Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 IV 157



123 IV 157

25. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 20. Oktober 1997 i.S.
Untersuchungsrichteramt Solothurn gegen Eidg. Bankenkommission Regeste

    Art. 352 ff. StGB, insb. Art. 357 StGB; Art. 28 BtG.  Rechtshilfe von
Bundesbehörden gegenüber kantonalen Strafverfolgungsbehörden; Verweigerung
der Ermächtigung zur Zeugenaussage.

    Die Eidg. Bankenkommission entscheidet selber über die Ermächtigung
ihrer Mitglieder oder Mitarbeiter zur Zeugenaussage über amtliche oder
dienstliche Wahrnehmungen (E. 1).

    Die Verweigerung dieser Ermächtigung gegenüber einer kantonalen
Strafverfolgungsbehörde ist ein Anstand in der Rechtshilfe im Sinne
von Art. 357 StGB, welcher der Überprüfung durch die Anklagekammer des
Bundesgerichts unterliegt (E. 3 und 4; Praxisänderung).

    Beschränkte Überprüfungsbefugnis der Anklagekammer (E. 4b).

    Aufgrund der gesetzlichen Mitwirkungspflicht der Eidg. Bankenkommission
bei der Verfolgung von bestimmten, im Rahmen ihrer staatlichen
Aufsichtstätigkeit festgestellten strafbaren Handlungen überwiegt in
solchen Fällen grundsätzlich das Strafverfolgungsinteresse gegenüber dem
Interesse an der Aufrechterhaltung des Amtsgeheimnisses (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn führt ein
Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der Solothurner Kantonalbank
(SKB) und der (ehemaligen) Bank in Kriegstetten wegen Verdachts
der ungetreuen Geschäftsführung eventuell ungetreuen Amtsführung im
Zusammenhang mit der Übernahme der Bank in Kriegstetten durch die
SKB. Im Rahmen dieses Verfahrens ersuchte das Untersuchungsrichteramt
mit Schreiben vom 16. Juli 1996 die Eidgenössische Bankenkommission,
diejenigen ihrer Mitarbeiter vom Amtsgeheimnis zu entbinden, die für diesen
Fall Erkenntnisse und Hinweise für die laufende Strafuntersuchung liefern
können. Auf Ersuchen der Eidgenössischen Bankenkommission präzisierte das
Untersuchungsrichteramt sein Begehren mit Schreiben vom 28. August 1996.

    Die Eidg. Bankenkommission teilte mit Schreiben vom 23. September 1996
dem Untersuchungsrichteramt Solothurn mit, das Gesuch werde abgelehnt,
bot aber an, schriftliche Fragen in einem Amtsbericht zu beantworten.

    B.- Das Untersuchungsrichteramt Solothurn erhob am 23. Oktober 1996
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, die
Verfügung der Eidg. Bankenkommission vom 23. September 1996 aufzuheben und
die Bankenkommission aufzufordern, die Aufhebung des Amtsgeheimnisses
zwecks Durchführung erforderlicher Zeugeneinvernahmen zu verfügen;
eventualiter sei die Bankenkommission anzuhalten, in Sachen Aufhebung des
Amtsgeheimnisses zwecks Durchführung erforderlicher Zeugeneinvernahmen
eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG zu erlassen.

    C.- Die Eidgenössische Bankenkommission beantragte, auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten und die Beschwerde
sei der Anklagekammer des Bundesgerichts weiterzuleiten und von dieser
abzuweisen; eventualiter sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.

    D.- Mit Urteil vom 19. Juni 1997 trat die II. öffentlichrechtliche
Abteilung - nach einem Meinungsaustausch mit der Anklagekammer des
Bundesgerichts über die Zuständigkeit (in analoger Anwendung von Art. 96
Abs. 2 OG) - auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und überwies
die Beschwerde der Anklagekammer. Die Überweisung erfolgte am 11. August
1997.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Untersuchungsrichteramt Solothurn verlangt in einem
Strafverfahren von der Eidg. Bankenkommission Auskünfte in bezug auf
Erkenntnisse, die ihre Mitglieder und Mitarbeiter im Zusammenhang mit
der Übernahme der Bank in Kriegstetten durch die Solothurner Kantonalbank
gewonnen haben. Für die Mitarbeiter des Sekretariats der Bankenkommission
sind die Bestimmungen der Personalgesetzgebung des Bundes massgebend
(Art. 51 V über die Banken und Sparkassen, BankV; SR 952.02). Die
Mitglieder der für eine Amtsdauer von vier Jahren durch den Bundesrat
gewählten Eidg. Bankenkommission versehen eine öffentliche Aufgabe,
weshalb sie dabei ebenfalls denselben Bestimmungen unterworfen sind wie
deren Mitarbeiter (BGE 93 I 83 E. 1; vgl. auch VPB 46 Nr. 2 betreffend
Nationalfonds und Art. 1 Abs. 1 lit. f und Art. 2 Abs. 1 BGüber die
Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten,
VG [SR 170.32]). Die Mitglieder der Eidg. Bankenkommission und deren
Sekretariatsmitarbeiter sind deshalb in bezug auf Feststellungen im Rahmen
ihrer amtlichen Tätigkeit an das Amtsgeheimnis (Art. 27 Beamtengesetz,
BtG [SR 172.221.10] und Art. 320 StGB) gebunden.

    b) Die Mitglieder und Mitarbeiter der Bankenkommission dürfen sich
mithin u.a. als Zeuge über Geheimnisse und amtliche Wahrnehmungen nur
äussern, wenn sie durch die zuständige Amtsstelle bzw. die vorgesetzte
Behörde dazu ermächtigt worden sind (Art. 28 BtG bzw. Art. 320 Ziff. 2
StGB).

    Der durch den Bundesrat gewählten Eidg. Bankenkommission ist
die selbständige Aufsicht über das Bankwesen übertragen (Art. 23
Abs. 1 BG über die Banken und Sparkassen, BankG; SR 952.0); sie ist
dem Eidg. Finanzdepartement nicht untergeordnet, sondern lediglich
administrativ zugeordnet (Art. 58 Abs. 1 lit. D BG über die Organisation
und die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung, VwOG;
SR 172.010), weshalb sie selber zuständig ist, über die Entbindung ihrer
Mitglieder und Mitarbeiter vom Amtsgeheimnis zu entscheiden.

Erwägung 2

    2.- Die Eidg. Bankenkommission lehnte die Ermächtigung ihrer
Mitglieder und Mitarbeiter zur Zeugenaussage in der durch das
Untersuchungsrichteramt Solothurn geführten Strafuntersuchung ab. Die
II. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts trat auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Untersuchungsrichteramtes Solothurn
dagegen mangels Legitimation des Beschwerdeführers nicht ein. Sie liess
offen, ob der Entscheid der Bankenkommission eine Verfügung darstelle und
ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgrund von Art. 102 lit. a OG zum
Verfahren bei Anständen betreffend die Rechtshilfe gemäss Art. 357 StGB
bzw. Art. 252 BStP subsidiär sei (BGE 123 II 371, E. 2 a.A.).

    Diese Fragen können auch hier offenbleiben. Die Anrufung der
Anklagekammer bei Anständen betreffend die Rechtshilfe ist an keine
Frist gebunden. Sie kann jederzeit, auch bereits unmittelbar im
Anschluss an die Weigerung der ersuchten Behörde erfolgen; allfällige
kantonale oder eidgenössische Rechtsmittel müssen somit nicht
vorgängig ausgeschöpft werden (BGE 121 IV 311 E. 1c mit Hinweisen).
Entscheidend für die Zuständigkeit der Anklagekammer ist daher nur,
ob es sich um einen Anstand in der Rechtshilfe handelt, nicht dagegen,
ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist oder nicht. Streng
genommen liegt denn auch in der Überweisung der Beschwerde durch die
II. Öffentlichrechtliche Abteilung an die Anklagekammer keine solche nach
Massgabe von Art. 96 Abs. 1 OG. Weil das Untersuchungsrichteramt Solothurn
jedoch nach Kenntnisnahme des Urteils der II. Öffentlichrechtlichen
Abteilung keine Einwände gegen eine Überweisung vorbrachte, kann von
seinem Einverständnis und damit davon ausgegangen werden, dieses ersuche
die Anklagekammer des Bundesgerichts, über den streitigen Anstand in der
Rechtshilfe im Sinne ihrer eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu entscheiden. Die Eidg. Bankenkommission nahm dazu im Verfahren
vor der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung Stellung und vertrat die
Auffassung, die Anklagekammer sei zuständig, weshalb auf einen erneuten
Schriftenwechsel verzichtet werden konnte. Im übrigen ist auch die
Bankenkommission als ersuchte Behörde befugt, bei einem Anstand in der
Rechtshilfe an die Anklagekammer zu gelangen.

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 352 Abs. 1 StGB sind in Strafsachen, auf die
das StGB oder ein anderes Bundesgesetz Anwendung findet, der Bund und
die Kantone gegenseitig und die Kantone unter sich zur Rechtshilfe
verpflichtet. Anstände in der Rechtshilfe zwischen Bund und Kantonen
oder zwischen Kantonen entscheidet das Bundesgericht (Art. 357 StGB). Die
Art. 352 ff. StGB haben Art. 252 BStP ersetzt (BGE 118 IV 371 E. 2),
weshalb allein auf die Bestimmungen des Strafgesetzbuches abzustellen ist.

    b) In BGE 86 IV 136 E. 1b S. 139 betrachtete sich die Anklagekammer des
Bundesgerichts als nach Art. 357 StGB zur Beurteilung einer Verweigerung
der Ermächtigung zur Zeugenaussage eines Bundesbeamten und zur Herausgabe
von Amtsakten zuständig. Sie änderte in BGE 102 IV 217 E. 4/5 S. 222
f. jedoch diese Praxis und befand, der Entscheid einer Bundesbehörde,
einer kantonalen Strafuntersuchungsbehörde die Akteneinsicht oder
die Ermächtigung zur Zeugenaussage eines Beamten zu verweigern,
sei nicht im Verfahren gemäss Art. 357 StGB bei ihr, sondern mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar.

    Im hier von der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung durchgeführten
Meinungsaustausch betreffend die Zuständigkeit erklärte sich die
Anklagekammer bereit, ihre Praxis gemäss BGE 102 IV 217 aufzugeben, dem
Grundsatz nach wieder zu jener nach BGE 86 IV 136 zurückzukehren und die
vorliegende Eingabe im Verfahren nach Art. 357 StGB zu beurteilen. Diese
Praxisänderung ist nachstehend näher zu begründen.

Erwägung 4

    4.- a) Der Bund und die Kantone sind grundsätzlich vorbehaltlos
(Botschaft des Bundesrates zum StGB, BBl 1918 IV 82) zur umfassenden
(BGE 121 IV 311 E. 1a; 119 IV 86 E. 2c) Rechtshilfe verpflichtet.
Als Rechtshilfe im Sinne von Art. 352 Abs. 1 StGB wurde bei der
parlamentarischen Beratung dieser Bestimmung die Unterstützung bei
Prozesshandlungen überhaupt bezeichnet (Sten.Bull. 1930 NR 71). Sie
erstreckt sich auf alle Massnahmen, die eine Behörde im Rahmen ihrer
Zuständigkeit in einem hängigen Strafverfahren für die Zwecke der
Strafverfolgung oder für die Urteilsvollstreckung zu ergreifen befugt ist
(BGE 102 IV 217 E. 2 mit Hinweis) und die die ersuchende Behörde mangels
Zuständigkeit nicht selber durchführen kann (zu letzterem: BGE 73 IV 139).

    b) Im Verfahren gemäss Art. 357 StGB prüft die Anklagekammer des
Bundesgerichts nur, ob das anwendbare Recht bzw. die Anwendung desselben
durch die ersuchte Behörde die anbegehrte Rechtshilfe derart beschränkt,
dass sie dem Begriff der Rechtshilfe, wie er Art. 352 StGB zugrunde liegt,
nicht mehr entspricht (BGE 121 IV 311 E. 3a). Dies ist etwa dann der
Fall, wenn das anwendbare Recht für die Rechtshilfe, was Umfang und Form
betrifft, erschwerende Vorschriften enthielte, indem nicht gleiches Recht
gelten würde wie für innerkantonale Strafverfahren bzw. die Rechtshilfe
zwischen Bundesbehörden. Es verstösst auch gegen Art. 352 StGB, wenn die
ersuchte Behörde das für sie geltende Recht im Rechtshilfeverkehr mit
kantonalen Behörden anders anwendet als in Strafverfahren, welche sie
selber durchführt (BGE 87 IV 138 E. 4a), oder wenn sie diese Vorschriften
willkürlich auslegt, um die nachgesuchte Handlung zu verweigern. Dasselbe
gilt, wenn die Rechtshilfe schlechthin verweigert wird oder die ersuchten
Handlungen ohne Grund oder ohne vernünftigen Grund abgelehnt wurden (BGE
119 IV 86 E. 2a), oder wenn die bekanntzugebenden Tatsachen zu Unrecht als
Geheimnis und damit der amtlichen Schweigepflicht unterliegend bezeichnet
werden (BGE 87 IV 138 E. 4b).

    c) Die Anklagekammer lehnte es in BGE 102 IV 217 nicht deswegen ab, die
Verweigerung der Ermächtigung zur Zeugenaussage oder Aktenherausgabe nach
Art. 28 BtG im Rahmen eines Anstandes in der Rechtshilfe zwischen einem
Kanton und dem Bund zu überprüfen, weil es sich dabei nicht um eine Frage
der Rechtshilfe handle. - Dies kann nach wie vor als unbestritten gelten
und ist aufgrund des dargelegten weiten Begriffs der Rechtshilfe auch
nicht zweifelhaft. - Sie begründete dies vielmehr mit der Gewaltentrennung:
Da nach Art. 78 BStP selbst eine richterliche Behörde des Bundes an eine
entsprechende Verweigerung gebunden sei, müsse dies zumindest in gleichem
Masse für die kantonalen Instanzen gelten; die Entbindung vom Amtsgeheimnis
durch die vorgesetzte Behörde gemäss Art. 320 StGB und Art. 28 BtG sei
ein Ausfluss der Gewaltentrennung, die im Verhältnis zweier Gewalten im
gleichen Staat gelte und umsomehr zwischen einer kantonalen richterlichen
Behörde und einer Verwaltungsbehörde des Bundes zu beachten sei.

    Daran kann nicht festgehalten werden. Gewiss bindet die behördliche
Verweigerung der Zustimmung, einen Beamten über ein Amtsgeheimnis
als Zeugen einzuvernehmen, die strafrichterlichen Behörden (Art. 78
BStP). Damit ist aber nichts darüber gesagt, ob solche behördliche
Entscheidungen der Anfechtung unterliegen. Beantwortet eine Behörde
des Bundes oder des Kantons den Behörden eines dieser Gemeinwesen ein
Ersuchen um Unterstützung abschlägig, handelt es sich um einen Akt der
Rechtshilfe im Sinne von Art. 352 StGB und Anstände darüber sind nach
Massgabe von Art. 357 durch das Bundesgericht, d.h. die Anklagekammer zu
entscheiden. Weder den einschlägigen Bestimmungen des StGB noch Art. 28
BtG lässt sich eine Ausnahme für Anstände in der Rechtshilfe entnehmen, die
sich aus der Verweigerung der Amtsgeheimnisentbindung ergeben. Bei dieser
Sachlage liefe die Nichtüberprüfbarkeit einer behördlichen Verweigerung
der Zustimmung, über ein Amtsgeheimnis als Zeuge einvernommen zu werden,
der Zielsetzung von Art. 352 bzw. 357 StGB, nämlich die Durchführung
der Strafverfolgung sicherzustellen, zuwider. Von einem Übergriff in die
Zuständigkeit der Verwaltung und einem Einbruch in die Gewaltentrennung
kann nicht gesprochen werden, wenn die Anklagekammer solche Anstände in
der Rechtshilfe im aufgezeigten beschränkten Rahmen (E. 4b) überprüft.

Erwägung 5

    5.- Die Bankenkommission begründet die Verweigerung der Ermächtigung
zur Zeugenaussage damit, dass sie zur wirksamen Wahrnehmung der ihr
gesetzlich obliegenden Aufsichtsfunktion zu den überwachten Banken - von
denen sie gemäss Art. 23bis Abs. 2 BankG alle Auskünfte und Unterlagen
verlangen könne, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötige - auf ein
Vertrauensverhältnis angewiesen sei. Bei mangelndem Vertrauen werde
insbesondere die präventive Tätigkeit der Bankenkommission, die von
besonderer Wichtigkeit sei, massiv beeinträchtigt. Die verantwortlichen
Personen der Banken, die notleidende Banken übernehmen könnten, würden
einer Diskussion mit der Bankenkommission ausweichen, wenn bekannt
würde, dass die Mitglieder und Mitarbeiter der Bankenkommission
in allfälligen Strafverfahren gegen sie aussagten; dies würde die
Bemühungen der Bankenkommission erschweren, im Interesse der Gläubiger
und des Finanzplatzes die Schliessung von Banken zu verhindern. Sie sei
insbesondere auch auf rechtzeitige Mitteilungen von Unregelmässigkeiten
durch Revisionsgesellschaften, Banken oder Drittpersonen angewiesen,
da sie erst auf solche hin bei den Banken interveniere. Das Gesuch um
Entbindung vom Amtsgeheimnis dürfe auch nicht dazu missbraucht werden,
die restriktiven Bestimmungen über die Aufhebung des Bankgeheimnisses,
welches in ihrem Fall mittelbar auch durch Art. 27 BtG geschützt sei, zu
umgehen. Aus diesen Gründen beeinträchtige die Leistung von Rechtshilfe
durch die Bankenkommission deren Aufgabenerfüllungen nicht nur im
vorliegenden Fall, sondern grundsätzlich wesentlich, weshalb es sich in
diesem Zusammenhang nicht rechtfertige, in der Regel einen Vorrang des
Strafverfolgungsinteresses anzunehmen; vielmehr gehe ihr Interesse an der
Aufrechterhaltung des Amtsgeheimnisses grundsätzlich vor. Dies insbesondere
auch angesichts der im vorliegenden Fall verlangten pauschalen Entbindung
von Mitarbeitern ohne nähere Bezeichnung der zu ermittelnden Sachverhalte.

    Das Untersuchungsrichteramt hält dem im wesentlichen entgegen, die
Nichterteilung der Ermächtigung erschwere und behindere die Untersuchungen
des Untersuchungsrichters wesentlich; insbesondere könne ohne die
anbegehrten Einvernahmen der Sachverhalt nicht vollständig abgeklärt
werden.

    a) Nach Art. 28 Abs. 3 BtG darf die Ermächtigung zur Zeugenaussage
über amtliche oder dienstliche Wahrnehmungen nur dann verweigert werden,
wenn die allgemeinen Landesinteressen es erfordern oder - worauf sich
die Bankenkommission beruft - wenn die Ermächtigung die Verwaltung in
der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen würde.

    b) Gemäss Art. 23ter Abs. 4 BankG ist die Bankenkommission
verpflichtet, unverzüglich das Eidg. Finanzdepartement zu benachrichtigen,
wenn sie von Widerhandlungen im Sinne von Art. 46, 49 und 50 BankG
sowie der Art. 14 bis 18 VStrR Kenntnis erhält, damit dieses ein
Verwaltungsstrafverfahren eröffnet (Art. 51bis Abs. 2 BankG). Erhält die
Bankenkommission Kenntnis von Widerhandlungen im Sinne von Art. 47 und 48
BankG oder von gemeinrechtlichen Verbrechen und Vergehen, benachrichtigt
sie die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde (Art. 23ter Abs. 4
und Art. 51bis Abs. 1 BankG).

    Die Bankenkommission ist somit von Gesetzes wegen - ohne dass ihr
diesbezüglich ein Ermessensspielraum zustehen würde - verpflichtet,
auch gemeinrechtliche Verbrechen und Vergehen der zuständigen
kantonalen Strafverfolgungsbehörde zu melden bzw. anzuzeigen (BGE 93 I 83
E. 2a). Wenn daher wie hier ungetreue Geschäftsführung, eventuell ungetreue
Amtsführung - d.h. gemeinrechtliche Vergehen (Art. 159 aStGB), eventuell
Verbrechen (Art. 314 StGB) - in Frage stehen, hat der Gesetzgeber die
vorzunehmende Interessenabwägung schon dahingehend vorgenommen, dass das
Strafverfolgungsinteresse in jedem Fall dem Interesse der Bankenkommission
an der Geheimhaltung von allfälligen, im Zusammenhang mit diesen strafbaren
Handlungen stehenden Wahrnehmungen - und nur um die Auskunft über solche
kann es sich handeln - vorgeht.

    Soweit die Bankenkommission die Verweigerung der Ermächtigung
zur Zeugenaussage damit begründet, das zwischen ihr und den von ihr zu
beaufsichtigenden Banken bestehende und zu wahrende Vertrauensverhältnis
würde durch Zeugenaussagen ihrer Mitglieder oder Mitarbeiter gegen
verantwortliche Personen der Banken, die notleidende Banken übernehmen
könnten, gestört, steht ihre Begründung im Widerspruch zu ihrer gesetzlich
statuierten Pflicht, strafbare Handlungen anzuzeigen. Durch die verlangte
Ermächtigung zur Bekanntgabe von entsprechenden Wahrnehmungen kann sie
daher schon von Gesetzes wegen nicht in der Durchführung ihrer Aufgaben
wesentlich beeinträchtigt sein. Die Mitwirkung an der Verfolgung von
Widerhandlungen gegen das Bankengesetz und gemeinrechtlichen Vergehen und
Verbrechen gehört vielmehr ebenfalls zu ihren gesetzlichen Pflichten. Diese
Begründung erweist sich daher als sachlich schlechthin nicht vertretbar. Im
übrigen zeigt auch die erklärte Bereitschaft der Bankenkommission, auf
schriftliche Fragen hin in einem Amtsbericht die gewünschten Auskünfte
zu erteilen, dass einer Offenbarung des Amtsgeheimnisses gegenüber einer
Strafverfolgungsbehörde doch keine überwiegenden Interessen entgegenstehen.

    c) Erhält die Bankenkommission durch Privatpersonen Informationen
und ist sie bei der Feststellung von Gesetzesverletzungen in erheblichem
Masse auf die Mitwirkung solcher Dritter angewiesen, ist es möglich, dass
sie die Entbindung von Mitgliedern oder Mitarbeitern zum Schutze solcher
Informationsquellen mit guten Gründen ablehnen kann; ausgeschlossen ist
dies hingegen, wenn die Bankenkommission im Rahmen ihrer staatlichen
Aufsicht und üblichen Beziehungen zur Bank von Verfehlungen Kenntnis
erhält (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 27. Juli 1982
i.S. Untersuchungsrichteramt Bern gegen Eidg. Bankenkommission, E. 3c
mit Hinweis auf VPB 1967 Nr. 23). Dass Ersteres vorliegend konkret der
Fall sei, macht sie jedoch nicht namhaft.

    d) Auf das Bankgeheimnis beruft sich die Bankenkommission ebenfalls
offensichtlich zu Unrecht. Das Bankgeheimnis räumt kein Recht auf
Verweigerung der Aussage und der Herausgabe von Akten gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden ein, soweit dies nicht ausdrücklich im anwendbaren
Recht vorgesehen ist (Art. 47 Ziff. 4 BankG; BGE 119 IV 175 E. 3). Dies
ist hier nicht der Fall.

    e) Da die Verweigerung der nachgesuchten Ermächtigungen zur
Zeugenaussage auf einer offenkundig unhaltbaren Anwendung von Art. 28
Abs. 3 BtG und damit auf sachlich schlechthin nicht vertretbaren
Gründen beruht, liegt darin eine Verletzung von Art. 352 StGB; die
Eidg. Bankenkommission entzog sich damit in unzulässiger Weise ihrer
Rechtshilfepflicht.

Entscheid:

              Demnach erkennt die Anklagekammer:

    Die Eidg. Bankenkommission wird angewiesen, dem Untersuchungsrichteramt
des Kantons Solothurn im Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der
Solothurner Kantonalbank wegen ungetreuer Geschäfts- bzw. Amtsführung
die nachgesuchte Rechtshilfe im Sinne der Erwägungen zu gewähren.