Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 1



123 I 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3.
Februar 1997 i.S. X. gegen Erziehungsdirektion und Verwaltungsgericht
des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 Abs. 1 BV, Art. 27 Abs. 2 BV; Lehrerbesoldung;
Gesetzmässigkeitsprinzip; Rechtsgleichheit; Verhältnismässigkeitsprinzip.

    Bedeutung und Geltendmachung des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit
der Verwaltung (E. 2).

    Bestimmtheitsgebot für Besoldungsregelungen im öffentlichen Dienstrecht
(E. 4).

    Ein mit der unterschiedlichen Vorbildung von Logopädinnen (Matura bzw.
Lehrerpatent) begründeter Besoldungsunterschied von 8-9% verstösst nicht
gegen Art. 4 Abs. 1 BV (E. 6).

    Auf Art. 27 Abs. 2 BV können sich die Schüler bzw. ihre Eltern berufen,
aber nicht die Lehrer (E. 9).

    Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist kein selbständiges
verfassungsmässiges Recht (E. 10).

Sachverhalt

    X. ist diplomierte Logopädin mit Vorbildung Matura. Sie wurde per
1. April 1978 definitiv an die Primarschule W. gewählt, wo sie seither
Sprachheilunterricht erteilt. Ihre Besoldung setzt sich zusammen
aus 90% der Grundbesoldung für Primarlehrer und einer Zulage für
Spezialunterricht. Logopäden, welche vor ihrer logopädischen Ausbildung
eine Primarlehrerausbildung absolviert haben, erhalten demgegenüber die
volle Grundbesoldung für Primarlehrer und die Zulage für Spezialunterricht.

    Mit Eingabe vom 26. August 1993 gelangte X. an das Personalamt des
Kantons Bern; sie führte aus, die zehnprozentige Kürzung des Grundlohnes
lasse sich nicht auf die geltende Gesetzgebung abstützen. Sie ersuchte um
entsprechende Erhöhung der Grundbesoldung und rückwirkende Nachzahlung
des unrechtmässig abgezogenen Differenzbetrages für die letzten fünf
Jahre. Das Amt für Finanzen und Administration der Erziehungsdirektion
und auf Rekurs hin die Erziehungsdirektion des Kantons Bern wiesen das
Begehren ab. X. erhob dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern, welches diese mit Urteil vom 13. November 1995, zugestellt
am 24. November 1995, abwies.

    X. erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid
des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Erziehungsdirektion anzuweisen,
den zehnprozentigen Abzug vom Grundlohn ab sofort zu streichen und den
Differenzbetrag für die letzten fünf Jahre nachzubezahlen. Sie rügt
eine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit der Verwaltung,
der Rechtsgleichheit, des Willkürverbots, des rechtlichen Gehörs, von
Art. 27 Abs. 2 BV sowie des Verhältnismässigkeitsprinzips.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf einzutreten
ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes der
Gesetzmässigkeit der Verwaltung, indem für die Kürzung der Grundbesoldung
weder eine formellgesetzliche Grundlage noch eine hinreichend bestimmte
materiellgesetzliche Grundlage bestehe.

    a) Es ist unbestritten, dass die zehnprozentige Kürzung der
Grundbesoldung der Logopäden ohne Lehrerpatent nicht auf einem
ausdrücklichen Rechtssatz des bernischen Rechts, sondern auf einer jeweils
im Einzelfall getroffenen Anordnung beruht. Die kantonalen Behörden stützen
diese Kürzung auf Art. 15 Abs. 3 des kantonalen Dekrets vom 21. September
1971 über die besonderen Klassen und den Spezialunterricht der Volksschule
(DbK). Dieser Artikel lautet wie folgt:

    "Art. 15   Besoldungen

    1 Lehrer, welche an Kleinklassen A B oder C unterrichten, erhalten eine

    Zulage zur Primarlehrergrundbesoldung gemäss Lehrerbesoldungsgesetz.

    2 Der Spezialunterricht wird in der Regel ebenfalls nach den

    Besoldungsbestimmungen für die Primarlehrerschaft im Verhältnis zur

    Stundenzahl besoldet.

    3 Für Ausnahmefälle nach Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 2 werden die

    Besoldung und eine allfällige Zulage von der Erziehungsdirektion
   festgesetzt. Im Streitfall trifft das Personalamt eine Verfügung."

    Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts findet dieses Dekret eine
formellgesetzliche Grundlage in Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli
1973 über die Lehrerbesoldungen (LBG). Diese Bestimmung lautet wie folgt:

    "Art. 5   Nähere Regelungen der Besoldungen, der Zulagen und der

    Entschädigungen

    1 Der Grosse Rat legt die Besoldungen und Zulagen gemäss Art. 4
Absätze 1
   und 2 sowie die Dienstaltersgeschenke durch Dekret fest. Den

    Besoldungszuschlägen soll die Funktion zukommen, der Lehrerschaft einen
   angemessenen finanziellen Aufstieg zu ermöglichen."

    b) Das Legalitätsprinzip besagt, dass ein staatlicher Akt sich auf
eine materiellgesetzliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt
und vom staatsrechtlich hiefür zuständigen Organ erlassen worden ist. Es
dient damit einerseits dem demokratischen Anliegen der Sicherung der
staatsrechtlichen Zuständigkeitsordnung, andererseits dem rechtsstaatlichen
Anliegen der Rechtsgleichheit, Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit des
staatlichen Handelns (HANS DUBS, Die Forderung der optimalen Bestimmtheit
belastender Rechtsnormen, ZSR 93/1974 II S. 223-247, 224 f.; FRITZ GYGI,
Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 78; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss
des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1993, S. 72 ff.;
PIERRE MOOR, Droit administratif, Vol. 1, 2. Aufl. Bern 1994, S. 330 f.;
HANSJÖRG SEILER, Gewaltenteilung - Allgemeine Grundlagen und schweizerische
Ausgestaltung, Bern 1994, S. 329). Das Legalitätsprinzip gilt für das
ganze Verwaltungshandeln mit Einschluss der Leistungsverwaltung (BGE 103 Ia
369 E. 5 S. 380 f.; 118 Ia 46 E. 5b S. 61 f., mit Hinweisen). Es ist ein
verfassungsmässiges Prinzip, aber kein verfassungsmässiges Individualrecht,
dessen Verletzung selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt
werden kann (BGE 121 I 22 E. 3a S. 25, mit Hinweisen). Die Verletzung des
Legalitätsprinzips kann im Zusammenhang mit der Verletzung des Grundsatzes
der Gewaltentrennung (BGE 121 I 22 E. 3a S. 25) oder eines speziellen
Grundrechts geltend gemacht werden, wobei sich die Verfassungswidrigkeit
daraus ergeben kann, dass die verfassungsmässige Zuständigkeitsordnung
verletzt oder ohne hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage in ein
Grundrecht eingegriffen wird (vgl. BGE 118 Ia 305 E. 2a S. 309 f.; 115 Ia
277 E. 7a S. 288; 111 Ia 31 E. 4 S. 32 f.; 109 Ia 273 E. 4d S. 282 ff.;
WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl.
Bern 1994, S. 178 f.; WERNER RITTER, Schutz der Freiheitsrechte durch
genügend bestimmte Normen, Diss. St. Gallen 1994, S. 309 f.). Als
selbständiges verfassungsmässiges Recht gilt das Legalitätsprinzip zudem
im Abgaberecht (BGE 122 I 61 E. 2a S. 63; 120 Ia 265 E. 2a S. 266) sowie -
soweit es nicht schon durch Art. 1 StGB gewährleistet ist - im Strafrecht
(BGE 118 Ia 137 E. 1c S. 139 f.; 112 Ia 107 E. 3a S. 112). Im übrigen kann
mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung des Legalitätsprinzips
nur im Rahmen der Verletzung des Willkürverbots und der Rechtsgleichheit
gerügt werden (BGE 119 Ia 445 E. 2a S. 449; 117 Ia 27 E. 7a S. 32; ARTHUR
HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 187).

    c) Die Rüge, die gesetzliche Grundlage für die zehnprozentige
Kürzung der Grundbesoldung fehle bzw. sei zu wenig bestimmt, ist somit
vorliegend insoweit mit freier Kognition zu prüfen, als eine Verletzung
verfassungsmässiger Zuständigkeitsregeln gerügt wird, im übrigen aber nur
auf ihre Vereinbarkeit mit dem Willkürverbot und der Rechtsgleichheit,
da keine Verletzung eines speziellen Grundrechts geltend gemacht wird
(BGE 121 I 22 E. 3a S. 25).

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 26
Ziff. 14 und Art. 27 der bis Ende 1994 in Kraft gewesenen bernischen
Staatsverfassung vom 4. Juni 1893 (aKV/BE). Art. 15 DbK entbehre einer
formellgesetzlichen Grundlage und enthalte zudem, wenn er als Grundlage
für die Besoldungskürzung herangezogen werden soll, eine unzulässige
Delegation an die Erziehungsdirektion.

    a) Am 1. Januar 1995 ist die neue bernische Kantonsverfassung
vom 6. Juni 1993 in Kraft getreten. Das angefochtene Urteil des
Verwaltungsgerichts ist am 13. November 1995 ergangen, also bereits unter
der Herrschaft der neuen Verfassung. Schafft eine Verfassungsreform eine
neue, bisher fehlende Verfassungsgrundlage für eine Delegation, so kann
ein bisher allenfalls verfassungswidriger delegierter Rechtsetzungsakt
verfassungsmässig werden (BGE 107 Ia 29 E. 2a S. 31 f.; ZBl 90/1989 S. 491,
E. 4c). Dies gilt jedoch nur ex nunc; soweit die Beschwerdeführerin ein
Besoldungsbegehren für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 gestellt hat,
richtet sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten
Regelung nach der alten Kantonsverfassung.

    (E. 3b-e: Die Kürzung der Besoldung verstösst nicht gegen Art. 26
Ziff. 14 oder Art. 27 aKV/BE).

Erwägung 4

    4.- Soweit nicht eine Verletzung der verfassungsmässigen
Zuständigkeitsordnung, sondern des rechtsstaatlich begründeten
Bestimmtheitsgebots gerügt wird, beschränkt sich die Überpüfungsbefugnis
des Bundesgerichts auf eine Willkürprüfung (E. 2b/c).

    a) Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine
andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen
wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor,
wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar ist (BGE 122 I 61 E. 3a S. 66 f.; 121 I 113 E. 3a,
S. 114; 120 Ia 369 E. 3a S. 373).

    b) Das Legalitätsprinzip verlangt, dass die angewendeten
Rechtssätze eine angemessene Bestimmtheit aufweisen müssen (BGE 113
Ib 60 E. 3b S. 63 f.; DUBS, aaO, S. 225; RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990,
S. 192). Das Gebot der Bestimmtheit kann nicht in absoluter Weise
verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten,
allgemeine Begriffe zu verwenden. Es ist unvermeidlich, dass viele
Rechtssätze mehr oder minder vage Begriffe enthalten, deren Auslegung und
Anwendung der Praxis überlassen werden muss (BGE 117 Ia 472 E. 3e S. 479
f.). Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt
festlegen. Eine besondere Bedeutung hat die Forderung der Bestimmtheit
bei Verhaltensnormen, die durch Androhung von Sanktionen unmittelbar ein
bestimmtes Verhalten des Bürgers bewirken sollen (vgl. BGE 117 Ia 472
E. 3e S. 480; 113 Ib 60 E. 3b S. 63), oder wenn eine Vielzahl von ähnlich
gelagerten Entscheiden zu treffen sind. Umgekehrt sind die Anforderungen
weniger streng, wenn unterschiedlich gelagerte Sachverhalte zu regeln
sind, bei denen im Interesse einer sachgerechten Flexibilität oder der
Einzelfallgerechtigkeit Differenzierungen im Anwendungsfall angebracht sind
(DUBS, aaO, S. 244 f.; MOOR, aaO, S. 338 ff.; GEORG MÜLLER, Inhalt und
Formen der Rechtssetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung,
Basel 1979, S. 83 ff.; SEILER, aaO, S. 333 f.). Unbestimmte Regelungen
können insbesondere dann genügen, wenn ein Rechtsverhältnis zur Diskussion
steht, welches die Betroffenen freiwillig eingegangen sind (BGE 121 I 230
E. 3g/dd S. 239) oder bei dem die Rechte und Pflichten zwischen Staat und
Privaten frei ausgehandelt werden können (nicht publiziertes Urteil des
Bundesgerichts i.S. B. vom 21. November 1994, E. 3a). Schliesslich kann
dem Bedürfnis nach Rechtsgleichheit auch durch eine gleichmässige und den
besonderen Umständen Rechnung tragende Behördenpraxis entsprochen werden
(BGE 111 Ia 31 E. 4 S. 32).

    c) Die Rechte und Pflichten der öffentlichen Bediensteten, insbesondere
deren Besoldung, sollen sich im Grundsatz ebenfalls aus einem (zumindest
materiellen) Gesetz ergeben (BGE 98 Ia 179). Doch ist nicht erforderlich,
dass alle Einzelheiten durch Rechtssatz geregelt werden (Urteil des
Bundesgerichts i.S. P. vom 23. März 1995, publiziert in SJ 1995 681,
E. 3; HÄFELIN/MÜLLER, aaO, S. 90 Rz. 391). Eine gewisse Flexibilität ist
im öffentlichen Dienstrecht unvermeidlich und zulässig.

    d) Vorliegend wird die Differenzierung der Besoldung nicht
auf einzelfallrelevante Kriterien wie die individuellen Leistungen
oder Fähigkeiten abgestützt. Vielmehr werden sämtliche Logopäden
mit Matura als Vorbildung schlechter entlöhnt als diejenigen mit
einem Lehrerpatent, was offenbar eine grössere Zahl von Personen
betrifft. Eine rechtssatzmässige Regelung wäre somit ohne weiteres
möglich und im Interesse der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit
auch erwünscht. Umgekehrt wird aber durch die Besoldungsregelung nicht
unmittelbar und hoheitlich ein sanktionierbares Verhalten vorgeschrieben.
Vielmehr handelt es sich bei der Anstellung eines öffentlichen
Bediensteten um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. Der
Lehrer hat - wie ein Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft - die Wahl,
die Stelle zu den gebotenen Bedingungen anzunehmen oder aber darauf
zu verzichten und allenfalls eine Stelle in einem anderen Kanton oder
in einer privaten Institution zu suchen, wo eine bessere Entlöhnung
angeboten wird. Hinzu kommt, dass es der Erziehungsdirektion trotz der
sehr weiten und unbestimmten Formulierung von Art. 15 Abs. 3 DbK nicht
frei steht, jede beliebige Ausnahmeregelung zu treffen; vielmehr ist
sie dabei an verfassungsmässige Rechte und Grundsätze, wie namentlich
Art. 4 BV, gebunden. Es steht dem betroffenen Lehrer offen, mit einem
individuellen Begehren die Verfassungsmässigkeit der konkreten Besoldung
in Frage zu stellen, wie das die Beschwerdeführerin mit ihrem vorliegend
zu beurteilenden Begehren auch getan hat. Art. 15 Abs. 3 DbK erlaubt
somit eine gerichtlich überprüfbare verfassungskonforme Konkretisierung
und verstösst daher trotz seiner erheblichen Unbestimmtheit jedenfalls
nicht offensichtlich gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Rechtsgleichheit,
da Logopäden mit Matura die gleiche Tätigkeit ausübten wie solche mit
Primarlehrerpatent, so dass sich eine unterschiedliche Besoldung nicht
rechtfertige.

    a) Eine Regelung verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit
Art. 4 Abs. 1 BV, wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die
ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich
ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse
aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach
Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe
seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass
sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung
auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche
Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen
ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet
werden je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem
Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein
weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (BGE 121 I 102 E. 4a S. 104, mit
Hinweisen). Das Bundesgericht übt eine gewisse Zurückhaltung und greift von
Verfassungs wegen bloss ein, wenn der Kanton mit den Unterscheidungen, die
er trifft, eine Grenze zieht, die sich nicht vernünftig begründen lässt,
die unhaltbar und damit in den meisten Fällen auch geradezu willkürlich ist
(BGE 114 Ia 221 E. 2b S. 224, mit Hinweisen; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 3. Aufl. Zürich 1993, S. 494).

    b) Ein grosser Ermessensspielraum der kantonalen Behörden besteht
in besonderem Masse in Organisations- und Besoldungsfragen (BGE 121 I
49 E. 3b S. 51, 102 E. 4a S. 104). Eine besondere Zurückhaltung des
Verfassungsrichters drängt sich hier um so mehr auf, als es nicht nur
um einen Vergleich zwischen zwei Kategorien von Berechtigten, sondern um
das ganze Besoldungssystem geht; der Gesetzgeber oder Verfassungsrichter
läuft daher stets Gefahr, neue Ungleichheiten zu schaffen, wenn er
im Hinblick auf zwei Kategorien von Bediensteten Gleichheit erzielen
will (vgl. BGE 120 Ia 329 E. 3 S. 333). Anders verhält es sich nur im
Falle einer geschlechterbedingten Ungleichheit der Besoldung, wo gemäss
Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV der Richter eine unbegründete Ungleichbehandlung
ungeachtet der Auswirkungen auf das Besoldungssystem aufhebt (BGE 117
Ia 262 E. 3c S. 267). Vorliegend wird jedoch nicht eine Verletzung von
Art. 4 Abs. 2, sondern nur von Art. 4 Abs. 1 BV gerügt.

    c) Art. 4 Abs. 1 BV ist verletzt, wenn im öffentlichen Dienstverhältnis
gleichwertige Arbeit ungleich entlöhnt wird (BGE 121 I 49 E. 4c S. 53; 118
Ia 35 E. 2b S. 37; 117 Ia 270 E. 2b S. 273). Ob verschiedene Tätigkeiten
als gleichwertig zu betrachten sind, hängt von Beurteilungen ab, die
unterschiedlich ausfallen können. Innerhalb der Grenzen des Willkürverbots
und des Rechtsgleichheitsgebots sind die Behörden befugt, aus der Vielzahl
denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die
für die Besoldung von Beamten massgebend sein sollen (BGE 121 I 49 E. 4c
S. 53 f., 102 E. 4c S. 105). Verfassungsrechtlich ist nicht verlangt, dass
die Besoldung allein nach der Qualität der geleisteten Arbeit bzw. den
tatsächlich gestellten Anforderungen bestimmt werden dürfe (BGE 121 I 102
E. 4d/aa S. 106 f.). So hat das Bundesgericht erkannt, dass Art. 4 BV nicht
verletzt ist, wenn Besoldungsunterschiede auf objektive Motive wie Alter,
Dienstalter, Familienlasten, Qualifikation, Art und Dauer der Ausbildung,
Arbeitszeit oder übernommene Verantwortlichkeiten zurückzuführen sind. Im
Bereich der Lehrerbesoldungen sind auch Kriterien wie die notwendige
Ausbildung, die Art der Schule, die Zahl der Unterrichtsstunden oder die
Klassengrösse zulässig (BGE 121 I 49 E. 4c S. 53).

    d) In seiner bisherigen Praxis hat das Bundesgericht einen
Besoldungsunterschied zwischen Primar- und Orientierungsschullehrern
von fast 22% als mit Art. 4 BV vereinbar erklärt, weil letztere
auf einer höheren Schulstufe unterrichten, eine längere Ausbildung
absolvieren müssen, einen komplexeren Stoff und grössere disziplinarische
Schwierigkeiten zu meistern haben (BGE 121 I 49 E. 4c S. 53). Ebenso
vermochte der Status-Unterschied zwischen Hauptlehrern und Lehrbeauftragten
eine Besoldungsdifferenz von rund 6,6% bzw. rund 12% zu rechtfertigen
(BGE 121 I 102 E. 4d S. 106 f.; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. B. vom
10. Dezember 1993, E. 5a/bb). Lediglich bei besonders lange dauernden
Lehrauftragsverhältnissen hat das Bundesgericht in Aussicht gestellt,
dass sich diese Ungleichbehandlung als verfassungswidrig erweisen könnte,
sofern sich der Lehrbeauftragte hinsichtlich Ausbildung, Berufserfahrung,
Verantwortung und Aufgabenbereich nicht von den Hauptlehrern unterscheidet
(zit. Urteil i.S. B., E. 5a/dd). In einem nicht veröffentlichten Urteil
vom 27. September 1996 hat das Bundesgericht eine Besoldungsdifferenz von
20-26% als noch vertretbar bezeichnet, die mit der unterschiedlichen
Ausbildung (dreijährige Lehrerausbildung gegenüber Matura und
anschliessendes Lizentiat) begründet wurde, wobei in bezug auf die
Differenz ausschlaggebend war, dass sich die Funktionsbereiche von zwei
Lehrerkategorien, die an sich für verschiedene Schultypen ausgebildet
waren, nur punktuell für eine bestimmte Klasse überschnitten (nicht
veröffentlichtes Urteil i.S. W. vom 27. September 1996, E. 2). Ferner
wurde eine Besoldungsdifferenz von monatlich Fr. 250.-- bis Fr. 350.--
zwischen Primarlehrern und Arbeitslehrerinnen mit Unterschieden in der
Länge und Breite der Ausbildung und der Höhe der gestellten Anforderungen
gerechtfertigt (BGE 117 Ia 270 E. 3/4, S. 274 ff.).

    e) Vorliegend beträgt der Besoldungsunterschied zwischen
der Beschwerdeführerin und einer Logopädin mit Lehrerpatent 10%
der Grundbesoldung. Wird die ganze Besoldung berücksichtigt, so
beträgt die Differenz ca. 8-9%, da die Zulage für Sonderunterricht
unterschiedslos ausgerichtet wird. Es ist nicht bestritten, dass die
Beschwerdeführerin die gleiche Logopädieausbildung genossen hat und die
gleiche Aufgabe versieht wie eine Logopädin mit Primarlehrerpatent. Als
Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung wird seitens des Kantons
einzig die unterschiedliche Vorbildung (Lehrerpatent bzw. Matura) geltend
gemacht. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus, eine logopädische Lehrkraft
mit Vorbildung Primarlehrerpatent verfüge über ein breiteres Wissen und
Verständnis für die übrigen schulischen Belange und Lerninhalte. Ihre
auf die ganze Schulbildung bezogenen methodischen, didaktischen
und pädagogischen Kenntnisse liessen einen besseren Erfolg auch im
Spezialgebiet und eine optimale Zusammenarbeit innerhalb des Lehrkörpers
erwarten. Zudem dauere die Vorbildung Primarlehrerpatent länger als die
Vorbildung Matura. Diese Überlegungen sind objektiv und sachlich haltbar.

    f) Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, Logopädie sei nicht der
Erteilung von Schulunterricht gleichzustellen, sondern sei therapeutisch
ausgerichtet, weshalb der sachliche Vorsprung von Primarlehrern gegenüber
Maturanden für die Berufsausübung nicht von Bedeutung sei. Hinsichtlich
der logopädisch relevanten Kenntnisse bestehe kein Unterschied zwischen
Logopäden mit Matura und solchen mit einem Lehrerpatent. Das ergebe sich
auch daraus, dass die bundessozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen
über Logopäden keine diesbezügliche Differenzierung treffen.

    g) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist für
die Beurteilung der Besoldungsdifferenzierung durch den Kanton nicht
erheblich, dass nach der Auffassung von logopädischen Ausbildungsstätten
oder Berufsverbänden die Logopädie eine medizinische oder therapeutische
Massnahme ist. Im Kanton Bern ist die Logopädie als Spezialunterricht
zum ordentlichen Schulunterricht in das Schulsystem integriert
und wird nicht als medizinische, sondern als schulische Tätigkeit
betrachtet. Der Kanton ist zu dieser Regelung kraft seiner Hoheit
im Schul- wie im Gesundheitswesen befugt. Demgemäss wäre es auch
verfassungsrechtlich zulässig, für den logopädischen Unterricht nur
Personen zuzulassen, die über eine Lehrerausbildung verfügen. Wenn der
Kanton auch Logopäden anerkennt, die als Vorbildung eine Matura haben,
so ist er deshalb nicht verpflichtet, sie besoldungsmässig gleich zu
behandeln. Das Bundesgericht hat erkannt, dass Unterschiede in der
Ausbildung besoldungsmässig berücksichtigt werden können, wenn eine
bessere Ausbildung für die Ausübung einer Funktion von Nutzen ist
(BGE 117 Ia 270 E. 4a S. 276). Wird die Logopädie zulässigerweise als
Teil der Schule betrachtet, so ist es haltbar, eine Lehrerausbildung
als für die Ausübung des Logopädenberufs nützlich zu betrachten und
dementsprechend besoldungsmässig zu berücksichtigen. Der Umstand,
dass französischsprachige Logopäden offenbar gar nicht anders als
über die Matura das Logopädiestudium absolvieren können, ändert
daran nichts, da die Kantone nicht verfassungsrechtlich verpflichtet
sind, ihre Besoldungsregelungen an die Gestaltung ausserkantonaler
Ausbildungslehrgänge anzupassen.

    h) Die Zulässigkeit von Besoldungsunterschieden ist auch eine Frage des
Masses (BGE 121 I 102 E. 4d/aa S. 107). Angesichts der quantitativen und
qualitativen Unterschiede in der Vorbildung ist die Besoldungsdifferenz von
fast 10% im Lichte der bisherigen Praxis des Bundesgerichts (vorne E. 6d)
und aufgrund des den Kantonen zustehenden grossen Gestaltungsspielraumes
noch als verfassungsrechtlich haltbar zu betrachten.

    i) Unerheblich ist schliesslich, dass die
bundessozialversicherungsrechtlichen Regelungen keine Differenzierung
zwischen Logopäden mit Matura und solchen mit Lehrerpatent kennen. Wenn
der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine bestimmte Regelung trifft,
so heisst das nicht, dass der Kanton im Rahmen seiner Befugnisse daran
gebunden wäre.

    k) Der Besoldungsunterschied zwischen der Beschwerdeführerin und
einer Logopädin mit Lehrerpatent verstösst nach dem Gesagten nicht gegen
das Rechtsgleichheitsgebot.

Erwägung 9

    9.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 27 Abs. 2
BV. Auf diese Bestimmung können sich jedoch nur die Schüler bzw. ihre
Eltern berufen, nicht hingegen die Lehrer (nicht publiziertes Urteil
des Bundesgerichts i.S. B. vom 13. Januar 1982, E. 1). Zudem ist ein
Primarschulunterricht nicht schon allein deshalb ungenügend im Sinne
dieser Bestimmung, weil er von Lehrkräften erteilt wird, deren Gehalt
niedriger ist als dasjenige anderer Lehrkräfte. Die Rüge ist offensichtlich
unbegründet.

Erwägung 10

    10.- Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des
Verhältnismässigkeitsprinzips.

    Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist zwar ein verfassungsmässiges
Prinzip, aber kein verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung
der einzelne selbständig, ohne Zusammenhang mit der Anrufung eines
besonderen Grundrechts, geltend machen kann (ZBl 95/1994 S. 264, E. 2b;
ZBl 89/1988 S. 461, E. 2; KÄLIN, aaO, S. 69). Die Rüge der Verletzung der
Verhältnismässigkeit hat deshalb nebst den bereits behandelten Rügen der
Willkür und der Rechtsungleichheit keine selbständige Bedeutung (BGE 102
Ia 69 E. 2 S. 71).