Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 IV 55



123 IV 55

8. Urteil der Anklagekammer vom 12. März 1997 i.S. R. gegen Schweizerische
Bundesanwaltschaft Regeste

    Art. 249 StGB. Einziehung von falschen schweizerischen Goldmünzen.

    Die gemäss der Spezialbestimmung von Art. 249 StGB obligatorische
Einziehung setzt keine strafbare Handlung im Sinne der Art. 240 ff. StGB
voraus (E. 1).

    Auch sogenannte Probeprägungen in Messing unterliegen der Einziehung,
sofern die Verwechslungsgefahr mit echten Goldmünzen zu bejahen ist
(E. 2a - c).

    Der Zweck der Einziehung ist erreicht, wenn die falsche Goldmünze
durch Einschneiden unbrauchbar gemacht wird (E. 2f).

    Die eingezogene und unbrauchbar gemachte Münze ist dem Berechtigten
zurückzugeben, sofern sie für diesen noch einen Wert aufweist und sofern
keine besonderen Gründe einer Rückgabe entgegenstehen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Anfang September 1996 erwarb der Numismatiker R. von H.
eine Probeprägung 1930 eines 20-Franken-Goldvreneli in Messing und ohne
Randschriftprägung.

    R. hegte gewisse Zweifel an der Echtheit der Münze, weshalb er
sie durch die Eidg. Finanzverwaltung begutachten lassen wollte. Der
Verkäufer erklärte sich damit unter dem Vorbehalt einverstanden, dass
R. die Münze auch behalte, wenn sich diese als Fälschung erweisen sollte;
unter Berücksichtigung dieses Vorbehalts bezahlte R. einen Kaufpreis von
rund Fr. 2'000.--.

    Am 10. September 1996 sandte R. die Münze zur Echtheitsprüfung an
die Eidg. Finanzverwaltung. Der zuständige Experte kam zum Schluss, dass
es sich bei der angeblichen Probeprägung um ein Falsifikat handle. Die
Eidg. Finanzverwaltung versah das Falsifikat mit dem Prägestempel "falsch"
bzw. "faux" und übermittelte es dem Bundesamt für Polizeiwesen, welches
die Kantonspolizei Aargau beauftragte, R. über die Herkunft der Münze
zu befragen.

    Anlässlich seiner Befragung durch die Kantonspolizei Aargau
gab R. an, er habe die in Frage stehende Münze als Probeprägung für
Fr. 1'900.-- gekauft; echte Probeprägungen seien frei handelbar und
auf der ganzen Welt zu kaufen und zu verkaufen. Dass die Münze nicht
aus Gold sei, sei offensichtlich gewesen. Durch die Expertise bei
der Eidg. Finanzverwaltung wollte er abklären lassen, ob die Münze mit
den offiziellen Prägestempeln hergestellt worden sei, da er die Münze
in diesem Fall mit einem Echtheitszertifikat, ohne dass sie "falsch"
gestempelt worden wäre, hätte handeln können; andernfalls hätte er die als
"falsch" gestempelte Münze an den Verkäufer zurückgeben können, welcher
ihm das Geld zurückerstattet hätte.

    Mit Verfügung vom 2. Dezember 1996 stellte die
Schweiz. Bundesanwaltschaft das gegen R. "betreffend Widerhandlung im
Sinne von Art. 240 ff. StGB" geführte Ermittlungsverfahren gestützt
auf Art. 73 und 106 BStP ein, da der subjektive Tatbestand nicht erfüllt
sei. Gleichzeitig wurde das "am 22.10.1996 sichergestellte falsche Vreneli
zu 20 CHF eingezogen (Art. 249 StGB)".

    B.- Mit Beschwerde vom 16. Dezember 1996 beantragt R. der Anklagekammer
des Bundesgerichts, die Verfügung der Bundesanwaltschaft teilweise
aufzuheben und diese anzuweisen, ihm das sichergestellte falsche Vreneli
zurückzuerstatten.

    Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

             Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 249 StGB wird unter anderem falsches Geld eingezogen
und unbrauchbar gemacht oder vernichtet.

    b) Die Bestimmung konkretisiert die Pflicht zur Einziehung gemäss
Art. 58 StGB (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 249 StGB N. 1). Sie ist
im Verhältnis zu Art. 58 StGB insoweit Spezialbestimmung, als sie keine
strafbare, d.h. tatbestandsmässige und rechtswidrige Handlung im Sinne der
Art. 240 ff. StGB voraussetzt (vgl. dazu auch BGE 119 IV 81 E. 4 betreffend
Art. 57b Abs. 3 SVG), denn es ist nur von falschem, verfälschtem oder
verringertem Metallgeld, d.h. vom Tatobjekt der jeweiligen strafbaren
Handlungen die Rede, während die subjektiven Tatbestandselemente nicht
als Voraussetzung für die Einziehung genannt werden. Spezialbestimmung
ist sie auch insoweit, als die Einziehung von Falschgeld - im Sinne einer
unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung der Gefährdung schutzwürdiger
Interessen (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil II, § 14 N. 30;
vgl. auch SCHULTZ, Die Einziehung, der Verfall von Geschenken und anderen
Zuwendungen sowie die Verwendung zugunsten des Geschädigten gemäss
StrGB rev. Art. 58 f., ZBJV 114 [1978] S. 307; THORMANN/VON OVERBECK,
Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Zürich 1941, Art. 249 N. 2) -
obligatorisch ist. Die sonst im Anwendungsbereich von Art. 58 StGB stets
zu prüfende Frage, ob die Einziehung nicht durch weniger weitgehende
Ersatzmassnahmen entbehrlich ist, weil solche nach dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit Vorrang haben, wenn sie den Sicherungszweck der
Einziehung erfüllen (vgl. BGE 104 IV 149 E. 2; vgl. STRATENWERTH, aaO,
§ 14 N. 32), stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht, da Art. 249
StGB dem Richter diesbezüglich kein Ermessen einräumt (Germann, Schweiz.
Strafgesetzbuch, Zürich 1974, Art. 249). Im übrigen sind aber die durch
die Rechtsprechung im Rahmen von Art. 58 StGB entwickelten Grundsätze
auch bei der Anwendung von Art. 249 StGB sinngemäss zu berücksichtigen.

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 249 StGB könne
im vorliegenden Fall überhaupt nicht angewandt werden; denn nach
dieser Bestimmung könne nur im Umlauf befindliches Geld eingezogen
werden; bei der eingezogenen Münze handle es sich indessen nicht um
eine den Vorschriften der schweizerischen Münzgesetzgebung entsprechend
geprägte und damit für den Umlauf bestimmte Münze, sondern um eine Probe,
bzw. einen Entwurf, der nicht durch Art. 249 StGB erfasst werde; sonst
müsste jede numismatische Fälschung eingezogen werden; dass es sich bei
der in Frage stehenden Münze nicht um ein echtes "Vreneli" gehandelt habe,
sei ihm schon aufgrund der Legierung, der fehlenden Randschriftprägung,
des glatten Randes und des geringen Gewichts bewusst gewesen; es seien
bereits ähnliche Probeprägungen in Kupfer bekannt.

    b) Gemäss Art. 10 des Bundesgesetzes über das Münzwesen (SR 941.10)
gelten die Bestimmungen der Art. 240 ff. StGB zum Schutze der Münzen
auch für die Goldmünzen im Nennwert von 10, 20 und 100 Franken, die
früher in Kurs standen. Die Bestimmung wurde ausdrücklich geschaffen,
da diese Goldmünzen ausser Kurs gesetzt sind und ihre Fälschung sonst
nur noch als Warenfälschung (Art. 155 StGB) geahndet werden könnte,
was der Gesetzgeber als unerwünscht bezeichnete (Sten.Bull. N 41952
S. 473). Das im vorliegenden Fall in Frage stehende "Vreneli" geniesst
somit grundsätzlich ebenfalls den Schutz der Art. 240 ff. StGB und
unterliegt insoweit der Einziehung.

    c) Vom Schutz der Art. 240 ff. StGB erfasst werden insbesondere
den in Frage kommenden echten Münzen nachgebildete falsche. Dabei sind
an die Ähnlichkeit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; denn
entscheidend ist die Verwechslungsgefahr mit echten Münzen (TH. VON
MANDACH, Die Strafbarkeit der Goldmünzdelikte, ZBJV 92 [1956] S. 471 und
473). Nach herrschender Auffassung erfüllt sogar die Herstellung falschen
Phantasiegeldes den Tatbestand (vgl. STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht,
Bes. Teil II, 4. Auflage, § 33 N. 5; HAFTER, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil
II, S. 573 Anm. 2). Die Qualität der Fälschung ist grundsätzlich ohne
Belang: Entsprechend der Natur der Art. 240 ff. StGB als Gefährdungsdelikte
und den Gepflogenheiten des täglichen Geschäftsverkehrs genügt es, wenn
das Falsifikat eine münzenähnliche Gestaltung aufweist und auch nur bei
bloss flüchtiger Betrachtung als echt erscheint (REHBERG, Strafrecht IV,
S. 94). Denn auch plumpe, offensichtliche, d.h. für jedermann leicht
erkennbare Nachahmungen fallen - als besonders leichter Fall privilegiert
- unter die Art. 240 ff. StGB (BGE 119 IV 154 E. 2e; STRATENWERTH, aaO,
N. 9, mit weiteren Literaturhinweisen).

    d) Die Zentralstelle Falschgeld des Bundesamtes für Polizeiwesen
weist in ihrer Stellungnahme vom 23. Dezember 1996 zuhanden der
Bundesanwaltschaft darauf hin, dass allgemein Falschprägungen mit und ohne
"Falsch"-Stempel (als Fälschung gezeichnete Münzen) gehandelt würden; die
Verwechslungsgefahr mit einem echten Goldvreneli bestehe im vorliegenden
Fall indessen trotz des gegebenen Gewichtsunterschiedes (die hier in Frage
stehende Münze wiegt nicht ganz die Hälfte einer echten Münze). In der Tat
ist eine Verwechslungsgefahr trotz des geringen Gewichts und der unsauberen
Prägung nicht auszuschliessen; dies insbesondere angesichts des Umstandes,
dass solche Münzen nicht mehr als gängiges Zahlungsmittel im Umlauf sind
und somit nicht jedermann weiss, wie ein echtes Goldvreneli aussieht und
wieviel dieses wiegt. Die hier in Frage stehende Münze ist daher ein
Falsifikat im Sinne der Art. 240 ff. StGB und gemäss Art. 249 StGB in
jedem Fall einzuziehen und unbrauchbar zu machen oder zu vernichten.

    e) Nach der Darstellung des Beschwerdeführers waren er und der
Verkäufer sich darüber im Klaren, dass es sich bei der fraglichen Münze
um kein echtes Goldvreneli handelte. Die Frage, ob der Verkäufer in
diesem Fall mit dem Verkauf an den Beschwerdeführer die falsche Münze
im Sinne von Art. 242 StGB in Umlauf setzte (vgl. BGE 123 IV 9) - wovon
die Bundesanwaltschaft ausgeht - kann indessen offen bleiben, weil eine
Einziehung nach Art. 249 StGB nach dem oben Ausgeführten (E. 1b) eine
strafbare Handlung nicht voraussetzt.

    f) Das Unbrauchbarmachen hat in einer Weise zu geschehen, die
eine spätere Verwendung (als echt) unmöglich macht (vgl. THORMANN/VON
OVERBECK, aaO, Art. 249 N. 2 und 3). Erst wenn dies nicht möglich ist,
kommt eine Vernichtung in Frage; dies ergibt sich aus dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit (vgl. STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil
II, § 14 N. 35; SCHULTZ, aaO, S. 328 f.).

    Das Bundesamt für Polizeiwesen führt in seiner Stellungnahme vom
23. Dezember 1996 denn auch aus, falsche Goldvreneli würden eingeschnitten
zurückgegeben, wenn der Beteiligte gutgläubig gehandelt habe und durch
das Einschmelzen der Münze eventuell noch ein Goldwert erzielt werden
könne. Der Zweck der Einziehung ist daher erreicht, wenn die hier in
Frage stehende Münze durch Einschneiden unbrauchbar gemacht wird.

Erwägung 3

    3.- a) Mit der Einziehung - die zunächst lediglich darin besteht,
dass die Sache in amtliche Verwahrung genommen wird - erlangt der Staat
die Verfügungsmacht über die betroffenen Gegenstände (STRATENWERTH,
aaO, § 14 N. 34); es steht daher in seinem Ermessen, über das Schicksal
eingezogener Gegenstände zu befinden. Auch dabei hat er den Grundsatz
der Verhältnismässigkeit zu beachten.

    b) Die Bestimmungen der Art. 240 ff. StGB dienen dem Schutz
des vermögensrechtlichen Interesses der Öffentlichkeit daran, echte
Zahlungsmittel bzw. diesen gleichgestellte Münzen zu erhalten (vgl. JÖRG
REHBERG, Strafrecht IV, S. 92). Nach dem Willen des Gesetzgebers wurde
das Nachmachen bzw. Nachahmen von Geld einzig wegen der Gefahr des
Missbrauchs der nachgemachten bzw. nachgeahmten Stücke unter Strafe
gestellt (BBl 1918 IV 73). Eine Gefährdung des Rechtsverkehrs, d.h. der
Reinheit und Sicherheit des Geldumlaufes, ist indessen ausgeschlossen,
wenn die einzelnen Falsifikate klar erkennbar als falsch bzw. unecht
gekennzeichnet werden (SCHULTZ, aaO, S. 329; vgl. dazu auch BBl 1918 IV
73 zum heutigen Art. 245 StGB). Kann der eingezogene Gegenstand daher in
sicherer Weise unbrauchbar gemacht und dadurch der Sicherungszweck der
Einziehung ebenfalls erfüllt werden, kann er dem Berechtigten - welcher
sogar der Täter sein kann - wieder herausgegeben werden (SCHULTZ, aaO,
S. 329; vgl. auch BBl 1993 III S. 306, unter Hinweis auf SCHULTZ),
sofern die Sache für ihn noch einen Wert hat (STRATENWERTH, aaO, § 14
N. 35). Denn mit der Einziehung soll als Massnahme, der jede strafähnliche
Wirkung abgeht, einzig die Gefährdung behoben werden, welche durch den
betreffenden Gegenstand hervorgerufen worden war; sie würde hingegen zur
Vermögensstrafe, wenn die in Frage stehenden Gegenstände dem Täter selbst
dann entzogen würden, wenn die Gefahr auf irgendeine andere taugliche Weise
dauernd beseitigt werden kann bzw. worden ist (vgl. SCHULTZ, aaO, S. 329);
dies mit dem Vorbehalt, dass Letzteres mit zumutbarem Aufwand möglich ist.

    c) Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich vor, er habe den
zuständigen Beamten der Eidg. Finanzverwaltung ersucht, die Münze, falls
diese sich als Fälschung erweisen sollte, zwar zu entwerten (mit einem
Stempel "falsch","faux" oder einer Entzweischneidung), sie ihm aber
wieder auszuhändigen.

    Es ist nicht einzusehen, weshalb in der Praxis falsche Goldvreneli,
welche aus Gold hergestellt wurden bzw. welche einen Goldanteil enthalten,
dem Eigentümer - zur eventuellen Realisierung eines allfälligen Goldwertes
durch Einschmelzen - eingeschnitten zurückgegeben werden, während dies bei
Falschprägungen in Materialien ohne Goldanteil nicht der Fall sein soll.
Anscheinend hat die Münze für den Beschwerdeführer, der dafür angeblich
immerhin einen Kaufpreis von Fr. 1'900.-- bzw. Fr. 2'000.-- entrichtet hat,
auf Grund ihrer Seltenheit auch im dauernd und zuverlässig entwerteten
Zustand einen entsprechenden Sammlerwert. Wird eine falsche Münze - wie
im vorliegenden Fall nach ihrer Einreichung an das Eidg. Finanzdepartement
geschehen - durch dieses auf beiden Seiten mit einem Prägestempel "falsch"
bzw. "faux" versehen, so ist damit die Gefahr, dass sie als echt in
Umlauf kommen könnte, zwar schon deutlich vermindert. Gänzlich ist die
Verwechslungsgefahr aber erst behoben, wenn die Münze zusätzlich mindestens
eingeschnitten wird, wie dies offenbar der Praxis der Eidg. Münzstätte
entspricht.

    Die Nichtwiederaushändigung der eingezogenen und wie dargelegt
unbrauchbar gemachten Münze erweist sich daher im vorliegenden Fall
unter Würdigung der konkreten Umstände als unverhältnismässig und damit
bundesrechtswidrig, da die Bundesanwaltschaft ausser dem jedenfalls nach
dem Einschneiden nicht mehr haltbaren Argument der Verwechslungsgefahr
keine (anderen) Gründe geltend macht, die einer Rückgabe der unbrauchbar
gemachten Münze entgegenstehen könnten bzw. deren Zurückbehaltung als
verhältnismässig erscheinen liessen. Die eingezogene Münze ist daher dem
Beschwerdeführer - nach zusätzlicher Unbrauchbarmachung durch Einschneiden
- wieder auszuhändigen.