Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 492



123 III 492

76. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12.
November 1997 i.S. G. AG (Beschwerde) Regeste

    Art. 19 Abs. 1 SchKG; Art. 145 Abs. 2 PVV 1.  Zurückbehaltungsauftrag;
Beginn des Fristenlaufes.

    Analog der Regelung bei Briefkasten- und Postfachzustellung gilt bei
Vorliegen eines Zurückbehaltungsauftrags im Sinne von Art. 145 Abs. 2 PVV
1 zum PVG eine eingeschriebene Sendung als am letzten Tag einer Frist von
sieben Tagen ab Eingang bei der Poststelle am Ort des Empfängers zugestellt
(E. 1).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin führt aus, der angefochtene Entscheid sei
am 3. Oktober 1997 versandt und ihr am 15. Oktober 1997 zugestellt worden;
die 10tägige Beschwerdefrist sei mit ihrer Beschwerde vom 24. Oktober 1997
(Postaufgabe 25. Oktober 1997) gewahrt worden.

    Gemäss den kantonalen Akten hat das Postamt F. am 30. Oktober
1997 bestätigt, dass der obergerichtliche Entscheid infolge eines
Zurückbehaltungsauftrages erst am 15. Oktober 1997 habe ausgehändigt
werden können. Begehren für das Zurückbehalten von Postsendungen
können nach Art. 145 Abs. 2 der Verordnung (1) vom 1. September 1967
zum Postverkehrsgesetz (PVV 1, SR 783.01) höchstens für zwei Monate
gestellt werden.

    Die Beschwerdeführerin übersieht, dass ihre Anweisung gegenüber der
Post den Beginn der Beschwerdefrist nicht hinauszuschieben vermochte. Wird
der Adressat anlässlich einer versuchten Zustellung nicht angetroffen und
daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach
gelegt, so gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Sendung
in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt
wird. Geschieht dies nicht innerhalb der in Art. 169 Abs. 1 lit. d und e
PVV 1 vorgesehenen Abholfrist von sieben Tagen, gilt die Sendung als am
letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung
hatte rechnen müssen (BGE 119 V 89 E. 4b S. 94, mit Hinweisen). Diese
Grundsätze gelten auch in Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren (BGE 117
III 4; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
6. Aufl. 1997, § 12 Rz. 6, S. 90; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, 3. Aufl. 1993, S. 101/102).

    Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin, die sich in den
kantonalen Verfahren gegen die Verwertung ihrer Liegenschaft mit allen
Mitteln gewehrt hatte, mit der Zustellung des obergerichtlichen Entscheids
hat rechnen müssen. Es bestand deshalb für sie nach Treu und Glauben die
Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihr Gerichtsurkunden zugestellt werden
können (116 Ia 90 E. 2a S. 92, mit Hinweisen). Für die Rechtzeitigkeit
der Einreichung der Beschwerde kommt deshalb vorliegendenfalls einzig
die vom Bundesgericht zu Art. 169 Abs. 1 lit. d und e PVV 1 entwickelte
Rechtsprechung zum Tragen. Müsste unter den gegebenen Umständen ein vom
Schuldner veranlasster Zurückbehaltungsauftrag im Sinne von Art. 145
Abs. 2 PVV 1 beachtet werden, könnte das Beschwerdeverfahren leichthin
um mehrere Wochen verzögert werden; das liefe dem Grundsatz, dass das
Vollstreckungsverfahren zügig voranzutreiben ist, klar zuwider. Ausserdem
verlangt auch der Grundsatz rechtsgleicher Behandlung, dass die Regeln
der Zustellung gerichtlicher Sendungen durch die Post möglichst klar,
einfach und vor allem einheitlich gehandhabt werden (BGE 100 III 3
E. 3 S. 7). Bei Vorliegen eines Zurückbehaltungsauftrages im Sinne von
Art. 145 Abs. 2 PVV 1 gilt eine eingeschriebene Sendung somit am letzten
Tag einer Frist von sieben Tagen ab Eingang bei der Poststelle am Ort des
Empfängers als zugestellt (unveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes
vom 6. Juli 1982 i. S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons BL). Der
erste Tag der für die Zustellung des Entscheids vom 18. September 1997
massgebenden Abholfrist war mithin der 4. Oktober 1997, d.h. der Tag
nach der Postaufgabe, so dass die siebentägige Frist am 10. Oktober 1997
endete. Am Tag darauf, am 11. Oktober 1997, begann die Frist von zehn
Tagen für die Einreichung der Beschwerde an das Bundesgericht zu laufen
(Art. 19 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 SchKG). Der letzte Tag der Frist
war der 20. Oktober 1997, weshalb die erst am 25. Oktober 1997 der Post
übergebene Beschwerde klar verspätet ist.