Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 V 122



123 V 122

21. Auszug aus dem Urteil vom 30. Juni 1997 i.S. A. gegen Pensionskasse
der E. AG und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 13 Abs. 1 lit. a, Art. 26 Abs. 3 und Art. 49 BVG, Art.  25 Abs. 1
BVV 2. Anspruch auf eine Altersrente im Bereich der weitergehenden Vorsorge
wegen fehlender Versicherteneigenschaft verneint bei einem Arbeitnehmer,
der zur IV- und UV-Invalidenrente gestützt auf BGE 116 V 189 eine im
Reglement ausgeschlossene (gekürzte) BVG-Invalidenrente erhält.

Sachverhalt

    A.- A. (geboren am 5. Mai 1930) war aufgrund seiner Anstellung bei der
Firma E. AG bei deren Pensionskasse versichert. Am 3. März 1987 erlitt er
einen schweren Unfall. Mit Verfügung vom 23. Dezember 1988 sprach ihm die
Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes ab 1. März 1988 eine
ganze Invalidenrente zu. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) anerkannte ihrerseits einen Invaliditätsgrad von 100% ab 1. Oktober
1990 und setzte die entsprechende Invalidenrente als Komplementärrente
auf einem Jahresverdienst von Fr. 62'655.-- fest (Verfügung vom
13. Februar 1991). Die Pensionskasse der E. AG richtete A. ebenfalls
eine Invalidenrente aus, welche ab 1. Oktober 1990 im Monat Fr. 420.20,
zuzüglich eine Kinderrente von Fr. 84.05, betrug (Schreiben vom 23. April
1991).

    Am 15. August 1991 wandte sich A. an die Pensionskasse mit der
Bitte um Bestätigung, dass ihm bei Erreichen des AHV-Alters eine
Altersrente von voraussichtlich Fr. 16'887.-- im Jahr zugesprochen
werde. Die Pensionskasse verneinte einen Anspruch auf Altersrente unter
Hinweis auf eine Stellungnahme der Firma Y Versicherungsberatung vom
6. Januar und 17. Februar 1992. Darin ging die Versicherungsberaterin von
Art. 15 des Reglementes aus, wonach die Invalidenrenten lebenslänglich
ausgerichtet würden und das Erreichen des Rentenalters kein Erlöschensgrund
sei. Folglich bleibe es bei der laufenden BVG-Invalidenrente, weshalb
kein Raum für die Zusprechung einer zusätzlichen Altersrente bestehe.

    B.- Am 8. April 1994 erhob A. Klage beim Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt mit dem Rechtsbegehren, die Pensionskasse sei zu
verpflichten, ihm ab 1. Juni 1995 eine lebenslänglich zahlbare Altersrente
in jährlicher Höhe von mindestens Fr. 11'790.50 zu bezahlen. Nach
Durchführung eines Schriftenwechsels und einer Parteiverhandlung wies
das Versicherungsgericht die Klage mit Entscheid vom 5. Mai 1995 ab.

    C.- A. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und erneuert das im
kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren (...)

    Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
(BSV) äussert sich zur Sache, ohne einen Antrag zu stellen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Auszugehen ist davon, dass der Beschwerdeführer die ihm auf
der Grundlage der BVG-Altersgutschriften festgesetzte Invalidenrente
gemäss Art. 26 Abs. 3 BVG (in der bis Ende 1996 gültig gewesenen und
hier anwendbaren Fassung) über die Vollendung des 65. Altersjahres
hinaus weiterhin beziehen wird. Diese - im Umfange und nach Massgabe
der BVG-Vorschriften - dem Beschwerdeführer ausgerichtete Invalidenrente
lässt den im Falle der Konkurrenz zu UV- und MV-Leistungen vorgesehenen
reglementarischen Leistungsausschluss (Art. 4 des Kassenreglements)
unberührt. Der Entscheid BGE 116 V 189, mit welchem das Eidg.
Versicherungsgericht Art. 25 Abs. 1 BVV2 für gesetzwidrig erklärt hat,
insoweit er die Vorsorgeeinrichtungen ermächtigt, die Gewährung von
Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen auszuschliessen, wenn die
Unfall- oder die Militärversicherung für den gleichen Versicherungsfall
leistungspflichtig ist, bezieht sich nur auf die Mindestvorsorge nach BVG,
nicht jedoch auf die weitergehende berufliche Vorsorge.

    b) Im Streit liegt, ob der Beschwerdeführer nebst der Invalidenrente
gemäss Art. 26 Abs. 3 BVG ab Vollendung des 65. Altersjahres zusätzlich
einen Anspruch auf eine Altersrente hat. Zur Begründung seines Standpunktes
bringt er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor, aufgrund der
Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts gemäss BGE 116 V 189
sei die Beschwerdegegnerin gezwungen, Invalidenleistungen nach BVG zu
erbringen, obwohl dies im Falle der Konkurrenz zu UV- und MV-Leistungen in
Art. 4 des Reglementes nicht vorgesehen sei. Spreche aber das Reglement von
Invalidenrenten, so werde damit eine reglementarische Invalidenrente und
nicht eine solche gemeint, welche erst durch die erwähnte Rechtsprechung
des Eidg. Versicherungsgerichts ins Leben gerufen worden sei. Daher könne
der reglementarische Ausschluss der Altersrentenberechtigung bei Vorliegen
eines Anspruchs auf eine Invalidenrente nicht zum Zuge kommen.

    Die Beschwerdegegnerin bringt vor, bei der aufgrund von BGE 116
V 189 entgegen dem Wortlaut von Art. 4 des Reglementes ausgerichteten
BVG-Invalidenrente handle es sich trotzdem um eine Invalidenrente im Sinne
von Art. 15 des Reglementes. Dieses unterscheide zwischen Versicherten
und Rentenbezügern. Als Rentenbezüger und mit einer Arbeitsunfähigkeit
von 100% sei der Beschwerdeführer entgegen den Behauptungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht mehr Arbeitnehmer seiner früheren
Arbeitgeberfirma.

    Das BSV hält unter anderem fest, der Anspruch gemäss Art. 26 Abs. 3
BVG auf Invalidenleistungen erlösche mit dem Tod des Anspruchsberechtigten
oder mit dem Wegfall der Invalidität. Somit werde die Invalidenleistung
nicht durch eine Altersleistung abgelöst. Gestützt auf Art. 34 Abs. 2 BVG
habe der Bundesrat in Art. 25 Abs. 1 BVV2 Vorschriften zur Verhinderung
ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner Hinterlassenen
beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen aufgestellt. Diese (in der Fassung
vom 18. April 1984) habe das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 116 V 189
als insoweit gesetzeswidrig bezeichnet, als sie die Vorsorgeeinrichtung
ermächtigen, die Gewährung von Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen
auszuschliessen, wenn die Unfallversicherung oder die Militärversicherung
für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig ist. Diese
Regelung habe sich auf die obligatorische Versicherung bezogen. Mit
Verordnungsänderung vom 28. Oktober 1992, welche am 1. Januar 1993 in Kraft
getreten sei, habe der Bundesrat Art. 25 Abs. 1 BVV2 so neu gefasst, dass
die Vorsorgeeinrichtung in diesem Fall analog Art. 24 BVV2 kürzen könne. Da
die Invalidenleistungen über das Rücktrittsalter hinaus ausgerichtet
werden, seien die Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen des Obligatoriums und
ihrer Reglemente berechtigt, entsprechende Kürzungen weiterhin vorzunehmen.

Erwägung 4

    4.- a) Zu prüfen ist, wie es sich mit der gesetzlichen und
reglementarischen Lage verhalten würde, wenn die Vorsorgeeinrichtungen
nicht durch BGE 116 V 189 und ihm folgend durch die Revision von Art. 25
Abs. 1 BVV2 ab 1. Januar 1993 verhalten worden wären, anstelle des
vorher zulässigen Leistungsausschlusses im Falle der Konkurrenz zur
Unfallversicherung oder Militärversicherung Invalidenleistungen unter
Beachtung des Überentschädigungsverbotes zu erbringen. Dabei ist im
folgenden mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer
nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberfirma steht. Er
ist vollständig arbeitsunfähig, bezieht keinen Lohn mehr und ist Bezüger
von IV-, UV- und BVG-Leistungen aus der firmeneigenen Pensionskasse. Unter
diesen Umständen kann nicht die Rede davon sein, er sei nach wie vor
Arbeitnehmer. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich
aufgelöst worden sein sollte, so ist es durch konkludentes Verhalten
beendet worden (vgl. auch BGE 121 V 277).

    b) Wäre es nicht zu BGE 116 V 189 und der daraus resultierenden
Neufassung von Art. 25 Abs. 1 BVV2 gekommen, so wäre dem Beschwerdeführer
aus dem SUVA-versicherten Unfall vom 3. März 1987 gegenüber der
Pensionskasse kein Anspruch auf Invalidenleistungen erwachsen. Der in
Art. 4 des Reglementes angeordnete Leistungsausschluss ("Bei einem
Versicherungsfall nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung
[UVG] vor dem Rücktrittsalter besteht kein Anspruch auf Invalidenrenten
...") hätte integral gewirkt, indem der Beschwerdeführer keine
Invalidenrente, auch nicht eine solche nach Massgabe des BVG-Obligatoriums
hätte beanspruchen können. Er hätte bei dieser Rechtslage aber auch keinen
Anspruch auf Altersrentenleistungen erheben können. Denn er hätte wegen
des zwar invaliditätsbedingten, aber keine Invalidenleistungen auslösenden
Dienstaustrittes die Versicherteneigenschaft verloren, da die Versicherung
gemäss Art. 10 Ziff. 1 des Reglementes mit dem Dienstaustritt aus der Firma
endet, sofern und soweit kein Anspruch auf Invaliden- oder Altersrenten
besteht bzw. beginnt. Eine freiwillige Weiterführung der Versicherung
schliesst Art. 10 Ziff. 1 (Satz 3) des Reglementes ausdrücklich aus. Damit
ist als Ergebnis der nicht durch BGE 116 V 189 und die dadurch ausgelöste
Revision von Art. 25 Abs. 1 BVV2 geprägten Rechtslage festzuhalten,
dass der Beschwerdeführer von der Pensionskasse weder Invaliden- noch
Altersleistungen hätte beanspruchen können.

    c) aa) Demgegenüber ergibt sich als Folge von BGE 116 V 189 und der
Revision von Art. 25 Abs. 1 BVV2 zunächst, dass der Beschwerdeführer seit
Invaliditätseintritt gegenüber der Beschwerdegegnerin Anspruch auf eine
Invalidenrente hat, festgesetzt aber nur nach Massgabe des BVG, somit auf
der Grundlage der obligatorisch zu verbuchenden Altersgutschriften. Diese
BVG-Invalidenrente steht ihm in zeitlicher Hinsicht über das gesetzliche
Rücktrittsalter (Art. 13 Abs. 1 lit. a BVG) hinaus bis zu seinem Ableben
zu (BGE 118 V 100). Dieser Anspruch liegt hier denn auch nicht im Streit,
weil der Beschwerdeführer ihn an den gemäss Rechtsbegehren eingeklagten
Anspruch in betraglicher Hinsicht anrechnen zu lassen bereit ist.

    bb) Da, wie dargetan (Erw. 3a), der reglementarische Ausschluss für
eine aus weitergehender Vorsorge geschuldete Invalidenrente (Art. 4 des
Reglementes) bestehen bleibt, entfällt unter dem Titel des Art. 15 des
Reglementes ein Invalidenrentenanspruch ohne weiteres auch in der Zeit
nach Erreichen des reglementarischen Schlussalters. Denn es gibt keine
vorher entstandene reglementarische Invalidenrente, die sich über dieses
Datum hinaus verlängerte und erst beim Tod des Versicherten erlöschen würde
(Art. 15 Ziff. 2 des Reglementes).

    cc) Damit stellt sich als nächstes die Frage, ob der Beschwerdeführer
einen originären Altersrentenanspruch im Rahmen der weitergehenden
beruflichen Vorsorge nach Art. 13 des Reglementes zugute hat. Danach
entsteht "für jeden Versicherten" mit Erreichen des Rücktrittsalters
der Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente (Ziff. 1). Die Höhe
der jährlichen Altersrente entspricht dem vorhandenen Altersguthaben,
multipliziert mit dem vom Stiftungsrat, mindestens aber mit dem vom
Bundesrat festgelegten Umwandlungssatz (Ziff. 2 erster Satz).

    Insoweit der Beschwerdeführer aufgrund seiner Invalidität von
der Beschwerdegegnerin eine im Rahmen des BVG-Minimums festgesetzte
Invalidenleistung bezieht, ist er zwar noch deren Versicherter
geblieben. Er ist wohl aus der Firma ausgetreten, tatsächlich hat er
aber einen Anspruch auf Invalidenrente erworben. Hingegen kann er nach
Massgabe von Art. 13 Ziff. 1 des Reglementes insoweit nicht mehr als
der Versichertengemeinschaft zugehörig betrachtet werden, als es um
die weitergehende berufliche Vorsorge geht. Der Beschwerdeführer ist
aus der Firma ausgetreten und es ist ihm - wegen des im Bereich der
weitergehenden Vorsorge weiterhin gültigen Leistungsausschlusses gemäss
Art. 4 Ziff. 1 des Reglementes (Erw. 3a hievor) - kein Anspruch auf
Invaliden- oder Altersrente entstanden. Infolgedessen kann er in bezug
auf die eingeklagten Altersleistungen nicht weiter als Versicherter im
Sinne von Art. 13 Ziff. 1 des Reglementes betrachtet werden.