Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 II 325



123 II 325

37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 14. Juli 1997 i.S. B. und weitere Beteiligte gegen H., Gemeinde
Murten, Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Freiburg und
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Schutz vor Lärm einer Tea-Room-Terrasse; Art. 7 USG, 15 USG und 25 USG,
Art. 7 LSV, 8 LSV und 47 LSV.

    Anwendbarkeit von Umweltschutzgesetz und Lärmschutz-Verordnung  auf
die Lärmimmissionen eines Tea-Room (E. 4a).

    Zum Anwendungsbereich von Art. 25 USG (E. 4c); Stichtag für die
Abgrenzung von neu errichteten Anlagen i.S.v. Art. 25 USG und Altanlagen
i.S.v. Art. 16 ff. USG und Art. 8, 13 ff. LSV ist grundsätzlich der
1. Januar 1985 (E. 4c/cc).

    Anhang 6 der LSV kann zur Beurteilung der in Frage stehenden
Lärmimmissionen weder unmittelbar noch sinngemäss herangezogen werden;
das Gericht muss vielmehr im Einzelfall aufgrund richterlicher Erfahrung
beurteilen, ob eine unzumutbare Störung vorliegt (E. 4d).

Sachverhalt

    H. ist Eigentümerin des Tea-Rooms "La Chaloupe" in Murten.  Das
Tea-Room befindet sich in einer als Stockwerkeigentum ausgestalteten
Überbauung, die zwölf Wohnungen oder Studios, zwei Geschäftslokale und
eine Autoeinstellhalle umfasst. H. besitzt ein Patent C (für Betrieb
ohne Alkohol) gemäss dem kantonalen Gaststättengesetz. Das Patent lief
am 31. Dezember 1994 ab und wurde vom Polizeidepartement des Kantons
Freiburg am 29. März 1995 für die Dauer eines Jahres, nämlich bis zum
31. Dezember 1995, erneuert. Mit einer Auflage beschränkte das Departement
die Öffnungszeit der Terrasse des Tea-Rooms auf 23 Uhr.

    Gegen diese Verfügung gelangten sowohl H. als auch B., M. und S.,
Eigentümer von Stockwerkeinheiten in der Überbauung und daselbst wohnhaft
(hinfort als "Nachbarn" bezeichnet) an das Verwaltungsgericht. Dieses
vereinigte die Verfahren und wies die Beschwerde H.s ab, soweit es darauf
eintrat, während es die Beschwerde der Nachbarn teilweise guthiess, indem
es die Patentverlängerung mit zusätzlichen Auflagen versah: Es verbot
H. die Durchführung von Reinigungsarbeiten mit Hochdruckgeräten oder
Schläuchen mit Druckluftverstärkungen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen,
die Durchführung von Musikveranstaltungen sowie das Grillieren, Kochen
und Backen auf der Terrasse.

    Sowohl H. als auch die Nachbarn haben gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts staatsrechtliche und Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht erhoben. H. beantragt, der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen; die Nachbarn beantragen, die Öffnungszeiten der Terrasse
seien auf unter 23 Uhr zu beschränken und es seien weitere, näher
bezeichnete Auflagen zur Verringerung der Immissionen des Betriebs auf
der Terrasse zu verfügen.

    Das Bundesgericht hiess die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Nachbarn
gut; die übrigen Beschwerden wies es ab, soweit es auf sie eintrat.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) aa) Beim streitbetroffenen Tea-Room handelt es sich um eine
Baute (Anlage), in der ein gewerbliches Unternehmen betrieben wird,
das Lärmemissionen verursacht. Soweit diese Emissionen nach aussen
dringen (Aussenlärmemissionen), fallen sie in den Regelungsbereich der
Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1983 (Art. 1 Abs. 2 lit. a LSV; SR
814.41), während der Innenlärm nur teilweise in der Lärmschutzverordnung
geregelt ist (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 lit. a LSV). Folglich
ist das Tea-Room eine (ortsfeste) Anlage im Sinne von Art. 7 Abs. 7 des
Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01) und Art. 2 Abs. 1
LSV, die den bundesrechtlichen Bestimmungen über den Lärmschutz unterliegt.

    bb) Die Lärmschutzverordnung soll die Bevölkerung vor schädlichem
und lästigem Lärm schützen, der beim Betrieb neuer und bestehender
Anlagen nach Art. 7 USG erzeugt wird (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a
LSV). Von diesem Schutzzweck her erscheint es angemessen, alle einem
Betrieb zurechenbaren Lärmemissionen in die Betrachtung miteinzubeziehen,
d.h. alle Geräusche, die durch die bestimmungsgemässe Nutzung der Anlage
verursacht werden (BGE 123 II 74 E. 3b S. 79), unabhängig davon, ob sie
innerhalb oder ausserhalb des Gebäudes bzw. des Betriebsareals verursacht
werden (Bundesgerichtsentscheid in Sachen F.B. vom 28. März 1996 E. 2,
veröffentlicht in URP 1997 S. 197 ff.; BENOÎT BOVAY, Autorisation de
construire et droit de l'environnement, RDAF 51/1995 S. 108 f.; PETER
ETTLER in: USG-Kommentar, Art. 25 N. 20; ROBERT WOLF, Umstrittenes
Lärmschutzrecht: Alltagslärm - kantonale Lärmschutzvorschriften
- Bestimmung von Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall, URP 1994
S. 105; vgl. auch BGE 120 II 15 E. 2 S. 16 ff. zur zivilrechtlichen
Haftung). Danach zählen zum Lärm einer Gastwirtschaft auch die Emissionen
der dazugehörenden Gartenterrasse (ROBERT WOLF, Principi e questioni
attuali del diritto in materia di lotta contro l'inquinamento fonico,
RDAT I 1996 S. 242). Gleiches gilt für den dort durch Reinigungs- und
Vorbereitungsarbeiten verursachten Lärm. Auch diese Emissionen werden
durch den Betrieb des Tea-Rooms ausgelöst.

    c) Umweltschutzgesetz und Lärmschutzverordnung stellen unterschiedliche
Anforderungen, je nach dem, ob es sich um eine bei Inkrafttreten des
Gesetzes (am 1. Januar 1985) bzw. der Verordnung (am 1. April 1987)
bestehende, eine neue oder eine geänderte Anlage handelt: Während die
Lärmemissionen neuer Anlagen die Planungswerte grundsätzlich nicht
überschreiten dürfen (Art. 25 Abs. 1 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV)
und wesentlich geänderte Anlagen die Immissionsgrenzwerte respektieren
müssen (Art. 8 Abs. 2 LSV), ordnet die Vollzugsbehörde die Sanierung
einer Altanlage nur an, wenn diese wesentlich zur Überschreitung der
Immissionsgrenzwerte beiträgt (Art. 13 Abs. 1 LSV).

    aa) Das Verwaltungsgericht erwähnt in seinen Erwägungen Art. 8 LSV
und scheint daher vom Vorliegen einer nachträglich geänderten Altanlage
auszugehen. Aus den Akten ergibt sich in der Tat, dass die Terrasse 1989,
also nach Inkrafttreten von USG und LSV, vergrössert wurde, wobei die
Bestuhlungsfläche ungefähr verdoppelt wurde.

    Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 8 LSV zu den Art. 25
USG und 7 LSV ist nicht einfach (vgl. BGE 115 Ib 456 E. 5b S. 466 f. und
116 Ib 435 E. 5d/bb S. 443 f.; Peter Ettler, USG-Kommentar, N. 17 zu
Art. 25; ANDRÉ SCHRADE, USG-Kommentar N. 37 zu Art. 18; URS WALKER,
Änderung von lärmigen Anlagen - Errichtung oder Sanierung?, in URP 1994
S. 437 ff.; HEINZ AEMISEGGER, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts in der
Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1994 S. 452 ff.). Das Bundesgericht
hat erwogen, Art. 8 LSV dürfe nicht unbesehen auf alle Fälle von Änderungen
bestehender ortsfester Anlagen angewendet werden; nach dem Willen des
Gesetzgebers betreffe Art. 25 USG nicht nur die Errichtung neuer, vorher
nicht existierender Anlagen, sondern ebensosehr bestehende Anlagen, die
in konstruktiver oder funktionaler Beziehung soweit verändert werden, dass
das, was von der bisherigen Anlage weiterbestehe, von geringerer Bedeutung
erscheine als der erneuerte Teil; für die Abgrenzung seien vor allem
ökologische Kriterien, im speziellen des Lärmschutzes, und generell die dem
Gesetz zugrundeliegende Zielsetzung der Vorsorge massgeblich. Anlagen, die
im beschriebenen Sinn verändert würden, könnten - Härtefälle vorbehalten -
die für Sanierungen und andere Veränderungen zugestandenen Erleichterungen
nicht beanspruchen (BGE 116 Ib 435 E. 5d/bb S. 443 f.).

    Im vorliegenden Fall fällt auf, dass sich die Nachbarn erst seit der
Vergrösserung der Terrasse im Jahre 1989 intensiver gegen die Immissionen
zur Wehr gesetzt haben. Das lässt vermuten, dass das Tea-Room 1989 in
einer Art erweitert wurde, die einer Änderung von einer wenig oder nicht
lärmerzeugenden in eine erheblich lärmerzeugende Anlage gleichkommt. Sollte
diese Vermutung zutreffen, d.h. sollte das Tea-Room vor dem Ausbau 1989
keinen störenden Lärm (d.h. Lärm unterhalb der Planungswerte, soweit
solche vorhanden sind) verursacht haben, hätte es sich damals nicht um eine
sanierungsbedürftige Anlage gehandelt. Die Behandlung derartiger Altanlagen
ist in Gesetz und Verordnung nicht eindeutig geregelt. Der Grundsatz
der Vorsorge (Art. 1 Abs. 2 USG) spricht dafür, auch die Änderung einer
bestehenden, nicht oder nur geringfügig Lärm verursachenden Anlage zu einer
lärmigen Anlage grundsätzlich immer nach Art. 25 USG und nicht nach Art. 8
LSV zu beurteilen. Die Bestandesgarantie bzw. der für das Sanierungsrecht
massgebliche Grundgedanke des Vertrauensschutzes steht der Anwendung von
Art. 25 USG auf die Änderung von Anlagen, die zwar altrechtlich geschaffen
worden sind, indessen dabei die Planungswerte gemäss dem neuen Recht
einhielten, nicht entgegen, da durch diese strengere Behandlung (als sie
sich namentlich aus Art. 8 LSV ergeben würde) keine bereits getätigten
Dispositionen beeinträchtigt werden. Zumindest besteht diesbezüglich kein
erheblicher Unterschied zur Errichtung einer völlig neuen Anlage.

    Die aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen können
allerdings offenbleiben, wenn das Tea-Room schon vor seiner Erweiterung
1989 als neu errichtete Anlage im Sinne von Art. 25 USG zu behandeln
gewesen wäre. Dies ist im folgenden abzuklären.

    bb) Die Baubewilligung für die Überbauung des Areals, innerhalb
dessen sich das streitbetroffene Tea-Room befindet, wurde am 11. Juli 1983
erteilt, also vor Inkrafttreten von USG und LSV. Aus den Akten ergibt sich
allerdings, dass das Tea-Room damals von der Bewilligung ausgeschlossen
wurde und dem Baugesuchsteller aufgegeben wurde, ein entsprechendes
Gesuch zum gegebenen Zeitpunkt - d.h. nach der Patenterteilung -
nachzureichen. Die Baubewilligung für das Tea-Room wurde deshalb erst
nach der Patenterteilung vom 15. Januar 1985 verfügt, zu einem Zeitpunkt,
als das Umweltschutzgesetz bereits in Kraft war.

    cc) Allerdings stellt Art. 47 Abs. 1 und 3 LSV nicht auf das Datum
des Inkrafttretens des Umweltschutzgesetzes (am 1. Januar 1985), sondern
auf das Inkrafttreten der Verordnung, d.h. den 1. April 1987 ab. Bisher
hatte das Bundesgericht keinen Anlass, zur Frage des massgeblichen
Stichtags Stellung zu nehmen; in BGE 117 Ib 308 E. 3a S. 312 und E. 4
S. 314 wird zwar (im Zusammenhang mit Art. 24 USG) der 1. April 1987 als
massgeblicher Zeitpunkt genannt; der Entscheid gibt damit aber lediglich
den Inhalt der LSV wieder (vgl. Art. 29 Abs. 2 und 30 LSV), ohne sich
näher mit der - damals nicht entscheidrelevanten - Frage des Stichdatums
auseinanderzusetzen. Auch in der kantonalen Rechtsprechung und der
Literatur wird meist ohne nähere Begründung vom 1. April 1987 ausgegangen
(vgl. Tribunal administratif du canton du Valais, 17. Dezember 1987 E. 7a,
URP 1988 S. 57 f.; Verwaltungsgericht Bern, Entscheid vom 27. Juni 1988
E. 3, URP 1989 S. 73; so auch CHRISTOPH BANDLI, USG-Kommentar, N. 6 und
7 zu Art. 24). ANDRÉ SCHRADE definiert Altanlagen als Anlagen, die älter
sind als die Vorschrift, der sie nicht genügen (USG-Kommentar, Rz. 16 zu
Art. 16). Von dieser Definition ausgehend kommt er zum Ergebnis, dass
grundsätzlich auf das Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes, d.h. den
1. Januar 1985 abzustellen sei; eine Ausnahme gelte nur für auf das
Vorsorgeprinzip (Art. 11 Abs. 2) gestützte Vorschriften zur "Nachrüstung"
bestehender Anlagen: mit deren Inkrafttreten würden die davon betroffenen
Anlagen selbst dann zu Altanlagen, wenn sie erst nach dem 1. Januar 1985
errichtet worden seien. Die gleiche Auffassung vertritt ULRICH ZIMMERLI
(Sanierungen nach dem Bundesgesetz über den Umweltschutz: Grundlagen und
Grundsätze, URP 1990 S. 250): Die Sanierungspflicht gemäss Art. 16 USG
beziehe sich auf Anlagen, die entweder vor dem 1. Januar 1985 (d.h. vor dem
Inkrafttreten des USG) errichtet worden oder aber aufgrund nachträglich vom
Bundesrat gestützt auf Art. 12 Abs. 2 USG in Kraft gesetzter, modifizierter
Emissionsvorschriften zu "alten" Anlagen geworden seien. Beide Autoren
stützen ihre Auffassung unmittelbar auf das USG, ohne Art. 47 LSV zu
erwähnen. Zur vergleichbaren Fragestellung im Rahmen von Art. 24 USG
vertreten PETER HEER (Lärmschutz bei Ausscheidung und Erschliessung
von Bauzonen (Art. 24 USG), URP 1992 S. 580 ff.) und MARKUS NEFF (Die
Auswirkungen der LSV auf die Nutzungsplanung, Diss. Zürich 1993, S. 126)
die Auffassung, es sei auf den 1. Januar 1985 abzustellen, weil das USG
auf diesen Zeitpunkt gesamthaft in Kraft gesetzt worden sei und Art. 24
USG nicht stärker auf die Konkretisierung durch die Lärmschutz-Verordnung
angewiesen sei als die anderen Lärmschutzbestimmungen.

    Im vorliegenden Fall geht es um die Anwendbarkeit von Art. 25 USG,
wonach ortsfeste Anlagen nur errichtet werden dürfen, wenn die durch
die Anlage allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in
der Umgebung nicht überschreiten. Diese Bestimmung trat am 1. Januar
1985 in Kraft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts sind
die Immissionsschutzvorschriften des Umweltschutzgesetzes zufolge der
gewichtigen öffentlichen Interessen, die sie wahren, auf alle im Zeitpunkt
seines Inkrafttretens noch nicht abgeschlossenen Verfahren unmittelbar
anwendbar (BGE 113 Ib 393 E. 3 S. 399; 112 Ib 39 E. 1c S. 42 f., 424
E. 7e S. 441 f.), und zwar schon vor Erlass der sie konkretisierenden
Verordnungen (BGE 113 Ib 60 E. 3 S. 62 ff.; 112 Ib 39 E. 1c S. 43
f., 280 E. 12e S. 306). Die Nachbarn hätten somit schon 1985 die
Baubewilligung des Tea-Rooms mit der Begründung anfechten können, die
voraussichtlichen Lärmimmissionen überstiegen das Mass des nach Art. 25
USG Zulässigen; die kantonalen Behörden hätten diese Rüge - mangels
entsprechender Planungswerte - gestützt unmittelbar auf die Bestimmungen
des USG beurteilen müssen. Hätte das Tea-Room schon bei der erstmaligen
Bewilligung den Anforderungen von Art. 25 USG entsprechen müssen, gibt
es keinen Grund, es heute als Altanlage zu behandeln. Art. 47 LSV,
der den Stichtag auf den 1. April 1987 festlegt, führt dazu, dass
sämtliche Anlagen, die nach Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes aber
vor Inkrafttreten der Lärmschutz-Verordnung errichtet worden sind, dem
Anwendungsbereich von Art. 25 USG entzogen und den milderen Anforderungen
der Art. 16 ff. USG unterstellt werden. Hierzu enthält das USG keine
Ermächtigung: Gemäss Art. 25 Abs. 2 USG können Erleichterungen bei der
Errichtung ortsfester Anlagen, d.h. bei Neuanlagen, nur gewährt werden,
wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anlage besteht und
die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung
für das Projekt führen würde. Es ist bereits fraglich, ob derartige
Erleichterungen generell-abstrakt gewährt werden dürfen (vgl. PETER ETTLER,
USG-Kommentar, N. 28 zu Art. 25, der eine Einzelfallprüfung verlangt;
gleicher Ansicht ALEXANDER ZÜRCHER, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung
nach dem Umweltschutzgesetz, Zürich 1996, S. 159); jedenfalls aber
ist kein überwiegendes öffentliches Interesse für die Privilegierung
sämtlicher zwischen dem 1. Januar 1985 und dem 1. April 1987 genehmigter
Anlagen ersichtlich. Art. 47 LSV ist demzufolge im vorliegenden Fall
nicht anwendbar.

    dd) Ist somit auf den 1. Januar 1985 abzustellen, handelt es sich beim
Tea-Room um eine neue Anlage, die den Anforderungen von Art. 25 USG, Art. 7
Abs. 1 lit. b LSV genügen muss. Danach dürfen die von der Anlage allein
erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte nicht überschreiten. Zudem ist
der Vorsorgegrundsatz zu beachten, wonach Emissionen unabhängig von der
bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen sind, als dies technisch
und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG,
Art. 7 Abs. 1 lit. a LSV).

    d) Was die heute auftretenden Immissionen des Tea-Rooms und deren
Beurteilung angeht, stellt das Verwaltungsgericht vorab fest, dass das
streitbetroffene Gebäude in einer Zone mit der Empfindlichkeitsstufe
II liegt. An den vom kantonalen Amt für Umweltschutz durchgeführten
Messungen sei eine gewisse Kritik nicht unberechtigt, nachdem das Amt
selbst einräume, es sei extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, die
mit dem Betrieb des Tea-Rooms verbundenen Lärmimmissionen zweifelsfrei
zu erfassen. Auf die Messungen komme es indes allein nicht an, da
vorsorgliche Emissionsbegrenzungen gemäss Art. 11 Abs. 2 USG unabhängig
von der Vorbelastung zu verwirklichen seien. Schliesslich gelangt
das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf verschiedene behördliche
Stellungnahmen zur Feststellung, mit dem Betrieb des Tea-Rooms werde
Lärm erzeugt, der in Zonen der Empfindlichkeitsstufe II nicht zulässig
und der geeignet sei, die Nachbarn in nicht unerheblichem Masse zu stören.

    Die Beschwerdeführerin H. wirft dem Verwaltungsgericht die
unvollständige Ermittlung des massgeblichen Sachverhaltes vor. Es fehle
an einer genauen, wissenschaftlich fundierten Messung des vom Tea-Room
allein verursachten Lärms. Einerseits sei nicht abgeklärt, inwieweit die
Immissionen bei den Nachbarn nicht auch durch die in der Nähe liegende
Minigolfanlage, die sich in der vorgelagerten Seepromenade aufhaltenden
Spaziergänger, Kinder und spielenden Personen sowie durch den Hafen
verursacht würden. Andererseits lasse die Beurteilung durch das Amt
für Umweltschutz offen, ob die massgeblichen Immissionsgrenzwerte mit
Sicherheit überschritten seien.

    aa) Das Lärmschutzrecht knüpft für die Beurteilung des Lärms an
Belastungsgrenzwerte (Planungs-, Immissionsgrenz- und Alarmwert) an. Soweit
es sich um Lärm von Anlagen handelt, der nicht einer der in den Anhängen
zur Lärmschutz-Verordnung geregelten Lärmarten zugeordnet werden kann,
stellt sich die Frage, ob die Anwendung von Belastungsgrenzwerten dennoch
möglich und sachgerecht ist.

    Belastungsgrenzwerte sind nur aussagefähig in Verbindung mit auf sie
zugeschnittenen Mess- und Beurteilungsverfahren; beide bilden zusammen
ein funktionale Einheit (G. FELDHAUS, Überlegungen zur Novellierung der
TA Lärm, in: H.-J. KOCH (Hrsg.), Schutz gegen Lärm, Baden-Baden 1990,
S. 168); ansonsten besteht die Gefahr, dass Unvergleichbares miteinander
verglichen wird (H.-J. PAPIER, Besondere Aspekte des Freizeitlärms,
in: H.-J. KOCH (Hrsg.), Schutz gegen Lärm, aaO, S. 142). Das kantonale
Amt für Umweltschutz hat sich für die Beurteilung des streitigen
Lärms an Anhang 6 der LSV (Belastungsgrenzwerte für Industrie- und
Gewerbelärm) orientiert. Diese Grenzwerte sind jedoch auf typischen
Industrie- und Gewerbelärm zugeschnitten (z.B. Maschinenlärm); sie
können auf Gaststätten, Diskotheken und ähnliche Betriebe, deren
Lärmimmissionen überwiegend durch menschliches Verhalten verursacht
werden (z.B. Unterhaltungen der Gäste, Lachen, Klirren von Geschirr
und Gläsern) nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar angewendet werden
(BGE 123 II 74 E. 4b S. 83 und Bundesgerichtsurteil in Sachen F.B. vom
28. März 1996 E. 3b, URP 1997 S. 197 ff.). Für derartigen Lärm enthält
Anhang 6 der LSV keine Pegelkorrekturwerte. Es erscheint auch fraglich,
ob der für Anhang 6 massgebliche Mittelungspegel die nach Art und Stärke
sehr unterschiedlichen, unregelmässig auftretenden menschlichen Geräusche
angemessen erfassen kann. Überdies konzentrieren sich Lärmimmissionen
von Pubs und ähnlichen Einrichtungen in der Regel auf wenige Stunden am
Tag bzw. der Nacht, weshalb der in Ziff. 31 von Anhang 6 LSV vorgesehene,
von 7 bis 19 Uhr und von 19 bis 7 Uhr gemittelte Beurteilungspegel die
tatsächliche Störung der Nachbarschaft nicht angemessen erfassen würde
(vgl. HANS-JOACHIM KOCH, Der Erheblichkeitsbegriff in § 3 Abs. 1 BImSchG
und seine Konkretisierung durch die TA Lärm, in: H.-J. KOCH (Hrsg.):
Schutz vor Lärm, aaO, S. 58 f.). Schliesslich zeichnet sich menschlicher
Lärm durch seinen Informationsgehalt aus, der stark störend wirken kann,
sich in Belastungsgrenzwerten aber nicht niederschlägt (ROBERT HOFMANN,
Keine Grenzwerte - kein Lärm? URP 1994 S. 428).

    bb) Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde
die Lärmimmissionen nach Art. 15 USG, unter Berücksichtigung auch der
Artikel 19 und 23 USG (Art. 40 Abs. 3 LSV). Nach Art. 15 USG sind die
Immissionsgrenzwerte für Lärm so festzulegen, dass nach dem Stand der
Wissenschaft oder der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser Werte
die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören. Da
auf das Wohlbefinden der Bevölkerung abzustellen ist - wobei gemäss
Art. 13 Abs. 2 USG auch auf Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit
Rücksicht zu nehmen ist - können nur allgemeine Erfahrungswerte und nicht
bloss Meinungen einzelner als Massstab beigezogen werden. Das heisst,
dass auch bei der Beurteilung von Lärmimmissionen direkt gestützt auf
Art. 15 USG objektivierte Kriterien anzuwenden sind (BGE 115 Ib 446 E. 3b
S. 451; Urteil in Sachen T. vom 1. Dezember 1994, URP 1995 S. 31 ff.
E. 4c). Dabei können unter Umständen fachlich genügend abgestützte
ausländische bzw. private Richtlinien eine Entscheidungshilfe bieten,
sofern die Kriterien, auf welchen diese Unterlagen beruhen, mit denjenigen
des schweizerischen Lärmschutzrechtes vereinbar sind (Urteil i.S. R. vom
10. Januar 1994 E. 4 b-d, RDAT 1995 I 194, BGE 117 Ib 28 E. 4b S. 32 f.).

    Als grundsätzlich problematisch muss hingegen die "sinngemässe"
Anwendung von Grenzwerten, namentlich der Grenzwerte für Industrie- und
Gewerbelärm, beurteilt werden. Belastungsgrenzwerte setzen typisierbare
Situationen voraus, die sich auf einfache Weise durch akustische
Beschreibungsgrössen zuverlässig erfassen lassen (ROBERT HOFMANN, Keine
Grenzwerte - kein Lärm? URP 1994 S. 427, 431). Nach dem oben Gesagten
erscheint es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung im vorliegenden
Fall erfüllt ist (vgl. auch Bundesamt für Umweltschutz (Hrsg.),
Aussenlärm-Immissionsprognosen, 2. Auflage Januar 1980, S. 122, wonach
kurzfristige Umgebungsgeräusche, d.h. Schallereignisse, die eine zeitlich
beschränkte, nicht periodische Einwirkzeit aufweisen, grundsätzlich
nicht statistisch im Sinne von Durchschnittswerten für Lärmberechnungen
erfasst werden können). Im Gegensatz zu den Grenzwerten für Strassen- und
Eisenbahnlärm, die auf breit angelegten soziopsychologischen Untersuchungen
über die Störwirkung beruhen, mussten die Grenzwerte des Anhangs 6 LSV
auf einer wesentlich schmaleren Untersuchungsbasis über die Störwirkung
einiger typischer Industriebetriebe festgelegt werden (Robert Hofmann,
Können wir Lärm mit Schallmessungen und Grenzwerten bekämpfen?, Vortrag
vor der Schweizerischen Vereinigung für Gesundheits- und Umwelttechnik/SVG
vom 16. April 1997 in Zürich, Vorabdruck der Zeitschrift Gesundheits- und
Umwelttechnik); über die Störwirkung von Lärm der hier in Frage stehenden
Art (Gespräche, Geräusche beim Servieren, etc.) fehlen soziopsychologische
Untersuchungen, die den Schluss von einem bestimmten Pegelwert auf
die Störung oder Belästigung der Bevölkerung erlauben würden. Werden
die Grenzwerte des Anhangs 6 auf Lärm übertragen, der nicht wegen
seines akustischen Charakters, sondern nur aus formellen Gründen zum
Industrie- und Gewerbelärm gezählt werden kann, so ist die Gefahr von
Fehlbeurteilungen offensichtlich (ROBERT HOFMANN, aaO). Als Anhaltspunkt
mag immerhin dienen, dass ein gemäss Anhang 6 LSV ermittelter Lärmpegel
einer nur zeitweise betriebenen Einrichtung wie die streitbetroffene
Tea-Room-Terrasse aus den zuvor erwähnten Gründen tendenziell tiefer liegt,
als es der tatsächlichen Belastung bzw. Störwirkung entspricht.

    Fehlen die Voraussetzungen für die Anwendung von Grenzwerten, muss
der Richter ohne Rückgriff auf diese im Einzelfall aufgrund richterlicher
Erfahrung beurteilen, ob eine unzumutbare Störung vorliegt (BGE 123
II 74 E. 4b, 4c und 5a S. 83 ff.; ROBERT HOFMANN, Keine Grenzwerte -
kein Lärm?, URP 1994 S. 428; ALEXANDER ZÜRCHER, aaO, S. 48 f.). Dabei
sind der Charakter des Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens
sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der Zone, in der die
Immissionen auftreten, zu berücksichtigen (Urteil i.S. F.B. vom 28. März
1996 E. 3b, URP 1997 S. 200 ff.; Urteil i.S. T. vom 1. Dezember 1994
E. 3c, URP 1995 S. 33 f.; Urteil i.S. R. vom 10. Januar 1994 E. 5a,
RDAT 1995 I 194; CHRISTOPH ZÄCH, USG-Kommentar, N. 18 zu Art. 15).

    Im vorliegenden Fall hat das Tea-Room der Beschwerdeführerin H. den
Anforderungen von Art. 25 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV zu genügen,
d.h. der Betrieb muss mangels unmittelbar anwendbarer Planungswerte ein
Immissionsniveau einhalten, bei welchem nach richterlicher Beurteilung
höchstens geringfügige Störungen auftreten.

    e) Als emissionsbegrenzende Massnahmen kommen betriebliche und bauliche
Massnahmen in Frage (Art. 12 Abs. 1 lit. b und c USG).

    bb) Die Nachbarn verlangen in erster Linie die Festlegung früherer
Schliessungszeiten für die Terrasse des Tea-Rooms. Das Verwaltungsgericht
hat weitergehende Einschränkungen der Betriebszeit als unverhältnismässig
abgelehnt. Dabei hat es jedoch verkannt, dass das Tea-Room als neue Anlage
mindestens den Anforderungen von Art. 25 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV
entsprechen muss, selbst wenn dies mit erheblichen Umsatzverlusten für die
Beschwerdeführerin H. verbunden wäre. Erleichterungen dürfen nur im Rahmen
von Art. 25 Abs. 2 USG und Art. 7 Abs. 2 LSV gewährt werden, insbesondere
nur unter der Voraussetzung, dass am Betrieb des Tea-Rooms und speziell
der Terrasse ein überwiegendes öffentliches Interesse bestünde. Erst bei
der Anwendung des Vorsorgeprinzips (Art. 11 Abs. 2 USG, Art. 7 Abs. 1
lit. a LSV) sind die Kriterien des technisch und betrieblich Möglichen
und des wirtschaftlich Tragbaren zu beachten. Dass Beschränkungen der
Öffnungszeit der Terrasse technisch und betrieblich möglich sind und
sich ohne Zweifel eignen, um die Lärmemissionen zu vermindern, bedarf
keiner näheren Ausführungen. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen
Tragbarkeit derartiger Emissionsbegrenzungen ist in analoger Anwendung
von Art. 4 Abs. 3 LRV auf einen mittleren und wirtschaftlich gesunden
Betrieb derselben Branche (Tea-Room, Café) abzustellen.

    dd) Nach dem Gesagten wird das Verwaltungsgericht die
Schliessungszeiten der Terrasse neu festsetzen müssen, damit das Tea-Room
den Anforderungen von Art. 25 und 11 Abs. 2 USG entspricht.