Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 414



123 III 414

65. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 1997 i.S.
Gesellschaften A., B. und C. gegen Gesellschaft D. (Berufung) Regeste

    Art. 21 des Lugano-Übereinkommens (LugÜ). Prioritäre Zuständigkeit
des zuerst angerufenen Gerichts.

    Voraussetzungen und Umfang der Berufungsfähigkeit eines kantonalen
Entscheids, der eine Sistierung gemäss Art. 21 LugÜ anordnet (E. 1-3).

    Grundsätze für die Auslegung des Lugano-Übereinkommens (E. 4).

    Voraussetzungen, unter denen zwei Klagen im Sinne von Art. 21 LugÜ
denselben Anspruch betreffen (E. 5).

    Zeitpunkt, in dem ein Gericht im Sinne von Art. 21 LugÜ angerufen ist
(E. 6).

    Art. 21 LugÜ und Prüfung des Rechtsschutzinteresses nach nationalem
Recht (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Die in London domizilierte Gesellschaft D. wurde im Herbst
1990 illiquid und in der Folge unter "administration", eine Art
Nachlassverwaltung, gestellt. Ursächlich für den Zusammenbruch
der Gesellschaft sollen unter anderem deliktische Handlungen ihres
Hauptaktionärs und Vorsitzenden der Geschäftsleitung, X., gewesen sein,
mit denen der Gesellschaft gewaltige Summen entzogen wurden.

    Der "administrator" der D. kam zum Schluss, die in Zürich, Genf und
New York domizilierten Gesellschaften A., B. und C. seien an den Delikten
des X. beteiligt gewesen. Die D. sandte ihnen deshalb am 9. November
1992 den Entwurf einer Klageschrift ("Draft Statement of Claim") zu und
setzte ihnen eine Frist von 14 Tagen, um zu den Vorwürfen Stellung zu
nehmen und allfällige Vergleichsvorschläge zu unterbreiten, andernfalls
die Klage ohne weitere Anzeige eingereicht würde. Die A., die B. und
die C. ersuchten um eine Fristerstreckung von zwei Wochen. Nach einer
Zusammenkunft der englischen Vertreter aller Parteien am 8. Dezember 1992
billigte die D. der Gegenseite eine weitere Fristerstreckung zu bis zum
Geschäftsschluss (close of business) am 10. Februar 1993.

    Am 8. Februar 1993, um 15.25 Uhr Schweizer Zeit, liessen die A., die
B. und die C. die D. wissen, dass ein Vergleich für sie nicht in Frage
komme. Um 16.00 Uhr desselben Tages überbrachten sie der Friedensrichterin
Zürich 1 ein Sühnegesuch mit den Rechtsbegehren, es sei festzustellen,
dass sie der D. aus Handlungen und Unterlassungen, wie sie von dieser im
"Draft Statement of Claim" vom 9. November 1992 behauptet würden, nichts
schuldeten, insbesondere die A. nicht den Betrag von GB £ 75'290'963.--,
die B. nicht den Betrag von GB £ 34'376'798.-- und die C. nicht den Betrag
von GB £ 11'995'000.--. Am 9. Februar 1993 wurde den Gesuchstellerinnen
gestützt auf § 99 Abs. 3 ZPO ZH ohne Durchführung des Sühneverfahrens
die Weisung zugestellt.

    Am Abend des 9. Februar 1993 stellte die D. der von der A., der B. und
der C. in London als Zustellungsempfängerin bezeichneten Anwaltskanzlei
den "writ of summons" zu und sandte ihr anderntags die vollständige
Klageschrift. Am 14. Oktober 1993 fand in London vor dem High Court
of Justice eine Gerichtsverhandlung statt. Richter Vinelot hielt fest,
dass die D. ihre Klage in London durch Zustellung des "writ" an die
Vertreter der Gegenpartei am 9. Februar 1993 im Sinne von Art. 21 des
Lugano-Übereinkommens (SR 0.275.11; LugÜ) anhängig gemacht hatte. Er
sistierte das Verfahren bis zum Entscheid der schweizerischen Gerichte
über ihre Zuständigkeit. Die D. focht den Sistierungsentscheid an.

    B.- Am 13. April 1993 reichten die A., die B. und die C. Weisung
und Klageschrift beim Bezirksgericht Zürich ein. Das Bezirksgericht
beschränkte das Verfahren auf die Anträge der Beklagten, das Verfahren
zu sistieren und über die Zuständigkeit des Bezirksgerichts und über
die weiteren Prozessvoraussetzungen erst zu entscheiden, wenn das mit
ihrer Leistungsklage befasste britische Gericht über seine Zuständigkeit
entschieden habe, eventualiter auf die Klage mangels Zuständigkeit und
subeventualiter mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Mit
Beschluss vom 15. Juli 1994 stellte das Bezirksgericht fest, dass es das
später angerufene Gericht im Sinne von Art. 21 Abs. 1 LugÜ sei (Ziff. 1)
und trat zudem - mangels Feststellungsinteresses - auf die Klage nicht ein
(Ziff. 2).

    Auf Rekurs der Klägerinnen hob das Obergericht des Kantons Zürich
mit Entscheid vom 3. Oktober 1995 die Ziffern 1 und 2 des Beschlusses
des Bezirksgerichts auf und entschied neu, das Verfahren werde bis zum
Zeitpunkt sistiert, in welchem die Zuständigkeit des High Court in London
feststehe bzw. rechtskräftig darüber entschieden sei. Das Obergericht
folgte dem Bezirksgericht insoweit, als es für die Anrufung des Gerichts
im Sinne von Art. 21 LugÜ den Zeitpunkt der Einreichung der Weisung beim
Bezirksgericht am 23. April 1993 als massgebend erachtete. Hingegen kam
es zum Schluss, das Bezirksgericht habe das Feststellungsinteresse der
Klägerinnen zu Unrecht geprüft.

    C.- Beide Parteien haben gegen den Beschluss des Obergerichts Berufung
an das Bundesgericht eingereicht. Die Klägerinnen stellen die Begehren,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit er feststelle, dass das
Bezirksgericht Zürich das später angerufene Gericht im Sinne von Art. 21
LugÜ sei, und das Bezirksgericht anzuweisen, die Klage an die Hand zu
nehmen. Der Berufungsantrag der Beklagten geht dahin, den Beschluss des
Obergerichts aufzuheben und auf die negative Feststellungsklage nicht
einzutreten.

    Das Bundesgericht weist beide Berufungen ab, soweit es darauf eintritt,
und bestätigt den Beschluss des Obergerichts.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Berufung ist in der Regel erst gegen Endentscheide der oberen
kantonalen Gerichte zulässig (Art. 48 Abs. 1 OG). Ein berufungsfähiger
Endentscheid liegt vor, wenn das kantonale Gericht einen Entscheid fällt,
der endgültig verbietet, dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen
Parteien nochmals geltend gemacht wird (BGE 120 II 93 E. 1c S. 95; 119 II
241 E. 2 S. 242 f., mit Hinweisen; vgl. auch 122 III 92 E. 2 S. 94). Mit
der angefochtenen Sistierung wird weder über den Bestand noch über den
Nichtbestand der zwischen den Parteien streitigen Forderungen rechtskräftig
entschieden, noch wird auf die Sache aus Gründen nicht eingetreten, die
eine neue Klage unter gleichen Voraussetzungen verbieten. Angefochten
ist vielmehr ein Zwischenentscheid, der nur berufungsfähig ist, wenn
die Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften von Art. 49 oder 50 OG
gegeben sind.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 49 Abs. 1 OG ist die Berufung zulässig
gegen selbständige Vor- und Zwischenentscheide wegen Verletzung
bundesrechtlicher Vorschriften über die sachliche, die örtliche oder
die internationale Zuständigkeit. Die kantonalen Instanzen haben im
vorliegenden Fall unabhängig vom materiellen Urteil und damit in einem
selbständigen Vorentscheid (BGE 122 III 139 E. 1 S. 141) beschlossen,
das Verfahren gemäss Art. 21 LugÜ bis zum Vorliegen eines Urteils des
früher angerufenen britischen Gerichts zu sistieren. Es stellt sich die
Frage, ob sie damit einen Entscheid über die sachliche, örtliche oder
internationale Zuständigkeit gefällt haben.

    a) In BGE 85 II 49 (E. 2 S. 53) ist das Bundesgericht davon
ausgegangen, dass ein Entscheid, der das Verfahren bis zur Kenntnis des
Urteils eines ausländischen Gerichts sistiert, nicht einem Vorentscheid
über die Zuständigkeit gleichgestellt werden kann. Massgebend war in diesem
Urteil, dass das kantonale Gericht weder ausdrücklich noch sinngemäss eine
bundesrechtliche Zuständigkeitsfrage entschieden, sondern nach einer dem
kantonalen Prozessrecht zugehörigen Norm das Verfahren ausgestellt und
die materielle Beurteilung vorbehalten hatte. Da die Frage, wegen der
die Sache ausgestellt wurde und zu deren Beurteilung sich das kantonale
Gericht sinngemäss als unzuständig erachtete, zudem nur eine materielle
Vorfrage - nicht den eingeklagten Anspruch selbst - betraf, lehnte das
Gericht das Eintreten nach Art. 49 OG ab.

    b) Der vorliegende Fall ist mit diesem Präjudiz nicht vergleichbar. Die
Sistierung des Verfahrens ist vorliegend gerade nicht in Anwendung
kantonalen Prozessrechts, sondern gemäss Art. 21 LugÜ und damit aufgrund
einer dem Bundesrecht zugehörigen Norm erfolgt. In berufungsfähigen
Zivilsachen ist die Verletzung direkt anwendbarer zivilprozessualer Normen
aus internationalen Verträgen ebenfalls mit dem Rechtsmittel der Berufung
zu rügen (BGE 119 II 391 E. 1 S. 392; 117 Ia 81 E. 1 S. 83). Eine solche
Norm ist Art. 21 LugÜ. Die Vorschrift regelt, welches Gericht zuständig
ist, wenn wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bei
Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen anhängig gemacht werden. Sie
löst den Kompetenzkonflikt, der aus solcher doppelter Rechtshängigkeit
entsteht, mit der folgenden Regelung: Das später angerufene Gericht hat
das Verfahren von Amtes wegen auszustellen, bis die Zuständigkeit des
zuerst angerufenen Gerichts feststeht (Abs. 1); sobald die Zuständigkeit
des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, hat das später angerufene
Gericht sich zugunsten dieses Gerichts für unzuständig zu erklären
(Abs. 2). Massgebend ist nach dieser Zuständigkeitsregelung somit die
zeitliche Priorität. Welches Gericht nach Art. 21 LugÜ zuständig ist,
hängt davon ab, welche der beiden Klagen zuerst anhängig gemacht worden
ist. Der Entscheid über die zeitliche Priorität fällt nach dem System
von Art. 21 LugÜ aber bereits mit dem Sistierungsentscheid und nicht
erst mit dem späteren Nichteintretensentscheid. Insofern wird mit der
Sistierung des Verfahrens nicht bloss die Beurteilung vertagt, sondern
bereits eine Zuständigkeitsfrage entschieden. Daran ändert nichts,
dass die Klage noch nicht durch Nichteintreten erledigt wird, sondern im
Hinblick auf die Vermeidung eines negativen Kompetenzkonflikts zunächst
abgewartet wird, ob das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit
bejaht. Wenn ein Gericht eine Sistierung gemäss Art. 21 LugÜ anordnet,
stellt es fest, dass es später angerufen worden ist, und anerkennt es die
vorrangige Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts. Dies stellt einen
selbständigen Entscheid über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 49 OG dar.

    c) Die Berufung der Klägerinnen, welche die Zuständigkeit der
zürcherischen bzw. schweizerischen Gerichte zur Behandlung ihrer negativen
Feststellungsklage anstreben und eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 LugÜ
rügen, ist daher nach Art. 49 OG grundsätzlich zulässig. Immerhin ist ihr
Antrag, die zürcherischen Gerichte seien anzuweisen, die Klage an Hand zu
nehmen, unzulässig. Wie die Klägerinnen nämlich in anderem Zusammenhang
selbst darlegen, haben die kantonalen Instanzen die Voraussetzungen der
örtlichen Zuständigkeit nicht, jedenfalls nicht abschliessend geprüft.

Erwägung 3

    3.- Das Bezirksgericht hat zwar festgestellt, dass die zürcherischen
Gerichte im Sinne von Art. 21 Abs. 1 LugÜ später angerufen seien, hat
das Verfahren jedoch nicht gemäss dieser Vorschrift ausgesetzt, sondern
ist auf die Klage mangels eines Rechtsschutzinteresses der Klägerinnen
an der beantragten negativen Feststellung nicht eingetreten. Diesen
Entscheid hat das Obergericht des Kantons Zürich im angefochtenen
Beschluss aufgehoben. Die Beklagte will mit ihrer Berufung einen
Nichteintretensentscheid erreichen, wie ihn das Bezirksgericht gefällt
hatte. Die Klägerinnen halten dafür, auf das Rechtsmittel sei mangels
Beschwer nicht einzutreten.

    a) In der Regel ist eine Partei zur Berufung legitimiert, wenn
die Vorinstanz ihren Anträgen nicht vollumfänglich entsprochen hat
(BGE 120 II 5 E. 1 S. 7). Massgebend sind für das Bundesgericht dabei
die Begehren, welche die Parteien vor der letzten kantonalen Instanz
gestellt hatten (vgl. BGE 118 II 93 E. 1). Das Obergericht hat nicht,
wie von der Beklagten beantragt, den Beschluss des Bezirksgerichts
bestätigt, sondern die Dispositivziffer des erstinstanzlichen Entscheids,
mit welcher auf die Klage nicht eingetreten wurde, aufgehoben. Die
Beklagte ist mit ihrem Antrag auf Bestätigung des erstinstanzlichen
Entscheids nicht durchgedrungen. Sie ist deshalb durch den angefochtenen
Beschluss beschwert. In welcher Form sie vor der ersten kantonalen
Instanz ihren Nichteintretensantrag formuliert hatte und ob es nach
dem massgebenden kantonalen Prozessrecht überhaupt zulässig war, einen
(Sub-)Eventualantrag bei Gutheissung des Hauptantrags noch zu beachten,
ist im Berufungsverfahren nicht zu beurteilen (Art. 43 OG). Denn dabei
handelt es sich um Fragen des kantonalen Prozessrechts, die im Verfahren
der Berufung der Beurteilung des Bundesgerichts entzogen sind. Die Beklagte
ist zur Berufung gegen die ihrem Antrag vor Obergericht widersprechende
Aufhebung von Ziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils legitimiert. Ob für
einen Nichteintretensentscheid Raum bleibt, wenn sich die Sistierung nach
Art. 21 LugÜ im Sinne der Ansicht der Beklagten als rechtmässig erweisen
sollte, bildet im übrigen Gegenstand der materiellen Prüfung.

    b) Mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Nichteintretensentscheids
hat die Vorinstanz einen selbständigen Vorentscheid gefällt, der gemäss
Art. 50 OG berufungsfähig ist, wenn dadurch sofort ein Endentscheid
herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für
ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte
Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint. Diese Voraussetzungen
liegen vor. Sollte sich die Berufung der Beklagten als begründet erweisen,
wäre mit dem Nichteintreten auf die Klage ein - prozessualer - Endentscheid
zu fällen, der es den Klägerinnen unter Vorbehalt neuer Umstände (BGE 112
II 268 E. 2b S. 272) verbieten würde, dieselbe negative Feststellungsklage
vor schweizerischen Gerichten gegen die Beklagte nochmals anzubringen. Dass
im Falle der materiellen Behandlung ein umfangreiches Beweisverfahren
über die den Klägerinnen von der Beklagten vorgeworfenen Handlungen
durchzuführen wäre, kann ebenfalls ohne weiteres bejaht werden (Art. 50
Abs. 2 OG) und rechtfertigt die Anhandnahme der Berufung, auch wenn
nicht auszuschliessen ist, dass aus anderen Gründen auf die Klage nicht
einzutreten wäre.

    c) Auf die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung von Ziffer 2 des
erstinstanzlichen Urteils durch das Obergericht und den Antrag, auf die
Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerinnen nicht
einzutreten, ist daher gemäss Art. 50 OG einzutreten. Nicht einzutreten
ist dagegen auf die selbständigen Rügen der Beklagten gegen die Regelung
der Kosten- und Entschädigungsfolgen im angefochtenen Urteil. Abgesehen
davon, dass insoweit ein gehöriger Berufungsantrag fehlt (Art. 55
Abs. 1 lit. b OG), richten sich die Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens nach dem kantonalen Prozessrecht, dessen Anwendung
im bundesgerichtlichen Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann.

Erwägung 4

    4.- Das am 16. September 1992 in Lugano abgeschlossene Übereinkommen
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (SR 0.275.11; LugÜ),
das für die Schweiz seit 1. Januar 1992 und für Grossbritannien seit
1. Mai 1992 in Kraft steht, soll im Bereich der Zuständigkeit und der
Anerkennung sowie Vollstreckung eine gemeinsame, einheitliche Ordnung für
alle Rechtsuchenden der Mitgliedstaaten von EG und EFTA herstellen und
insofern einen einheitlichen Rechtsraum verwirklichen (JAMETTI GREINER,
Überblick zum Lugano-Übereinkommen, ZBJV 1992, S. 43; KROPHOLLER,
Europäisches Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Heidelberg 1996, Einleitung
N. 52). Es positiviert direkt anwendbare internationale Einheitsnormen,
deren Sinn nach den klassischen Auslegungskriterien, aber unter bewusster
Berücksichtigung der Besonderheiten einer international vereinheitlichen
Ordnung zu ermitteln ist (KROPHOLLER, aaO, Einleitung N. 31 ff; vgl. auch
KRAMER, Uniforme Interpretation von Einheitsprivatrecht - mit besonderer
Berücksichtigung von Art. 7 UNKR, Juristische Blätter, Wien, 118/1996,
S. 137 ff.). Bei der Auslegung internationaler Einheitsregeln nach den
herkömmlichen Kriterien aufgrund des (mehrsprachigen) Wortlauts, der
Zielvorgabe und inneren Systematik der harmonisierten Ordnung sowie dem
historischen Willen der Abkommensstaaten hat sich das rechtsanwendende
Gericht stets bewusst zu sein, dass die eigenen innerstaatlichen Institute
und dogmatischen Konstruktionen nicht ohne weiteres den Anschauungen der
andern Abkommensstaaten entsprechen und daher auch nicht ohne weiteres
der Einheitsordnung zugrundeliegen. Zur Förderung einer einheitlichen
Interpretation schreibt daher Art. 1 des Protokolls Nr. 2 über die
einheitliche Auslegung des Übereinkommens (SR 0.275.11) vor, dass
die Gerichte jedes Vertragsstaates den Grundsätzen gebührend Rechnung
tragen, die in massgeblichen Entscheidungen der Gerichte der anderen
Vertragsstaaten zu den Bestimmungen des Lugano-Übereinkommens entwickelt
worden sind. Mit der ausdrücklichen Anweisung, die harmonisierten Normen
in Beachtung ausländischer Präjudizien auszulegen, soll der schleichenden
Erosion der Rechtseinheit in der Rechtsanwendung der Gerichte der
Abkommensstaaten durch bewusste einheitsfördernde Interpretation
begegnet werden (KROPHOLLER, aaO, Einleitung N. 59 ff.; vgl. auch
KRAMER, aaO, S. 140). Überdies ist zu berücksichtigen, dass die ältere
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Brüsseler Übereinkommen
(Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
vom 27. September 1968, EuGVÜ) nach dem Willen der vertragsschliessenden
Parteien des Lugano-Übereinkommens für dessen Auslegung eine verbindliche
Entscheidungsgrundlage bildet (Protokoll Nr. 2, aaO, Präambel; KROPHOLLER,
aaO, Einleitung N. 63).

Erwägung 5

    5.- Die Prioritätsregel nach Art. 21 LugÜ findet Anwendung auf
Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien. Dass
sich im vorliegenden Fall vor britischen Gerichten dieselben Parteien
gegenüberstehen, ist unbestritten. Während dort die Klägerinnen von
der Beklagten auf Bezahlung bestimmter Geldsummen verklagt worden sind,
verlangen die Klägerinnen in ihrer Klage vor schweizerischen Gerichten
die Feststellung, dass sie der Beklagten nichts, namentlich nicht die
Beträge aus den in der Klage der Beklagten dargestellten Handlungen
schulden. Fraglich mag scheinen, ob derselbe Anspruch im Streite
steht. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Einrede der
Litispendenz im Rahmen von Vollstreckungsabkommen die Identität einer
früheren negativen Feststellungsklage mit einer späteren Leistungsklage
verneint aus der Erwägung, dass die frühere negative Feststellung
zwar Rechtskraftwirkung für die spätere Leistungsklage entfalten kann
(nämlich im Falle der Gutheissung), dass sie aber (nämlich im Falle der
Abweisung der negativen Feststellung) eine spätere Leistungsklage nicht
ausschliessen muss (BGE 105 II 229 E. 3b S. 233). Diese Rechtsprechung
kann jedoch für die Auslegung von Art. 21 LugÜ nicht gelten. Denn Art. 21
LugÜ dient der Verhinderung widersprechender vollstreckbarer Urteile von
Gerichten verschiedener Vertragsstaaten. Dieser Zweck kann nur erreicht
werden, wenn die Bestimmung auf alle Gerichtsverfahren angewendet wird,
für welche die Möglichkeit widersprechender vollstreckbarer Urteile
besteht. Der Europäische Gerichtshof hat zur entsprechenden Regelung
von Art. 21 EuGVÜ denn auch dargelegt, dass sie soweit wie möglich
von vornherein eine Situation ausschliessen soll, wie sie in Art. 27
Ziff. 3 geregelt ist, dass nämlich eine Entscheidung deswegen nicht
anerkannt werden kann, weil sie mit einer Entscheidung unvereinbar
ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat ergangen ist, in dem
die Anerkennung verlangt wird. Dementsprechend hat er festgehalten,
vom Begriff der Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 21 werde der Fall
umfasst, dass eine Partei vor dem Gericht eines Vertragsstaates die
Feststellung der Unwirksamkeit oder die Auflösung eines internationalen
Kaufvertrags begehrt, während die andere Partei vor dem Gericht eines
andern Vertragsstaates auf Erfüllung desselben Vertrags klagt (Urteil vom
8. Dezember 1987 i.S. Gubisch Maschinenfabrik gegen Palumbo, Rs. 44/86,
Slg. 1987, S. 4861 ff. = IPRax 1989, S. 157 ff.). Dabei ist der Gerichtshof
davon ausgegangen, dass zwei Klagen denselben Anspruch betreffen, wenn
sie dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand haben. Unter "Grundlage"
versteht der Gerichtshof in diesem Zusammenhang den Sachverhalt und die
Rechtsvorschrift, auf welche die Klage gestützt wird, unter "Gegenstand"
den Zweck der Klage (aaO, Ziff. 14 ff.). In einem späteren Urteil hat der
Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt und
erkannt, eine Klage auf Feststellung, dass der Beklagte für einen Schaden
hafte, sowie auf Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz betreffe
denselben Anspruch wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage
auf Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht hafte (Urteil vom
6. Dezember 1994 i.S. The Tatry gegen The Maciej Rataj, Rs. C- 06/92,
Slg. 1994, S. I-5439 ff. = IPRax 1996, S. 108 ff., insbes. Ziff. 37-45).

    Die vorliegend umstrittene Klage auf Feststellung, dass die
Klägerinnen der Beklagten aus den von der Beklagten in deren "Draft of
Claim" dargestellten Ereignissen keinen Schadenersatz schulden, betrifft
im Sinne von Art. 21 LugÜ denselben Anspruch wie die Forderungsklage,
welche die Beklagte gegen die Klägerinnen in London eingereicht hat. Es
sind somit im Sinne von Art. 21 LugÜ vor britischen und schweizerischen
Gerichten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien
anhängig, und es ist daher zu prüfen, ob das Bezirksgericht Zürich
als später angerufenes Gericht das Verfahren gemäss dieser Bestimmung
auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des britischen Gerichts feststeht.

Erwägung 6

    6.- Die Parteien sind sich einig, dass der 9. Februar 1993 der
massgebliche Zeitpunkt für die Befassung des britischen Gerichts ist.
Hingegen streiten sie sich darüber, wann die Klage in der Schweiz im
Sinne von Art. 21 LugÜ rechtshängig geworden ist. Die Klägerinnen haben
am 8. Februar 1993 beim Friedensrichteramt das Sühnebegehren gestellt,
am 9. Februar 1993 hat ihnen das Friedensrichteramt gemäss § 99 Abs. 3
ZPO ZH die Weisung ausgestellt, und am 13. April 1993 sind Weisung und
Klageschrift beim Bezirksgericht eingereicht worden. Das Obergericht,
dessen Auffassung sich die Beklagte anschliesst, geht davon aus, dass
die Rechtshängigkeit des Zürcher Verfahrens erst mit der Einreichung von
Weisung und Klageschrift am 13. April 1993 eingetreten ist. Die Klägerinnen
stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, das Verfahren sei gemäss
Art. 9 Abs. 2 IPRG (SR 291) bereits mit dem Sühnebegehren vom 8. Februar
1993 - und damit vor dem Verfahren in London - rechtshängig geworden.

    a) Art. 21 LugÜ umschreibt nicht selbst, in welchem Verfahrensstadium
eine Klage rechtshängig ist (KROPHOLLER, aaO, N. 12 zu Art. 21; vgl. auch
JENARD-BERICHT, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1979 Nr. C.59/1,
S. 45). Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil Zelger gegen Salinitri
vom 7. Juni 1984 (Rs. 129/83, Slg. 1984, S. 2397 ff. = IPRax 1985, S. 336
ff.) zur Frage Stellung genommen, welche Verfahrensschritte nach Art. 21
EuGVÜ für die Befassung eines Gerichts massgebend sind. Er hat dargelegt,
dass die Verfahrensbestimmungen der Vertragsstaaten den Zeitpunkt, von dem
an ein Gericht mit einem Rechtsstreit als befasst gilt, unterschiedlich
regeln (aaO, Ziff. 10). Nach den dem Gerichtshof damals vorliegenden
rechtsvergleichenden Hinweisen bestimmten Frankreich, Italien, Luxemburg
und die Niederlande den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit durch die Zustellung
der Klageschrift an die beklagte Partei. In Belgien wurde die Klage
durch Eintragung der Rechtssache in das Register der Gerichtsbehörde
rechtshängig, wobei die Registrierung grundsätzlich die vorgängige
Ladung des Beklagten voraussetzte. Zur deutschen Regelung, die ihm im
beurteilten Fall unterbreitet worden war, stellte der Gerichtshof fest,
die Klage werde gemäss § 253 Abs. 1 der deutschen Zivilprozessordnung
durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten rechtshängig; die
Zustellung der beim Gericht eingereichten Klage an den Beklagten erfolge
von Amtes wegen durch das Gericht; das Verfahrensstadium zwischen der
Einreichung der Klageschrift beim Gericht und der Zustellung werde als
"Anhängigmachung" bezeichnet und sei für die Unterbrechung der Verjährung
und die Wahrung prozessualer Fristen von Bedeutung, bestimme jedoch den
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nicht. Der Gerichtshof interpretierte
Art. 21 EuGVÜ insgesamt so, dass die Verpflichtung eines Gerichts, sich
zugunsten eines andern Gerichts für unzuständig zu erklären, nur entsteht,
wenn beim Gericht des andern Vertragsstaats eine Klage wegen desselben
Anspruchs zwischen denselben Parteien endgültig erhoben worden ist (aaO,
Ziff. 14). Darüber hinaus vermochte der Gerichtshof dem Art. 21 jedoch
keine Bestimmung über die massgebenden Verfahrensformalitäten zu entnehmen,
namentlich nicht darüber, ob die Rechtshängigkeit mit Einreichung der
Klage beim Gericht oder mit ihrer Zustellung an die Gegenpartei eintritt.
Da das Übereinkommen die Vereinheitlichung der Verfahrensformalitäten,
die eng mit dem Ablauf des gerichtlichen Verfahrens in den einzelnen
Staaten verknüpft sind, nicht zum Gegenstand hat, lehnte der Gerichtshof
eine autonome Definition des massgebenden Zeitpunkts der Rechtshängigkeit
ab und verwies auf die Verfahrensbestimmungen der Vertragsstaaten für die
Beurteilung, in welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine endgültige
Anrufung im Sinne des Art. 21 vorliegen (aaO, Ziff. 15). Der Gerichtshof
beantwortete die ihm vom Oberlandesgericht München vorgelegte Frage
aus diesen Gründen so, dass nach Art. 21 des Übereinkommens als "zuerst
angerufenes" Gericht dasjenige anzusehen ist, bei dem die Voraussetzungen
für die Annahme einer endgültigen Rechtshängigkeit zuerst vorliegen;
diese Voraussetzungen sind für jedes der betroffenen Gerichte nach seinen
nationalen Vorschriften zu beurteilen.

    b) Die deutschen Gerichte haben mit dem Europäischen Gerichtshof
zur Bestimmung der Priorität nach Art. 21 des Übereinkommens allein den
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, das heisst den Zeitpunkt der Zustellung
der Klageschrift gemäss § 253 in Verbindung mit § 261 Abs. 1 der deutschen
Zivilprozessordnung als massgebend erachtet; dass die Einreichung der Klage
nicht nur gewisse Rechtswirkungen (für die Verjährung und für die Wahrung
prozessualer Fristen) zeitigt, sondern auch terminologisch ("Anhängigkeit")
der deutschen Fassung von Art. 21 des Übereinkommens entspricht, wird nicht
als entscheidwesentlich angesehen (BGH in NJW 1986, 662; KROPHOLLER, aaO,
N. 13 zu Art. 21). Nach der britischen Praxis tritt die Rechtshängigkeit
im Sinne von Art. 21 LugÜ grundsätzlich erst mit der Zustellung der
Klageschrift an den Beklagten (service of the writ) und nicht schon mit
der Ausstellung des "writ" durch den staatlichen Beamten ein (Entscheid
des Court of Appeal vom 19. Juli 1991 i.S. Dresser Ldt. gegen Falcongate
Freight Management Ldt.; vgl. dazu den Bericht von Peter Huber in IPRax
1993, S. 114 ff., sowie KROPHOLLER, aaO, BERTI, Gedanken zur Klageerhebung
vor schweizerischen Gerichten nach Artikel 21-23 des Lugano-Übereinkommens,
in: Festschrift Walder, Zürich 1994, S. 313 f., und VOGEL, Der Eintritt
der Rechtshängigkeit nach Art. 21 und 22 des Lugano-Übereinkommens, SJZ
90/1994, S. 304 ff.). Als massgebend wird dabei insbesondere hervorgehoben,
dass der Kläger im Zeitpunkt der blossen Ausstellung des "writ" durch
einen verhältnismässig untergeordneten Beamten noch die freie Wahl habe,
den "writ" zuzustellen oder ohne Nachteile verfallen zu lassen, dass er
seine Begehren im "writ" noch sehr allgemein formulieren könne, dass der
Beklagte keine Kenntnis von der Ausstellung des "writ" habe und auch keine
Möglichkeit, vom Kläger die Fortführung des Verfahrens durch Zustellung
des "writ" zu verlangen, und dass der Kläger schliesslich gegenüber dem
Gericht keinerlei Verfahrenspflichten unterstehe.

    c) Der schweizerische Gesetzgeber hat in Art. 9 Abs. 2 IPRG für
internationale Verhältnisse eine einheitliche Regelung kodifiziert, wie
sie der Europäische Gerichtshof für Art. 21 EuGVÜ (und damit für Art. 21
LugÜ) gerade verworfen hat. Denn nach Art. 9 Abs. 2 IPRG gilt unbesehen
der Ausgestaltung des kantonalen Verfahrens der Zeitpunkt der ersten,
für die Klageeinleitung notwendigen Verfahrenshandlung als massgebend zur
Feststellung, wann eine Klage in der Schweiz hängig gemacht worden ist,
wobei insbesondere die Einleitung des obligatorischen Sühneverfahrens
genügt. Das IPRG regelt im internationalen Verhältnis namentlich die
Zuständigkeit schweizerischer Gerichte oder Behörden und die Anerkennung
und Vollstreckung ausländischer Entscheide, soweit völkerrechtliche
Verträge nichts anderes bestimmen (Art. 1 IPRG). Ein Teil der Lehre hält
dafür, Art. 9 Abs. 2 IPRG bestimme gesamtschweizerisch den massgebenden
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit auch im Rahmen von Art. 21 LugÜ (JAMETTI
GREINER, aaO, S. 63; DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre
1987, 2. Aufl. 1997, N. 3 zu Art. 9; SCHWANDER, Gerichtszuständigkeiten
im Lugano-Übereinkommen, in: Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen
1990, S. 108; BERNHEIM, Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende
Verfahren nach dem Lugano-Übereinkommen, SJZ 90/1994, S. 136; DONZALLAZ, La
Convention de Lugano, Bd. I, Bern 1996, S. 560 ff.; MARTINA WITTIBSCHLAGER,
Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, Diss. Basel 1994,
S. 114). Soweit diese Lehrmeinung ausdrücklich begründet wird, wird
angeführt, der Europäische Gerichtshof habe im Urteil Zelger gegen
Salinitri auf eine vertragsautonome Definition der Rechtshängigkeit
verzichtet und sich mit einem vollumfänglichen Verweis auf das nationale
Recht begnügt; daraus wird gefolgert, dass für die Schweiz die nationale
Regelung des Art. 9 Abs. 2 IPRG gelte, die den Zeitpunkt des Eintritts der
Rechtshängigkeit für die ganze Schweiz in internationalen Verhältnissen
einheitlich festlege (BERNHEIM, aaO; DONZALLAZ, aaO; wohl auch DUTOIT,
aaO; WITTIBSCHLAGER, aaO). Ein anderer Teil der Lehre vertritt
dagegen die Auffassung, der Europäische Gerichtshof habe den Begriff
der Rechtshängigkeit im Urteil Zelger gegen Salinitri in teilautonomer
Interpretation so ausgelegt, dass zur Bestimmung der Priorität die
endgültige Klageerhebung erforderlich sei, was eine gewisse Bindung des
Klägers an die eingeleitete Klage bzw. eine gewisse Fortführungslast zur
Voraussetzung habe (VOGEL, aaO, S. 301 ff.; GERHARD WALTER, Internationales
Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 433 f.; BERTI, aaO, S. 307 ff.; derselbe,
in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 6 zu Art. 9 IPRG).

    d) Art. 9 Abs. 2 IPRG kann zur Auslegung von Art. 21 LugÜ nur insoweit
herangezogen werden, als diese nationale Bestimmung mit der Tragweite und
Bedeutung von Art. 21 LugÜ vereinbar ist, wie sie sich namentlich aus der
Praxis des Europäischen Gerichtshofs zum Brüsseler Übereinkommen (Präambel
zum Protokoll Nr. 2, SR 0.275.11) und der Gerichte der Vertragsstaaten
ergibt (Art. 2 Protokoll). Das Urteil Zelger gegen Salinitri ist in
diesem Zusammenhang massgebend, denn dass der damals geltende Art. 21 EuGVÜ
vorsah, das zweitbefasste Gericht habe sich direkt - und nicht erst nach
dem Eintretensentscheid des prioritär angerufenen Gerichts - unzuständig zu
erklären, ändert am Gehalt der Regelung nichts Grundsätzliches (zumal sich
das später angerufene Gericht schon damals darauf beschränken konnte, bloss
auszusetzen, vgl. JENARD-BERICHT, aaO). Im Lichte dieser Rechtsprechung,
die sich mit der deutschen und mit der britischen Praxis deckt, kann
nun aber Art. 9 Abs. 2 IPRG für die Bestimmung des Zeitpunkts der
Rechtshängigkeit nach Art. 21 LugÜ nicht massgebend sein. Zwar hat der
Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung Zelger gegen Salinitri
auf das interne Prozessrecht der Vertragsstaaten verwiesen, ohne das
Verfahrensstadium autonom zu bestimmen, das für den Zeitpunkt der Priorität
der Befassung eines Gerichts nach Art. 21 EuGVÜ (und damit auch für Art. 21
LugÜ) massgeblich ist. Er verlangt jedoch, dass die nach dem internen
Recht zu bestimmende Rechtshängigkeit "endgültig" ist, und unterlässt
die autonome Festlegung eines Zeitpunktes in der Erwägung, dass die
erforderliche Bindungswirkung von den - uneinheitlichen - innerstaatlichen
Verfahrensvorschriften abhängt, weshalb der massgebliche Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit sich einer allgemeinen Definition entzieht. Hat sich aber
der Europäische Gerichtshof gerade wegen der unterschiedlichen Wirkungen
bestimmter Verfahrenshandlungen in den nationalen Verfahrensordnungen
gegen die einheitliche Anknüpfung der Priorität an eine bestimmte
Verfahrenshandlung entschieden, so widerspricht eine innerstaatliche
Regelung diesem Verständnis der Rechtshängigkeit, wenn sie ihrerseits
ohne Rücksicht auf die Ausgestaltung des Verfahrens die erste für die
Klageeinleitung notwendige Prozesshandlung als massgebend erklärt. Die
Rechtshängigkeit gemäss Art. 21 LugÜ setzt eine minimale Bindung des
Klägers an den Prozess voraus, die nur aufgrund der konkreten Ausgestaltung
des innerstaatlichen - und das heisst in der Schweiz des kantonalen -
Verfahrens erschlossen werden kann. In diesem Sinne geht der Europäische
Gerichtshof - entgegen der Ansicht der Klägerinnen keineswegs nur aufgrund
einer "zufälligen" Formulierung - davon aus, dass die Rechtshängigkeit
"endgültig" sein muss. Entscheidend ist demnach die Bindungswirkung der
einzelnen Prozesshandlungen. Diese wird jedoch in Art. 9 Abs. 2 IPRG
nicht geregelt; sie richtet sich vielmehr weiterhin nach dem kantonalen
Prozessrecht. Der Zeitpunkt, von dem an Rechtshängigkeit im Sinne
von Art. 21 Abs. 1 LugÜ besteht, ist deshalb nicht nach Art. 9 Abs. 2
IPRG, sondern aufgrund der Ausgestaltung des Verfahrens im kantonalen
Prozessrecht zu bestimmen. Art 9 Abs. 2 IPRG mag zwar, wie die Klägerinnen
vorbringen, der Rechtssicherheit und der Klarheit dienen, und es mag aus
schweizerischer Sicht erwünscht sein, auch innerstaatlich auf eine von der
konkreten kantonalen Verfahrensordnung unabhängige Vorschrift abstellen zu
können. Eine derartige Regelung bedürfte jedoch einer staatsvertraglichen
Ergänzung mit Wirkung für sämtliche Mitgliedstaaten. Die Schweiz als
eine der Vertragsparteien kann für ihr internes Recht nicht einseitig
und ohne Abstimmung mit den andern Vertragsstaaten einen Zeitpunkt
festsetzen, den zu bestimmen die Staatsvertragsparteien mit Rücksicht
auf unterschiedliche Rechtsfolgen einzelner Verfahrenshandlungen in den
nationalen Prozessrechten gerade abgelehnt haben.

    e) Nach der Ausgestaltung des zürcherischen Prozessrechts wird das
Verfahren nicht bereits mit dem Sühnebegehren oder mit der Ausstellung
der Weisung rechtshängig. Die Rechtshängigkeit tritt nach § 102 Abs. 1
ZPO ZH mit der Einreichung der Weisung beim Gericht ein. Diese Regelung
entspricht denn auch der Natur des Sühneverfahrens, wie es im Kanton
Zürich ausgestaltet ist. Zwar ist die Einleitung des Sühneverfahrens
beim Friedensrichteramt obligatorisch (§ 93 ZPO ZH) und wird die
Weisung regelmässig erst nach Durchführung des Aussöhnungsversuchs
ausgestellt. Aber namentlich wenn sich der Beklagte im Ausland aufhält und
in der Schweiz keinen Vertreter hat, wird die Weisung ohne Durchführung
einer Sühneverhandlung ausgestellt (§ 99 Abs. 3 ZPO ZH). Der Kläger
kann die Klage innert drei Monaten nach Ausstellung der Weisung beim
Gericht rechtshängig machen; tut er dies nicht, gilt die Klage als
einstweilen zurückgezogen (§ 101 ZPO ZH). Würde bei dieser Ausgestaltung
des Verfahrens die Rechtshängigkeit gemäss Art. 9 Abs. 2 IPRG mit dem
Sühnebegehren eintreten, könnte sie während dreier Monate bestehen und
anschliessend verfallen, ohne dass der Beklagte von der Einreichung einer
Klage je Kenntnis erhalten würde und ohne dass der Kläger nachteilige
Rechtsfolgen zu tragen hätte. Gerade dies widerspricht dem Sinn der
endgültigen Rechtshängigkeit, die eine minimale Bindung des Klägers an
das Verfahren verlangt.

    Die Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 21 LugÜ ist vorliegend
gemäss § 102 Abs. 1 ZPO ZH am 13. April 1993 eingetreten, als die
Klägerinnen Weisung und Klage dem Bezirksgericht Zürich einreichten. Da
das Verfahren in London am 9. Februar 1993 rechtshängig geworden ist,
haben die Vorinstanzen zutreffend festgestellt, dass das britische Gericht
im Sinne von Art. 21 LugÜ früher angerufen worden ist. Die Berufung der
Klägerinnen ist unbegründet.

Erwägung 7

    7.- Die Beklagte macht geltend, das Obergericht hätte, statt
eine blosse Sistierung anzuordnen, auf die Klage nicht eintreten
sollen. Sie rügt, das Obergericht habe zu Unrecht ein hinreichendes
Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an der verlangten Feststellung
bejaht. Die Klägerinnen halten demgegenüber ihr Feststellungsinteresse
für ausgewiesen.

    a) Nach Art. 21 LugÜ setzt das später angerufene Gericht das
Verfahren von Amtes wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen
Gerichts feststeht. Da die Vorschrift vor allem negative Kompetenzkonflikte
verhindern will, hat eine Prüfung der Zuständigkeit durch das zweitbefasste
Gericht grundsätzlich zu unterbleiben, bis das erstbefasste seine
Zuständigkeit geprüft hat. Immerhin ist die Klage in jedem Fall
als unzulässig zurückzuweisen, wenn es schon an der internationalen
Zuständigkeit fehlt (KROPHOLLER, aaO, N. 2 vor Art. 21). Entsprechendes
muss auch gelten, wenn die Klage aus andern Gründen offensichtlich
unzulässig ist und daher auch dann nicht darauf eingetreten werden könnte,
wenn sich das erstbefasste Gericht für unzuständig erklären sollte. Das
ist bei Feststellungsklagen insbesondere der Fall, wenn die Klagpartei zum
vornherein kein hinreichendes Feststellungsinteresse geltend machen kann.

    b) Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung
des Bestehens oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt
werden kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Frage
des Bundesrechts (BGE 110 II 352 E. 1b S. 354 f., mit Hinweisen). Die
Feststellungsklage ist insbesondere zuzulassen, wenn die Rechtsbeziehungen
der Parteien ungewiss sind, die Ungewissheit durch die Feststellung
über Bestand und Inhalt des Rechtsverhältnisses beseitigt werden kann
und ihre Fortdauer der Klagepartei nicht zugemutet werden kann, weil
sie sie in ihrer Bewegungsfreiheit behindert (BGE 120 II 20 E. 3 S. 22,
mit Hinweisen).

    Diese Voraussetzungen vermögen die Klägerinnen nicht darzutun. Ihre
Behauptung, sie würden in ihrer Kreditwürdigkeit und in ihrer
wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit durch die Forderungen der Beklagten
in unzumutbarer Weise eingeschränkt, findet in den Feststellungen der
Vorinstanz keine Stütze, und die Klägerinnen machen auch nicht geltend,
ihre Behauptung im kantonalen Verfahren frist- und formgerecht vorgebracht
zu haben, von der Vorinstanz damit aber nicht gehört worden zu sein
(vgl. BGE 115 II 484 E. 2a S. 486, mit Hinweisen). Die Beklagte hatte
eine Leistungsklage in Aussicht gestellt. Indizien für eine ungebührliche
Verzögerung des entsprechenden Verfahrens sind nicht ersichtlich. Es ist
nicht einzusehen, weshalb es den Klägerinnen nicht zumutbar sein soll,
den Entscheid über die Leistungsklage der Beklagten abzuwarten. Wäre das
Feststellungsinteresse einzig nach materiellem Bundesrecht zu beurteilen,
so wäre es im heutigen Zeitpunkt nicht gegeben. Daran ändert nichts,
dass das Lugano-Übereinkommen der Klagpartei mehrere Gerichtsstände
zur Verfügung stellt. Das blosse Interesse einer Partei, unter mehreren
möglichen Gerichtsständen den ihm zusagenden durch schnelleres Einleiten
einer Klage (sog. forum shopping) wählen zu können, vermag für sich allein
nach schweizerischem Rechtsverständnis jedenfalls ein schutzwürdiges
Feststellungsinteresse auch dann nicht zu begründen, wenn mehrere
Wahlgerichtsstände nicht im Interesse des Geschädigten, sondern aus
Zweckmässigkeitsüberlegungen zur Verfügung stehen (wie dies für Art. 5
Ziff. 3 LugÜ zutrifft, vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom
19. September 1995 Marinari gegen Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading
Company, Rs. C-364/93, Slg. 1995, S. I-2733 ff.).

    c) Zur Zeit kann jedoch nicht gesagt werden, ob das
Feststellungsinteresse auch für den Fall fehlen würde, dass das zuerst
befasste britische Gericht auf die bei ihm eingereichte Leistungsklage
nicht eintreten sollte; näher zu prüfen wäre im übrigen auch, wieweit
überhaupt schweizerisches Recht anwendbar ist. Sollte das zuerst
angerufene Gericht in London seine Zuständigkeit bejahen, hätten sich die
zürcherischen Gerichte ohne weitere Prüfung ihrer Zuständigkeit zugunsten
dieses Gerichtes für unzuständig zu erklären (Art. 21 Abs. 2 LugÜ), so dass
die Beklagte ohnehin erreicht hätte, was sie anstrebt. Sollte das britische
Gericht dagegen seine Zuständigkeit verneinen und die Klage der Beklagten
nicht an die Hand nehmen, so hätten die zweitbefassten zürcherischen
Gerichte sämtliche formellen und materiellen Klagevoraussetzungen
einlässlich zu beurteilen, insbesondere auch das Interesse der Klägerinnen
an der begehrten negativen Feststellung. Für diese Beurteilung fehlen
zur Zeit die tatsächlichen Grundlagen. Im Ergebnis hat daher die
Vorinstanz den Nichteintretensentscheid des erstinstanzlichen Gerichts
zutreffend aufgehoben und das Verfahren richtigerweise nach Art. 21
Abs. 1 LugÜ ausgestellt, bis die prioritären britischen Gerichte über
ihre Zuständigkeit entschieden haben.