Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 89



123 III 89

15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1997 i.S.
Erben B. gegen Versicherung X. AG (Berufung) Regeste

    Art. 761 OR. Gerichtsstand für Klagen aus aktienrechtlicher
Verantwortlichkeit.

    Der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft steht für alle Klagen aus
aktienrechtlicher Verantwortlichkeit zur Verfügung, insbesondere auch
für Klagen gegen die Erben der Verantwortlichen.

Sachverhalt

    A.- B. gehörte dem Verwaltungsrat der Y. AG in Zürich an.
Diese Gesellschaft fiel am 17. April 1985 in Konkurs. Am 19. Dezember
1985 verstarb B. in Herrliberg/ZH; sein letzter Wohnsitz war Rio de
Janeiro (Brasilien). Die Versicherung X. AG liess sich am 9. Juli 1992
von der Konkursmasse der Y. AG eine Forderung aus aktienrechtlicher
Verantwortlichkeit in der Höhe von 3,13 Mio. Franken abtreten, die sie
nunmehr gegenüber den Erben von B. geltend macht.

    B.- Am 15. April 1994 reichte die Versicherung X. AG beim
Bezirksgericht Zürich Klage gegen die Erben von B. ein. Sie verlangte -
unter Vorbehalt des Nachklagerechts - die Verpflichtung der Beklagten, ihr
Fr. 1'500'000.-- zu bezahlen. Das Bezirksgericht beschränkte das Verfahren
mit Beschluss vom 5. Januar 1995 einstweilen auf die Fragen der örtlichen
Zuständigkeit und der Passivlegitimation der einzelnen Erben. Mit Beschluss
vom 30. August 1995 erklärte es sich für unzuständig, trat auf die Klage
nicht ein und setzte der Klägerin Frist an, um das Gericht zu bezeichnen,
an welches das Verfahren zu überweisen sei.

    Die Klägerin rekurrierte an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses
hob am 20. Dezember 1995 den Beschluss des Bezirksgerichts auf.

    C.- Das Bundesgericht weist die Berufungen der Beklagten ab und
bestätigt den Entscheid des Obergerichts.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Art. 761 OR lautet: "Die Klage kann gegen alle verantwortlichen
Personen beim Richter am Sitz der Gesellschaft angebracht werden". Der
Ausdruck "gegen alle verantwortlichen Personen" mag auf den ersten
Blick zur Annahme verleiten, die Vorschrift knüpfe an die Person des
Verantwortlichen und nicht rein sachlich an den Tatbestand einer Forderung
aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit an. Das würde bedeuten, dass
Art. 761 OR nicht allgemein für alle Verantwortlichkeitsklagen, sondern
nur für Klagen gegen die Verantwortlichen selbst Anwendung fände, womit
insbesondere Klagen gegen deren Rechtsnachfolger ausgenommen wären. Bei
näherem Zusehen muss jedoch bereits die Stellung des Ausdrucks "gegen
alle verantwortlichen Personen" im Satzganzen Zweifel daran wecken,
dass eine derartige Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 761
OR der Absicht des Gesetzgebers entsprach. Das Gesetz spricht nicht von
"Klagen gegen die verantwortlichen Personen", sondern es sagt zunächst
nur, dass "die Klage" beim Gericht am Gesellschaftssitz erhoben werden
kann. Wenn es zur Verdeutlichung beifügt, dass dies gegenüber "allen
verantwortlichen Personen" gilt, so liegt die Betonung offensichtlich
nicht auf "verantwortlichen", sondern auf "allen". Das deutet darauf hin,
dass der Gesetzgeber den einheitlichen Gerichtsstand am Gesellschaftssitz
möglichst umfassend zur Verfügung stellen wollte. Betrachtet man die
Vorschrift als Ganzes, so legt demnach bereits ihr Wortlaut nahe, dass der
Gesetzgeber mit der Formulierung "gegen alle verantwortlichen Personen"
ihren Anwendungsbereich nicht einschränken wollte, sondern dass es ihm im
Gegenteil darum ging klarzustellen, dass auch dann am Sitz der Gesellschaft
geklagt werden kann, wenn Verantwortlichkeitsansprüche nicht nur gegen
einen, sondern gegen mehrere Verantwortliche geltend gemacht werden. Anlass
für diese Klarstellung mag für den Gesetzgeber der Umstand gewesen sein,
dass in Verantwortlichkeitsfälle häufig mehrere Personen verwickelt sind.

    Im Lichte dieser Erwägungen zeigt sich, dass eine wörtliche Auslegung
entgegen der Meinung der Beklagten keineswegs zum eindeutigen Ergebnis
zu führen vermag, die Gerichtsstandsvorschrift von Art. 761 OR gelte
nur gegenüber den Verantwortlichen selbst und nicht auch gegenüber deren
Erben. Vielmehr ist festzuhalten, dass der Gesetzeswortlaut sich nicht
als zum vornherein klar bezeichnen lässt, bezieht er doch Klagen gegen die
Erben der Verantwortlichen weder ausdrücklich ein, noch schliesst er sie
ausdrücklich aus. Die Beklagten berufen sich vergeblich auf den Grundsatz,
dass vom wörtlichen Sinn eines klaren Gesetzestextes nur abgewichen werden
darf, wenn die Berücksichtigung der anderen Auslegungselemente zeigt,
dass der Wortlaut den wahren Sinn der Vorschrift nicht richtig wiedergibt
(BGE 121 V 58 E. 3b S. 60 f.; 120 II 243 E. 3e S. 247; 119 II 147 E. 3b
S. 151, je mit Hinweisen).

    b) Im schweizerischen Gerichtsstandsrecht gilt als allgemeiner
Gerichtsstand jener am Wohnsitz des Beklagten (vgl. Art. 59 BV). Dieser
mit der Person des Beklagten verknüpfte Gerichtsstand steht grundsätzlich
nur zu dessen Lebzeiten zur Verfügung; die Erben sind an ihrem eigenen
Wohnsitz zu belangen. Neben dem allgemeinen Gerichtsstand sieht das
Gesetz jedoch zahlreiche besondere Gerichtsstände vor, die nicht
von der Beziehung zu einer bestimmten Person abhängig sind. So sind
beispielsweise für Streitigkeiten aus der Miete oder der Pacht von
unbeweglichen Sachen die Gerichte am Ort der gelegenen Sache zuständig
(Art. 274b Abs. 1 und Art. 300 OR). Die Klage aus Arbeitsvertrag kann
wahlweise entweder am Wohnsitz des Beklagten oder aber am Ort des
Betriebs oder des Haushalts angebracht werden, für den der Arbeitnehmer
Arbeit leistet (Art. 343 Abs. 1 OR). Zivilklagen aus Motorfahrzeug- und
Fahrradunfällen sind beim Gericht des Unfallorts anzubringen (Art. 84 SVG;
SR 741.01). Mit solchen Gerichtsstandsvorschriften verfolgt der Gesetzgeber
regelmässig das Ziel, die gerichtliche Durchsetzung bestimmter Kategorien
von Forderungen zu vereinfachen (vgl. BGE 114 II 353 E. 1a und b S. 354
f.). Dem entspricht die sach- und nicht personenbezogene Anknüpfung. Die
genannten Gerichtsstandsvorschriften beruhen einerseits auf dem Gedanken,
dass sich sinnvollerweise diejenigen Gerichte mit einer Streitigkeit
befassen sollen, die dem zu beurteilenden Sachverhalt räumlich am nächsten
stehen (vgl. BGE 120 II 112 E. 3b/bb S. 114 f.; 94 II 134 S. 136; HIGI,
Zürcher Kommentar, N. 25 zu Art. 274b OR; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, Grundriss
des schweizerischen Strassenverkehrsrecht, Bd. II, S. 248 Rz. 1530;
HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2.
Aufl. 1990, S. 119 f. Rz. 214). Anderseits wollen sie Rechtswegbarrieren
abbauen, indem sie dem Kläger ersparen, den Beklagten an seinem Wohnsitz
suchen und womöglich gegen mehrere Beklagte je an unterschiedlichen
Gerichten klagen zu müssen (vgl. VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts,
4. Aufl. 1995, S. 95 f. Rz. 28). Schliesslich soll mit der Vermeidung
von Mehrfachprozessen die Gefahr widersprechender Urteile gebannt werden
(vgl. BGE 113 II 353 E. 2a S. 355 f.; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, aaO).

    In die Reihe der für bestimmte Kategorien von Forderungen vorgesehenen
besonderen Gerichtsstände fügt sich auch der Gerichtsstand am Sitz
der Gesellschaft gemäss Art. 761 OR ein. Es liegt deshalb nahe, diese
Vorschrift ebenfalls dahin auszulegen, dass sie nicht an die Person des
Beklagten, sondern sachlich an die Natur der Klageforderung als Anspruch
aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit anknüpft. In diesem Sinne fasste
denn das Bundesgericht die Bestimmung offensichtlich auch in früheren
Entscheiden unwillkürlich auf, indem es jeweils von einem "einheitlichen
Gerichtsstand für die aktienrechtliche Verantwortlichkeit" sprach (BGE
115 II 160 E. 3b S. 163 f.; 97 II 403 E. 1b S. 408). Im übrigen lassen
sich für eine rein sachliche Abgrenzung des Anwendungsbereichs ohne
Einschränkungen hinsichtlich der Person des Beklagten bei Art. 761 OR
dieselben Gründe anführen wie bei anderen Gerichtsstandsvorschriften:
Die Gerichte am Sitz der Gesellschaft sind angesichts ihrer räumlichen
Nähe am besten geeignet, den Verantwortlichkeitsfall zu beurteilen;
für den Kläger ist es äusserst umständlich, gegen mehrere Beklagte vor
verschiedenen Gerichten vorzugehen; Mehrfachprozesse sind zudem mit der
Gefahr widersprechender Urteile verbunden (vgl. BGE 115 II 160 E. 3b
S. 162).

    c) In die gleiche Richtung weist der Zusammenhang von Art. 761
OR mit den unmittelbar vorangehenden Bestimmungen. Dort werden die
Voraussetzungen und die Geltendmachung von Ansprüchen aus aktienrechtlicher
Verantwortlichkeit geregelt (Art. 752 ff. OR). Art. 761 OR ergänzt diese
Regelung dahin, dass die Klage beim Gericht am Sitz der Gesellschaft
angebracht werden kann. Wenn das Gesetz darüber hinaus betont, dass dies
für die Klage gegen alle verantwortlichen Personen gilt, so ist darin
nach dem Gesamtzusammenhang keine Einschränkung des Anwendungsbereichs
von Art. 761 OR, sondern im Gegenteil ein zusätzlicher Hinweis auf dessen
umfassende Geltung zu sehen. Der Zusatz "gegen alle verantwortlichen
Personen" soll deutlich machen, dass der Einheitsgerichtsstand am Sitz
der Gesellschaft auch dann zur Verfügung steht, wenn mehrere Personen zur
Verantwortung gezogen werden. Dabei scheint dem Gesetzgeber entgangen zu
sein, dass, was in dieser Hinsicht Klarheit schaffen sollte, in anderer
Hinsicht Unklarheiten hervorrufen kann, weil die Formulierung "gegen alle
verantwortlichen Personen" für sich allein betrachtet an eine personen-
statt sachbezogene Anknüpfung denken lässt. Diese Unvollkommenheit der
Gesetzesredaktion rechtfertigt es indessen nicht, den Anwendungsbereich
der Vorschrift in sachwidriger Weise auf die Verantwortlichen selbst
einzuschränken und deren Rechtsnachfolger davon auszunehmen, wie dies
die Beklagten anstreben.

    d) Die Entstehungsgeschichte von Art. 761 OR vermag den Standpunkt der
Beklagten ebenfalls nicht zu stützen. Die Bestimmung wurde anlässlich der
Aktienrechtsrevision von 1936 in das Gesetz eingefügt; bei der Revision
von 1991 blieb sie unverändert. Ihrer Annahme ging ein zähes Ringen
in der Bundesversammlung voraus. Während der Nationalrat die Schaffung
eines einheitlichen Gerichtsstands am Gesellschaftssitz befürwortete,
wollte der Ständerat an der Garantie des Wohnsitzgerichtsstands gemäss
Art. 59 BV festhalten. Im Differenzbereinigungsverfahren vermochte
sich die Auffassung des Nationalrats, wenn auch erst im zweiten
Anlauf, schliesslich durchzusetzen. Die Voten der nationalrätlichen
Berichterstatter belegen, dass man mit der Gerichtsstandsvorschrift
in erster Linie die Durchsetzung von Ansprüchen aus aktienrechtlicher
Verantwortlichkeit erleichtern wollte; man empfand es als unhaltbar,
dass "gegen sieben Mitglieder einer Verwaltung unter Umständen an sieben
verschiedenen Gerichten geklagt werden muss" (Sten.Bull. N 1936, S. 778,
Votum Scherer; vgl. ferner aaO, Votum Aeby, sowie Sten.Bull. N 1935, S. 193
f., Voten Scherer und Aeby). Im weiteren wurde angeführt, die Schaffung
eines gemeinsamen Gerichtsstands für die Verantwortlichkeitsklage sei
wünschenswert, weil sonst dieselbe Verantwortlichkeitsfrage leicht zum
Gegenstand mehrerer Prozesse vor verschiedenen Gerichten werden könne, die
womöglich zu divergierenden Urteilen gelangen würden (Sten.Bull. N 1936,
S. 346, Votum Scherer). Grundanliegen des Gesetzgebers war es demnach, dem
Gläubiger eines Verantwortlichkeitsanspruchs eine sinnvolle Prozessführung
zu ermöglichen. Diesem Ziel aber entspricht eine möglichst umfassende
Anwendbarkeit des einheitlichen Gerichtsstands am Sitz der Gesellschaft.

    Im übrigen geht aus den Materialien hervor, dass die Frage, ob die
Gerichtsstandsvorschrift nur gegenüber den Verantwortlichen selbst oder
auch gegenüber deren Erben gelten soll, anlässlich der Gesetzesberatung
nicht aufgeworfen wurde. Ein ausdrücklicher gesetzgeberischer Wille,
den Anwendungsbereich von Art. 761 OR auf die Verantwortlichen selbst zu
beschränken, lässt sich daher den Materialien jedenfalls nicht entnehmen.
Entgegen der Meinung des Bezirksgerichts und der Beklagten lässt sich ein
solcher Wille auch nicht daraus ableiten, dass sich in den Ratsprotokollen
unter anderem die folgende Äusserung findet: "Wer es sich gefallen lässt,
in den Verwaltungsrat einer Gesellschaft gewählt zu werden, die ihren
Sitz nicht an seinem Wohnort hat, der muss es sich auch gefallen lassen,
dass er für seine Tätigkeit in diesem Verwaltungsrat ebenfalls am Sitz der
Gesellschaft zur Verantwortung gezogen wird" (Sten.Bull. N 1935, S. 193,
Votum Scherer). Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass eine einzelne,
im Rahmen der Gesetzesberatung gefallene Äusserung die Auslegung nicht
entscheidend beeinflussen kann. Sodann kommt der zitierten Äusserung im
vorliegenden Zusammenhang auch deshalb kein entscheidendes Gewicht zu,
weil sie sich gar nicht direkt auf die Frage bezieht, ob gegen die
Erben eines Verantwortlichen ebenfalls am Gesellschaftssitz geklagt
werden kann. Schliesslich ist dem Bezirksgericht und den Beklagten zwar
zuzugestehen, dass sich die Erben nicht in den Verwaltungsrat haben wählen
lassen. Zufolge der im Erbrecht vorgesehenen Gesamtrechtsnachfolge treten
die Erben jedoch immerhin umfassend in die Rechtsstellung des Erblassers
ein (Art. 560 ZGB). Es ist deshalb nichts weiter als folgerichtig,
wenn sie sich auch die Besonderheiten der gerichtlichen Geltendmachung
entgegenhalten lassen müssen, die mit den auf sie übergegangenen
Forderungen und Schulden verbunden sind.

    e) Zusammenfassend ergibt sich, dass gestützt auf Art. 761
OR alle Forderungen aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit beim
Gericht am Sitz der Gesellschaft geltend gemacht werden können. Da die
Gerichtsstandsvorschrift sachlich an die Natur der Klageforderung anknüpft,
ist sie unabhängig davon anwendbar, wer im Prozess als Kläger und als
Beklagter auftritt. Es spielt daher keine Rolle, ob der ursprüngliche
Gläubiger oder ein Abtretungsgläubiger klagt und ob sich die Klage gegen
den Verantwortlichen selbst, gegen dessen Erben oder gegen den unverteilten
Nachlass bzw. den Willensvollstrecker als dessen Vertreter richtet. Die
Klage kann in jedem Fall beim Gericht am Sitz der Gesellschaft erhoben
werden.

    Was die Beklagten in ihren Berufungen zusätzlich einwenden, vermag
daran nichts zu ändern. Das gilt insbesondere für den Hinweis darauf,
dass der Gläubiger nach dem Tod des Verantwortlichen nicht mehr nur
auf dessen Vermögen, sondern auch auf das persönliche Vermögen der Erben
greifen kann und dass die einzelnen Erben ihm zudem je solidarisch für die
ganze Forderung haften (Art. 560 Abs. 2, Art. 603 Abs. 1 und Art. 639
Abs. 1 ZGB). Den Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass sich dadurch das
Haftungssubstrat vergrössern kann, sofern die Erben eigenes Vermögen
haben. Das ist aber kein Grund, den einheitlichen Gerichtsstand am Sitz
der Gesellschaft für Klagen gegen die Erben auszuschliessen. Art. 761
OR regelt einzig die Frage, welche Gerichte zur Beurteilung eines
Verantwortlichkeitsanspruchs örtlich zuständig sind. Die Frage des
Haftungssubstrats liegt dagegen auf einer ganz anderen Ebene; sie betrifft
nicht die prozessuale Durchsetzung des Verantwortlichkeitsanspruchs,
sondern einzig die Bonität der als Beklagte ins Recht gefassten
Personen. Es geht nicht an, die beiden Fragen miteinander zu vermengen
und dem Kläger gewissermassen als "Ausgleich" für den Vorteil des - unter
Umständen - grösseren Haftungssubstrats prozessuale Erschwernisse in den
Weg zu legen.

    Nichts zu helfen vermag den Beklagten auch, dass Art. 761 OR von
"verantwortlichen" und nicht von "haftbaren" Personen spricht. Zwar trifft
es zu, dass die Erben eines Verwaltungsratsmitglieds (bzw. eines Revisors,
eines Gründers oder eines Liquidators) für dessen Fehlverhalten nicht
verantwortlich, sondern höchstens haftbar sind. Bei der Auslegung von
Art. 761 OR darf aber nicht blindlings auf ein einzelnes Wort abgestellt
werden. Der wahre Sinn der Vorschrift wird, wie gezeigt, vielmehr erst
erkennbar, wenn ihr Wortlaut in seiner Gesamtheit in Betracht gezogen
wird und auch die weiteren massgebenden Auslegungsgesichtspunkte im Auge
behalten werden. Die Beklagten suchen ihr Heil vergeblich in subtilen
Abgrenzungen zwischen dem Begriff der Verantwortlichkeit und jenem der
Haftbarkeit.