Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 402



123 III 402

62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. August 1997
i.S. E. S. und R. S. gegen K. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 174 Abs. 1 SchKG.

    Die Revision des SchKG änderte nichts am Umstand, dass die Gläubiger
im Fall der Konkurseröffnung wegen Insolvenzerklärung des Schuldners
nicht legitimiert sind, das Konkurserkenntnis weiterzuziehen (E. 3,
Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    Mit Verfügung vom 24. Februar 1997 eröffnete das
Bezirksgerichtspräsidium G. über K. aufgrund seiner Insolvenzerklärung
mit Wirkung ab dem gleichen Tag, 10.00 Uhr, den Konkurs. Auf das von
E. S. und R. S. als Gläubiger gegen die erstinstanzliche Verfügung
eingelegte Rechtsmittel nach Art. 174 Abs. 1 SchKG, mit welchem im
wesentlichen um Wiederherstellung der Frist zu dessen Einreichung,
um Aufhebung der angefochtenen Verfügung und um aufschiebende Wirkung
ersucht worden war, trat das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil
vom 21. März 1997 nicht ein.

    Die von E. S. und R. S. gegen den obergerichtlichen Entscheid
eingelegte staatsrechtliche Beschwerde blieb erfolglos.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht hat gestützt auf BGE 111 III 66 (dazu unkritisch
FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. II, 3. Aufl. Zürich 1993, § 38 Rz. 14b S. 98 f. bei und mit Fn. 35
und KURT AMONN, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1985,
ZBJV 123/197, S. 540 f.) den Beschwerdeführern die Legitimation zur
Weiterziehung (Art. 174 Abs. 1 SchKG) des aufgrund der Insolvenzerklärung
des Beschwerdegegners ergangenen erstinstanzlichen Konkurserkenntnisses
abgesprochen. Daran sei auch unter der Herrschaft des neuen Rechts
festzuhalten. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, die geschilderte
Praxis sei aus verschiedenen Gründen zu überdenken (so auch AMONN/GASSER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. Bern 1997,
§ 38 Rz. 29 S. 307). DOMINIK GASSER (Revidiertes SchKG - Hinweise auf
kritische Punkte, ZBJV 132/1996, S. 645 bei Fn. 59) findet, den Gläubigern
sei die Parteistellung einzuräumen, wofür er sich auf WALTER A. STOFFEL
(Les innovations dans le droit de la faillite, in: La revisione della
legge federale sulla esecuzione e sul fallimento, Lugano 1995, S. 80 unten)
beruft, der die gleiche Meinung im Fall von Art. 725a Abs. 1 OR vertritt.

    a) Art. 174 Abs. 1 aSchKG bezeichnet die zur Weiterziehung Berechtigten
nicht. Dagegen geht aus Art. 174 Abs. 1 nSchKG unmissverständlich hervor,
dass "die Parteien" das Konkurserkenntnis weiterziehen können. Ist
somit schon nach dem Wortlaut der neuen Bestimmung der Kreis der
Beschwerdeberechtigten auf die Parteien des erstinstanzlichen Verfahrens
beschränkt worden, darf von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers
(BGE 123 II 69 E. 3, insbes. 3c S. 73; 120 V 15 E. 4a S. 23 unten)
ausgegangen werden. Dafür, dass der Gesetzgeber den am Konkursverfahren
nicht beteiligten Gläubigern die Legitimation zur Weiterziehung nicht
einräumen wollte, sprechen weitere Gründe:

    aa) Aus dem Umstand, dass der Schuldner mit der Insolvenzerklärung die
Konkurseröffnung nach altem Recht "bewirken" (Art. 191 aSchKG) konnte und
sie heute nur "beantragen" darf (Art. 191 Abs. 1 nSchKG), kann entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführer nicht hergeleitet werden, dass
ihnen nunmehr notwendigerweise ein Rechtsmittel gegen den richterlichen
Entscheid zur Verfügung stehen müsse. Einerseits entspricht die Änderung
im Gesetzestext besser der schon vor 1997 gepflegten Praxis (Botschaft des
Bundesrates über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung
und Konkurs vom 8. Mai 1991; BBl. 1991 III 117 f. Ziff. 205.31), nach
welcher dem Schuldner die Konkurseröffnung verweigert werden durfte, wenn
er seine Insolvenz im Wissen darum, dass die Konkursmasse keine Aktiven
aufweisen würde, oder einzig in der Absicht erklärte, zum Nachteil der
Gläubiger eine Lohnpfändung abschütteln zu können (FRITZSCHE/WALDER, aaO,
§ 38 Rz. 14a S. 95 bis 98; PIERRE ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, 3. Aufl. 1993, S. 269 f.; ELISABETH ESCHER, ZBJV
130/1994 S. 719 f.). Anderseits trägt die Änderung der in Art. 191 Abs. 2
nSchKG neugeschaffenen Kompetenz des Richters Rechnung, nicht mehr bloss
auf Eröffnung oder Verweigerung des Konkurses erkennen, sondern statt
dessen bei gegebenen Voraussetzungen das Verfahren auf einvernehmliche
private Schuldenbereinigung nach Art. 333 ff. SchKG anordnen zu können.

    bb) Dem vom Bundesgericht angeführten Argument, den unbeteiligten
Gläubigern, die den Entscheid über die Konkurseröffnung weiterziehen
wollen, könne mangels fassbaren Beginns der zehntägigen Frist nie deren
Ablauf entgegengehalten werden, was gegen deren Einbezug in das Verfahren
spreche (BGE 111 III 66 E. 2 S. 67 unten), halten die Beschwerdeführer
erfolglos entgegen, die Konkurseröffnung werde im Handelsamtsblatt
publiziert mit der Folge, dass der Beginn der Frist nach Art. 174 Abs. 1
SchKG daran angeknüpft werden könne. Zum einen übersehen sie, dass bis zur
Bekanntmachung der Konkurseröffnung durch das Konkursamt (Art. 232 Abs. 1
i.V. mit Art. 35 Abs. 1 SchKG; FRITZSCHE/WALDER, aaO, § 46 Rz. 1 f. S. 251
f.; AMONN/GASSER, aaO, § 44 Rz. 28 S. 354) doch einige Zeit verstreichen
kann mit der Folge, dass im Fall der Aufhebung des Konkurses durch die
zweite Instanz zwischenzeitlich vorgenommene und zum Teil dringliche
Konkurshandlungen (Art. 221 ff. SchKG) als nichtig gelten müssten (BGE
121 III 142 E. 2; 118 III 4 E. 2a). Zum anderen hat der Gesetzgeber mit
der Verpflichtung des Konkursamtes, den ihm bekannten Gläubigern ein
Exemplar der Bekanntmachung der Konkurseröffnung schriftlich mitzuteilen
(Art. 233 SchKG), zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Publikation der
Konkurseröffnung nicht ausreichend erscheint.

    Dass die Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren um Wiederherstellung
der Frist von Art. 174 Abs. 1 SchKG ersucht hatten, belegt eine
weitere praktische Schwierigkeit. Auf diese Rechtswohltat wären die am
erstinstanzlichen Konkursverfahren nicht beteiligten Gläubiger meistens
angewiesen, um ihrer Legitimation zum Durchbruch zu verhelfen. Die gängigen
Kriterien, nach welchen eine abgelaufene Frist wiederhergestellt werden
kann (MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S.
273; OSCAR VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. 1995,
Kap. 9 § 43 Rz. 100 ff. S. 232 f.), würden hier versagen mit der Folge,
dass oft nahezu unbefristet Berufung geführt werden könnte.

    cc) Was die Beschwerdeführer zum Verhältnis zwischen Art. 194
Abs. 1 SchKG und den darin erwähnten Bestimmungen, zu ihrer besonderen
Betroffenheit und zur Sinnlosigkeit von Art. 174 Abs. 1 SchKG im Fall der
Zulässigkeit ihres Ausschlusses vom Verfahren vorbringen, ist bereits in
BGE 111 II 66 E. 2 S. 67 f. als nicht stichhaltig erkannt worden. Daran
vermag auch die Revision nichts zu ändern.

    dd) Ferner ist nicht einzusehen, wieso im Konkursverfahren aufgrund
einer Insolvenzerklärung alle Gläubiger das Konkurserkenntnis sollten
weiterziehen dürfen, wenn im Fall des durch Betreibung eingeleiteten
Konkurses nur die betreibenden Gläubiger Parteistellung haben (BGE 111 III
66 E. 2 S. 68 unten; FRITZSCHE/WALDER, aaO, § 36 Rz. 28 S. 47 in Fn. 67).

    Schliesslich gilt zu beachten, dass der Ausschluss der Gläubiger
vom Konkursverfahren bei Insolvenzerklärung des Schuldners auch für den
Fall, dass der Konkurs trotz Rechtsmissbrauchs eröffnet worden wäre,
weniger einschneidende Folgen hat als vor der Revision. Denn sollte der
Schuldner nach Abschluss des Konkurses wieder zu Einkommen gelangen,
das die Bildung von Vermögen erlaubt (BGE 109 III 93 E. 1b), kann nach
Art. 265 bis 265b SchKG effizienter als bisher darauf gegriffen werden
(BBl. 1991 III 157 ff. Ziff. 207.63).

    b) Somit bleibt es bei der schon in BGE 118 III 33 E. 3b S. 37
gezogenen Schlussfolgerung, dass es entsprechend BGE 111 III 66 nicht
willkürlich ist, den Gläubigern im Fall der Insolvenzerklärung des
Schuldners die Legitimation an der Weiterziehung des Konkurserkenntnisses
abzusprechen.