Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 49



123 III 49

7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1996
i.S. K. Z. gegen M. Z. und Mitbeteiligte (Berufung) Regeste

    Art. 602 ff. und 626 ff. ZGB, die Ausgleichungsklage im
Erbteilungsverfahren.

    Voraussetzungen, unter denen das Interesse an einer blossen
Feststellung der Ausgleichungspflicht und des ihr unterworfenen Wertes
im Rahmen des Erbteilungsverfahrens bejaht werden kann (E. 1).

Sachverhalt

    Auf Klage der Geschwister M. Z., E. V.-Z., T. S.-Z., B. Z.
und M. G.-Z. erklärte das Landgericht Uri mit Urteil vom 18. Januar
1996 den Bruder K. Z. für eine vom Erblasser (L. Z. sel.) lebzeitig
erhaltene Liegenschaft in F. als ausgleichungspflichtig zum Wert von
Fr. 300'000.--. In Abweisung der Berufung des Beklagten bestätigte
das Obergericht des Kantons Uri mit Urteil vom 29. Mai 1996 den
erstinstanzlichen Entscheid.

    Der Beklagte beantragt mit Berufung, das Urteil des Obergerichts
aufzuheben, die Klage abzuweisen und eventuell die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet; die Klägerinnen schliessen auf Abweisung
der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht kommt in seinem Endentscheid nach Art. 48 Abs. 1
OG zum Schluss, das Landgericht Uri habe auf die Klage, mit der die
Feststellung der Ausgleichungspflicht des ihr unterliegenden Wertes
beantragt worden war, eintreten dürfen. Weil über die Ausgleichung
immer vor der Erbteilung befunden werden müsse und diese durch die
Ausgleichungsklage einen Schritt vorangebracht werde, könne nach Abschluss
des Prozesses immer noch auf Teilung geklagt werden. Der Beklagte macht
unter Hinweis auf ein insoweit zu berücksichtigendes Rechtsgutachten
(BGE 109 II 280 E. 2; 108 II 167 E. 5; 105 II 1 E. 1; unveröffentlichte
E. 2 von BGE 113 II 522) von Prof. L. geltend, das Obergericht hätte
wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses nicht auf die Klage eintreten
dürfen. Die bloss auf Feststellung abzielende Ausgleichungsklage müsse
als rechtsgestaltende Erbteilungsklage erhoben werden.

    a) Dass die Ausgleichung im Rahmen der Erbteilung zu prüfen ist,
belegt schon die Gesetzessystematik, nach welcher der Abschnitt über die
Ausgleichung (Art. 626 ff. ZGB) zwischen demjenigen über die Teilungsart
(Art. 607 ff. ZGB) und den Bestimmungen über Abschluss und Wirkung der
Teilung liegt (Art. 634 ff. ZGB). Davon ausgehend erkennt die Lehre
der Ausgleichungsklage ohne eingehende Auseinandersetzung mit dem
Feststellungsinteresse eine selbständige Rolle zu; auf Ausgleichung
soll entweder in einem eigenen Verfahren oder auch bloss mit einem
selbständigen Feststellungsbegehren im Erbteilungsprozess selbst geklagt
werden können (LIONEL HARALD SEEBERGER, Die richterliche Erbteilung, Diss.
Freiburg 1992, S. 243, 245 f. bei 17 bis 19 und S. 295; ESCHER, N. 5 zu
Art. 538 ZGB, N. 14 der Bemerkungen vor Art. 598 ZGB, N. 16 bis 17a der
Bemerkungen vor Art. 626 ff. ZGB; TUOR/PICENONI, N. 9 und 14 zu Art. 538
ZGB, N. 7 der Bemerkungen vor Art. 626 ff. ZGB und N. 2d zu Art. 626 ZGB;
PIOTET, SPR IV/1 S. 321 nach Fn. 111, SPR IV/2, S. 553 bei Fn. 19 und
S. 675 nach Fn. 8). Während ARTHUR JOST die Ausgleichungsklage auch bei
noch nicht ausgeübtem Wahlrecht nach Art. 628 Abs. 1 ZGB als Leistungsklage
ausgestaltet haben will, weil die Ausgleichung erzwingbar sein müsse
(Der Erbteilungsprozess, Bern 1960, S. 131 nach Fn. 2), ist ESCHER im
Gegensatz zu BGE 84 II 685 E. 3 S. 694 der Ansicht, gerade im Fall des noch
nicht ausgeübten Wahlrechts müsse ein Interesse an der Feststellung der
Ausgleichungspflicht generell bejaht werden (N. 17a der Bemerkungen vor
Art. 626 ZGB). Das Obergericht greift zu kurz, wenn es aus dem Umstand,
dass die Ausgleichungsklage im Erbteilungsprozess erhoben werden kann und
häufig eine partielle Erbteilungsklage mit selbständigem Rechtsbegehren
darstellt, den Schluss zieht, ein Feststellungsinteresse sei stets gegeben.

    Das zum Bundesrecht gehörende und von diesem beschränkte
Feststellungsinteresse kann tatsächlicher oder rechtlicher Art sein
und ist als Prozessvoraussetzung, soweit es den Sachverhalt betrifft,
vom Kläger nachzuweisen. Es fehlt in der Regel, wenn eine Leistungsklage
zur Verfügung steht, mit der ein vollstreckbares Urteil erwirkt werden
kann; diesfalls ist auf die Feststellungsklage nicht einzutreten. Ein
schutzwürdiges Interesse an ihrer Behandlung wird hingegen bejaht, wenn
die Ungewissheit der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien durch die
richterliche Feststellung behoben werden kann und ihre Fortdauer für den
Kläger unzumutbar ist (BGE 122 II 97 E. 3; 120 II 20 E. 2 und 3a; 119 II
368 E. 2a; 118 II 254 E. 1c, 435 E. 3a und 521 E. 2a; 116 II 196 E. 1b
und 2a; 110 II 352 E. 1a, 1c und 2). Das ist beispielsweise der Fall, wenn
für längere Zeit nicht auf Leistung oder nicht auf vollen Schadenersatz
geklagt werden kann (BGE 114 II 253 E. 2a; 103 II 220 E. 3). Weil ein
rechtsgestaltendes Teilungsurteil gleich wie ein auf eine Leistung
erkennendes Urteil vollstreckbar ist, muss auch die Teilungsklage einer
Feststellungsklage vorgehen (vgl. BGE 119 II 368 E. 2a; 112 V 81 E. 2a S.
84; 108 Ib 540 E. 3 S. 546 und JOST, aaO, S. 36 ff.).

    Das Bundesgericht hat eine auf Ausgleichung abzielende Klage, mit der
Erben einen Teil des nach bereits abgeschlossener Erbteilung bei einem
Miterben aufgefundenen Vorempfanges herausverlangten, als zulässig erachtet
(BGE 67 II 207 E. 2 S. 210 f.). Es hat erwogen, das auf einen bezifferten
Geldbetrag lautende Leistungsbegehren genüge auch für den Fall, dass der
Beklagte noch nicht erklärt hat, ob er den Vorempfang in den Nachlass
einwerfen oder bloss dessen Wert an seinen Erbteil angerechnet haben will
(Art. 628 Abs. 1 ZGB; vgl. zur Kritik im Fall des noch nicht ausgeübten
Wahlrechts BGE 84 II 685 E. 3 S. 694 f., TH. GUHL, ZBJV 78/1942, S. 502,
F. GUISAN, JdT 90/1942 I, S. 147 f. und JOST, aaO, S. 132). Mit BGE 84
II 685 wurde über die Klage einer Erbin befunden, die wegen heimlicher
Begünstigung ihrer Miterben einen Erbvertrag und einen den Nachlass
des Erblassers betreffenden Teilungsvertrag anfocht. Ihr Hauptbegehren
auf Feststellung des Nachlasses und der Ungültigkeit beider Verträge
ist von beiden kantonalen Instanzen abgewiesen und vom Bundesgericht
als unzulässig erklärt worden mit der Begründung, bei längst liquiden
Ansprüchen fehle ein Feststellungsinteresse, weil auf eine vollstreckbare
Leistung geklagt werden könne (BGE 84 II 685 E. 2 S. 691 f.). In einer
weiteren Erwägung führt das Bundesgericht aus, im Zusammenhang mit der
Erbteilungsklage geltend gemachte Ansprüche (Herabsetzung und Ausgleichung)
müssten nicht in jedem Fall als Leistungsbegehren gestellt werden. Jedoch
gehe es nicht an, sie in Feststellungsklagen zu kleiden mit der Folge,
dass bis zur endgültigen Erbteilung mehrere aufeinanderfolgende Prozesse
geführt werden könnten (BGE 84 II 685 E. 3 S. 693 f.).

    b) Würde die Ausgleichungsklage ungeachtet der Tatsache, dass hier
die Erbteilung noch bevorsteht, und ohne Nachweis der tatsächlichen
Komponente des Feststellungsinteresses zugelassen, wäre möglich, was die
Rechtsprechung verhindern wollte: zwei selbständige aufeinanderfolgende
Prozesse, von denen notwendigerweise erst der zweite die Erbteilung
herbeizuführen vermöchte. Weil angesichts des Hauptantrages der
Berufung (Abweisung der Klage) nicht gesagt werden kann, die Parteien
vermöchten sich nach Vorliegen eines die Ausgleichungspflicht bejahenden
Urteils mit hoher Wahrscheinlichkeit gütlich zu einigen, und weil der
angefochtene Entscheid keine tatsächlichen Feststellungen zum Stand des
Erbteilungsverfahrens enthält, kann das Bundesgericht nicht beurteilen,
ob ein Feststellungsinteresse bundesrechtskonform bejaht worden ist,
weshalb die Streitsache in Gutheissung der Berufung zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen wird (Art. 64 Abs. 1 OG).

    An BGE 84 II 685 kann ohne Einschränkungen festgehalten werden, lässt
er doch Spielraum für besondere Situationen offen. Das von Amtes wegen
zu prüfende Feststellungsinteresse (vgl. Art. 94 Abs. 1 und 2 lit. d
ZPO/UR und BGE 120 II 270 E. 1 und 352 E. 1) wäre beispielsweise bei
Vorliegen eines Erbteilungsvertrages gegeben, der unter Ergänzung der
dem Richter unterbreiteten und von ihm entschiedenen Punkte vollstreckt
werden könnte. Da die Erbteilung auch auf Teilungsvertrag (Art. 634
Abs. 1 ZGB) oder Vergleich beruhen kann, wäre es nicht zweckmässig,
wenn der Richter in solchen Fällen ein Feststellungsinteresse verneinen
und sich die endgültige Teilung vorbehalten würde. Das widerspräche
nicht nur dem Grundsatz der Prozessökonomie, sondern würde auch die
Dispositionsmaxime verletzen. Aus den gleichen Gründen wäre eine
bloss auf Feststellung zielende Ausgleichungsklage zulässig, wenn die
Erbengemeinschaft fortgesetzt werden soll (SEEBERGER, aaO, S. 291 nach
Fn. 241), weil diesfalls notwendigerweise nicht geteilt wird (BGE 96 II
325 E. 6a). Schliesslich kann ein hinreichendes Feststellungsinteresse
nicht bloss mit dem noch nicht ausgeübten Wahlrecht nach Art. 628
Abs. 1 ZGB begründet werden. Denn wie das Bundesgericht in BGE 84 II
685 E. 3 S. 694 ausgeführt hat, ist in diesem Fall ein alternatives
Leistungsbegehren zu stellen, das sowohl dem Fall der Einwerfung des
Vorempfangs als auch der blossen Anrechnung seines Wertes Rechnung trägt
(vgl. zur Teilungsklage selbst BGE 101 II 41 E. 4c S. 46). Gleichzeitig
wird vom ausgleichungspflichtigen Erben mit Vorteil die Ausübung des
Wahlrechts verlangt (JOST, aaO, S. 132 f.).