Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 IV 193



123 IV 193

30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. November 1997 i.S.
Stellvertretender Generalprokurator des Kantons Bern gegen X. und Y.
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 165 Ziff. 1 aStGB und Art. 71 StGB; leichtsinniger Konkurs,
Verjährung.

    Führen mehrere Bankrotthandlungen zum leichtsinnigen Konkurs, ist das
gesamte Verhalten des Täters als eine Einheit zu betrachten (Bestätigung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    X. und Y. gründeten zusammen mit W. am 13.1.1988 und 25.4.1989
vier Firmen, mit welchen sie Geschäfte im Immobilienbereich zu tätigen
beabsichtigten. Dabei lancierten sie, vornehmlich von Fremdmitteln
finanziert, verschiedene Grossprojekte im In- und Ausland, ohne über die
notwendigen Geschäftskenntnisse für Vorhaben in dieser Grössenordnung
zu verfügen. Infolge des Zusammenbruchs im Immobiliensektor sowie
aufgrund der Umstände, dass X. und Y. ansehnliche Vorleistungen für
künftige Investitionen im Ausland getätigt hatten, deren Realisierung
aus verschiedenen Gründen unüberwindbare Hindernisse entgegenstanden,
und dass es an einer klaren Trennung zwischen den einzelnen Firmen fehlte,
gerieten alle vier Gesellschaften in Konkurs.

    Aufgrund dieses Sachverhalts sprach das Wirtschaftsstrafgericht
des Kantons Bern X. mit Urteil vom 28. November 1996 des betrügerischen
Konkurses, der Erschleichung einer falschen Beurkundung, des leichtsinnigen
Konkurses sowie der Unterlassung der Buchführung schuldig und verurteilte
ihn zu 18 Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges
und Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren. Ferner verurteilte
es ihn zur Bezahlung einer Ersatzforderung von Fr. 21'000.-- an den
Staat Bern. Mit selbem Urteil sprach das Wirtschaftsstrafgericht Y. des
leichtsinnigen Konkurses sowie der Unterlassung der Buchführung schuldig
und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten, unter
Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von zwei
Jahren. In verschiedenen Anklagepunkten sprach es die beiden Angeklagten
frei. Ferner stellte es fest, dass dem Strafverfahren gegen beide
Angeklagten wegen leichtsinnigen Konkurses, angeblich begangen in der
Zeit zwischen dem 13.1.1988 und dem 5.12.1988, infolge Verjährung keine
weitere Folge gegeben werde.

    Gegen diesen Entscheid führt der stellvertretende Prokurator 2 des
Kantons Bern eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt,
das angefochtene Urteil sei aufzuheben und zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen, soweit darin dem Verfahren hinsichtlich der
Anklage des leichtsinnigen Konkurses zufolge Eintritts der Verjährung
keine weitere Folge gegeben wurde.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 165 Ziff. 1 aStGB macht sich derjenige Schuldner
des leichtsinnigen Konkurses und des Vermögensverfalls schuldig,
der durch argen Leichtsinn, unverhältnismässigen Aufwand, gewagte
Spekulationen oder grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seines Berufes
seine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt oder im Bewusstsein seiner
Zahlungsunfähigkeit seine Vermögenslage verschlimmert hat, sofern über
ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt
worden ist. Gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB beginnt die Verjährung, wenn der
Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten ausführt, mit dem
Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausgeführt hat.

    Nach der Rechtsprechung ist die Frage, ob und unter welchen Bedingungen
eine Mehrzahl von strafbaren Handlungen zu einer entsprechenden
rechtlichen Einheit zusammenzufassen ist, in den Sachbereichen, in
denen die vom Bundesgericht in BGE 117 IV 408 aufgegebene Rechtsfigur
des fortgesetzten Delikts bisher Anwendung gefunden hat, gesondert zu
beurteilen. Dabei sind verschiedene strafbare Handlungen gemäss Art. 71
Abs. 2 StGB dann als eine Einheit anzusehen, wenn sie gleichartig und
gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind und - ohne dass bereits ein
Dauerdelikt im Sinne von Art. 71 Abs. 3 StGB gegeben wäre - ein andauerndes
pflichtwidriges Verhalten bilden, das der in Frage stehende gesetzliche
Straftatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst (BGE 120 IV
6 E. 2b und c mit Nachweisen). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
gelangt diese Rechtsprechung zur verjährungsrechtlichen Einheit jedoch
beim Tatbestand des leichtsinnigen Konkurses gemäss Art. 165 aStGB nicht
zur Anwendung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser
Bestimmung macht sich der Täter, selbst wenn mehrere Bankrotthandlungen
zum leichtsinnigen Konkurs führten, nur der einfachen Tatbegehung schuldig
(BGE 109 IV 113 E. 1c), so dass bei diesem Tatbestand nach der früheren
Praxis die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts nicht zum Zug gekommen
wäre. Die Formulierung von Art. 165 Ziff. 1 aStGB geht nicht von der
üblichen Unterscheidung der Schuldformen von Vorsatz und Fahrlässigkeit
aus, sondern umschreibt das vorwerfbare Verhalten im Gesetzestext selbst
durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie argen Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit
und gewagte Spekulationen. Damit kommt eine einheitliche Grundhaltung
zum Ausdruck, von welcher das Tun oder Unterlassen des Täters getragen
ist. Die strafbaren Handlungen werden beim leichtsinnigen Konkurs somit
schon vom Gesetz als eine Einheit verstanden. Der Tatbestand erfordert
daher eine Gesamtwürdigung der einzelnen Verhaltensweisen, da sich, nachdem
der Konkurs eröffnet worden ist, kaum mehr im einzelnen aufschlüsseln
lässt, welche Einzelakte die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt
haben. Eine Aufteilung der Einzelhandlungen in die Herbeiführung der
Zahlungsunfähigkeit und die Verschlimmerung der Vermögenslage ist daher
systemwidrig. Verursacht oder verschlimmert der Täter seine Lage somit
durch mehrere vom Gesetzgeber gekennzeichnete Tätigkeiten, so ist dieses
ganze Verhalten als eine Einheit aufzufassen. Freilich müssen sämtliche
Einzelhandlungen von derselben Grundhaltung (Leichtsinn) getragen,
auf den gleichen Erfolg (Gefährdung der Gläubigerrechte) gerichtet und
durch dieselbe Strafbarkeitsbedingung (Konkurseröffnung) zu einer Einheit
zusammengeschlossen sein (BGE 109 IV 113 E. 1c; ebenso ALBRECHT, Kommentar
Strafrecht, Art. 165 N. 29; EPARD, La banqueroute simple et la déconfiture,
Diss. Lausanne 1984, S. 123 f.). Eine einzelne, möglicherweise mehrere
Jahre zurückliegende leichtsinnige Fehlspekulation kann daher bei einem
später eintretenden Konkurs für sich allein nicht zur Strafbarkeit nach
Art. 165 aStGB führen.

    Die Verjährung beginnt bei mehreren zum leichtsinnigen Konkurs
führenden Tathandlungen mit der letzten Einzelhandlung zu laufen
(BGE 109 IV 113 E. 1c). Da unbestrittenermassen die letzten von den
Beschwerdegegnern vorgenommenen Handlungen, die zum Konkurs führten, nicht
verjährt sind, erweist sich die Annahme der Vorinstanz, hinsichtlich der
zwischen dem 13.1.1988 und dem 5.12.1988 liegenden Handlungskomplexe
"Abu Dhabi" und "Tosalet del Carmen" sei die Verjährung eingetreten,
als bundesrechtswidrig. Der Verweis der Vorinstanz auf die neuere Praxis
zur verjährungsrechtlichen Einheit ist insofern verfehlt. Da sämtliche
Einzelhandlungen der Beschwerdegegner als eine dem Grundgedanken des
Straftatbestandes des leichtsinnigen Konkurses entsprechende andauernde
Verletzung der Pflicht aufzufassen sind, im Interesse der Gläubiger im
Umgang mit dem eigenen Vermögen eine gewisse Sorgfalt walten zu lassen
und es zu erhalten (vgl. Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Kurzkommentar, Zürich 1989, Art. 163 N. 1 und 165 N. 1), sind auch die
unter den Stichworten "Abu Dhabi" und "Tosalet del Carmen" getätigten
Geschäfte nicht verjährt. Die Vorinstanz hat daher dem Strafverfahren
in dieser Beziehung zu Unrecht infolge Verjährung keine weitere Folge
gegeben. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet. Ob der Einbezug
dieser beiden Handlungskomplexe zu einer Änderung des angefochtenen
Urteils im Strafpunkt führen muss, kann offenbleiben. Die Vorinstanz
wird in diesem Zusammenhang jedenfalls berücksichtigen dürfen, dass den
Einzelhandlungen bei einer Gesamtwürdigung nur geringes Gewicht zukommt und
dass seit den für diesen Schuldspruch wesentlichen Handlungen mittlerweile
verhältnismässig lange Zeit verstrichen und insofern bereits die absolute
Verjährung in die Nähe gerückt ist.