Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 313



123 I 313

32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
30. Mai 1997 i.S. Christoph Häberli gegen Obergericht des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Bewilligung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs: Art. 2 ÜbBest. BV;
Binnenmarktgesetz (BGBM).

    Die Rüge, Vorschriften des kantonalen Rechts betreffend die Zulassung
ausserkantonaler Anwälte seien mit dem Binnenmarktgesetz nicht vereinbar,
ist mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen (E. 1).

    Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung des
Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (E. 2).

    Die materiellen Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes sind mit dessen
Inkrafttreten (am 1. Juli 1996) voll wirksam geworden; die zweijährige
Anpassungsfrist gilt für sie nicht (E. 3).

    Der Anwalt, der die Anforderungen an die Ehrenhaftigkeit und
Vertrauenswürdigkeit im Domizilkanton erfüllt, ist nach den Garantien des
Binnenmarktgesetzes grundsätzlich ohne weitere Prüfung der persönlichen
Voraussetzungen auch in den andern Kantonen zur Ausübung des Anwaltsberufs
zuzulassen (E. 4).

    Das Verfahren zur Überprüfung von Marktzugangsschranken gemäss Art. 3
BGBM ist in der Regel kostenlos (E. 5).

Sachverhalt

    Der im Kanton Zürich praktizierende Rechtsanwalt Christoph Häberli
stellte am 26. Juli 1996 beim Obergericht des Kantons Bern ein Gesuch
um Erteilung einer Berufsausübungsbewilligung. Dabei berief er sich auf
Art. 5 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung sowie auf Art. 4
Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt
(Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02). Seinem Gesuch legte er das
zürcherische Fähigkeitszeugnis für den Rechtsanwaltsberuf (1986)
sowie Berufsausübungsbewilligungen mehrerer anderer Kantone bei. Am
21. August 1996 reichte er ein aktuelles Zeugnis des Obergerichts des
Kantons Zürich nach, worin dieses bestätigt, dass er nach wie vor im
Besitz des zürcherischen Fähigkeitsausweises für den Rechtsanwaltsberuf
ist und bisher keine Disziplinarstrafen gegen ihn ausgefällt wurden.
Gleichzeitig teilte er dem Obergericht mit, er gehe davon aus, damit
alle notwendigen Unterlagen für die nachgesuchte Bewilligung sowie für
die Aufnahme in die entsprechenden Register eingereicht zu haben. Die
zusätzlichen Erfordernisse gemäss bernischer Rechtspraxis (Leumundszeugnis,
Auszug aus dem Zentralstrafregister, Befreiung Dritter vom Amts- oder
Berufsgeheimnis) betrachte er als unverhältnismässig.

    Das Obergericht wies das Gesuch am 19. September 1996 "zur Zeit" ab,
soweit es darauf eintrat. Die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 400.--
auferlegte es dem Gesuchsteller.

    Christoph Häberli hat hiergegen am 23. Oktober 1996 staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht. Er beantragt, den obergerichtlichen Entscheid
aufzuheben, und rügt eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit
(Art. 31 BV), des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts
(Art. 2 ÜbBest. BV), der Freizügigkeitsgarantie für wissenschaftliche
Berufe (Art. 5 ÜbBest. BV) sowie des allgemeinen Verfassungsgrundsatzes
der Verhältnismässigkeit.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur gegen kantonale Erlasse
oder Verfügungen zulässig (Art. 84 Abs. 1 OG) und kann nach dem Grundsatz
der absoluten Subsidiarität nur erhoben werden, wenn die behauptete
Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel gerügt werden
kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht
des Bundes stützen, sind grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anzufechten (Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG). Vorerst ist deshalb
zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss des Obergerichts seine Grundlage
im kantonalen Recht oder im öffentlichen Recht des Bundes hat.

    b) Das bernische Gesetz vom 6. Februar 1984 über die Fürsprecher
(FG) regelt die Voraussetzungen der Prozessvertretung und der Erteilung
der Berufsausübungsbewilligung: Zur Vertretung vor bernischen Zivil-
und Strafgerichten sowie vor Verwaltungsjustizbehörden ist berechtigt,
wer das bernische Fürsprecherpatent besitzt oder im Kanton Bern
zur Ausübung des Anwaltsberufs zugelassen ist (Art. 2 Abs. 1). Die
Berufsausübungsbewilligung wird einem Schweizerbürger erteilt,
der gut beleumdet und handlungsfähig ist, mit einem ausserkantonalen
Fähigkeitsausweis die berufliche Eignung nachweist und in seiner bisherigen
Tätigkeit als Anwalt weder erheblich noch wiederholt diszipliniert
worden ist; Disziplinarmassnahmen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen,
fallen ausser Betracht (Art. 7). Die Urkunden, die der ausserkantonale
Anwalt beizubringen hat, sind in Art. 1 des Reglements vom 27. August
1985 betreffend die Zulassung ausserkantonaler Anwälte (im folgenden:
Reglement) genannt. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf diese
Bestimmungen und beruht somit insoweit auf kantonalem Recht.

    Im Bewilligungsverfahren war allerdings vor allem streitig, ob die
erwähnten kantonalrechtlichen Anforderungen mit dem Binnenmarktgesetz
vereinbar seien, und der angefochtene Entscheid setzt sich hauptsächlich
hiermit auseinander. Das ändert indessen nichts an der kantonalrechtlichen
Verfügungsgrundlage. Wird geltend gemacht, die (selbständigen) Vorschriften
des kantonalen Rechts betreffend die Zulassung ausserkantonaler Anwälte
seien mit dem Binnenmarktgesetz nicht vereinbar, steht schon nach
den allgemeinen Regeln allein die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV)
zur Verfügung (vgl. BGE 122 II 241 E. 2a S. 243 f.; 117 Ib 399 E. 1a S. 400
f.; 116 Ia 264 E. 2b S. 266 f., je mit Hinweisen). Im übrigen sieht Art. 9
Abs. 2 BGBM als Rechtsmittel gegen Verfügungen betreffend Beschränkungen
des freien Zugangs zum Markt ausdrücklich die staatsrechtliche Beschwerde
vor (vgl. dazu AB 1995 S 936 f., Votum Zimmerli).

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid
widerspreche Art. 2 BGBM (freier Marktzugang) und Art. 4 BGBM (Anerkennung
von Fähigkeitsausweisen), soweit er vorliegend und generell am Erfordernis
eines Leumundszeugnisses, eines Zentralstrafregisterauszugs sowie einer
Einverständnis- bzw. Entbindungserklärung gemäss Art. 1 Ziff. 4 des
Reglements festhalte. Für diese Auflagen gebe es keine überwiegenden
öffentlichen Interessen. Zudem seien sie nicht verhältnismässig im Sinne
von Art. 3 Abs. 3 lit. a BGBM, weil die angestrebte Schutzwirkung bereits
durch die Vorschriften des Herkunftsorts erzielt werde. Schliesslich sei
durch die "ungerechtfertigte Kostenauflage" Art. 4 Abs. 2 BGBM "tangiert",
der ein kostenloses Verfahren vorsehe. Der angefochtene Entscheid und
die betreffenden kantonalbernischen Bestimmungen verstiessen somit gegen
Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung.

    b) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2
ÜbBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung
abschliessend geregelt hat, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In
Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die
Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und
Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen
oder vereiteln. Der so umschriebene Grundsatz regelt zwar das Verhältnis
zwischen Bund und Kantonen; er hat aber auch unmittelbare Auswirkungen auf
die Rechtsstellung des einzelnen und ist insofern als verfassungsmässiges
Individualrecht anerkannt (BGE 119 Ia 453 E. 2b S. 456, mit Hinweisen).

    Wird mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung von Art. 2
ÜbBest. BV gerügt, prüft das Bundesgericht frei, ob die beanstandete
kantonale Norm mit dem Bundesrecht vereinbar ist (BGE 122 I 18 E. 2b/aa
S. 20 f. und 81 E. 2a S. 84, je mit Hinweisen). Es hebt im Rahmen der
abstrakten Normenkontrolle angefochtene kantonale Bestimmungen nur auf,
wenn sie sich jeder haltbaren Auslegung, die bundesrechtskonform ist,
entziehen (vgl. BGE 122 I 343 E. 3a S. 345, mit Hinweisen). Ist dagegen
die Vereinbarkeit einer kantonalen Bestimmung mit dem Bundesrecht, wie
hier, bloss vorfrageweise zu prüfen (konkrete Normenkontrolle), so ist
bezüglich der Kognition zu unterscheiden: Die Auslegung der streitigen
kantonalen Norm bzw. deren Anwendung durch die kantonalen Behörden prüft
das Bundesgericht grundsätzlich unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür; eine darüber hinaus gehende Kontrolle findet nur statt,
wenn ein schwerer Eingriff in ein spezielles Grundrecht vorliegt
(vgl. etwa zur Handels- und Gewerbefreiheit: BGE 121 I 326 E. 2b S.
329, mit Hinweisen). Frei prüft das Bundesgericht alsdann, wie eingangs
erwähnt, ob die willkürfrei ausgelegte streitige kantonale Vorschrift mit
dem einschlägigen Bundesrecht vereinbar ist. Die in der bundesrätlichen
Botschaft zum Binnenmarktgesetz und von einzelnen Autoren vertretene
Auffassung, wonach das Bundesgericht bei Beschwerden wegen Verletzung
des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts die Auslegung
des kantonalen Rechts ausnahmslos frei prüfe, ist unzutreffend und
lässt sich den von diesen zitierten Entscheiden nicht entnehmen (BBl
1995 I 1275; u.a. WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, 2. Aufl., S. 179, 192; ANDREAS AUER, Die schweizerische
Verfassungsgerichtsbarkeit, Basel 1984, Nr. 486; PETER GALLI/DANIEL
LEHMANN/PETER RECHSTEINER, Das öffentliche Beschaffungswesen in der
Schweiz, Zürich 1996, S. 180 f.; ATTILIO GADOLA, Rechtsschutz und
andere Formen der Überwachung der Vorschriften über das öffentliche
Beschaffungswesen, in: AJP 1996, S. 977; THOMAS COTTIER/MANFRED WAGNER,
Das neue Bundesgesetz über den Binnenmarkt, AJP 1995, S. 1589).

Erwägung 3

    3.- Das Binnenmarktgesetz ist am 1. Juli 1996 in Kraft getreten
(Abs. 2 des Inkraftsetzungsbeschlusses; AS 1996 1742). Es sieht in Art. 11
("Anpassung von Rechtsvorschriften") vor, dass Kantone und Gemeinden
sowie andere Träger öffentlicher Aufgaben ihre Vorschriften innert zwei
Jahren seit dem Inkrafttreten mit dem Gesetz in Einklang bringen und die
erforderlichen organisatorischen Bestimmungen erlassen (Abs. 1). Aufgrund
dieser Übergangsregelung fragt sich, ob die materiellen Bestimmungen des
Binnenmarktgesetzes vorliegend schon anwendbar sind.

    a) In der Doktrin wird zum Teil die Auffassung vertreten, die
zweijährige Übergangsfrist sei auch auf die Umsetzung der materiellen
Bestimmungen des Gesetzes in das kantonale und kommunale Recht anzuwenden:
Gegen kantonale und kommunale Vorschriften, die das Gesetz verletzen,
sowie gegen deren Anwendung könne sich der Betroffene daher erst
nach Ablauf der Übergangsfrist (gestützt auf das Binnenmarktgesetz)
zur Wehr setzen. Hingegen könne er sich sofort ab Inkrafttreten
des Gesetzes gegen Diskriminierungen wehren, die sich nicht aus dem
geschriebenen Recht, sondern aus der Rechtspraxis ergäben (Grundsatz
der binnenmarktgesetzkonformen Auslegung des kantonalen und kommunalen
Rechts). Sodann würden die Grundsätze des Gesetzes mit dem Inkrafttreten
auch für den Erlass von neuem kantonalem oder kommunalem Recht gelten
(GALLI/LEHMANN/RECHSTEINER, aaO, S. 20).

    b) Eine solche Lösung ist indessen nicht praktikabel, da im
Einzelfall nicht zum vornherein feststeht, ob die Rechtsanwendung durch
die kantonalen Behörden einer gesetzeskonformen Auslegung zugänglich
ist oder ob die kantonale (oder kommunale) Norm als solche gegen das
Binnenmarktgesetz verstösst. Sie würde im übrigen dazu führen, dass
während der Übergangsfrist die Rüge, das Binnenmarktgesetz sei verletzt,
um so weniger erhoben werden könnte, je weiter die angewandten kantonalen
oder kommunalen Bestimmungen von dessen Vorschriften abweichen; das wäre
indessen sinnwidrig.

    c) Gemäss der bundesrätlichen Botschaft soll die in Art. 12 des
Entwurfs (Art. 11 BGBM) vorgesehene Anpassungsfrist sicherstellen, dass
die Grundsätze des Erlasses auch in den Rechtsordnungen der Kantone
und Gemeinden in einem angemessenen Zeitraum umgesetzt und bestehende
Divergenzen beseitigt werden. Da die grosse Mehrheit der Diskriminierungen
in Kantonen und Gemeinden nicht im geschriebenen Recht, sondern vielmehr
in der Rechtsanwendung auszumachen seien und demnach nur wenige Änderungen
im kantonalen und kommunalen Gesetzesrecht vorgenommen werden müssten,
rechtfertige sich die vergleichsweise kurze Anpassungsfrist von zwei
Jahren. Im Unterschied zu Art. 12 seien die Verpflichtungen gemäss
Art. 2 Abs. 2 (betreffend freien Zugang zum Markt) und Art. 5 Abs. 1
(betreffend diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Beschaffungen)
allgemeiner und würden sich auch auf Verfügungen und das künftige Recht
beziehen. Die materiellen Grundsätze des Gesetzes würden "insofern"
bereits mit der Inkraftsetzung des Erlasses wirksam (BBl 1995 I 1276 f.).

    Nach diesen Ausführungen gilt die zweijährige Anpassungsfrist
jedenfalls für die materiellen "Grundsätze" des Gesetzes nicht. Dem
entspricht, dass der Bundesrat das Binnenmarktgesetz auf den 1. Juli
1996 generell in Kraft gesetzt hat. Eine Ausnahme ist einzig für
Art. 9 Absätze 1-3 (Rechtsschutz) vorgesehen, die in bezug auf Art. 5
(öffentliche Beschaffungen) erst am 1. Juli 1998 in Kraft treten sollen
(Abs. 3 des Inkraftsetzungsbeschlusses). Würden die materiellen Grundsätze
erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren Wirkung entfalten, käme
der Inkraftsetzung des Gesetzes keine Bedeutung mehr zu. Auch aus den
Materialien geht freilich nicht hinreichend klar hervor, wie es sich mit
den übrigen materiellen Bestimmungen verhält.

    d) Ein vernünftiger Sinn lässt sich Art. 11 Abs. 1 BGBM nur abgewinnen,
wenn angenommen wird, die zweijährige Übergangsfrist bewirke keinen
Aufschub der Anwendung des Gesetzes, so dass dessen materielle Bestimmungen
bereits mit dem Inkrafttreten voll wirksam werden (so COTTIER/WAGNER,
aaO, S. 1590; ferner GADOLA, aaO, S. 977). Dieses Ergebnis stimmt mit der
Zielrichtung des Gesetzes überein, für das nach Auffassung des Bundesrats
ein "Handlungsbedarf" ausgewiesen war (vgl. BBl 1995 I 1214, 1277 ff.). Der
Übergangsfrist kommt damit nur für die Anpassung der organisatorischen
Vorschriften praktische Bedeutung zu (vgl. etwa Art. 9 Abs. 2 BGBM:
Schaffung verwaltungsunabhängiger Beschwerdeinstanzen). Die Verpflichtung
von Kantonen und Gemeinden, ebenfalls ihre materiellen Vorschriften
mit dem Binnenmarktgesetz in Einklang zu bringen, hat hingegen nur den
Charakter einer Ordnungsvorschrift.

    Sowohl das Obergericht des Kantons Bern als auch der Beschwerdeführer
sind zu Recht (stillschweigend) davon ausgegangen, dass die materiellen
Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes auf den vorliegenden Fall bereits
anwendbar sind.

Erwägung 4

    4.- a) Das Binnenmarktgesetz will gewährleisten, dass Personen
mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz für die Ausübung ihrer
Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und
gleichberechtigten Zugang zum Markt haben (Art. 1 Abs. 1). Jede
Person hat das Recht, Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen
auf dem gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten, soweit die Ausübung
der betreffenden Erwerbstätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer
Niederlassung oder ihres Sitzes zulässig ist (Art. 2 Abs. 1). Das Anbieten
von Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen richtet sich nach den
Vorschriften des Kantons oder der Gemeinde der Niederlassung oder des
Sitzes des Anbieters (Art. 2 Abs. 3 erster Satz). Gemäss Art. 3 Abs. 1
darf für ortsfremde Anbieter der freie Zugang zum Markt nur dann nach
Massgabe der Vorschriften des Bestimmungsortes eingeschränkt werden,
wenn diese Beschränkungen gleichermassen auch für ortsansässige Personen
gelten (lit. a), zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen
unerlässlich (lit. b) und verhältnismässig (lit. c) sind. Diese
Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (COTTIER/WAGNER,
aaO, S. 1586). Beschränkungen dürfen in keinem Fall ein verdecktes
Handelshemmnis zu Gunsten einheimischer Wirtschaftsinteressen beinhalten
(Art. 3 Abs. 4). Kantonale oder kantonal anerkannte Fähigkeitsausweise zur
Ausübung einer Erwerbstätigkeit gelten auf dem gesamten Gebiet der Schweiz,
sofern sie nicht Beschränkungen nach Art. 3 unterliegen (Art. 4 Abs. 1).

    Entgegen der Auffassung des Obergerichts besteht kein Grund zur
Annahme, dass diese Grundsätze bei der Ausübung wissenschaftlicher Berufe
nur beschränkt Geltung hätten. Vielmehr haben die Kantone insbesondere
den in Art. 3 Abs. 1 BGBM festgelegten Mindeststandard auch bei der
Zulassung ausserkantonaler Anwälte einzuhalten (Rolf P. Jetzer/Gaudenz
G. Zindel/Salvatore Petralia, Freizügigkeit der Rechtsanwälte in der
EU unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Schweiz, in: SJZ 93
(1997) S. 174).

    b) Der Beschwerdeführer verfügt über das Zürcher Anwaltspatent. Er ist
im Kanton Zürich niedergelassen und übt in diesem Kanton den Anwaltsberuf
aus. Grundsätzlich hat er damit das Recht, seine Dienstleistung auf dem
gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten (Art. 2 Abs. 1 BGBM), und ist
sein Fähigkeitsausweis von allen Kantonen anzuerkennen (Art. 4 Abs. 1
BGBM; vgl. auch DOMINIQUE DREYER, L'avocat dans la société actuelle, in:
ZSR 115 (1996) II. Halbband, S. 421 ff., 438 ff.). Das Obergericht will
ihn gestützt auf Art. 1 des Reglements zur Ausübung des Anwaltsberufs
im Kanton Bern nur zulassen, falls er ein Leumundszeugnis sowie die
Erklärung beibringt, dass er mit der Aushändigung aller seine Person
betreffenden Akten und Auskünfte einverstanden sei und dass er Behörden
und Privatpersonen von der Wahrung des Amts- oder Berufsgeheimnisses
befreie. Selbst wenn diese Erfordernisse bloss formellen Charakter haben
und leicht zu erfüllen sind, liegt darin doch eine Beschränkung des
freien Zugangs zum Markt, die nur unter den Voraussetzungen von Art. 3
BGBM zulässig ist.

    c) Ein guter Leumund wird nach Art. 3 FG auch von den bernischen
Fürsprechern verlangt. Diese Zugangsbeschränkung gilt also "gleichermassen
auch für ortsansässige Personen" und liegt grundsätzlich im öffentlichen
Interesse (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a und b BGBM). Gemäss Art. 3
Abs. 1 lit. c BGBM muss die Massnahme aber überdies verhältnismässig
sein. Verhältnismässig im Sinne des Gesetzes sind nach Art. 3 Abs. 3
BGBM Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt insbesondere, wenn
die angestrebte Schutzwirkung nicht bereits durch die Vorschriften
des Herkunftsortes erzielt wird (lit. a) und wenn die Nachweise und
Sicherheiten berücksichtigt werden, welche der Anbieter bereits am
Herkunftsort erbracht hat (lit. b). Diese Voraussetzungen erfüllt nun
die Anforderung, dass ein auswärtiger Anwalt für die Berufsausübung im
Kanton Bern ein Leumundszeugnis beizubringen hat, nicht:

    Das Recht zur Ausübung des Anwaltsberufs wird in den Kantonen
regelmässig an einen guten Leumund bzw. an das Erfordernis der
Ehrenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit geknüpft (FELIX WOLFFERS, Der
Rechtsanwalt in der Schweiz, Zürich 1986, S. 72; vgl. auch BGE 119 Ia 374
E. 2b S. 376, mit Hinweisen). Es darf angenommen werden, dass sich die
entsprechenden kantonalen Anforderungen nicht wesentlich unterscheiden
(vgl. in diesem Zusammenhang auch BGE 122 I 109 E. 3d S. 114 f.). Der
Beschwerdeführer hat den Nachweis erbracht, dass er seit dem 25. Juni 1986
das zürcherische Fähigkeitszeugnis für den Rechtsanwaltsberuf besitzt und
dass gegen ihn im Kanton Zürich keine Disziplinarstrafen ausgesprochen
wurden. Damit steht fest, dass er den in diesem Kanton geltenden
Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit genügt, die nach dem Gesagten
mit den bernischen Anforderungen vergleichbar sind. Die Schutzwirkung, die
der Kanton Bern mit der Vorlegung eines Leumundszeugnisses anstrebt, wird
insofern bereits durch die Vorschriften des Herkunftsortes erzielt. Ein
Abweichen vom Grundsatz, wonach diese Vorschriften gemäss der allgemeinen
Regel des Art. 2 BGBM auch für die ausserkantonale Tätigkeit des Anwalts
massgebend sind, rechtfertigt sich gemäss Art. 3 Abs. 3 lit. a und lit. b
BGBM unter den gegebenen Umständen nicht (DREYER, aaO, S. 424).

    d) Soweit das bernische Recht die Zulassung ausserkantonaler Anwälte
von der Einreichung eines Leumundszeugnisses abhängig macht, ist es
wie aufgezeigt mit dem Binnenmarktgesetz nicht vereinbar und verletzt
damit den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Das
gleiche gilt grundsätzlich für das im angefochtenen Entscheid zusätzlich
erwähnte, im kantonalen Gesetz und Reglement jedoch nicht ausdrücklich
aufgeführte Erfordernis, dass ein Auszug aus dem Strafregister einzureichen
ist. Damit ist nicht gesagt, dass die Kantone mit dem Inkrafttreten des
Binnenmarktgesetzes überhaupt nicht mehr befugt wären, das Verhalten
der auf ihrem Gebiet tätigen auswärtigen Anwälte selbständig zu
beurteilen. Insbesondere ist es ihnen weiterhin erlaubt, gegenüber
ausserkantonalen Anwälten unabhängig von allfälligen Massnahmen des
Domizilkantons Disziplinarstrafen auszufällen oder ihnen die Bewilligung
zur Ausübung der Anwaltstätigkeit auf dem eigenen Kantonsgebiet zu
entziehen. Voraussetzung dafür ist aber, dass hinreichende konkrete
Anhaltspunkte für ein derartiges Vorgehen vorliegen. Ist dies wie hier
nicht der Fall, gilt die Vermutung, dass ein im Domizilkanton zugelassener
Anwalt auch die Anforderungen anderer Kantone an die Ehrenhaftigkeit und
Vertrauenswürdigkeit erfüllt. Er ist daher dort ohne weitere Prüfung der
persönlichen Voraussetzungen zur Ausübung des Anwaltsberufs zuzulassen. Ob
er hierzu überhaupt einer förmlichen Bewilligung bedarf (vgl. dazu DREYER,
aaO, S. 438 ff.), kann dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführer
sinngemäss ein entsprechendes Gesuch gestellt hat.

    e) Ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Anforderungen
des Domizilkantons an die Vertrauenswürdigkeit genügt, und sind
diese Anforderungen grundsätzlich für die Berufstätigkeit im Kanton
Bern massgebend, ist es auch unverhältnismässig, von ihm die Abgabe
einer Erklärung zu verlangen, wonach er mit der Aushändigung aller
seine Person betreffenden Akten und Auskünfte an das Obergericht
einverstanden sei und er Behörden und Privatpersonen von der Wahrung
des Amts- oder Berufsgeheimnisses befreie. Ob eine derartige generelle
Einverständniserklärung nicht schon an sich unverhältnismässig ist und
einen unzulässigen Eingriff in verfassungs- und konventionsgeschützte
Rechte darstellt, wie der Beschwerdeführer geltend macht, kann unter
diesen Umständen offenbleiben.

    Da sich die Beschwerde als begründet erweist, brauchen ferner die
übrigen materiellen Rügen (betreffend Art. 31 BV sowie Art. 5 ÜbBest. BV)
nicht weiter geprüft zu werden.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich, dass ihm Kosten
auferlegt wurden. Er macht geltend, gemäss Art. 4 Abs. 2 BGBM sei
das Bewilligungsverfahren kostenlos. Nach dieser Bestimmung hat "bei
Beschränkungen nach Artikel 3 ... die betroffene Person Anspruch darauf,
dass in einem einfachen, raschen und kostenlosen Verfahren geprüft wird,
ob ihr aufgrund des Fähigkeitsausweises der freie Zugang zum Markt zu
gewähren ist oder nicht".

    Nach Auffassung des Obergerichts gilt die Kostenlosigkeit nur
für Verfahren, in denen der Gesuchsteller Ergänzungen beizubringen
habe, weil sein Fähigkeitsausweis nicht als hinreichend beurteilt
werde. Im vorliegenden Fall gehe es aber nicht um die Anerkennung des
Fähigkeitsausweises als solchen, sondern um die Prüfung der persönlichen
Voraussetzungen für die Ausübung des Anwaltsberufs. Diese Auslegung
ist zwar mit dem zitierten Wortlaut der Bestimmung vereinbar; sie
widerspricht aber Sinn und Zweck des Binnenmarktgesetzes: Dieses will
im Interesse der Erleichterung der beruflichen Mobilität innerhalb
der Schweiz (Art. 1 Abs. 2 lit. a BGBM) gewährleisten, dass Personen
ihre Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen nach Massgabe der
Vorschriften des Herkunftskantons auf dem gesamten Gebiet der Schweiz
anbieten können. Demgemäss gelten kantonale oder kantonal anerkannte
Fähigkeitsausweise auf dem ganzen Gebiet der Schweiz, sofern sie nicht
unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 BGBM zulässigen Beschränkungen
unterliegen (Art. 4 Abs. 1 BGBM). Es ist nicht einzusehen, weshalb das
Verfahren zur Überprüfung solcher Beschränkungen nur dann kostenlos sein
soll, wenn es um die beruflichen Fähigkeiten des Gesuchstellers im engern
Sinn geht, nicht aber dann, wenn der Fähigkeitsausweis zwar anerkannt,
der freie Zugang zum Markt aber aus andern Gründen beschränkt wird. Auch
dabei handelt es sich um Marktzugangsschranken gemäss Art. 3 BGBM, die
der Ausübung des Berufs, zu welcher der Fähigkeitsausweis grundsätzlich
berechtigt, entgegenstehen. Der Zweck des Binnenmarktgesetzes würde
nur unvollkommen verwirklicht, wenn ein Anbieter, der seine Leistungen
in einem andern Kanton erbringen will, bei der Überprüfung solcher
Zugangsbeschränkungen mit der Erhebung von Verfahrenskosten rechnen
müsste. Unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise vom Grundsatz der
Kostenlosigkeit abgewichen werden kann (in Betracht kommen etwa Fälle,
da der Gesuchsteller rechtsmissbräuchlich handelt oder wegen mangelhafter
Mitwirkung unnötige Kosten verursacht), ist hier nicht zu prüfen, da
keine derartigen Umstände vorliegen. Die Beschwerde ist daher auch in
diesem Punkt begründet.