Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 97



123 I 97

12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
28. Mai 1997 i.S. Eduard Joos, Daniel Fischer und Evangelische Volkspartei
(EVP) des Kantons Schaffhausen gegen Grosser Rat des Kantons Schaffhausen
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Stimmrechtsbeschwerde; Ausstand von kantonalen
Parlamentariern, die beruflich im Dienst des Kantons stehen.

    Voraussetzungen und Grenzen der Anfechtbarkeit von
parlamentsrechtlichen Ausstandsvorschriften mit Stimmrechtsbeschwerde
nach Art. 85 lit. a OG (E. 1).

    Bundesgerichtliche und kantonale Praxis zum Ausstand von
Behördemitgliedern (E. 3).

    Aktives Wahlrecht und Wahlrechtsgrundsätze; Prinzip der
Erfolgswertgleichheit bei Proporzwahlen und seine Umsetzung im kantonalen
Recht (E. 4).

    Ist die Wahl von kantonalen Bediensteten in den Grossen Rat
zulässig, so können solche Grossräte bei Abstimmungen im Parlament
über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse nicht generell für
ausstandspflichtig erklärt werden (E. 5).

Sachverhalt

    Die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen nahmen an der
Volksabstimmung vom 22. September 1996 das Gesetz über den Grossen
Rat vom 20. Mai 1996 (Grossratsgesetz, GRG) mit 16'412 Ja- gegen 5'803
Nein-Stimmen sowie das Gesetz über die Einfügung von Art. 3 Abs. 4 in das
Gesetz über den Grossen Rat vom 20. Mai 1996 mit 13'905 Ja- gegen 9'692
Nein-Stimmen an. Die Publikation des Abstimmungsergebnisses erfolgte im
kantonalen Amtsblatt vom 11. Oktober 1996.

    Das Gesetz über die Einfügung von Art. 3 Abs. 4 in das Gesetz über
den Grossen Rat vom 20. Mai 1996 hat folgenden Wortlaut:

    "Im Dienst des Kantons stehende Ratsmitglieder nehmen bei den

    Abstimmungen über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse den
Ausstand."

    Art. 3 des neuen und mit der vorgenannten Bestimmung ergänzten
Grossratsgesetzes lautet:

    "Die Ratsmitglieder haben für die Beratung und Abstimmung den
Ausstand zu
   nehmen, wenn sie vom Geschäft unmittelbar betroffen werden:

    a) in eigener Sache;

    b) in Angelegenheiten einer ihnen infolge Verwandtschaft,
Schwägerschaft
   oder in ähnlicher Weise nahestehenden Person (...);

    c) in Angelegenheiten einer Körperschaft, Personenverbindung oder

    Institution, ausgenommen Gemeinden, in deren Leitung oder gehobenem
Dienst
   sie tätig sind oder für die sie eine Beratungsfunktion erfüllen.

    Bei Geschäften, welche die Oberaufsicht über ihren Tätigkeitsbereich
   betreffen, beteiligen sich im Dienst des Kantons stehende Ratsmitglieder
   an der Beratung, nehmen aber bei der Abstimmung den Ausstand.

    Für die Behandlung allgemeinverbindlicher Erlasse besteht keine

    Ausstandspflicht.

    Im Dienst des Kantons stehende Ratsmitglieder nehmen bei den
Abstimmungen
   über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse den Ausstand."

    Gegen das Gesetz über die Einfügung von Art. 3 Abs. 4 in das Gesetz
über den Grossen Rat erheben am 11. November 1996 Grossrat Eduard
Joos sowie Daniel Fischer, beide in ihrer Eigenschaft als Private,
und ausserdem die Evangelische Volkspartei (EVP) in gemeinsamer Eingabe
Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG und Staatsvertragsbeschwerde
nach Art. 84 Abs. 1 lit. c OG. Sie beantragen, Art. 3 Abs. 4 GRG
aufzuheben.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Beschwerdeführer erheben in einer einzigen Eingabe
Stimmrechtsbeschwerde (Art. 85 lit. a OG) und staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Staatsverträgen (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG); zudem
berufen sie sich auf das verfassungsmässige Gebot der rechtsgleichen
Behandlung (Art. 4 BV).

    Der Grosse Rat des Kantons Schaffhausen macht geltend, es stünden
Bestimmungen über den Ausstand von Parlamentariern zur Diskussion, welche
sich beruflich im Dienst des Kantons befänden. Solche Vorschriften
beeinträchtigten die Ausübung des politischen Mandates weniger als
Unvereinbarkeitsvorschriften für Beamte (vgl. BGE 114 Ia 395). Auch
inhaltlich hänge die strittige Norm weniger eng mit dem in Art. 4 der
Kantonsverfassung (KV) garantierten aktiven und passiven Wahlrecht zusammen
als Unvereinbarkeitsbestimmungen. Die betroffenen Parlamentarier würden
einzig von der Teilnahme an bestimmten Abstimmungen ausgeschlossen,
wogegen sie während der gesamten Dauer der Beratungen im Ratsplenum
anwesend sein und mit ihren Wortmeldungen aktiv am Meinungsbildungsprozess
mitwirken könnten. Das aktive und passive Wahlrecht werde daher durch
die Ausstandsbestimmung nicht verletzt, weshalb auf die Beschwerde nicht
einzutreten sei.

    b) aa) Gemäss Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger. Die politische
Stimmberechtigung umfasst das Recht, an Abstimmungen teilzunehmen,
Initiativen und Referenden zu unterschreiben, sowie das aktive und passive
Wahlrecht. Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann die Verletzung sämtlicher
im Zusammenhang mit den politischen Rechten stehenden Vorschriften gerügt
werden (BGE 120 Ia 194 E. 1b). Ein Anfechtungsobjekt wird in Art. 85
lit. a OG - anders als in Art. 84 Abs. 1 OG für die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte - nicht genannt. Mit
Stimmrechtsbeschwerde sind daher jedenfalls kantonale Erlasse anfechtbar,
welche das Stimm- und Wahlrecht regeln; dazu gehören nach der Praxis
des Bundesgerichtes unter anderem Gesetze, welche Vorschriften über die
Unvereinbarkeit eines durch Volkswahl bestimmten politischen Mandates mit
einem öffentlichen Amt enthalten (BGE 120 Ia 194 E. 1b; 119 Ia 167 E. 1c;
114 Ia 395).

    bb) Das Bundesgericht hatte sich noch nicht ausdrücklich zur Frage
zu äussern, ob auch Vorschriften über den Ausstand von Parlamentariern
bei Abstimmungen im Kantonsparlament mit Stimmrechtsbeschwerde
anfechtbar sind (vgl. immerhin BGE 116 Ia 242 E. 3a zur Wahl eines
Lehrers in die Gemeindeexekutive; BGE 111 Ia 67 E. 3e betrifft eine
Autonomiebeschwerde). Im Gegensatz zum Grossen Rat bejahen das die
Beschwerdeführer. Sie machen geltend, die umstrittene Ausstandsbestimmung
schaffe eine Kategorie von Parlamentariern zweiter Klasse. Wähler, die
diesen Grossräten stimmten, würden in ihrer Stimmkraft beeinträchtigt,
weil die von ihnen Gewählten bei gewissen wichtigen Abstimmungen im Grossen
Rat nicht stimmberechtigt seien. Sodann bringen die Beschwerdeführer vor,
ein Beamter sei zwar nach wie vor in das Kantonsparlament wählbar, doch
habe er geringere Wahlchancen, weil er in jenen Sachfragen, die seine
Stammwählerschaft - die Beamten - besonders interessierten, im Grossen Rat
nicht mitstimmen dürfe. Der Umstand, dass allein die kantonalen Beamten in
den sie besonders interessierenden Fragen in den Ausstand treten müssten,
während das trotz vergleichbarer Sach- und Interessenlage zum Beispiel
für die Vertreter der Bau- oder Landwirtschaft in den Bereichen Bau-,
Landwirtschafts- und/oder Subventionspolitik nicht gelte, diskriminiere
diejenigen Stimmbürger und Wahlkandidaten, die beruflich im Dienste des
Kantons stehen.

    cc) Der neue Art. 3 Abs. 4 GRG hat behördeninterne Abstimmungen im
Grossen Rat und nicht die Ausübung politischer Rechte an Volksabstimmungen
zum Gegenstand. Dennoch steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtes,
wonach sich die Stimmrechtsbeschwerde ausschliesslich auf Wahlen und
Abstimmungen der Stimmbürger bezieht (BGE 119 Ia 167 E. 1d; Urteil des
Bundesgerichtes vom 14. Februar 1990, E. 1, in ZBl 92/1991 S. 260;
BGE 112 Ia 174 E. 2), einem Eintreten auf die zu beurteilende Eingabe
nicht entgegen. In der Sache geht es um die Frage, ob die generelle
Ausstandspflicht bestimmter Grossräte bei gewissen ratsinternen
Abstimmungen in ihrer Wirkung das aktive und passive Wahlrecht der Bürger
einschränke.

    dd) In seiner früheren Praxis (nachgezeichnet in BGE 114 Ia 395
E. 3b) zu Beschränkungen des aktiven und passiven Wahlrechts durch
Unvereinbarkeitsvorschriften hatte das Bundesgericht lediglich die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
(Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) bzw. wegen Verletzung des Willkürverbotes
und des Grundsatzes der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV), nicht aber die
Stimmrechtsbeschwerde zugelassen. Begründet wurde dies primär mit dem
Argument, Unvereinbarkeitsbestimmungen berührten nicht das Recht zu wählen
und gewählt zu werden; auch würden sie nicht verhindern, dass jemand als
Kandidat vorgeschlagen und allenfalls gültig gewählt werde. In späteren
Entscheiden kam das Bundesgericht von dieser Rechtsprechung ab. In BGE
114 Ia 395 (E. 3b) hielt es alsdann fest, Unvereinbarkeitsbestimmungen
könnten die gleichen Wirkungen erzielen wie Vorschriften über die
Unwählbarkeit. Dabei ging das Gericht vom Grundsatz aus, das Stimmrecht
schliesse den Anspruch ein, dass die durch das Volk gewählten Behörden
nicht mit Personen besetzt würden, welche ein bestimmtes Amt aufgrund
einer Unvereinbarkeit nicht übernehmen dürften. Daher habe ein Wähler
das Recht zu fordern, dass einem gewählten Kandidaten nicht mittels
Unvereinbarkeitsbestimmungen, die einer objektiven Rechtfertigung
entbehrten, unrechtmässig die Befugnis entzogen werde, sein Wahlmandat
auszuüben. Daraus folge, dass Unvereinbarkeitsbestimmungen das aktive und
passive Wahlrecht beschränkten (BGE 114 Ia 395 E. 3b am Ende). Für die
Zulässigkeit der Stimmrechtsbeschwerde war mit anderen Worten entscheidend,
dass Vorschriften das Stimmrecht in ihrer Wirkung direkt berühren.

    ee) Nicht für jede Ausstandsbestimmung im Parlamentsrecht kann eine
solche direkte Berührung angenommen werden. Im vorliegenden Fall ist
sie jedoch gegeben, da Art. 3 Abs. 4 GRG im Ergebnis zu einer partiellen
Unvereinbarkeit der kantonalen Bedienstung mit dem Amt eines Grossrates
führt. Zu Recht hält PETER REINERT (Ausstand im Parlament, Diss. Zürich
1991, S. 108) dafür, dass die Pflicht zur Wahrung des Ausstandes das aktive
Wahlrecht der Bürger tangiere. Der aus dem Stimmrecht fliessende Grundsatz
des gleichen Wahlrechts (Wahlrechtsgleichheit; dazu TOMAS POLEDNA,
Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, Diss. Zürich
1988, S. 4 ff. und 21 ff.) wird durch eine Ausstandsvorschrift,
welche Parlamentarier von der Mitbestimmung bei gewissen Geschäften
der Staatsverwaltung generell ausschliesst, relativiert. Die Bürger
dürfen zwar ungehindert wählen, doch kann ihr (Wahl-)Wille in diesen
Sachfragen nicht zum Durchbruch gelangen, weil der von ihnen Gewählte an
der parlamentsinternen Abstimmung nicht teilnehmen kann. Mithin könnten
sich deutlich andere Mehrheitsverhältnisse im Parlament ergeben, als
sie aufgrund des Wahlergebnisses an sich bestehen (vgl. dazu auch die
nachstehende E. 4a und 4d).

    Das passive Wahlrecht ist berührt, da die Wahl von Bürgern, die in
gewissen Sachfragen ausstandspflichtig sind, unter Umständen weniger
attraktiv erscheint; das kann deren Wahlchancen schmälern (REINERT, aaO,
S. 108). Dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ausstandsvorschriften
und der Ausübung politischer Rechte besteht, geht im übrigen auch aus
BGE 116 Ia 242 (E. 3a) betreffend die Wahl eines Primarlehrers in die
Gemeindeexekutive hervor, welche Wahlbehörde der Lehrer ist.

    ff) Die Voraussetzungen für die Stimmrechtsbeschwerde sind somit
erfüllt. Es muss daher nicht geprüft werden, ob die Beschwerdeführer
allenfalls (auch) die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG hätten ergreifen
können. Der materiellen Prüfung vorbehalten ist die Frage, ob Art. 3 Abs. 4
GRG tatsächlich das aktive und passive Wahlrecht verletzt. In gleicher
Weise wird in der Hauptsache zu klären sein, ob Art. 3 Abs. 4 GRG mit
dem (rechts-)gleichen Stimmrecht (BGE 121 I 138 E. 3; 116 Ia 242 E. 4;
114 Ia 395 E. 6a; 113 Ia 291 E. 3a) zu vereinbaren ist oder ob er eine
verfassungswidrige Diskriminierung einzelner Stimmbürger bewirkt.

    Im Zusammenhang mit diesen Rügen bleibt für die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Staatsverträgen (Art. 84 Abs. 1 lit. c
OG) kein Raum. Soweit sich die Beschwerdeführer auf Art. 25 und 26 des
Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte vom
16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II, SR 0.103.2) berufen, welche unter anderem
das aktive und passive Wahlrecht sowie den Grundsatz der rechtsgleichen
Behandlung gewährleisten, können die entsprechenden Vorbringen im Rahmen
der Stimmrechtsbeschwerde behandelt werden (in diesem Sinne das nicht
veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtes vom 12. September 1996
i.S. Zurron-Krummenacher; vgl. auch BGE 121 I 138 E. 5b).

Erwägung 3

    3.- a) Mit der Frage, ob es zulässig sei, kantonale Parlamentarier,
welche beruflich im Dienst des Kantons stehen, bei der Abstimmung
über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse generell zum Ausstand
zu verpflichten, auch wenn sie vom betreffenden Geschäft nicht direkt
persönlich (eigene Wahl, Festsetzung der eigenen Besoldung usw.) betroffen
sind, musste sich das Bundesgericht - wie gesagt - noch nicht befassen.
Immerhin hielt es bei der Prüfung einer staatsrechtlichen Beschwerde
wegen Verletzung der Gemeindeautonomie wenn auch eher beiläufig fest,
die Ausstandspflicht im Prozess der demokratischen Willensbildung
treffe allenfalls Behördemitglieder, die am Ausgang einer Abstimmung
ein besonderes persönliches Interesse hätten (BGE 111 Ia 67 E. 3e). Im
Zusammenhang mit der Wahl eines Primarlehrers in die Gemeindeexekutive
führte das Bundesgericht aus, eine Ausstandspflicht bestehe für die eigene
Wahl zum Lehrer sowie für diejenige ihm nahestehender Personen. Ob die
Ausstandspflicht auf sämtliche Lehrerwahlen ausgedehnt werden dürfe, sei
nicht klar, da Ausstandsbestimmungen auf seltene, konkrete Situationen
bzw. Einzelfälle zugeschnitten seien, während für häufige, generelle
Konflikte Unvereinbarkeitsvorschriften erlassen werden müssten (BGE 116
Ia 242 E. 3a/bb).

    b) aa) Auch in den Kantonen hat sich zur aufgeworfenen Frage noch
keine einheitliche Praxis ausgebildet. Der Kleine Rat (heute Regierung)
des Kantons Graubünden hielt in einem Entscheid fest, ein rekurrierender
Sekundarlehrer und Gemeinderat sei von einer Lohnabbauvorlage, welche
im Gemeinderat zu behandeln war, zwar betroffen, doch könne daraus
kein direktes, unmittelbares Interesse und damit eine Ausstandspflicht
abgeleitet werden; zur Beratung habe nicht eine Frage gestanden, die
den Lehrer persönlich betroffen habe, sondern ein ganzer Fragenkomplex,
dessen Lösung Auswirkungen sowohl auf die Beamten als auch auf weitere
Kreise der Bevölkerung haben könne (Rekurspraxis des Kleinen und Grossen
Rates von Graubünden [RP] VI/1931 - 1950 Nr. 5322). Im wesentlichen
gleich argumentierte der Regierungsrat des Kantons Bern in Entscheiden,
in welchen es um den Ausstand bei der Beschlussfassung über kommunale
Besoldungsreglemente oder Reglemente über den Burgernutzen an der
(Burger-)Gemeindeversammlung ging (Monatsschrift für Bernisches
Verwaltungsrecht [MBVR] 72/1974, S. 367 f., MBVR 45/1947 S. 331 und MBVR
44/1946 S. 293). Nach Auffassung des Regierungsrates des Kantons Zug gelten
für Mitglieder der Volksvertretung weniger strenge Ausstandsvorschriften
als für Mitglieder einer Exekutive. Nur wenn eine Anordnung konkret
bestimmte Einzelne berühre, seien die interessierten Personen zum Ausstand
verpflichtet (Gerichts- und Verwaltungspraxis des Kantons Zug [GVP ZG]
1983/84 S. 163).

    bb) Anders entschied der Regierungsrat des Kantons Solothurn für die
Mitwirkung von Beamten und Angestellten der Gemeinden an Abstimmungen in
der Gemeindeversammlung. Im Zusammenhang mit der Abstimmung über eine
Dienst- und Gehaltsordnung vertrat er die Auffassung, der Beamte oder
Angestellte einer Gemeinde stehe dieser nicht nur als interessierter
Stimmberechtigter, sondern auch als Arbeitnehmer gegenüber. Selbst wenn
die Normen der Dienst- und Gehaltsordnung nicht bestimmte Personen,
sondern ihre Funktionen beträfen, seien diese Funktionen gerade in
kleineren Gemeinden derart mit den jeweiligen Personen verknüpft,
dass diese regelmässig als direkt Beteiligte gälten und dementsprechend
abtretungspflichtig (ausstandspflichtig) seien (Grundsätzliche Entscheide
des Regierungsrates des Kantons Solothurn und Departementsverfügungen
[GER] 1981 S. 13).

    c) Die zitierten kantonalen Entscheide können nicht ohne weiteres
auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen werden. Sie betreffen,
soweit sie konkrete Aussagen zur Ausstandspflicht enthalten, in
erster Linie die Mitwirkung von Gemeindebeamten an Abstimmungen über
personalrechtliche Fragen an der Gemeindeversammlung oder bei Abstimmungen
in der Gemeindeexekutive. Vorliegend geht es um die Ausstandspflicht von
Parlamentsmitgliedern. Zudem hat sich das Bundesgericht bei der gegebenen
prozessrechtlichen Ausgangslage (vorne E. 1a und b) auf die Frage zu
beschränken, ob es im Lichte des verfassungsrechtlich gewährleisteten
politischen Stimmrechts zulässig ist, beruflich im Dienste des Kantons
stehende Parlamentarier von der Beschlussfassung über personalrechtliche
Fragen im Grossen Rat generell auszuschliessen.

Erwägung 4

    4.- a) Das aktive Wahlrecht umfasst das Recht, an Wahlen bzw.  an der
Bestellung bestimmter Staatsorgane teilzunehmen (WALTER HALLER/ALFRED
KÖLZ, Allgemeines Staatsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1996, S. 238). Es
steht in Angelegenheiten des Kantons Schaffhausen jedem Aktivbürger zu
(Art. 4 KV). Eine kantonale Angelegenheit ist die Wahl des Grossen Rates
(Art. 34 KV), der aus 80 Mitgliedern besteht (Art. 35 Abs. 1 KV); sie
werden im Proporzverfahren gewählt (Art. 36 Abs. 2 KV).

    Wahlrechtsgrundsätze ordnen Ausübung und Wirkung des Wahlrechtes
(HALLER/KÖLZ, aaO, S. 170 f.; POLEDNA, aaO, passim). Bei Proporzwahlen
ist der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit besonders bedeutend. Er
stellt sicher, dass sich der Wählerwille möglichst unverfälscht in der
Zusammensetzung des Parlamentes widerspiegelt (Urteil des Bundesgerichtes
vom 16. März 1995, E. 3a, in ZBl 97/1996 S. 138; POLEDNA, aaO,
S. 99). Insoweit ist das Prinzip der Erfolgswertgleichheit ein Teilgehalt
des Grundsatzes, wonach kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht
den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum
Ausdruck bringt (BGE 121 I 187 E. 3a; vgl. auch BGE 113 Ia 291 E. 3a).

    b) Ob das Schaffhauser Recht eine Einschränkung des aktiven Wahlrechtes
zulässt, ist nicht klar. Nach dem Wortlaut von Art. 4 KV sowie von
Art. 5 und Art. 6 lit. b des Wahlgesetzes steht das aktive Wahlrecht
allen Stimmbürgern uneingeschränkt zu; nur das passive Wahlrecht ist
"innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze" gewährleistet. Die
bundesgerichtliche Praxis lässt eine Einschränkung politischer Rechte
unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und aus Gründen
des überwiegenden öffentlichen Interesses zu (BGE 114 Ia 395 E. 6a), sofern
die Einschränkung auf einem Gesetz im formellen Sinn beruht (REINERT, aaO,
S. 112; DANIEL ARN, Die Ausstandspflicht im bernischen Gemeinderecht, in:
Bernische Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 1989, S. 138). Es fragt sich,
ob die umstrittene Ausstandspflicht eine diesen Grundsätzen widersprechende
Einschränkung des aktiven Wahlrechtes darstellt.

    c) Die Antwort darauf liegt nicht auf der Hand. Art. 3 Abs. 4 GRG
hindert - wie einleitend gesagt (E. 1b/dd) - die stimmberechtigten Bürger
nicht, von ihrer Wahlbefugnis Gebrauch zu machen. Es läge daher nahe, eine
Verletzung des aktiven Wahlrechtes zum vornherein auszuschliessen. Indes
erschöpft sich das politische Stimmrecht nicht in der Befugnis, an Wahlen
teilzunehmen und Kandidaten seiner Wahl die Stimme zu geben. Es sollen
darüber hinaus - wie gesagt - gewisse Grundsätze eingehalten werden, um
sicherzustellen, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht
den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum
Ausdruck bringt (vorne E. 4a). Einer dieser Wahlrechtsgrundsätze ist
das gleiche Wahlrecht und bei Proporzwahlen die Erfolgswertgleichheit im
Sinne der Gleichheit der Stimmkraft (vorne E. 4a; ALFRED KÖLZ, Probleme des
kantonalen Wahlrechts, ZBl 88/1987 S. 10; POLEDNA, aaO, S. 17 und 99 f.).

    d) Die Erfolgswertgleichheit umfasst das Recht auf Wirksamkeit
der Stimme in dem Sinne, als nicht nur die Teilnahme gleichberechtigter
Wähler am Wahlgang, sondern darüber hinaus ein Recht auf parlamentarische
Vertretung entsprechend des proportionalen Wähleranteiles gewährleistet
ist (POLEDNA, aaO, S. 99). Das Bundesgericht hat in BGE 103 Ia 603
(E. 4c) festgehalten, die Verhältniswahl sei ein Wahlsystem, das den in
einem Wahlkörper vorhandenen Gruppierungen politischer, wirtschaftlicher
oder sozialer Art, Interessenverbindungen, Vereinigungen mehr neutraler
Art usw. jedenfalls dem Grundsatze nach einen Anteil an der Vertretung
gewährleiste, die dem Verhältnis ihrer Stärke entspreche und vom Willen
der Mehrheit unabhängig sei (bestätigt im Urteil des Bundesgerichtes vom
16. März 1995, E. 3a, in ZBl 97/1996 S. 138; zu den Ausnahmen: KÖLZ, aaO,
S. 19 ff.).

    Dieses Prinzip ist in der Rechtspraxis wirksam umzusetzen. Das
kantonale Recht hat daher sicherzustellen, dass die Gewählten ihre
parlamentarische Arbeit wirksam wahrnehmen können. Ausstandsvorschriften
stehen dem jedenfalls prinzipiell entgegen, und dementsprechend
beeinträchtigen sie die Wahlrechts- und Erfolgswertgleichheit, wie das
REINERT (aaO, S. 110, unter Hinweis auf HANS MEYER, Die Stellung der
Parlamente in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, in: HANS-PETER
SCHNEIDER/WOLFGANG ZEH, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der
Bundesrepublik Deutschland, Berlin/New York 1989, S. 162 N. 122) zu
Recht annimmt. Ob das auch für den von Reinert primär im Auge gehaltenen
Fall gilt, in welchem alle Abgeordnete derselben Ausstandspflicht
unterliegen, kann offen bleiben. Jedenfalls nützt der Grundsatz der
Erfolgswertgleichheit dem Bürger wenig, wenn der von ihm Gewählte in
wesentlichen Fragen den Staatswillen nicht mitbilden darf, weil er als
befangen erscheint (REINERT, aaO, S. 110). Abstimmungen im Grossen Rat
über personalrechtliche Erlasse und Beschlüsse stellen eine "wesentliche
Frage" dar. Das zeigt sowohl der Umstand, dass das Problem im Kanton
Schaffhausen für wichtig genug erachtet wird, um im Parlamentsrecht
eine Sonderregelung für den Ausstand zu schaffen, als auch die Tatsache,
dass im kantonalen Verfassungsrecht das Beamten- und Personalrecht einen
relativ breiten Raum einnimmt (Art. 29-32 sowie Art. 66 Abs. 2 Ziff. 10
und 11 KV), was seine Wichtigkeit belegt.

    e) Stellt nach dem Gesagten Art. 3 Abs. 4 GRG eine Einschränkung
des aktiven Wahlrechtes dar, so ist zu klären, ob diese vor der
verfassungsrechtlichen Garantie des Stimmrechts standhält. Zu fragen
ist, ob die Einschränkung - da sie auf einem formellen Gesetz beruht -
im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und
das Gleichheitsprinzip beachtet (vorne E. 4b).

Erwägung 5

    5.- a) Das Recht des Kantons Schaffhausen lässt die Wahl von
kantonalen Beamten und Angestellten in den Grossen Rat uneingeschränkt
zu (WERNER BEELER, Personelle Gewaltentrennung und Unvereinbarkeit
in Bund und Kantonen, Diss. Zürich 1983, S. 87). Diese Regelung ist
keineswegs ungewöhnlich. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 89 I 75
E. 3 feststellte, besteht kein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz,
wonach ein Bediensteter des Kantons nicht Mitglied seiner eigenen
Aufsichtsbehörde sein kann (vgl. aber zum Beispiel § 29 Abs. 1 der
Thurgauer Kantonsverfassung: BGE 120 Ia 194 E. 2 betreffend Wahl eines
Gemeindepfarrers in den Kirchenvorstand). Zahlreiche Kantone lassen
in mehr oder weniger weitem Umfang die Wahl von kantonalen Beamten und
Angestellten in das Parlament zu (vgl. zu den damit zusammenhängenden
Rechtsfragen bereits WERNER BAUMANN, Der Beamte als Bürger, ZBl 62/1961
S. 425 ff., insbesondere S. 428 ff.). So sehen zum Beispiel § 46 der
Luzerner Staatsverfassung und Art. 76 Abs. 1 der Urner Kantonsverfassung
überhaupt keine Einschränkungen für die Wahl von Beamten vor. Im Kanton
Zürich sind gemäss § 106 Ziff. 2 des Gesetzes über die Wahlen und
Abstimmungen (Wahlgesetz) alle Beamten wählbar, sofern sie nicht der
unmittelbaren Aufsicht des Direktionsvorstehers unterliegen. Im Kanton
Bern ist das Personal der kantonalen Zentral- und Bezirksverwaltung
nicht wählbar, hingegen die beamteten Lehrer (Art. 68 Abs. 1 lit. c KV;
Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern/Stuttgart/Wien 1995,
N. 9a zu Art. 68; weitere Nachweise bei BEELER, aaO, S. 87 ff.). Auf
Bundesebene sind die eidgenössischen Beamten nicht in den Nationalrat,
hingegen in den Ständerat wählbar (Art. 77 BV; BEELER, aaO, S. 82 ff.).

    b) Die Tatsache, dass das Schaffhauser Recht die Wahl von
kantonalen Beamten in den Grossen Rat in Kenntnis der damit allenfalls
verbundenen Interessenkonflikte zulässt, ist eine verfassungsrechtliche
Grundsatzentscheidung. Eine bei bestimmten Sachfragen generell zur
Anwendung kommende Ausstandspflicht für Parlamentarier, welche im Dienste
des Kantons stehen, kommt daher nur aus besonders wichtigen Gründen in
Frage. Das Bundesgericht hielt nicht zuletzt auch aus diesem Grunde in BGE
111 Ia 67 E. 3e fest, eine Ausstandspflicht im Prozess der demokratischen
Willensbildung, zu welcher Abstimmungen im vom Volk gewählten Parlament
gehören, treffe grundsätzlich nur diejenigen Behördemitglieder, welche
am Ausgang der Abstimmung ein besonderes persönliches Interesse hätten
(vgl. insoweit Art. 3 Abs. 1 und 2 GRG). Ein solches besonderes Interesse
wird in den Kantonen bei Abstimmungen über personalrechtliche Erlasse
und Beschlüsse für im Dienste des Kantons stehende Parlamentarier im
allgemeinen verneint, sehen doch - soweit ersichtlich - diejenigen
Kantone, welche die Wahl von kantonalen Beamten zulassen, keine mit der
umstrittenen Schaffhauser Regelung vergleichbare Ausstandspflicht vor. Auch
das Bundesgesetz über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über
die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten der Erlasse vom 23. März
1963 (Geschäftsverkehrsgesetz; SR 171.11) sowie das Geschäftsreglement des
Ständerates vom 24. September 1986 (SR 171.14) kennen keine entsprechende
Ausstandspflicht.

    c) Es entspricht dem Wesen der repräsentativen Demokratie, dass
Parlamentarier in der einen oder anderen Form Interessenvertreter sind; sie
haben häufig wichtige Funktionen in Berufs- und Wirtschaftsverbänden oder
anderen Interessengruppen (HANSJÖRG SEILER, Gewaltenteilung, Bern 1994,
S. 752 f.). Für Beamte, die im Parlament sitzen, wird sich möglicherweise
im Vergleich zu anderen Parlamentariern öfters die Gelegenheit ergeben,
sich für die Interessen ihres Berufsstandes gebührend einzusetzen
(allgemein zur politischen Betätigung von Beamten: WALTER KÄMPFER, Die
ausserdienstliche Meinungsäusserungsfreiheit und die Vereinsfreiheit des
Beamten im politischen Bereich in neuer Sicht, in: MÉLANGES ANDRÉ GRISEL,
Neuchâtel 1983, S. 491 f.). Grundsätzlich befinden sie sich jedoch in
dieser Hinsicht in keiner anderen Lage als zum Beispiel Landwirte,
die für eine günstige Landwirtschafts- und Subventionsgesetzgebung
kämpfen, oder Unternehmer, die für Wirtschaftsförderung und eine die
Unternehmungen entlastende Steuergesetzgebung eintreten (BEELER,
aaO, S. 130; vgl. auch JÖRG PAUL MÜLLER, "Responsive Government":
Verantwortung als Kommunikationsproblem, ZSR 114/1995 I S. 18). Sind
aber solche Interessenkonflikte nicht nur auf einen seltenen, konkreten
Einzelfall zugeschnitten, sondern - wie hier - genereller Natur, so ist
einer Interessenkollision nicht mit Ausstandsbestimmungen, sondern mit
Unvereinbarkeitsvorschriften zu begegnen (BGE 116 Ia 242 E. 3a/bb). Das
schlägt BEELER (aaO, S. 130 f.) gerade auch im Zusammenhang mit der Wahl
von Beamten in Parlamente vor. HANSJÖRG SEILER (aaO, S. 383) teilt diese
Auffassung mit Bezug auf die Wahl leitender Beamter, während die Wahl
untergeordneter Beamter unter dem Aspekt der Gewaltenteilung nicht schade;
insoweit schlägt er den Erlass von Ausstandsbestimmungen für Geschäfte vor,
die spezifisch den Verwaltungsbereich dieser Beamten betreffen.

    d) aa) Folgt man der Auffassung Seilers, so ist die Ausstandspflicht
jedenfalls rechtsgleich und ohne Diskriminierung einzelner Abgeordneter
zu regeln. Das ergibt sich aus Art. 4 BV, dem aus der Volkswahl des
Parlamentes fliessenden grundsätzlich gleichen Recht des Abgeordneten
auf Mitwirkung an der Ratstätigkeit (REINERT, aaO, S. 115) und dem im
Parlamentsrecht allgemein geltenden Grundsatz der strikten Gleichbehandlung
aller Abgeordneten, welcher für Differenzierungen nur beschränkten
Spielraum lässt (Näheres bei ANTOINE SANTSCHY, Le droit parlementaire
en Suisse et en Allemagne, thèse Neuchâtel 1982, S. 121 f.; KLAUS STERN,
Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., München
1984, S. 1057). Freilich weist der Grosse Rat in seiner Vernehmlassung
darauf hin, der Zweck von Art. 3 Abs. 4 GRG liege in der Stärkung der
Objektivität und Integrität staatlicher Organe. Insbesondere solle
jeder Verdacht auf eine Selbstbegünstigung von vornherein entkräftet
werden, hänge doch die Glaubwürdigkeit des Parlamentes weitgehend von
der Voreingenommenheit einzelner Mitglieder oder Gruppierungen bei der
Abstimmung über sie selbst betreffende Sachgeschäfte und Vorlagen ab. Auf
Bedienstete des Kantons treffe das ganz besonders zu.

    bb) Diese Argumentation ist ernst zu nehmen. Sie ändert aber nichts
daran, dass die von Art. 3 Abs. 4 GRG erfassten Parlamentsmitglieder im
Vergleich zu anderen Abgeordneten, welche sich in gleicher Weise für
ihre Berufsgruppe einsetzen und direkt oder indirekt wirtschaftliche
Vorteile für ihren Stand auszuhandeln versuchen (vorne E. 5c), schlechter
gestellt werden. Das ist mit dem Grundsatz des (rechts-)gleichen Stimm-
und Wahlrechtes sowie mit dem Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der
Wahlstimme nicht zu vereinbaren. Eine solche Ungleichbehandlung geht auch
deshalb nicht an, weil das Grossratsgesetz alle Parlamentarier - auch
die beruflich im Dienste des Kantons stehenden - anhält, in Wahrung und
Ausübung ihres freien Mandates die Interessen der gesamten Bevölkerung
und des Standes Schaffhausen zu vertreten (Art. 6 Satz 1 GRG; vgl. in
diesem Zusammenhang die dienstrechtliche Pflicht der kantonalen Beamten
und Angestellten, ihre Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen: Art.
12 Abs. 1 Satz 2 des Schaffhauser Gesetzes über die Dienstverhältnisse des
Staatspersonals [Personalgesetz]). Es kann daher von jenen Grossräten,
welche beruflich im Dienst des Kantons stehen, erwartet werden, dass
sie in der parlamentarischen Arbeit nicht nur die Vertretung eigener
Standesinteressen sehen, sondern ihr Amt in Verantwortung für das Ganze
ausüben (PETER SALADIN, Verantwortung als Staatsprinzip, Bern/Stuttgart
1984, S. 174 f.; MÜLLER, aaO, S. 19 ff.). Bei dieser Sach- und Rechtslage
ist das vom Grossen Rat angesprochene öffentliche Interesse an der Wahrung
der Objektivität und Integrität staatlicher Organe mit der allgemeinen
Ausstandspflicht nach Art. 3 Abs. 1 GRG und der in Art. 3 Abs. 2 GRG
enthaltenen Vorschrift, wonach bei Geschäften betreffend die Oberaufsicht
über die Verwaltung die im Dienste des Kantons stehenden Ratsmitglieder
in den Ausstand zu treten haben, hinreichend gesichert.

Erwägung 6

    6.- Die Stimmrechtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und Art.  3 Abs. 4
GRG aufzuheben. Ob die angefochtene Vorschrift auch eine Verletzung
des passiven Wahlrechtes zur Folge hat, muss daher nicht mehr geprüft
werden. Immerhin ist festzuhalten, dass nach BGE 113 Ia 291 E. 3a jeder
Stimmbürger, der die als verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen
erfüllt, mit den gleichen Chancen wie alle anderen Kandidaten an einer
Wahl soll teilnehmen können. Ob die strittige Ausstandsvorschrift eine
Beeinträchtigung dieser Chance bewirkt, dürfte nicht leicht festzustellen
sein. REINERT (aaO, S. 114 f.) ist der Meinung, Wahlchancen würden durch
eine Ausstandspflicht kaum verringert, weshalb keine Verletzung des
passiven Wahlrechtes vorliege. Diese Aussage ist freilich im Zusammenhang
mit der weiteren Feststellung REINERTS zu sehen, eine Ausstandspflicht von
Parlamentariern bestehe nur selten und bei Ratsgeschäften, die für die
Wähler regelmässig unbedeutend seien (aaO, S. 114). Für den Sachbereich
des kantonalen Personalrechtes kann das kaum gesagt werden (vorne E. 4d
am Ende), doch ist die Frage nicht weiter zu vertiefen.