Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 275



123 I 275

27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16.
September 1997 i.S. Y. gegen Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 84 ff., Art. 97 ff. OG; Abgrenzung Verwaltungsgerichtsbeschwerde -
staatsrechtliche Beschwerde.

    Gegen einen auf kantonales Prozessrecht gestützten Zwischenentscheid
über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung
steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung, auch
wenn in der Sache selbst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist
(E. 2d).

Sachverhalt

    Y., geboren 1973, heiratete am 4. Juni 1992 in der Türkei den in der
Schweiz wohnhaften Z., geboren 1973, und erhielt gestützt darauf eine
Aufenthaltsbewilligung. Diese wurde in der Folge offenbar regelmässig
erneuert, letztmals am 29. September 1995 bis zum 23. Oktober 1997. Am
26. Januar 1996 hat das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt die Ehe von
Y. und Z. geschieden.

    Am 30. April 1996 widerrief die Fremdenpolizei des Kantons Basel-Stadt
die Aufenthaltsbewilligung von Y. Ein beim Polizei- und Militärdepartement
des Kantons Basel-Stadt eingereichter Rekurs blieb erfolglos. Gegen den
Entscheid des Polizei- und Militärdepartements erhob Y. Rekurs beim
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und ersuchte um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung. Das Justizdepartement des Kantons
Basel-Stadt überwies den Rekurs an das Verwaltungsgericht.

    Am 4. April 1997 wies der Instruktionsrichter des Appellationsgerichts,
welches im Kanton Basel-Stadt auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausübt,
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung implizit
ab und forderte die Rekurrentin auf, bis zum 21. April 1997 einen
Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'000.-- zu leisten, widrigenfalls
der Rekurs aus dem Recht gewiesen würde.

    Dagegen hat Y. am 18. April 1997 beim Bundesgericht sowohl
Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben.

    Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
ein. Es heisst hingegen die staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit es
darauf eintritt, und hebt die angefochtene Verfügung auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine kantonal
letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 OG) Zwischenverfügung im Verfahren
betreffend Widerruf einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung. Im
Gegensatz zu einem in der Sache ergangenen Widerrufsentscheid, gegen den
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig wäre (Art. 100 lit. b Ziff. 3
in Verbindung mit Art. 101 lit. d OG), stützt sich die angefochtene
Zwischenverfügung ausschliesslich auf kantonales Verfahrensrecht. Es
stellt sich damit die Frage, ob gegen die angefochtene Verfügung die
staatsrechtliche Beschwerde oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu
ergreifen ist.

    b) Das Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches
Recht des Bundes stützen oder stützen sollten (Art. 97 Abs. 1 OG in
Verbindung mit Art. 5 VwVG; vgl. BGE 121 II 72 E. Ib S. 75). Im Verfahren
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind auch auf unselbständiges kantonales
Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen sowie
auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend
engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit
dagegen dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne
den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht
ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 121
II 72 E. 1b S. 75, mit Hinweisen).

    c) Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde trotz
kantonalrechtlicher Verfügungsgrundlage wird vom Bundesgericht ferner im
Bereich der Nichteintretensentscheide bejaht: Tritt eine kantonale Behörde
auf ein Rechtsmittel allein gestützt auf kantonales Verfahrensrecht nicht
ein und führt dies dazu, dass die korrekte Anwendung von Bundesrecht
nicht überprüft wird, die Durchsetzung von Bundesrecht somit vereitelt
werden könnte, so ist die Rüge, das kantonale Verfahrensrecht sei
in Art. 4 BV verletzender Weise angewendet worden, ebenfalls mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen, und zwar selbst dann, wenn
nicht eine Verletzung von materiellem Bundesverwaltungsrecht behauptet
wird (BGE 120 Ib 379 E. 1b S. 382, mit Hinweisen; vgl. BGE 121 II 190
E. 3a S. 192, mit Hinweisen).

    d) Die vorliegende Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen
einen auf kantonales Prozessrecht gestützten Zwischenentscheid, ohne
dass gleichzeitig eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde hängig wäre, zu
der ein Sachzusammenhang hergestellt werden könnte. Es kann sich daher
höchstens die Frage stellen, ob die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung zu einer Vereitelung von Bundesrecht
führen könnte, wie dies bei den auf kantonales Recht gestützten
Nichteintretensentscheiden angenommen wird. Dieses Abweichen von der
Grundregel, gemäss welcher nur auf öffentliches Recht des Bundes gestützte
Verfügungen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar sind, rechtfertigt
sich indessen nur dann, wenn der angefochtene, auf kantonales Prozessrecht
gestützte Entscheid die Durchsetzung von Bundesrecht unmittelbar vereiteln
kann. Dies ist bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung, anders als bei den Nichteintretensentscheiden, nicht der
Fall (vgl. auch die Kritik von KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, 2. Auflage Bern 1994, S. 309). Damit steht im vorliegenden
Fall ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung
(sofern die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind).

    e) Nichts anderes kann im übrigen gelten, wenn der Entscheid über
die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gleichzeitig mit
dem Entscheid in der Sache ergangen ist, jedoch einzig die Verweigerung
der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung angefochten wird:
auch hier gibt es keinen Grund dafür, von der Grundregel abzuweichen
(vgl. in bezug auf den Kostenpunkt BGE 122 II 274 E. 1b/bb S. 278).

    Wird in einem solchen Fall hingegen der kantonale Entscheid sowohl
in der Sache wie auch in bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung angefochten, gebietet der Grundsatz
der Einheit des Prozesses, neben der Hauptsache auch die Frage der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung im verwaltungsgerichtlichen
und nicht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren zu beurteilen (vgl. in
bezug auf den Kostenpunkt BGE 122 II 274 E. 1b/aa S. 277/278).

    f) Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV ist gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig; gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben (Art. 87
OG). Zwischenentscheide betreffend die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege bzw. Verbeiständung haben für den Gesuchsteller namentlich
dann einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge, wenn sie mit
der Aufforderung zur Leistung eines Kostenvorschusses verbunden sind (BGE
111 Ia 276 E. 2b S. 279; bezüglich der unentgeltlichen Verbeiständung
auch nicht veröffentlichte E. 1 von BGE 115 Ia 103 ff.). Auf die frist-
und formgerecht eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist daher
grundsätzlich einzutreten.