Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 97



123 III 97

16. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Januar 1997 i.S. W.
L. gegen Bank X. (Berufung) Regeste

    Art. 799 Abs. 2 ZGB; Art. 12 OR. Änderung des Schuldbriefes.

    Die Kündigungsbestimmungen gehören nicht zu den objektiv wesentlichen
Punkten des Pfandvertrages; ihre Begründung und Modifikation bedarf
deshalb nicht der öffentlichen Beurkundung (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Mit Vereinbarung vom 30. Mai 1988 erwarb die Bank X. zur Sicherung
ihrer Forderungen gegenüber W. L. einen Namensschuldbrief vom 15.
Juni 1977 über 1 Mio. Franken, lastend im 1. Rang auf einer Liegenschaft
in R. Es wurde abgemacht, "dass die Bank die ... Schuldbriefforderung
nebst drei verfallenen Jahreszinsen und dem laufenden Zins zu 9% im Jahr
... anstelle von Forderungen irgendwelcher Art gegenüber dem Schuldner
aus bereits abgeschlossenen oder im Rahmen der Geschäftsbeziehungen
künftig abzuschliessenden Verträgen geltend machen kann". Am 24. April
1991 erwarb die Bank X. einen weiteren Namenschuldbrief vom 18. September
1980 über Fr. 750'000.--. Auch hier wurde mit dem Schuldner mit Bezug auf
die sichergestellten Forderungen eine ähnliche Vereinbarung getroffen,
und es wurde - wie schon im Vertrag vom 30. Mai 1988 - abgemacht, dass
die Schuldbriefforderung keiner vorgängigen Kündigung bedürfe.

    Mit Schreiben vom 10. September 1993 kündigte die Bank X. sämtliche
Engagements unter Ansetzung einer Zahlungsfrist bis 15. Oktober 1993 für
die zu diesem Zeitpunkt fälligen Forderungen von Fr. 4'893'831.20.

    Am 15. März 1994 leitete die Bank X. gestützt auf die erwähnten
Schuldbriefe Betreibungen auf Pfandverwertung ein. Auf den jeweiligen
Rechtsvorschlag und die Bestreitung der Pfandrechte hin erteilte der
Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Horgen am 3. Juni 1994
provisorische Rechtsöffnungen: für 1 Mio. Franken und Fr. 750'000.--,
je nebst 9% Zins seit 31. Dezember 1993, sowie für drei verfallene
Jahreszinsen von Fr. 270'000.-- und Fr. 202'500.--.

    B.- Die von W. L. eingereichten Aberkennungsklagen wies das
Bezirksgericht Horgen am 5. Juli 1995 ab. Gleich entschied das Obergericht
des Kantons Zürich mit Urteilen vom 16. April 1996. Die dagegen erhobenen
Nichtigkeitsbeschwerden wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am
14. und 23. September 1996 ab.

    C.- Der Kläger hat am 24. Mai 1996 die Urteile des Obergerichts mit
Berufung angefochten. Er beantragt, es sei festzustellen, dass die von
der Beklagten in Betreibung gesetzten Forderungen von 1 Mio. Franken
und Fr. 750'000.-- nicht fällig seien und im weiteren Umfang von
Fr. 270'000.-- bzw. Fr. 202'500.-- für drei verfallene Jahreszinsen zu 9%
nicht bestünden. Sodann sei festzustellen, dass die mit Bezug auf die drei
verfallenen Jahreszinsen geltend gemachten Pfandrechte nicht bestünden. Das
Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandes bedarf zu seiner
Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 799 Abs. 2 ZGB). Er
muss den Verpfänder, den Berechtigten, die Pfandforderung und das
Pfandobjekt bezeichnen (LEEMANN, Berner Kommentar, N. 32 ff. zu Art. 799
ZGB). Vereinbarungen über Rückzahlung, Kündigung und Amortisation bilden
demgegenüber keinen notwendigen Bestandteil des Pfandvertrags (LEEMANN,
aaO, N. 47 zu Art. 799 ZGB). Auch Art. 40 Abs. 2 der Grundbuchverordnung
(SR 211.432.1) sieht lediglich vor, dass, sofern die Parteien besondere
Vereinbarungen über Rückzahlungen und Kündigungen oder über Amortisationen
getroffen haben, auf diese in der Kolumne "Bemerkungen" hingewiesen
werden soll. Solche Punkte - folgt daraus - sind keine notwendigen
Bestandteile des Grundbucheintrags und des Schuldbriefs (Art. 793 ff. ZGB).
Schliesslich kann nach Art. 844 Abs. 1 ZGB der Schuldbrief auf sechs Monate
und auf die üblichen Zinstage gekündigt werden. Nach dieser dispositiven
Gesetzesnorm brauchen die Parteien bezüglich der Kündigungsbestimmungen
keine Abmachungen zu treffen.

    Der sicherungshalber übereignete Schuldbrief sieht eine halbjährliche
Kündigungsmöglichkeit vor. In der Sicherungsabrede haben die Parteien
demgegenüber auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen, welche
der Beklagten das Recht einräumen, bestehende Geschäftsverbindungen mit
sofortiger Wirkung aufzuheben und die dadurch zur Rückzahlung fällig
gewordenen Guthaben ohne weitere Kündigung einzufordern. Derartige
separate Vereinbarungen sind zulässig (LEEMANN, aaO, N. 12 und 13
zu Art. 844 ZGB; ZOBL, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen,
ZBGR 68/1987, S. 291; MARKUS VOLLENWEIDER, Die Sicherungsübereignung
von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994,
S. 101 f.). Durch gesonderte Abmachung können auch (unter Vorbehalt des
Schutzes eines gutgläubigen Erwerbers) die auf dem Titel aufgeführten
Kündigungsfristen und -termine geändert werden (DANIEL STAEHELIN,
Betreibung und Rechtsöffnung beim Schuldbrief, AJP 1994 S. 1265).
Die Geltendmachung der Schuldbriefforderung richtet sich diesfalls nicht
nach dem Schuldbrieftenor, sondern nach dem Innenverhältnis der Parteien
(ZOBL, aaO).

    Der Kläger beruft sich demgegenüber auf Art. 12 OR und leitet daraus
ab, dass vom Titel abweichende Abmachungen der öffentlichen Beurkundung
bedürften. Gemäss dieser Bestimmung ist für die Abänderung eines Vertrags,
für den die schriftliche Form vorgeschrieben ist, ebenfalls Schriftlichkeit
erforderlich, mit Ausnahme von ergänzenden Nebenbestimmungen, die mit
der Urkunde nicht im Widerspruch stehen. Art. 12 OR ist nach Lehre
und Rechtsprechung analog auch anzuwenden auf Rechtsgeschäfte, für die
das Gesetz eine andere als die Schriftform, namentlich die öffentliche
Beurkundung vorschreibt (BGE 95 II 419 E. 2b; SCHMIDLIN, Berner Kommentar,
N. 3 zu Art. 12 OR). Ist für das Zustandekommen eines Vertrages die
öffentliche Beurkundung erforderlich, unterliegen die objektiv und
subjektiv wesentlichen Vertragspunkte dem Formzwang (BGE 113 II 402
E. 2a mit Hinweisen). Die Kündigungsbestimmungen gehören, wie dargetan,
nicht zu den objektiv wesentlichen Bestimmungen des Pfandvertrags und des
Schuldbriefs. Es fragt sich aber, ob sie auch dann, wenn sie im Pfandtitel
geregelt sind, formlos oder - wie hier - durch einfache Schriftlichkeit
ausserhalb des Titels selber abgeändert werden dürfen. Während BECKER
(Berner Kommentar, N. 1 zu Art. 12 OR) dafür hält, in einem formbedürftigen
Vertrag geregelte Nebenpunkte dürften nur in der gleichen Form abgeändert
werden, da eine Änderung der Urkunde widerspreche, ist eine neuere
Lehrmeinung der Ansicht, dass objektiv unwesentliche Punkte, auch wenn
sie bereits geregelt wurden, formlos abgeändert werden können (SCHMIDLIN,
aaO, N. 17 zu Art. 12 OR; SCHWENZER, in: Kommentar zum schweizerischen
Privatrecht, Obligationenrecht I, N. 5 zu Art. 12 OR). Nebenbestimmungen,
welche nicht vom Formzwang erfasst sind, bleiben stets formfrei (SCHMIDLIN,
aaO, N. 3 zu Art. 12 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 11
und 17 zu Art. 12 OR) und können entsprechend modifiziert werden. Dieser
neueren Lehrmeinung ist beizupflichten. Die Änderung der Modalitäten der
Pfandforderung (so insbesondere die Kündigung) muss deshalb ebensowenig
wie die Begründung öffentlich beurkundet werden (LEEMANN, aaO, N. 60
zu Art. 799 ZGB). Demnach durfte ohne öffentliche Beurkundung in der
zwischen den Parteien abgeschlossenen Sicherungsvereinbarung vom 30. Mai
1988 unter Verweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen abgemacht
werden, dass die Schuldbriefforderung jederzeit gekündigt werden darf;
und das gleiche gilt auch hinsichtlich des Vertrags vom 24. April 1991.