Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 279



123 I 279

28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. September 1997 i.S. S. und Mitbeteiligte gegen M. AG., Z. und
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 88 OG; Legitimation des Konkurrenten zur staatsrechtlichen
Beschwerde.

    Keine Legitimation zur Willkürbeschwerde, wenn nicht die Anwendung
konkurrenzschützender Vorschriften in Frage steht (E. 3b/c).

    Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen als
legitimationsbegründendes Recht? (E. 3d).

Sachverhalt

    Das Departement des Innern des Kantons Solothurn erteilte mit
Verfügung vom 26. März 1997 der M. AG als Betriebsinhaberin und Z. als
verantwortlichem Apotheker die Bewilligung zum Betrieb einer öffentlichen
Apotheke in Zuchwil, welche teils als "Publikumsapotheke" und teils
als sogenannte Versandapotheke (Postversand von ärztlich verschriebenen
Medikamenten an die Patienten) geführt werden soll.

    S., H., T., E. und C., alle Eigentümer oder Betreiber von Apotheken
im Kanton Solothurn, erhoben am 7. April 1997 dagegen Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit den Begehren, die Bewilligung
zu verweigern und der Beschwerde unverzüglich die aufschiebende Wirkung
zu erteilen.

    Mit Verfügung vom 28. April 1997 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung
ab und beschränkte das Verfahren vorerst auf die Frage der Legitimation
der Beschwerdeführer.

    S., H., T., E. und C. erhoben dagegen staatsrechtliche Beschwerde mit
dem Antrag, Ziffer 1 der Verfügung des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgender Erwägung:

Erwägung 3

    3.- a) Da gegen den angefochtenen Entscheid im Bund kein anderes
Rechtsmittel zur Verfügung steht, ist grundsätzlich die staatsrechtliche
Beschwerde zulässig (Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 Abs. 1). Weil es sich
um einen Zwischenentscheid handelt, ist jedoch die staatsrechtliche
Beschwerde, soweit sie sich auf Art. 4 BV stützt, nur zulässig, wenn er für
die Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat
(Art. 87 OG). Ob das vorliegend der Fall ist, kann offenbleiben, da auf
die Beschwerde schon aus einem anderen Grund nicht eingetreten werden kann.

    b) Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich
ausschliesslich nach Art. 88 OG, unabhängig von der verfahrensrechtlichen
Stellung, welche die Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren eingenommen
haben (BGE 120 Ia 369 E. 1a S. 371, mit Hinweisen). Nach Art. 88 OG
steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und Korporationen bezüglich
solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder
sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben.
   c) Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Willkürverbots.

    aa) Die Legitimation zur Willkürbeschwerde ist nach ständiger Praxis
nur gegeben, wenn die willkürliche Anwendung einer Bestimmung gerügt wird,
welche dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz
seiner Interessen bezweckt (BGE 122 I 44 E. 3b/bb S. 47; 121 I 267 E. 2
S. 269, mit Hinweisen; vgl. auch BGE 117 Ia 90 E. 3b S. 94).

    bb) Diese für die staatsrechtliche Beschwerde in der Hauptsache
geltenden Voraussetzungen sind auch massgebend für die Legitimation zur
Anfechtung von Entscheiden über die aufschiebende Wirkung (BGE 116 Ia
177 E. 3b/bb S. 180; nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom
20. Oktober 1994 i.S. J., E. 1c). Die Beschwerdeführer sind daher zur
staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Verweigerung der aufschiebenden
Wirkung nur legitimiert, wenn sie auch zur Beschwerde gegen die Erteilung
der Bewilligung berechtigt sind.

    cc) Die Beschwerdeführer machen einerseits geltend, die Erteilung der
Bewilligung an eine auf den Versandhandel ausgerichtete Apotheke gefährde
die öffentliche Gesundheit; andererseits leiten sie ihre Legitimation
daraus ab, dass sie als Eigentümer oder Betriebsinhaber von Apotheken
durch das Vorhaben der Beschwerdegegner als Konkurrenten in ihren
wirtschaftlichen Interessen berührt seien.

    dd) Was die geltend gemachte Gefährdung der öffentlichen Gesundheit
betrifft, so kann dies keine Legitimation der Beschwerdeführer begründen,
da die staatsrechtliche Beschwerde nicht der Durchsetzung öffentlicher
Interessen dient (BGE 121 I 267 E. 2 S. 268 f.; 119 Ia 433 E. 2a S. 435,
mit Hinweisen).

    ee) Nach der Praxis des Bundesgerichts sind Dritte zur
staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung einer Bewilligung
nur legitimiert, wenn sie die verfassungswidrige Anwendung einer
drittschützenden Norm rügen, das heisst einer Norm, welche dem Dritten
selbst Rechte einräumt oder zumindest dem Schutz seiner privaten Interessen
dient (BGE 119 Ia 433 E. 2c S. 437; RDAT 1995 I 51 127 E. 1b; WALTER KÄLIN,
Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994,
S. 246 ff.).

    ff) Die kantonale Heilmittelverordnung, auf welche sich die den
Beschwerdegegnern erteilte Bewilligung stützt, bezweckt nach ihrem § 1 den
Schutz der Bevölkerung vor Schäden durch Heilmittel und die ordnungsgemässe
Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln, dient somit rein öffentlichen
Interessen. Auch die in den § 23 ff. genannten Bewilligungsvoraussetzungen
und Betriebsvorschriften dienen einzig der Gewährleistung dieser
öffentlichen Zwecke. Hinzu kommt, dass eine kantonale Bestimmung,
welche den Schutz bestehender Apotheken vor der Konkurrenzierung durch
neue Apotheken bezweckt, ohnehin mit Art. 31 BV nicht vereinbar wäre,
da - anders als bei Gastwirtschaftsbetrieben (Art. 31ter Abs. 1 BV) -
die Kantone nicht ermächtigt sind, konkurrenzschützende Bestimmungen
über Apotheken zu erlassen. Schon eine verfassungskonforme Auslegung der
Heilmittelverordnung verbietet daher, darin eine Vorschrift zu erblicken,
die dem Schutz der Beschwerdeführer vor wirtschaftlicher Beeinträchtigung
durch den Betrieb der Beschwerdegegner dient.

    d) Die Beschwerdeführer rufen beiläufig auch den Grundsatz der
Gleichbehandlung der Gewerbegenossen an. Dieser Grundsatz fliesst nach der
neueren Praxis des Bundesgerichts direkt aus Art. 31 BV und verpflichtet
den Staat zu einer über das allgemeine Gleichbehandlungsgebot von Art. 4
BV hinausgehenden Wettbewerbsneutralität in der Behandlung direkter
Konkurrenten (BGE 121 I 129 E. 3d S. 134 f., 279 E. 4a S. 285). Dieser
besondere Gleichbehandlungsanspruch könnte möglicherweise als spezifisches
verfassungsmässiges Recht eine Legitimation des Benachteiligten begründen,
ohne dass zusätzlich die verfassungswidrige Anwendung einer besonderen
drittschützenden Gesetzesbestimmung erforderlich wäre (vgl. KÄLIN,
aaO, S. 247 f.). Die Frage braucht jedoch vorliegend nicht entschieden
zu werden, da die Beschwerdeführer gar nicht behaupten, sie würden
gegenüber den Beschwerdegegnern rechtsungleich behandelt. Sie bringen
namentlich nicht vor, ihnen sei der Betrieb einer Versandapotheke nicht
bewilligt worden. Im Gegenteil räumen sie sogar ausdrücklich ein, dass
die Beschwerdegegner den gleichen Vorschriften unterworfen sind wie sie
selber. Eine Ungleichbehandlung, die unter dem Aspekt von Art. 31 BV
eine Beschwerdelegitimation zu begründen vermöchte, könnte unter diesen
Umständen höchstens darin liegen, dass die Behörden die Vorschriften in
ungleicher Weise anwenden und dadurch einzelne Konkurrenten benachteiligt
werden. Die Beschwerdeführer machen zwar geltend, mit der Zulassung einer
Versandapotheke werde ein höheres Gefährdungsniveau bewilligt, als es mit
der Führung einer herkömmlichen Offizinapotheke verbunden sei. Indessen
könnte auch das nur dann eine verfassungsrechtlich unzulässige
staatliche Ungleichbehandlung darstellen, wenn den Beschwerdeführern
verboten würde, ihrerseits eine Versandapotheke zu betreiben, was
jedoch nicht geltend gemacht wird. Dass die Beschwerdeführer diese
Betriebsform für sich nicht in Anspruch nehmen wollen, ist ihr eigener
unternehmerischer Entscheid. Wenn jemand aus irgendwelchen Gründen auf
eine wirtschaftliche Tätigkeit verzichtet, die ihm rechtlich offenstünde,
so stellt ein dadurch allenfalls entstehender Konkurrenznachteil nicht
eine staatliche Ungleichbehandlung dar. Das gilt selbst dann, wenn der
Verzicht auf diese Tätigkeit aus standesethischen Überlegungen erfolgt,
weil - wie die Beschwerdeführer vorbringen - durch den Versandhandel von
Medikamenten das Gesundheitsrisiko für die Medikamentenempfänger erhöht
werde. Damit werden öffentliche Interessen geltend gemacht, zu deren
Schutz die staatsrechtliche Beschwerde - wie dargelegt (vorne E. 3c/dd)
- nicht gegeben ist.

    e) Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtene Verfügung somit
nicht in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt und deshalb zur
staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert.