatzleistungen
wie fachmännische Beratung, Instruktion, Montage, Service, Garantie,
Reparatur- und Ersatzteildienst (aaO, AJP 1996, S. 562). Nach Auffassung
der Klägerinnen handelt es sich bei den streitigen Videospielen angesichts
ihrer Komplexität und angesichts der angesprochenen Konsumentenkreise
- Kinder und Jugendliche im Alter von 7-15 Jahren - um technisch
anspruchsvolle Erzeugnisse. Die Zweitklägerin biete ihren jungen
Konsumenten fachmännische Beratung über ihre Hotline, die permanent von
zwei Mitarbeitern täglich bedient werde. Besonderer Beratungsbedarf
ergebe sich wegen parallelimportierter Spiele mit englischsprachigen
Spielanleitungen, die von den Kindern und Jugendlichen nicht verstanden
würden. Parallelimporteure seien nicht in der Lage, eine solche Hotline
zu unterhalten. Selbst nach der Ansicht von Bieri-Gut sei daher im
vorliegenden Fall die Anwendung der nationalen Erschöpfung gerechtfertigt.

    Mit dieser Argumentation werfen die Klägerinnen der Beklagten der
Sache nach vor, in schmarotzerischer Weise von den Zusatzleistungen zu
profitieren, welche die Zweitklägerin den Konsumenten der klägerischen
Videospiele erbringt. Für eine Berücksichtigung derartiger Gesichtspunkte
bietet aber das Urheberrecht keine Handhabe. Angesprochen ist vielmehr
die Frage, ob die beklagtischen Parallelimporte unter dem Blickwinkel des
Wettbewerbsrechts zulässig sind. Werden bestimmte Waren unter Umgehung
des offiziellen Vertriebssystems parallel importiert, so ist dies nach
der Rechtsprechung für sich allein selbst dann nicht wettbewerbswidrig,
wenn dabei Vertragsbrüche von Vertragshändlern ausgenützt werden (BGE 122
III 469 E. 7 S. 482 f.; 114 II 91 E. 4b S. 101 f., mit Hinweisen). Anders
verhält es sich nur, wenn dem Parallelimporteur eine Verleitung zum
Vertragsbruch (Art. 4 lit. a UWG; SR 241) nachgewiesen werden kann,
wofür vorliegend jegliche Anhaltspunkte fehlen. Daneben kann sich die
Unlauterkeit von Parallelimporten allenfalls auch aus anderen besonderen
Umständen ergeben, die das Vorgehen des Parallelimporteurs als Verstoss
gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BGE 114 II 91 E. 4a/dd und 4b
S. 100 f.) oder sich negativ auf den Wettbewerb auswirken (BGE 122 III
469 E. 10 S. 485). Auch davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede
sein. Insbesondere lässt sich aus dem blossen Umstand, dass die «Hotline»
der Zweitklägerin möglicherweise auch von Käufern parallelimportierter
Videospiele benutzt wird, nicht etwa schliessen, dass die Beklagte es
systematisch auf ein Schmarotzen an dieser Zusatzleistung der Zweitklägerin
angelegt hätte (vgl. LUCAS DAVID, Schweizerisches Wettbewerbsrecht,
3. Aufl. 1997, S. 102 Rz. 386); daran vermag auch nichts zu ändern,
dass es um technisch verhältnismässig anspruchsvolle Produkte geht.
Anhaltspunkte für negative Auswirkungen der klägerischen Parallelimporte
auf den Wettbewerb (vgl. BGE 122 III 469 E. 10b S. 486 f.) sind ebenfalls
nicht ersichtlich. Ein Wettbewerbsverstoss der Beklagten ist daher zu
verneinen.