Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 III 259



124 III 259

48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1998
i.S. X. AG gegen Verwaltungsgericht (III. Kammer) des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 98a OG; Art. 927 Abs. 3 OR; Art. 14 der Verordnung über die
Gebühren für das Handelsregister; Rechtsschutz in Handelsregistersachen;
Instanzenzug; Kosten.

    Art. 98a OG verlangt auch in Handelsregistersachen zwingend eine
gerichtliche Kontrolle (E. 2).

    Eine kantonale Rechtsmittelordnung, welche in Handelsregistersachen
zunächst eine administrative und anschliessend eine richterliche Aufsicht
vorsieht, ist nicht bundesrechtswidrig (E. 3).

    Die Spruchgebühr im kantonalen Rechtsmittelverfahren bemisst sich
ausschliesslich nach Art. 14 der Verordnung über die Gebühren für das
Handelsregister (E. 4).

Sachverhalt

    Am 24. Juni 1997 meldeten die im Kanton Zürich domizilierten
Beschwerdeführerinnen beim Zürcher Handelsregisteramt verschiedene
gesellschaftsrechtliche Vorgänge zur Eintragung an. In drei Schreiben
vom 18. und 23. September 1997 teilte das Handelsregisteramt den
Gesellschaften mit, dass die Eintragungen zufolge verschiedener, in
den Schreiben näher beschriebener Mängel einstweilen zurückgestellt
würden. Gleichzeitig forderte es sie auf, zwecks Bereinigung dieser Mängel
die erforderlichen Unterlagen nachzureichen.

    Mit Beschwerde vom 2. Oktober 1997 beantragten die
Beschwerdeführerinnen dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, die
nachgesuchten Eintragungen ins Handelsregister aufzunehmen, eventualiter
die Beschwerde zur materiellen Behandlung an die Justizdirektion des
Kantons Zürich zu überweisen und den allfälligen Unzuständigkeitsentscheid
mittels selbständig anfechtbarer Zwischenverfügung zu eröffnen.

    Mit Beschluss vom 24. Oktober 1997 trat das Verwaltungsgericht
(III. Kammer) mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges auf die Beschwerde
nicht ein und überwies die Sache zur Durchführung des handelsregisterlichen
Beschwerdeverfahrens an die Justizdirektion des Kantons Zürich.

    Die Beschwerdeführerinnen gelangen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ans Bundesgericht und beantragen, den Beschluss des Verwaltungsgerichts
aufzuheben, eventualiter die angefochtene Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.--
unter das gesetzliche Maximum von Fr. 1'500.-- herabzusetzen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Kostenpunkt teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 927 Abs. 3 OR haben die Kantone die Amtsstellen,
denen die Führung des Handelsregisters obliegt, und eine kantonale
Aufsichtsbehörde zu bestimmen. In einem Entscheid aus dem Jahre 1974
erklärte das Bundesgericht die im Kanton Bern geltende Regelung eines
zweistufigen Rechtsschutzes in Handelsregistersachen für bundesrechtswidrig
(BGE 100 Ib 455 E. 2). Begründet wurde diese Auffassung einerseits mit
dem Bedürfnis nach vermehrter Vereinheitlichung der Rechtsanwendung
und anderseits damit, dass das Bundesrecht die Kantone - anders als im
Vormundschafts- oder Grundbuchrecht - nicht ermächtige, eine zweistufige
Rechtsmittelordnung vorzusehen. Es sei den Kantonen lediglich freigestellt,
als Aufsichtsbehörde eine Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde vorzusehen
(BGE 100 Ib 455 E. 2; vgl. auch HIS, Berner Kommentar, N. 24 zu Art. 927
OR; BBl 1928 I 304).

    Mit der Revision des Bundesrechtspflegegesetzes vom 4. Oktober 1991
und der Einführung von Art. 98a OG hat sich die Rechtslage insoweit
geändert, als die Kantone nun zwingend eine gerichtliche Kontrolle
in Handelsregistersachen vorzusehen haben. Gewisse Autoren - und mit
ihnen die Beschwerdeführerinnen - wollen den Rechtsschutz nun auf eine
ausschliesslich zuständige gerichtliche Instanz im Kanton beschränken
(MARTIN ECKERT, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht,
N. 13 zu Art. 927 OR), oder erwägen - nebst der Legalisierung
eines doppelten Rechtsschutzes mittels entsprechender Anpassung von
Art. 927 OR - als zusätzliches Modell die Aufteilung von Aufsichts-
und Rechtsmittelfunktionen auf Verwaltungs- und Gerichtsbehörden
(MICHAEL GWELESSIANI, Eine Auswirkung der Revision des BG über die
Organisation der Bundesrechtspflege auf das Rechtsmittelwesen, in:
Jahrbuch für das Handelsregister, Zürich 1993, S. 86). Demgegenüber
erachtet das Verwaltungsgericht des Kantons Bern in einem mit der
I. Zivilabteilung des Bundesgerichts geführten Meinungsaustausch einen
zweistufigen Rechtsschutz als mit dem Bundesrecht vereinbar. So könne
nach der Revision des OG vom 4. Oktober 1991 nicht mehr daran festgehalten
werden, dass im Kanton Bern Entscheide der Justizdirektion - wie noch in
BGE 100 Ib 455 f. angenommen - direkt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht angefochten werden könnten. Da Art. 98a OG auf
derselben Normstufe wie Art. 927 Abs. 3 OR stehe, seien die Kantone
von Bundesrechts wegen verpflichtet, richterliche Behörden als letzte
kantonale Instanz zu bestellen, soweit deren Entscheide unmittelbar beim
Bundesgericht angefochten werden könnten. Würden die Aufsichtsfunktionen
in Handelsregistersachen durch Administrativbehörden wahrgenommen, müssten
deren Entscheide zusätzlich durch ein kantonales Gericht überprüft werden
können. Die bundesrechtlich bezweckte Rechtsvereinheitlichung innerhalb
der Kantone werde mit einer solchen Rechtsmittelordnung nicht vereitelt
(zustimmend: MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz vom 23. Mai
1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern [VRPG], N. 44 zu
Art. 78 VRPG). Zudem sei das Verwaltungsgericht als oberinstanzliches
Gericht mit seiner Rechtsprechungskompetenz als Kernfunktion für die
Wahrnehmung von Aufsichtspflichten gegenüber den Handelsregisterämtern
wenig geeignet. Dieser anlässlich eines Beschwerdeverfahrens vor
Bundesgericht vertretenen Auffassung schloss sich das beschwerdeführende
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement an und zog daraufhin, mangels
Ausschöpfung des kantonsinternen Instanzenzuges, die Beschwerde zurück.

Erwägung 3

    3.- a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus,
d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundelegenden Wertungen
auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt
werden. Die Auslegung ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers
auszurichten, welche mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente
ermittelt werden muss. Dabei befolgt das Bundesgericht einen
pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt namentlich ab, die einzelnen
Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen
(BGE 123 III 24 E. 2a S. 26).

    b) Das Obligationenrecht in der Fassung vom 14. Juni 1881 liess nach
Art. 859 Abs. 3 aOR eine Mehrzahl von Aufsichtsbehörden (z.B. für jeden
Registerbezirk) zu (HIS, Berner Kommentar, N. 24 zu Art. 927 OR). Daran
änderte das von den eidgenössischen Räten am 30. März 1911 genehmigte,
am 1. Januar 1912 in Kraft getretene, jedoch nur teilrevidierte
(Art. 1-551 OR) und als fünfter Teil dem Zivilgesetzbuch angefügte
Obligationenrecht nichts. Der dem Parlament vom Bundesrat präsentierte
Gesetzesentwurf vom 21. Februar 1928 überliess es wiederum den Kantonen,
"die Behörden zu bestimmen, denen die Führung des Handelsregisters
und die Aufsicht über die Registerführung obliegt" (Art. 912 Abs. 2
EOR). In seiner Botschaft äusserte der Bundesrat seine Bedenken an
einer bezirksweisen Registerführung und seinen Wunsch nach deren
Vereinheitlichung, verzichtete aber aus der Überlegung heraus, dass
"solche organisatorische Verbesserungen auf unverhältnismässigen und
nicht ungefährlichen Widerstand stossen", auf deren Verbot (Art. 912
Abs. 3 EOR; BBl 1928 I 303 und 304). Auf Antrag der ständerätlichen
Kommission wurde Art. 912 EOR in den heute geltenden Wortlaut abgeändert
und schliesslich - nach Bereinigung des Gesetzestextes durch die
Redaktionskommission - als Art. 927 OR in Kraft gesetzt. Wie den
Ausführungen des ständerätlichen Berichterstatters entnommen werden kann,
verfolgten die Revisionsbestrebungen nicht das Ziel, die in den Kantonen
verbreitet anzutreffende bezirksweise Registerführung zugunsten einer
vereinheitlichten Organisationsstruktur aufzulösen. Hingegen sollte -
als Gegengewicht - eine kantonale Aufsichtsbehörde bezeichnet werden
(Sten.Bull. 1932 S 58).

    Der entstehungszeitliche Sinn von Art. 927 Abs. 3 OR lag somit darin,
den Kantonen eine gewisse Organisationsautonomie in der Registerführung zu
belassen, hingegen - und im Unterschied zur altrechtlichen Regelung - die
Aufsicht zu zentralisieren und so die Rechtsanwendung zu vereinheitlichen.
Diese, auch nach objektiv-zeitgemässem Verständnis massgebliche ratio
legis wird durch eine zweistufige kantonale Rechtsmittelordnung mit
zunächst administrativer und nachgeschalteter richterlicher Aufsicht
nicht vereitelt. Im Unterschied zur Rechtslage vor Inkrafttreten von
Art. 98a OG am 15. Februar 1992 sind die Kantone jetzt verpflichtet, eine
gerichtliche Kontrolle in Handelsregistersachen vorzusehen. Als jüngere
Bestimmung geht Art. 98a OG derjenigen gemäss Art. 927 Abs. 3 OR insoweit
vor, als die Kantone nicht mehr ausschliesslich Administrativbehörden
mit dem Rechtsschutz betrauen können (lex posterior derogat legi
priori; BGE 123 II 534 E. 2c). Dass damit diejenigen Kantone, welche
ihre Aufsicht bisher rein administrativ organisiert haben (Nachweise
bei PATRY, SPR VIII/1, S. 126 FN 16-18), gezwungen werden sollten,
diese Aufgaben einer richterlichen Instanz zu übertragen, entspricht
nicht dem richtig verstandenen Sinn einer zweckmässigen kantonalen
Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben. Einen solchen Eingriff in
die durch Art. 927 Abs. 3 OR gewährleistete Organisationsautonomie der
Kantone erfordert die bundesrechtlich beabsichtigte Vereinheitlichung
der Rechtsanwendung nicht. Zudem erlaubt auch Art. 3 Abs. 4bis
der per 1. Januar 1998 revidierten Handelsregisterverordnung einen
zweistufigen Instanzenzug in Handelsregistersachen, sofern - wie im
Kanton Zürich - keine gerichtliche Instanz als Aufsichtsbehörde bestimmt
ist. Insoweit ist auch aus gesetzessystematischen Gründen eine zweistufige
Rechtsmittelordnung zuzulassen (vgl. MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar,
N. 188 zu Art. 1 ZGB). Wohl ist den Beschwerdeführerinnen, wie dies auch
das Eidgenössische Amt für das Handelsregister einräumt, zuzugestehen,
dass eine Verlängerung des Rechtsweges insbesondere bei konstitutiven
Registereintragungen den Interessen der davon Betroffenen widersprechen
kann. Umgekehrt wird dadurch auch ihr Rechtsschutz auf kantonaler Ebene
ausgebaut; dies widerspricht der ratio legis von 927 Abs. 3 OR nicht.

    Erweist sich die Zürcher Regelung eines zweistufigen Rechtsmittelzuges
als bundesrechtskonform, ist auch der angefochtene Nichteintretensentscheid
des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden und die Beschwerde in diesem
Punkt abzuweisen.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerinnen rügen als bundesrechtswidrig,
dass das Verwaltungsgericht die vorinstanzliche Spruchgebühr
auf Fr. 2'000.-- festgesetzt habe, obwohl Art. 14 lit. b der
Verordnung über die Gebühren für das Handelsregister (GebV HReg; SR
221.411.1) einen maximalen Kostensatz von Fr. 1'500.-- vorsehe. Das
Verwaltungsgericht führt hierzu in seiner Vernehmlassung aus, der durch
Art. 14 GebV HReg vorgesehene Gebührenrahmen beziehe sich lediglich
auf das Verfahren vor der verwaltungsinternen Aufsichtsbehörde, nicht
aber auf dasjenige vor Verwaltungsgericht. Massgebend sei deshalb
das kantonale Recht. Unter Berücksichtigung des Aktienkapitals der
Beschwerdeführerinnen, des Aufwandes und der Art der Erledigung der Sache
mittels Nichteintretensbeschlusses verletze eine Gerichtsgebühr von Fr.
2'000.-- den durch das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz und die
Verordnung des Verwaltungsgerichts über die verwaltungsgerichtlichen
Gebühren gesetzten Rahmen nicht.

    Gestützt auf Art. 929 OR hat der Bundesrat die Verordnung über
die Gebühren für das Handelsregister erlassen. Dieser Tarif legt
bestimmte Gebühren für einzelne Verrichtungen sowohl der kantonalen
Ämter (Art. 1-12) wie auch der kantonalen Aufsichtsbehörden (Art. 13
und 14) und des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister (Art. 15)
fest, wobei er teils feste Beträge, teils Minimal- und Maximalansätze
nennt (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichtes vom 4. April 1997 in:
Jahrbuch des Handelsregisters, Zürich 1997, S. 144 f.). Ähnlich wie das
Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (vgl. Art. 16 SchKG; Verordnung zum
Gebührentarif [SR 281.35]) bestimmt somit auch in Handelsregistersachen das
Bundesrecht, ob und in welcher Höhe Gebühren erhoben werden dürfen. Einen
Vorbehalt zugunsten einer kantonalen Gebührenordnung macht die
Handelsregisterverordnung dabei nicht, weshalb von einer abschliessenden
bundesrechtlichen Tarifregelung auszugehen ist. Selbst wenn Raum für
kantonales Ausführungsrecht bliebe, bedarf solches nach Art. 1 Abs. 4 HRegV
der Genehmigung durch den Bund. Dass die Kantone nunmehr berechtigt sind,
eine zweistufige Rechtsmittelordnung in Handelsregistersachen vorzusehen,
berechtigt sie nach geltendem Recht nicht, für die obere Aufsichtsbehörde
kantonale Gebührenansätze zu veranschlagen. Gründe für eine diesbezügliche
Ungleichbehandlung von Kantonen mit nur einer - richterlichen -
Aufsichtsbehörde und solchen mit verlängertem Instanzenzug sind nicht
ersichtlich. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dadurch gestützt, dass
der Bundesrat mit der Schaffung von Art. 3 Abs. 4bis HRegV (in Kraft
seit 1. Januar 1998) und der den Kantonen damit ausdrücklich eröffneten
Möglichkeit, in Handelsregistersachen eine zweistufige Rechtsmittelordnung
vorzusehen, nicht gleichzeitig die Gebührenordnung im Aufsichtsverfahren
angepasst hat (vgl. AS 1997 S. 2233).

    Damit bemisst sich die Spruchgebühr im kantonalen Aufsichtsverfahren
nach Art. 14 GebV HReg und beträgt - je nach Bedeutung der Verfügung und
Arbeitsaufwand - maximal Fr. 1'500.-- (Art. 14 lit. b GebV HReg, Art. 929
Abs. 2 OR). Vorliegend beschränkte sich der Streitgegenstand zwar auf
die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, doch war zu einer
grundsätzlichen Rechtsfrage Stellung zu beziehen. Vor diesem Hintergrund
ist eine kantonale Spruchgebühr von Fr. 1'000.-- angemessen und das
angefochtene Dispositiv entsprechend zu korrigieren (Art. 114 Abs. 2 OG).