Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 124 III 215



124 III 215

40. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom
4. Mai 1998 i.S. P. GmbH (Beschwerde) Regeste

    Art. 268 ff. OR; Art. 37 Abs. 2 SchKG und Art. 206 SchKG.

    Das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen (Art. 268
ff. OR) wird wegen Art. 37 Abs. 2 SchKG betreibungsrechtlich zwar als
Faustpfand betrachtet, und demzufolge ist die Retention durch Betreibung
auf Pfandverwertung zu prosequieren. Doch kann das Retentionsrecht nicht
der Pfandbestellung durch einen Dritten gleichgestellt werden, welche
nach der Ausnahmeregelung des Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG im
Konkurs des Schuldners die Aufhebung der Betreibung verhindert (E. 1).

    Fällt der Mieter in Konkurs, so muss der Vermieter von Geschäftsräumen
seine Forderung und das Retentionsrecht im Konkurs anmelden (E. 2a).

Sachverhalt

    Die P. GmbH, welche H. Geschäftsräume vermietet hatte, liess für
ausstehende Mietzinse Gegenstände des Mieters retinieren und leitete
gegen diesen die Betreibung ein. Vor der Verwertung wurde indessen über
den Mieter der Konkurs eröffnet. Die Konkursverwaltung anerkannte einige
Dritteigentumsansprüche und schied die entsprechenden Retentionsgegenstände
aus.

    Mit Verfügung vom 18. November 1997 wies das Betreibungsamt Kirchberg
ein Gesuch der P. GmbH, bezüglich der ausgeschiedenen Retentionsgegenstände
das Widerspruchsverfahren einzuleiten, ab. Zur Begründung berief sich das
Betreibungsamt auf Art. 206 Abs. 1 SchKG (sowie Art. 53 KOV [SR 281.32]
und BGE 99 III 12).

    Über diese Verfügung beschwerte sich die P. GmbH beim Gerichtspräsidium
Alttoggenburg als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung
und Konkurs. Sie machte insbesondere geltend, dass die retinierten
Gegenstände als Pfand eines Drittpfandeigentümers im Sinne von Art. 206
Abs. 1 zweiter Satz SchKG zu betrachten seien und dass deshalb die von
ihr eingeleiteten Betreibungen nicht aufgehoben seien.

    Das Bezirksgericht Alttoggenburg wies die Beschwerde am 21. Januar
1998 ab. Denselben Entscheid fällte am 18. März 1998 das Kantonsgericht
St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung
und Konkurs.

    Auch die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts wies
die in der Folge bei ihr erhobene Beschwerde der P. GmbH ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach der grundsätzlichen Vorschrift von Art. 206 Abs.
1 SchKG werden mit der Konkurseröffnung alle gegen den Schuldner hängigen
Betreibungen aufgehoben und können neue Betreibungen für Forderungen, die
vor der Konkurseröffnung entstanden sind, während des Konkursverfahrens
nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind - gemäss dem zweiten Satz
dieser Bestimmung, welcher mit der Revision vom 16. Dezember 1994 in das
Gesetz aufgenommen worden ist (vgl. BBl 1991 III 121 f.) - Betreibungen
auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.

    Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die von ihr zur
Prosequierung der Retention eingeleiteten Betreibungen seien jenen auf
Verwertung von Pfändern im Sinne von Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG
gleichzustellen, und begründet dies damit, dass ein Eigentumsvorbehalt
an den retinierten Gegenstände eingetragen sei. Diese Meinung hat das
Kantonsgericht St. Gallen verworfen.
   b) Der Rechtsauffassung der Vorinstanz ist beizupflichten:

    Das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen (Art. 268
ff. OR) wird wegen Art. 37 Abs. 2 SchKG betreibungsrechtlich zwar als
Faustpfand betrachtet, und demzufolge ist die Retention durch Betreibung
auf Pfandverwertung zu prosequieren (AMONN/GASSER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 32 N. 6, §
34 N. 2; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne
1993, S. 86, 111, 113, 363; HIGI, Kommentar, N. 89 und 95 zu Art. 268-268b
OR). Damit ausnahmsweise eine Betreibung mit der Konkurseröffnung nicht
aufgehoben wird, muss jedoch das Pfand von einem Dritten bestellt worden
sein. Das hat die Rechtsprechung schon unter altem Recht verlangt (BGE
121 III 93 E. 1, mit Hinweisen); und die jetzt geltende Vorschrift des
Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG ist denn auch nichts anderes als die
Festschreibung der Praxis.

    Nun hat aber die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren
selber erklärt, dass an den hier zur Diskussion stehenden Gegenständen
ein Eigentumsvorbehalt geltend gemacht werde; und eine entsprechende
Feststellung ist im kantonalen Verfahren denn auch getroffen worden. Von
der Pfandbestellung durch einen Dritten kann somit keine Rede sein.

    c) Die Beschwerdeführerin übersieht vorab, dass sie die Weiterführung
der von ihr eingeleiteten Betreibungen nicht unter Berufung auf die
Rechte jener Gläubiger verlangen kann, die einen Eigentumsvorbehalt haben
eintragen lassen; denn nur diese Gläubiger wären zur Geltendmachung
der daraus abgeleiteten Rechte legitimiert. Sodann verkennt die
Beschwerdeführerin, dass der Eigentumsvorbehalt - wie gesagt - etwas
grundsätzlich anderes ist als die Pfandbestellung durch einen Dritten. Aus
diesem Grund kann sie nichts zu ihren Gunsten aus dem BGE 121 III 93
vorangestellten Leitsatz ableiten, der von einem "Gegenstand der einem
Dritten gehört" ("un objet appartenant à un tiers") spricht. Sollte aber
die Beschwerdeführerin dieses Kriterium auf ihr eigenes Rechtsverhältnis
zum Gläubiger anwenden wollen, so muss sie zur Kenntnis nehmen, dass die
Retention des Vermieters von Geschäftsräumen den Besitz nicht voraussetzt
(HIGI, Kommentar, N. 12 zu Art. 268-268b OR; ZIHLMANN, Das Mietrecht,
2. Auflage Zürich 1995, S. 120).

    Insoweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 206 SchKG
geltend macht, erweist sich somit ihre Beschwerde als unbegründet. Dem
Rechtsbegehren Ziff. 1, dass das Betreibungsamt K. anzuweisen sei,
die von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibungen fortzusetzen,
kann nicht stattgegeben werden.

Erwägung 2

    2.- a) Ins Leere fällt damit das Rechtsbegehren Ziff. 2 der
Beschwerdeführerin, dass das Betreibungsamt anzuweisen sei, das
Widerspruchsverfahren durchzuführen.

    Wie schon die Vorinstanz der Beschwerdeführerin erklärt hat, muss
diese ihre Forderung und das Retentionsrecht im Konkurs des H. anmelden
(Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem
Recht, Band II, Zürich 1993, § 63 Rz. 27, mit Hinweis auf BGE 43 III
335). Insoweit Eigentumsvorbehalt angemeldet worden ist, hat - worauf
zur Abrundung der vorinstanzlichen Erklärung hingewiesen wird - die
Konkursverwaltung die Aussonderung im Sinne von 242 SchKG vorzunehmen
(vgl. dazu AMONN/GASSER, aaO, § 40 N. 25 ff., insbesondere N. 28), was
sie im vorliegenden Fall denn auch schon getan hat.