Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 II 289



123 II 289

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
5. Juni 1997 i.S. Zürcher und Schweizer Heimatschutz gegen Politische
Gemeinde Rickenbach und Mitbeteiligte sowie Regierungsrat des Kantons
Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 97 ff. OG, Art. 24 RPG und 34 RPG, Art. 12 NHG - Anfechtung
einer im Nutzungsplan für einen landwirtschaftlichen Weiler festgelegten
Kernzone durch eine ideelle Vereinigung des Natur- und Heimatschutzes.

    Ein Nutzungsplan ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar,
soweit geltend gemacht wird, Art. 24 RPG sei zu Unrecht nicht angewendet
worden (E. 1c).

    Weiterführung des kantonalen Rechtsmittelverfahrens vor Bundesgericht
durch die gesamtschweizerische Vereinigung (E. 1e/aa). Die kantonale
Sektion selbst ist im bundesgerichtlichen Verfahren gestützt auf Art. 12
NHG nicht beschwerdebefugt (E. 1e/bb).

Sachverhalt

    Mit Beschluss vom 10. September 1993 wies die Gemeindeversammlung
Rickenbach den im Landwirtschaftsgebiet gelegenen Weiler "Hinter-Grüt"
der Kernzone zu. Die Baurekurskommission IV wie auch der Regierungsrat
des Kantons Zürich wiesen die gegen diese Einzonung gerichteten Rekurse
eines Grundeigentümers sowie des Zürcher Heimatschutzes ab.

    Der Zürcher Heimatschutz (ZVH) und der Schweizer Heimatschutz (SHS),
vertreten durch den Kantonalpräsidenten des ZVH, haben gegen den Beschluss
des Regierungsrates Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht erhoben.

    Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein
und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Streitgegenstand ist ein Entscheid über einen Nutzungsplan im
Sinne von Art. 14 ff. des Raumplanungsgesetzes des Bundes vom 22. Juni 1979
(RPG; SR 700), mit welchem die Rekurse gegen die Festsetzung der Kernzone
"Hinter-Grüt" abgewiesen wurden. Es stellt sich insbesondere die Frage
der Vereinbarkeit der umstrittenen Kernzone mit Art. 24 RPG.

    a) Die Beschwerdeführer haben sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde als
auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie haben beide Rechtsmittel
in einer Beschwerdeschrift erhoben, was grundsätzlich nicht zu beanstanden
ist. Welches Rechtsmittel zulässig ist, ob vorliegend beide Rechtsmittel
ergriffen werden können und in welchem Umfang darauf einzutreten ist,
prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition
(BGE 121 II 72 E. 1a mit Hinweisen). Entsprechend der subsidiären
Natur der staatsrechtlichen Beschwerde ist zunächst zu prüfen, ob die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht (BGE 119 Ib 380 E. 1a S. 382
mit Hinweisen).

    b) Kantonal letztinstanzliche Entscheide über Nutzungspläne unterliegen
grundsätzlich der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 34 Abs. 3 RPG). Sind
allerdings im Nutzungsplan enthaltene, auf Bundesverwaltungsrecht
abgestützte Anordnungen umstritten oder wird das Fehlen solcher
Anordnungen bemängelt, so erachtet die bundesgerichtliche Rechtsprechung
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für zulässig, soweit der Nutzungsplan
die Merkmale einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG erfüllt und kein
Ausschlussgrund gemäss Art. 99 ff. OG gegeben ist (BGE 123 II 88 E. 1a
S. 91; 121 II 72 E. 1d S. 76, 430 E. 1c; 120 Ib 287 E. 3 S. 292 ff., je mit
Hinweisen; zum Verfügungsbegriff: RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA
KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes,
Basel 1996, Rz. 1222 ff.; ALFRED KÖLZ/ ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren
und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, S. 131 ff.; FRITZ
GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 126 ff.). Nach der
Rechtsprechung sind Nutzungspläne auch mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbar, soweit geltend gemacht wird, mit ihrer Festsetzung werde
Art. 24 RPG umgangen (BGE 117 Ib 9 E. 2b S. 12).

    c) Die hier umstrittene Kernzone wurde im kommunalen Nutzungsplan
festgelegt. Mit der Rüge, der Nutzungsplan sei unter Umgehung von Art. 24
RPG festgesetzt worden, machen die Beschwerdeführer geltend, es sei zu
Unrecht keine auf Art. 24 RPG gestützte Verfügung ergangen. Diese Rüge
ist im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen. Dies gilt auch
für die darauf Bezug nehmenden Rügen, das Verhältnismässigkeitsprinzip
und das Willkürverbot seien verletzt worden; denn zu dem nach Art. 104
lit. a OG im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu überprüfenden
Bundesrecht gehört auch das Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine
Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit der eidgenössischen
Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (BGE 123 II 88 E. 1a/bb S. 92 mit
Hinweisen).

    d) Es sind keine Ausschlussgründe gemäss Art. 99 ff. OG
erfüllt. Art. 99 Abs. 1 lit. c OG schliesst nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nutzungspläne
im Sinne von Art. 14 ff. RPG nicht aus (BGE 123 II 88 E. 1a/dd S. 92
mit Hinweisen).

    e) Nach Art. 103 lit. c OG sind private Organisationen zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, wenn das Bundesrecht sie
dazu ermächtigt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer
kommt es jedoch nicht darauf an, ob eine entsprechende
kantonalrechtliche Beschwerdeberechtigung besteht. Eine bundesrechtliche
Beschwerdeberechtigung besteht nach Massgabe von Art. 12 des Bundesgesetzes
über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG; SR 451) und Art. 55
des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR
814.01). Sie gilt auch im Anwendungsbereich von Art. 24 RPG, worauf sich
die Beschwerdeführer vorliegend berufen. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung ist in der Anwendung von Art. 24 RPG die Erfüllung einer
Bundesaufgabe im Sinne von Art. 2 NHG zu erblicken, wenn geltend gemacht
wird, die Ausnahmebewilligung für ein Vorhaben ausserhalb der Bauzone
verstosse gegen die nach Art. 24sexies BV bzw. nach den Vorschriften
des NHG notwendige Rücksichtnahme auf Natur und Heimat (vgl. BGE 123 II
5 E. 2c S. 7). Die gesamtschweizerischen ideellen Vereinigungen können
diesbezüglich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch geltend machen,
mit einer Planungsmassnahme werde Art. 24 RPG umgangen (Urteil des
Bundesgerichts in ZBl 96/1995 S. 146 E. 3 mit Hinweisen).

    Sowohl Art. 12 Abs. 1 NHG als auch Art. 55 Abs. 1 USG
beschränken die Beschwerdeberechtigung auf gesamtschweizerische
Organisationen. Zudem besteht die Beschwerdelegitimation nur, wenn
sich die beschwerdeberechtigten Organisationen am kantonalen Verfahren
beteiligt haben und darin ihren Anliegen nicht entsprochen wurde (Art. 12
Abs. 5 NHG und Art. 55 Abs. 5 USG, in Kraft seit 1. Februar 1996; zur
bundesgerichtlichen Praxis vor der Gesetzesrevision vgl. BGE 118 Ib 299
E. 2a; 117 Ib 274; s. auch BGE 121 II 224 E. 2b S. 227).

    aa) Der Schweizer Heimatschutz (SHS) ist eine gesamtschweizerische
Organisation im Sinne von Art. 12 NHG und Art. 55 USG (BGE 112 Ib 70
ff. und Verordnung über die Bezeichnung der beschwerdeberechtigten
Umweltschutzorganisationen vom 27. Juni 1990 [VBUO, SR 814.076]). Der
Zürcher Heimatschutz (ZVH) ist keine gesamtschweizerische Organisation,
sondern eine Sektion des SHS. Gemäss Art. 6 der Statuten des SHS
verwirklichen die Sektionen die in den Statuten umschriebenen
Ziele in ihrem Einzugsgebiet (Ziff. 1). Die zeichnungsberechtigten
Vertreter des SHS sind befugt, im Einvernehmen mit den betreffenden
Sektionen auch Rechtsmittel für diese einzulegen, während umgekehrt die
zeichnungsberechtigten Organe der Sektionen ihre Rechtsmittel auch namens
des SHS ergreifen können (Ziff. 3). Art. 6 Ziff. 2 der SHS-Statuten hält
generell fest, dass der SHS und seine Sektionen zusammenarbeiten.

    Der SHS hat am kantonalen Verfahren nicht teilgenommen. Das vermag
seiner grundsätzlichen Beschwerdebefugnis unter den vorliegenden
Umständen aber keinen Abbruch zu tun, weil sich nach der Praxis die
gesamtschweizerischen Organisationen im kantonalen Verfahren durch
ihre örtlichen und regionalen Sektionen "vertreten" lassen können, und
zwar selbst dann, wenn die Sektion nicht ausdrücklich in deren Namen
handelt; es genügt insoweit eine erkennbare enge Bindung zwischen
der gesamtschweizerischen Organisation und der prozessführenden
Sektion (vgl. BGE 118 Ib 296 E. 2b und c S. 299 f.; LORENZ MEYER,
Das Beschwerderecht von Vereinigungen; Auswirkungen auf das kantonale
Verfahren, in: Verfassungsrechtsprechung und Verwaltungsrechtsprechung,
Zürich 1992, S. 167 ff., insbes. S. 170). Dass zwischen dem ZVH und dem SHS
eine hinreichend enge Bindung besteht, wurde zuvor dargelegt. Der SHS ist
demnach grundsätzlich befugt, den Entscheid des Regierungsrats des Kantons
Zürich im gesetzlich zulässigen Umfang mit Beschwerde anzufechten. Dabei
hat er den Streit in dem Zustand zu übernehmen bzw. weiterzuführen,
in dem sich dieser nach Abschluss des kantonalen Verfahrens befand.

    bb) Eine andere Frage ist, ob auch der Zürcher Heimatschutz zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht befugt sei. Das
muss verneint werden; das Beschwerderecht ist wie erwähnt den
gesamtschweizerischen Organisationen vorbehalten. Allerdings kann
sich der SHS im bundesgerichtlichen Verfahren durch den ZVH vertreten
lassen. Nachdem der SHS am 28. November 1996 eine entsprechende Vollmacht
nachgereicht hat, liegt insoweit eine korrekte Vertretung vor. Hingegen
stellt der zuvor zitierte Art. 6 der Statuten des SHS keine hinreichende
Vollmacht für eine Vertretung des SHS durch eine seiner Sektionen in
Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht dar. Hierfür braucht es vielmehr
eine für das konkrete Verfahren ausgestellte Vollmacht. Wenn es auch auf
überspitzten Formalismus hinausliefe, auf eine Beschwerde nur deswegen
nicht einzutreten, weil der erkennbare Vertreter es unterlassen hat, innert
der Beschwerdefrist eine rechtsgenügende Vollmacht einzureichen, so ist
doch darauf hinzuweisen, dass die entsprechende Vollmacht im Normalfall
unaufgefordert und innert Frist einzureichen ist (Art. 30 Abs. 1 und 2
OG; vgl. zur Folge einer fehlenden Ermächtigung zur Beschwerdeerhebung
das Urteil des Bundesgerichts vom 21. Dezember 1993 in ZBl 95/1994 S. 528).

    cc) Auf die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit nur
insoweit einzutreten, als sie im Namen und in Vertretung des Schweizer
Heimatschutzes eingereicht wurde. Soweit der Zürcher Heimatschutz in
eigenem Namen Beschwerde führen will, wird auf die Beschwerde nicht
eingetreten.

    f) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind erfüllt und geben zu keinen
weiteren Erörterungen Anlass. Alle erhobenen Rügen können im Rahmen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden; für die staatsrechtliche
Beschwerde bleibt kein Raum; auf sie wird nicht eingetreten (Art. 84
Abs. 2 OG).