Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 III 229



124 III 229

43. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Mai 1998 i.S. E.Q.
und P.Q. gegen Helsana Versicherungen AG (Berufung) Regeste

    Art. 47 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG); Art. 102 Abs. 2 Satz
4 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG); Prämienfestsetzung
im Bereich der Zusatzversicherung.

    Streitigkeiten betreffend die Prämienfestsetzung bei freiwilligen
Zusatzversicherung sind vom Zivilrichter zu entscheiden (Art. 47 Abs. 1
VAG); die präventive Kontrolle der Tarife durch die Verwaltung schliesst
die nachträgliche Prämienfestsetzung durch den Zivilrichter nicht aus
(E. 2).

    Die Versicherungen sind berechtigt, die Prämien entsprechend dem
Risiko des Versicherten festzusetzen, und sind nicht verpflichtet, eine
Prämienreduktion aufgrund der unter dem früheren Recht zurückgelegten
Versicherungszeiten zu gewähren. Eine solche Verpflichtung besteht nur,
wenn der Prämientarif auch unter dem neuen Recht auf die zurückgelegten
Versicherungszeiten Rücksicht nimmt (Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG) (E. 3).

Sachverhalt

    Die Eheleute U.Q. und V.Q., beide geboren 1922, sind langjährige
Mitglieder der Helsana Versicherungen AG (vormals Krankenkasse
Helvetia). In der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 waren
U.Q. und V.Q. u.a. auch in der Krankenpflege-Zusatzversicherung "BASIS
TOP" versichert; die Prämien wurden nach dem Eintrittsalter berechnet,
so dass U.Q. und V.Q. in der Altersgruppe 30 eingereiht waren. Im
Zusammenhang mit der Revision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes
(KUVG 1911) mussten die bis dahin nach dem Krankenversicherungsrecht
geführten Zusatzversicherungen dem revidierten Krankenversicherungsgesetz
(KVG 1994) angepasst und gleichzeitig dem Privatversicherungsrecht
unterstellt werden. Die Krankenkasse Helvetia passte die
Krankenpflege-Zusatzversicherungen per 1. Januar 1996 dem neuen Recht an,
wobei die bisherige Zusatzversicherung "BASIS TOP" in zwei neue Produkte
aufgeteilt wurde, nämlich die "TOP" Krankenpflege-Zusatzversicherung für
spezielle Leistungen und die "SANA" Krankenpflege-Zusatzversicherung
für Prävention und Komplementärmedizin. Die Prämien in den beiden neu
gestalteten Krankenpflegeversicherungen wurden neu nicht mehr nach dem
Eintrittsalter der Versicherten, sondern nach dem aktuellen Lebensalter
berechnet; U.Q. und V.Q. wurden in die höchste Altersgruppe - Lebensalter
mehr als 71 Jahre - eingeteilt, was eine entsprechende Prämienerhöhung
zur Folge hatte.

    Am 20. August 1996 erhoben U.Q. und V.Q. beim Appellationshof des
Kantons Bern Klage gegen die Helvetia Krankenkasse und beantragten
im wesentlichen, die Krankenkasse sei zu verpflichten, ihnen für die
Zusatzversicherungen "TOP" und "SANA" Versicherungsverträge anzubieten,
die mindestens den bisherigen Umfang des Versicherungsschutzes gewähren;
zudem seien bei der Festsetzung der Prämien die unter früherem Recht
zurückgelegten Versicherungszeiten anzurechnen, indem ihnen eine vom
Lebensalter unabhängige, jedoch das Eintrittsalter in die Versicherung
berücksichtigende Altersgruppeneinteilung gewährt werde. Eventuell seien
die Prämien auf maximal das 1,4fache jener einer höchstens 26-30 Jahre
alten Person zu begrenzen. Subeventuell seien ihnen Entschädigungen
für zuviel bezahlte Prämien zu bezahlen, d.h. Fr. 8'537.05 an V.Q. und
Fr. 11'560.70 an U.Q. In ihrer Klageantwort beantragte die Helvetia
Krankenkasse sinngemäss, auf die Klage nicht einzutreten, da das
angerufene Gericht sachlich nicht zuständig sei. Eventualiter sei die
Klage abzuweisen. Mit Urteil vom 17. Juni 1997 hat der Appellationshof
des Kantons Bern die Klage zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil erhoben
U.Q. und V.Q. beim Bundesgericht Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In seinem Rückweisungsentscheid führte der Appellationshof des
Kantons Bern im wesentlichen aus, dass die Tarife der Bewilligungspflicht
der Aufsichtsbehörden unterlägen, diese Verfügungen veröffentlicht würden
und bei der Rekurskommission für die Aufsicht über die Privatversicherung
angefochten werden könnten; gegen den Rekursentscheid stehe unter
bestimmten Voraussetzungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans
Bundesgericht zur Verfügung. Die Tarifgestaltung unterliege somit nicht
der Überprüfung durch die Zivilgerichte.

    a) Zunächst stellt sich die Frage, ob überhaupt eine berufungsfähige
Zivilrechtsstreitigkeit im Sinn von Art. 46 OG vorliegt. Als solche
versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen
zwei und mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer
Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen
Personen und einer Behörde, die nach Bundesrecht die Stellung einer
Partei einnimmt. Dieses Verfahren bezweckt die endgültige Regelung
zivilrechtlicher Verhältnisse. Dabei ist nicht entscheidend, welchen
Rechtsweg die kantonale Behörde eingeschlagen hat; vorausgesetzt ist
nur, dass die Parteien Ansprüche aus Bundeszivilrecht erhoben haben
und ebensolche objektiv streitig sind (BGE 123 III 346 E. 1a S. 349
mit Hinweisen).

    b) Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März
1994 (KVG; SR 832.10) regelt die soziale Krankenversicherung, welche
die obligatorische Kranken- und eine freiwillige Taggeldversicherung
umfasst (Art. 1 Abs. 1 KVG); das Versicherungsverhältnis untersteht
dem öffentlichen Recht. Das frühere, bis 31. Dezember 1995 gültige
Krankenversicherungsrecht (KUVG vom 13. Juni 1911) umfasste die von
den Krankenkassen angebotenen Zusatzversicherungen grundsätzlich
ebenfalls. Nach dem neuen KVG unterstehen die neben der sozialen
Krankenversicherung angebotenen Zusatzversicherungen dem Privatrecht,
womit auf sie nunmehr das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) anwendbar ist
(Art. 12 Abs. 3 KVG). Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen gelten daher
als zivilrechtlich und sind vom Zivilrichter zu entscheiden (Art. 47 Abs. 1
Versicherungsaufsichtsgesetz [VAG; SR 961.01]). So hat das Bundesgericht
kürzlich entschieden, dass es sich bei der Streitigkeit über die Frage,
ob die von der Krankenkasse angebotene Zusatzversicherung den nach
Art. 102 Abs. 2 Satz 3 KVG garantierten Versicherungsschutz gewähre,
um eine Zivilrechtsstreitigkeit handle (BGE 124 III 44 E. 1/a/aa und 2a).

    c) Gemäss Art. 8 Abs. 1 VAG haben Versicherungseinrichtungen, die eine
Bewilligung zum Geschäftsbetrieb erlangen wollen, der Aufsichtsbehörde
ein Gesuch mit dem Geschäftsplan einzureichen. Dieser muss u.a. die in
der Schweiz zu verwendenden genehmigungspflichtigen Tarife und ihre
Versicherungsmaterialien enthalten (Art. 8 Abs. 1 lit. f VAG). Im
Genehmigungsverfahren prüft die Aufsichtsbehörde aufgrund der von der
Versicherung vorgelegten Tarifberechnungen, ob sich die vorgesehenen
Prämien in einem Rahmen halten, der einerseits die Solvenz der einzelnen
Versicherungseinrichtungen und andrerseits den Schutz der Versicherten vor
Missbräuchen gewährleistet (Art. 20 VAG). Verfügungen der Aufsichtsbehörde
über Tarife können mit Beschwerde bei der Rekurskommission für die Aufsicht
über die Privatversicherung angefochten werden (Art. 45a Abs. 1 VAG); gegen
deren Entscheid steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht
zur Verfügung (Art. 45a Abs. 2 VAG). Diese Rechtslage entspricht im
übrigen Art. 99 lit. b OG, welche Bestimmung - als Gegenausnahme -
für privatrechtsgestaltende Verfügungen über Tarife auf dem Gebiet der
Privatversicherung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ermöglicht (BGE 99 Ib
51 E. 1a S. 53 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983,
S. 105).

    Diese präventive Kontrolle durch die Verwaltung schliesst indessen
- entgegen der Auffassung der Vorinstanz - eine nachträgliche Prüfung
durch den Zivilrichter nicht aus. So können Versicherungsbedingungen,
auch wenn sie vom Bundesamt für Privatversicherungswesen genehmigt sind,
vom Zivilrichter frei auf ihre Gesetzmässigkeit überprüft werden, ob sie
zwingenden Bestimmungen des VVG widersprechen, und der Zivilrichter ist
an den Genehmigungsentscheid nicht gebunden (BGE 100 II 453 E. 6 S. 461
ff.). Nicht anders ist der Zivilrichter frei, im konkreten Fall zu prüfen,
ob der Prämientarif, auch wenn er vom Bundesamt für Privatversicherungen
genehmigt wurde, den Anforderungen zwingender gesetzlicher Bestimmungen
widerspricht; dessen Entscheid unterliegt der Berufung ans Bundesgericht
(Art. 46 OG). Der erforderliche Streitwert ist offensichtlich erreicht,
da bei wiederkehrenden Leistungen von unbeschränkter Dauer vom Kapitalwert
auszugehen ist, der dem zwanzigfachen Betrag der einjährigen Leistung
entspricht (Art. 36 Abs. 5 und 6 OG). Die Vorinstanz hat die Klage
daher zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine
Zivilrechtsstreitigkeit vor, so dass die Berufung diesbezüglich
gutzuheissen ist.

    d) Der Appellationshof hat sich nur zur Zuständigkeitsfrage geäussert
und nicht in der Sache selbst entschieden. Dennoch rechtfertigt sich
ausnahmsweise, das Verfahren nicht zur Neuentscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen, sondern sogleich in der Sache zu entscheiden. Einerseits
sind die Tatsachenfeststellungen vollständig. Anderseits stand den Parteien
die Möglichkeit offen, ihren Standpunkt zur hier gestellten Rechtsfrage
darzulegen, von welcher Möglichkeit sie sowohl im kantonalen Verfahren als
auch im Verfahren vor Bundesgericht Gebrauch gemacht haben. Zu beachten
ist schliesslich auch, dass das Gesetz ein rasches Verfahren vorschreibt
(Art. 47 Abs. 2 VAG).

Erwägung 3

    3.- Zwischen den Parteien ist umstritten, ob die Beklagte berechtigt
ist, bei der Prämienberechnung für die Zusatzversicherung ausschliesslich
auf das aktuelle Lebensalter der Kläger abzustellen und die zurückgelegte
Versicherungszeit unberücksichtigt zu lassen. Gemäss Art. 11 der seit dem
1. Januar 1996 in Kraft stehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen
(AVB) der Helsana werden die Prämien dem Lebensalter der versicherten
Personen entsprechend angepasst. Die Maximalprämien für über 65jährige
Versicherte betragen das Dreifache und für über 70jährige das
Vierfache der Prämien für 30jährige. Bei den Taggeldversicherungen
darf die Maximalprämie ab Alter 60 das Fünffache der Prämien für
über 30jährige nicht übersteigen. Gemäss dieser Regelung ist für die
Prämienfestsetzung ausschliesslich das effektive Alter der Versicherten
massgebend. Demgegenüber spielen Eintrittsalter bzw. zurückgelegte
Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung keine Rolle. Die hier
umstrittenen Prämien wurden - dem Alter der Kläger entsprechend - nach
Massgabe der Altersgruppe der über 70jährigen berechnet.

    a) Im Bereich der privaten Krankenversicherung können die Prämientarife
unterschiedlich ausgestaltet sein. Möglich sind beispielsweise
gleiche Prämien für beide Geschlechter und alle Alter, wie dies
für die Grundversicherung vorgeschrieben ist (Art. 61 Abs. 1 KVG);
denkbar sind aber auch nach Geschlecht und Alter abgestufte Prämien,
sogenannte risikogerechte Prämien. Werden Prämien nicht entsprechend dem
für Geschlecht und Altersklasse bestehenden Erkrankungsrisiko festgelegt,
resultiert daraus ein mehr oder weniger grosser Solidaritätseffekt zwischen
Geschlechtern und Altersklassen (EIKE STEINMANN, Finanzierungssysteme in
der privaten Versicherung, in: Schweizerische Versicherungszeitschrift
1995, S. 218 f.). Bei den Zusatzversicherungen unter der Herrschaft
des KUVG entsprach es weit verbreiteter Praxis, die Prämien nach dem
Eintrittsalter abzustufen, d.h. bei der Bemessung der Prämien in der Regel
auch die zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen mit der
Folge, dass Versicherte aufgrund bereits zurückgelegter Versicherungszeiten
im Vergleich mit neuversicherten Personen gleichen Alters in den Genuss
einer entsprechend tieferen Prämie gelangten. Unter dem neuen Recht können
die Versicherungen das System risikogerechter Prämien zur Anwendung
bringen und damit den Prämientarif ausschliesslich nach dem effektiven
Alter und dem Geschlecht des Versicherten abstufen (BBl 1992 I S. 214;
PETER STREIT, Zusatzversicherungen nach Versicherungsvertragsgesetz:
Erfahrungen und Entwicklungen, in: Soziale Sicherheit 4/1997, S. 223). Da
die Krankheitshäufigkeit in der Regel mit dem Alter zunimmt, fallen
nach Altersklassen abgestufte Risikoprämien mit zunehmendem Alter
der Versicherten entsprechend höher aus. Allerdings steht es den
Krankenkassen auch unter dem neuen Recht frei, beim Prämientarif
zurückgelegte Versicherungszeiten zu berücksichtigen bzw. auf das
Eintrittsalter Rücksicht zu nehmen (BBl 1992 I S. 214) und insoweit
das System risikogerechter Prämien zu modifizieren. Diesfalls liegen
die Prämien langjähriger Versicherter unter den risikogerechten Prämien,
jene junger und neueintretender Mitglieder darüber.
   b) Umstritten ist, ob Krankenkassen verpflichtet sind, bei der
Prämiengestaltung langjährigen Versicherten die unter altem Recht
zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen und ihnen entsprechend
tiefere Prämien anzubieten, wenn bei der Prämienfestsetzung einzig auf
das individuelle Altersrisiko abgestellt wird. Entscheidend dafür ist
Art. 102 Abs. 2 KVG bzw. dessen Satz 4. Die Bestimmung lautet wie folgt:
       "Bestimmungen der Krankenkassen über Leistungen bei Krankenpflege,
       die
   über den Leistungsumfang nach Artikel 34 Absatz 1 hinausgehen
   (statutarische Leistungen, Zusatzversicherungen), sind innert
   eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes dem neuen Recht
   anzupassen. Bis zur

    Anpassung richten sich Rechte und Pflichten der Versicherten nach dem
   bisherigen Recht. Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihren Versicherten

    Versicherungsverträge anzubieten, die mindestens den bisherigen
Umfang des

    Versicherungsschutzes gewähren. Die unter dem früheren Recht
zurückgelegten

    Versicherungszeiten sind bei der Festsetzung der Prämien anzurechnen."

    Nach Auffassung der Beklagten bezieht sich die Pflicht zur
Anrechnung unter altem Recht zurückgelegter Versicherungszeiten nur auf
solche Versicherungsprodukte, die auch unter dem neuen Recht auf das
Eintrittsalter Rücksicht nehmen. Zur Begründung beruft sich die Beklagte
auf die entsprechende Passage der Botschaft (BBl 1992 I S. 214), welche
folgenden Wortlaut hat:

    "...Um die Fortführung des bisherigen Versicherungsschutzes zu
   gewährleisten, sind die Krankenkassen zu verpflichten, die bisher über
   das gesetzliche Minimum hinaus gewährten Leistungen auf vertraglicher
   Basis ungeschmälert weiterzuführen. Unter diese Garantie fällt
   allerdings nur der

    Umfang der versicherten Leistungen und nicht die Höhe der Prämien. Auch
im
   geltenden Recht besteht keine Garantie bezüglich der Prämienhöhe. Im

    Gegensatz zum geltenden Recht kann die Prämie aber auch nach dem
effektiven

    Alter abgestuft werden. Nimmt der Prämientarif nach neuem Recht
auch auf
   das Eintrittsalter Rücksicht, was in der Regel der Fall sein dürfte,
   so sind die unter dem alten Recht zurückgelegten Versicherungszeiten
   anzurechnen...."

    Die Kläger stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, Art. 102
Abs. 2 Satz 4 KVG verpflichte die Krankenkassen vorbehaltlos, die unter
altem Recht zurückgelegte Versicherungsdauer anzurechnen, und zwar
dessenungeachtet, ob sie sich unter dem neuen Recht für ein System
risikogerechter Prämien oder für ein System mit Berücksichtigung des
Eintrittsalters entschieden haben.

    c) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach Wortlaut,
Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen und Zielsetzungen
auszulegen; dabei hat sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten
zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt,
sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz;
gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge,
ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis (BGE 121
III 219 E. 1d/aa S. 224 f. mit Hinweisen; ERNST A. KRAMER, Juristische
Methodenlehre, Bern 1998, S. 161 ff.).

    aa) Die Äusserungen in der Literatur zur Tragweite von Art. 102
Abs. 2 Satz 4 KVG sind nicht eindeutig. RAYMOND SPIRA (Le nouveau
régime de l'assurance-maladie complémentaire, in: Schweizerische
Versicherungs-Zeitschrift 1995, S. 196) illustriert die Anwendung der in
Frage stehenden Bestimmung anhand des Beispiels einer beim Inkrafttreten
des KVG seit 20 Jahren versicherten Person, deren 20jährigen Mitgliedschaft
die Kasse Rechnung tragen müsse, woraus eine erhebliche Verminderung der
Prämie resultieren sollte im Vergleich zu einer neu versicherten Person
gleichen Alters; allerdings geht der Autor weder auf die Botschaft ein,
noch führt er aus, ob seinem Beispiel ein Tarif zugrundeliegt, der auch
unter dem neuen Recht auf die Versicherungszeiten bzw. das Eintrittsalter
Rücksicht nimmt. Auch VINCENT BRULHART (Quelques remarques relatives au
droit applicable aux assurances complémentaires dans le nouveau régime
de la LAMal, in: LAMal-KVG, Recueil des travaux en l'honneur de la
société suisse de droit des assurances, (IRAL) Lausanne 1997, S. 748
f.) und THOMAS LOCHER (Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Bern
1997, § 28 Rz. 3) vertreten die Auffassung, Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG
verpflichte die Krankenkassen, die unter dem früheren Recht zurückgelegten
Versicherungszeiten bei der Festsetzung der Prämien anzurechnen, so dass
langjährige Versicherte von tieferen Prämien profitieren müssten; aber auch
diese Autoren setzen sich mit der Botschaft nicht auseinander und legen
nicht dar, ob ihrer Annahme ein Tarif zugrundeliege, der auch unter dem
neuen Recht auf die Versicherungsdauer Rücksicht nimmt. Als einziger Autor
weist ALFRED MAURER (Verhältnis obligatorische Krankenpflegeversicherung
und Zusatzversicherung, in: LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur
de la société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 730
ff.) auf einen durch Auslegung nicht überbrückbaren Widerspruch
zwischen Gesetzestext und Botschaft hin und fordert, allein auf den
Gesetzestext abzustellen, der auf jeden Fall eine Berücksichtigung der
bisherigen Versicherungsdauer verlange, und zwar auch dann, wenn die neue
Zusatzversicherung nicht auf dieses Kriterium abstelle. Die gegenteilige
Meinung vertritt UELI KIESER (Die Neuordnung der Zusatzversicherungen
zur Krankenversicherung, AJP 1997, S. 16, insbes. Fn. 55): Den unter
früherem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten sei nur dann Rechnung
zu tragen, wenn die Prämie auch unter neuem Recht unter Berücksichtigung
dieses Gesichtspunktes ausgestaltet werde, wozu die Versicherungen
allerdings nicht verpflichtet seien; Kieser hebt hervor, dass mangels
entsprechender Äusserungen in der parlamentarischen Gesetzesberatungen
der Feststellung in der Botschaft Bedeutung zukomme. PETER STREIT (aaO, S.
225 f.) weist zunächst darauf hin, dass sich angesichts der Finanzierung
der Zusatzversicherung im Umlageverfahren eine Berücksichtigung bisheriger
Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung versicherungsmathematisch
nicht rechtfertigen lasse, und fährt sodann fort, dass die im Gesetz
vorgesehene Anrechnung bisheriger Versicherungszeiten als politisches
Zugeständnis zu werten sei. Den Materialien ist - abgesehen von der
erwähnten Passage in der Botschaft - nichts zur Tragweite von Art. 102
Abs. 2 Satz 4 KVG zu entnehmen; weder in der Expertenkommission noch
in den parlamentarischen Kommissionen (SPIRA, aaO, S. 195), noch in
den Beratungen des Parlamentes ist die Frage der Anrechnung bisheriger
Versicherungszeiten bei der Prämienfestsetzung thematisiert worden.

    bb) Art. 102 Abs. 2 KVG schliesst die Höhe und die Art der Bestimmung
der Prämie nicht in den Besitzstand ein (BBl 1992 I S. 214). Schon im
bisherigen Recht bestand hinsichtlich der Prämienhöhe keine Garantie und
waren den Versicherten keine wohlerworbenen Rechte erwachsen. Dennoch
gingen viele Versicherte von der Annahme aus, dass das System nicht
geändert werden würde und sie dereinst nach Jahren oder Jahrzehnten der
Mitgliedschaft den von der jüngeren Generation zugunsten der älteren
Versicherten entrichteten Solidaritätszuschlag ebenfalls einfordern und
ihrerseits von einer tieferen Prämie profitieren könnten.

    Nun gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass während der
zurückgelegten Versicherungsdauer keine individuelle Vorfinanzierung
einer künftigen - durch steigendes Erkrankungsrisiko erhöhten - Belastung
stattgefunden hat, wie es einem Kapitaldeckungsverfahren entsprechen
würde. Vielmehr sind die Zusatzversicherungen der Krankenkassen unter
dem alten Krankenversicherungsrecht nach dem Umlageverfahren finanziert
worden; dies bedeutet, dass die Prämieneinnahmen eines bestimmten Jahres
in der Finanzierung der Krankheitskosten des gleichen Jahres aufgingen,
weshalb die Bildung individueller Altersrückstellungen, die eingefordert
werden könnten, unter dem alten System gar nicht möglich war (STREIT,
aaO, S. 225; STEINMANN, aaO, S. 218 f.). Eine Anrechnung vergangener
Versicherungsjahre wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn während dieser
Zeit vom Versicherten Vorauszahlungen zur Finanzierung von individuellen
Altersrückstellungen erbracht worden wären; erfolgt die Finanzierung
demgegenüber im Umlageverfahren, entbehrt die Anrechnung zurückgelegter
Versicherungszeiten einer versicherungsmathematischen Grundlage (STREIT,
aaO, S. 225).

    Weiter ist zu berücksichtigen, dass es den Krankenkassen im Bereich
der privaten Zusatzversicherung freigestellt ist, ob sie die Versicherten
ausschliesslich nach Altersklassen einteilen und risikogerechte Prämien
verlangen oder ob sie dieses System durch Berücksichtigung zurückgelegter
Versicherungszeiten bzw. des Eintrittsalters modifizieren wollen;
es ist den Kassen aber auch freigestellt, in welchem Umfang sie dies -
gegebenenfalls - verwirklichen wollen, wie es ihnen überhaupt überlassen
bleibt, in ihrem Angebot Zusatzversicherungen zu führen. In jedem Fall
zurückgelegte Versicherungszeiten zu berücksichtigen und langjährigen
Versicherten tiefere Prämien anzurechnen, würde aber bedeuten, dass
die Krankenkassen im Rahmen der privaten Krankenversicherung in ihrer
Freiheit prinzipiell eingeschränkt wären, eine Finanzierung über das
System der risikogerechten Prämien zu verwirklichen, und liefe dieser
übergeordneten Zielsetzung des neuen Rechts zuwider; da nach dem früheren
Umlageverfahren keine Altersrückstellungen gemacht wurden, könnte die
Berücksichtigung zurückgelegter Versicherungszeiten nur über die Anhebung
risikogerechter Prämien für jüngere und neueintretende Versicherte
finanziert werden. Ein solches Modell, das auf einem Solidaritätstransfer
zwischen den Altersgruppen basiert, wäre indessen nur mit einem Paket von
Zwangsmassnahmen realisierbar gewesen (STREIT, aaO, S. 223 f.). Darauf
hat der Gesetzgeber mit der Unterstellung der Zusatzversicherung unter
das Privatrecht aber bewusst verzichtet. Dies macht deutlich, dass
Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG nicht die Bedeutung beigemessen werden kann,
die Krankenkassen zu verpflichten, die Prämien in jedem Fall - d.h. völlig
ungeachtet des von ihnen gewählten Prämiensystems - unter Berücksichtigung
der unter altem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten festzusetzen.

    Ein weiteres Indiz für die eingeschränkte Bedeutung der
umstrittenen Bestimmung bildet schliesslich der Umstand, dass die
Frage der Berücksichtigung zurückgelegter Versicherungszeiten bei der
Prämienfestsetzung nicht justiziabel ist, wenn nicht der Prämientarif dazu
die nötigen Kriterien liefert. Infolge Fehlens eines objektiven Massstabes
ist es nicht möglich, die Anrechnung vergangener Versicherungszeiten
mit mathematischen Methoden zu beurteilen (STREIT, aaO, S. 225). Die
notwendigen Kriterien liegen nur dann vor, wenn die Versicherungen auch
unter dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nehmen, wozu
sie aber nicht verpflichtet sind. Auch Alfred Maurer, der sich für eine
ausnahmslose Berücksichtigung der zurückgelegten Versicherungsdauer bei
der Prämienfestsetzung ausspricht, hat darauf hingewiesen, dass nach dem
Gesetz unklar sei, unter welchen Voraussetzungen - ob nur bei langer oder
auch bei kurzer Dauer - und namentlich auf welche Weise die Anrechnung
erfolgen soll (aaO, S. 731, Fn. 31).

    cc) Aus diesen Gründen verschafft das Übergangsrecht keinen
generellen Anspruch darauf, dass zurückgelegte Versicherungszeiten zu
einer Prämienreduktion führen. Hingegen ist Art. 102 Abs. 2 Satz 4 KVG
so zu verstehen - und steht insoweit auch mit der Zielsetzung des KVG in
Einklang -, dass unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten von
den Versicherungen dann anzurechnen sind, wenn der Prämientarif auch unter
dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nimmt. Zwar dürfte es
auch diesfalls an der versicherungsmathematischen Rechtfertigung fehlen,
unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen. Doch
unterziehen sich Versicherungen dieser Anrechnung insoweit aus
freien Stücken, als sie sich dafür entscheiden, auch unter dem neuem
Recht bei der Prämienfestsetzung zurückgelegte Versicherungszeiten
grundsätzlich als Faktor zu berücksichtigen und insoweit das System
risikogerechter Prämien nicht konsequent zu verwirklichen. Diesfalls
verfügt die Versicherung aber auch über die Anrechnungskriterien, um
die Prämienreduktion zu berechnen. Im übrigen ist die so zu verstehende
Übergangsbestimmung - entgegen der Auffassung der Kläger - auch keineswegs
überflüssig bzw. sinnlos, bestünde doch ansonsten für Krankenkassen,
die auch nach dem neuen Recht auf das Eintrittsalter Rücksicht nehmen,
gerade wegen des früheren Finanzierungssystems kein Anlass, diesen
Prämienvorteil auch hinsichtlich der unter altem Recht zurückgelegten
Versicherungszeiten anzurechnen und es nicht dabei bewenden zu lassen,
ihn nur ab Umstellung des Systems zu gewähren. Zusammenfassend ergibt sich,
dass unter altem Recht zurückgelegte Versicherungszeiten anzurechnen sind,
wenn Versicherungszeiten bzw. das Eintrittsalters generell einen bei
der Prämienfestsetzung zu berücksichtigenden Faktor bilden, nicht aber,
wenn diese Gesichtspunkte für die Festlegung der Prämien grundsätzlich
keine Rolle spielen. Da die Helsana das Kriterium der zurückgelegten
Versicherungsdauer bzw. des Eintrittsalters unberücksichtigt lässt und
keine Verpflichtung zur Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes besteht,
ist die Prämienfestsetzung nicht zu beanstanden; die Klage ist daher
sowohl im Haupt- als auch im Eventualstandpunkt unbegründet.

    d) Nach dem Gesagten erweist sich aber ohne weiteres auch das
Subeventualbegehren als unbegründet, mit welchem die Rückzahlung von
Fr. 8'537.05 für den Kläger und von Fr. 11'560.70 für die Klägerin
verlangt wird. Die Kläger gehen fehl in der Annahme, dass für die
Versicherten ein individuelles "Prämiendepot für später" eingerichtet
wurde, dessen Ausbezahlung sie nun nach dem Systemwechsel beanspruchen
können. Wie erläutert wurden die Zusatzversicherungen unter dem alten
Recht nach dem Umlageverfahren finanziert, so dass keine individuellen
Altersrückstellungen gebildet wurden (vgl. E. 3c/bb). Damit besteht aber
offensichtlich kein Anspruch auf angeblich zuviel bezahlte Prämien.