Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 35



123 III 35

6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. August 1996
i.S. Z. AG gegen B. AG und F. GmbH (Berufung) Regeste

    Internationales Privatrecht; Konsens und Auslegung eines
Verweisungsvertrags; Widerklage und Zuständigkeit.

    Ob ein Verweisungsvertrag zustande gekommen ist, ist vorliegend
altrechtlich zu beurteilen, was zur Anwendung der lex fori führt
(E. 2a). Auslegungsregeln, massgebende Vertragsgrundlage und Rechtswahl
aus normativer Bindung (E. 2b-d).

    Die ausschliessliche Gerichtsstandsvereinbarung für eine mit
Widerklage geltend gemachte Forderung derogiert der gesetzlichen
Widerklagezuständigkeit. Für die Widerklage ist eine vorbehaltlose
Einlassung gemäss Art. 6 IPRG möglich (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die B. AG und die F. GmbH (nachfolgend Klägerinnen)
schlossen sich am 16. März 1987 mit der A. AG unter der Bezeichnung
"Arbeitsgemeinschaft Tiefgarage X.-gasse Konstanz" (nachstehend ARGE) zu
einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB zusammen
mit dem Zweck, für die Stadt Konstanz schlüsselfertig eine Tiefgarage
zu erstellen. Mit Bauwerkvertrag vom 15. Juli 1987 übertrug die ARGE die
Werkausführung der A. AG als Subunternehmerin und verpflichtete sie, zur
Absicherung aller sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen eine
"selbstschuldnerische, verlängerbare Ausführungsbürgschaft der Z. AG"
in der Höhe von DM 2'000'000.-- zu stellen.

    Am 13. August 1987 sandte die Z. AG (nachfolgend Beklagte) der A. AG
eine Police für eine Baugarantieversicherung (Ausführungsgarantie)
über eine Garantiesumme von Fr. 1'000'000.-- (Nr. 1.988.444-001)
zu. am 8. September 1987 stellte sie einen Ersatzantrag für eine
Ausführungsgarantieversicherung (Bürgschaft) mit einer Garantiesumme von
DM 2'000'000.-- aus, welchen die A. AG gegenzeichnete. Am 15. September
1987 schliesslich errichtete sie eine Police (Nr. 1.988.444-002) für eine
Baugarantieversicherung (Ausführungsgarantie) über eine Garantiesumme
von Fr. 1'670'000.--, welche die erstgenannte Police ersetzte und als
Unternehmerin die A. AG, als Bauherrin die ARGE nannte.

    Bereits am 11. September 1987 hatte die Beklagte der ARGE eine erste
Bürgschaftserklärung ausgestellt, welche diese jedoch nicht akzeptierte. Am
25. September 1987 gab sie eine zweite Erklärung ab, in der sie sich als
Solidarbürgin bis zum Höchstbetrag von DM 2'000'000.-- gegenüber der AGRE
verpflichtete für den Fall, dass die A. AG dem Bauvertrag vom 15. Juli
1987 nicht vollständig nachkomme. Weiter teilte sie wörtlich mit:

    "Die Bürgschaftssumme ist auf erste Anforderung zahlbar.

    Die "Z. AG" verzichtet auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung
   und der Vorausklage (§ 770, Abs. 1 und 2, § 771 BGB).

    Die Verpflichtung aus dieser Bürgschaft erlischt, sobald der "Z. AG"
   diese Urkunde zurückgegeben wird, spätestens jedoch, wenn die "Z. AG"
   bis zur Fertigstellung des Werkes nicht in Anspruch genommen wurde.

    Diese Bürgschaftserklärung ersetzt diejenige vom 11.09.1987."

    Am 1. Oktober 1987 sandte die Klägerin 1 die erste Bürgschaftserklärung
vom 11. September 1987 an die Beklagte zurück.

    B.- Nach dem Beginn der Bauarbeiten im Herbst 1988 stellten sich
verschiedene Mängel und Schwierigkeiten ein, die zu Differenzen unter den
Mitgliedern der ARGE führten. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1989 trat
die A. AG ohne Präjudiz für ihren Rechtsstandpunkt vom Bauwerkvertrag
zurück. Damit erklärte sich die ARGE nicht einverstanden, setzte die
A. AG unter Fristansetzung für die Sanierung des Werks in Verzug
und drohte ihr für den Fall der Nichteinhaltung die Kündigung des
Bauwerkvertrags an. Die A. AG widersetzte sich der Inverzugsetzung und
beharrte auf ihrer Vertragskündigung. Nach weiteren Fristansetzungen
beschloss die ARGE am 15. März 1990 mit den Stimmen der Klägerinnen,
den Subunternehmervertrag aus wichtigen Gründen zu kündigen und die
Ersatzvornahme selbst vorzunehmen. Mit gültigem Beschluss vom 29. Oktober
1990 schlossen die Klägerin die A. AG aus der ARGE aus.

    C.- In der Folge belangten die Klägerinnen die Beklagte vor dem
Handelsgericht des Kantons Zürich auf Zahlung von DM 2'000'000.--
nebst Zins. Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und machte als
Zessionarin widerklageweise eine Werklohnteilforderung der A. AG von DM
2'585'623.-- nebst Zins geltend, welche sie eventualiter zur Verrechnung
stellte. Mit Beschluss und Urteil vom 27. Mai 1994 trat das Handelsgericht
auf die Widerklage nicht ein und hiess die Klage mit Ausnahme eines
Mehrwertsteuerbetreffnisses auf dem Zinsbetrag gut. Eine dagegen erhobene
Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten wies das Kassationsgericht des
Kantons Zürich am 4. September 1995 ab, soweit es darauf eintrat.

    Zur gleichen Zeit führten die Klägerinnen ein Prozessverfahren gegen
die A. AG in Deutschland. Vor dem Landgericht Konstanz klagten sie auf
Schadenersatz, welcher ihnen mit Urteil vom 23. Dezember 1992 im Umfang
von DM 3'000'000.-- zugesprochen wurde. Die Widerklage der A. AG und der
ihr in gewillkürter Parteierweiterung beigetretenen Beklagten auf Zahlung
von Werklohn wies das Landgericht mit der Begründung ab, einerseits habe
die Beklagte den Prozessstoff bereits vor dem Handelsgericht Zürich zum
Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht, und anderseits stehe
der A. AG keine Werklohnforderung mehr zu. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig.

    D.- Gegen das Urteil und den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons
Zürich vom 27. Mai 1994 hat die Beklagte eidgenössische Berufung erhoben,
die das Bundesgericht abgewiesen hat, soweit es darauf eingetreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Handelsgericht hat in der unwidersprochenen Entgegennahme
der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 25. September 1987 durch
die Klägerinnen einen normativen Konsens auf Wahl des deutschen
Bürgschaftsrechts im Sinn eines Verweisungsvertrags erblickt. Daher hat
es beweismässige Abklärungen zu allenfalls vorgängigen tatsächlichen
Willensübereinstimmungen der Parteien für entbehrlich gehalten. Die
Parteien hatten im kantonalen Verfahren geltend gemacht, vor Zustellung der
Vertragsurkunde hätten sie sich auf die Anwendung deutschen (Klägerinnen)
bzw. schweizerischen Sachrechts (Beklagte) geeinigt. Nach Auffassung
der Beklagten hat das Handelsgericht damit ihren bundesrechtlichen
Beweisführungsanspruch nach Art. 8 ZGB sowie die Auslegungsregeln von
Art. 1 und 18 OR missachtet; eventuell beruft sie sich auf Dissens.

    a) Nach früherer Rechtsprechung, jedenfalls seit Aufgabe der
sogenannten grossen Vertragsspaltung mit BGE 78 II 74 (E. 5), wie nach
geltendem kodifiziertem Internationalem Privatrecht (Art. 116 IPRG)
belässt die kollisionsrechtliche Privatautonomie den Parteien - von
hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die Freiheit, das
auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Sachrecht selbst zu bestimmen
(SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 196 ff. in Allgemeine
Einleitung vor Art. 1 OR; VISCHER, in: Schweizerisches Privatrecht,
Bd. I, .S. 666 ff.; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, in: Heini et al. (Hrsg.),
IPRG Kommentar, N. 26 ff. zu Art. 116; AMSTUTZ/VOGT/WANG, in: Kommentar
zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, N. 1 ff. zu
Art. 116; DUTOIT, Droit international privé suisse, Commentaire de la
loi fédérale du 18 décembre 1987, N. 1 ff. zu Art. 116).

    Streitig ist, ob und mit welchem Inhalt die Parteien im Jahre
1987 einen Verweisungsvertrag geschlossen haben. Da der massgebende
Sachverhalt sich zeitlich vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über
das Internationale Privatrecht verwirklicht hat, ist er altrechtlich
zu beurteilen (Art. 196 IPRG). Entsprechend der damals herrschenden
Rechtsauffassung entscheidet sich nach der lex fori, d.h. nach
schweizerischem Recht, ob der Vertragstatbestand verwirklicht ist
(BGE 79 II 295 E. 1d S. 300; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar,
N. 202 in Allgemeine Einleitung vor Art. 1 OR; VISCHER, aaO S. 666;
zum altrechtlichen Meinungsstand auch KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, aaO,
N. 23 zu Art. 116 IPRG; AMSTUTZ/VOGT/WANG, aaO, N. 33 zu Art. 116 IPRG;
DUTOIT, aaO N. 1 zu Art. 116 IPRG;). Damit kann offen bleiben, wie es sich
nach geltendem Recht verhielte, welches die Konsensfrage grundsätzlich
dem gewählten bzw. dem beabsichtigten Sachrecht unterstellt (Art. 116
Abs. 2 Satz 2 IPRG; AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O, N. 34 zu Art. 116 IPRG;
SCHWANDER, Urteilsanmerkung zu Bundesgerichtsurteil vom 28. April 1993
[BGE 119 II 173], in AJP 1993 S. 863 f.), indes das anwendbare Recht
nicht ausdrücklich bestimmt, wenn alternativ die Wahl zweier Sachrechte
streitig ist. Offen bleiben kann weiter, in welchem Verhältnis - namentlich
im Bereich des normativen Konsenses (dazu BGE 119 II 173 E. 1b) - nach
der geltenden Ordnung die zwingend schweizerischem Recht unterstehenden
äusseren Deutlichkeitserfordernisse (Art. 116 Abs. 2 Satz 1 IPRG) zu den
in die lex causae verwiesenen inneren Konsensanforderungen stehen (zur
Abgrenzung Heini, Die Rechtswahl im Vertragsrecht und das neue IPR-Gesetz,
in: Beiträge zum neuen IPR des Sachen-, Schuld- und Gesellschaftsrechts,
Festschrift für Rudolf Moser, S. 67 ff., 77; AMSTUTZ/VOGT/WANG, aaO,
N. 37 zu Art. 116 IPRG; DUTOIT, aaO, N. 14 zu Art. 116 IPRG). Die Beklagte
macht geltend, das Handelsgericht habe zu Unrecht die parteiautonome Wahl
schweizerischen Rechts verneint, welches auf die Frage des Zustandekommens
eines Verweisungsvertrags selbst dann anwendbar wäre, wenn sie auch
altrechtlich von der lex causae beherrscht würde.

    Ist der streitige Vertragstatbestand nach schweizerischem Recht zu
beurteilen, steht insoweit die Berufung offen, als eine Verletzung von
Bundesrecht geltend gemacht wird.

    b) Im schweizerischen Vertragsrecht gilt bei Fragen des Konsenses oder
der Auslegung der Grundsatz des Primats des subjektiv übereinstimmend
Gewollten vor dem objektiv Erklärten, subjektiv aber unterschiedlich
Verstandenen. Im Konsens- wie im Auslegungsstreit hat das Sachgericht
daher vorab zu prüfen, ob die Parteien sich tatsächlich übereinstimmend
geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt haben. Ist dies
für den Vertragsschluss als solchen zu bejahen, liegt ein tatsächlicher
Konsens vor. Haben die Parteien sich in den Vertragsverhandlungen zwar
übereinstimmend verstanden, aber nicht geeinigt, besteht ein offener
Dissens und damit kein Vertragsschluss. Haben sie sich übereinstimmend
geäussert, aber abweichend verstanden, liegt ein versteckter Dissens
vor, welcher zum Vertragsschluss führt, wenn eine der Parteien nach dem
Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der gegnerischen Willensäusserung
zu schützen und damit die andere auf ihrer Äusserung in deren objektivem
Sinn zu behaften ist. Diesfalls liegt ein normativer Konsens vor.

    Stellt das Sachgericht in Missachtung dieser Ordnung unmittelbar auf
den objektivierten Sinngehalt einer vertragsbezogenen Willenserklärung
ab, weil es ein prozesskonform behauptetes, davon abweichendes
übereinstimmendes subjektives Verständnis der Vertragspartner für
unerheblich hält, verletzt es die bundesrechtlichen Vorschriften zur
Konsensbildung (Art. 1 OR) oder zur Vertragsauslegung (Art. 18 OR),
nicht aber Art. 8 ZGB. Die bundesrechtliche Beweisvorschrift gibt
einen Beweisführungsanspruch von vornherein nur zu rechtserheblichen
Sachbehauptungen (BGE 114 II 289 E. 2a). Was rechtserheblich ist,
bestimmt das materielle und nicht das formelle Bundesprivatrecht. Hat das
Sachgericht entscheidwesentliche Sachvorbringen der Parteien zu Unrecht für
unerheblich gehalten, ist der Sachverhalt nach Massgabe von Art. 64 OG zu
ergänzen (BGE 115 II 484 E. 2a). Art. 8 ZGB ist demgegenüber verletzt,
wenn das Sachgericht taugliche und formgültig beantragte Beweise zu
als rechtserheblich erachteten Tatsachen nicht abnimmt, obwohl es die
Sachvorbringen dazu weder als erstellt noch als widerlegt erachtet und
damit von einem offenen Beweisergebnis ausgeht (BGE 114 II 289 E. 2a
S. 291). Im einen wie im anderen Fall liegt eine im Berufungsverfahren
zu behebende Bundesrechtsverletzung vor.

    c) Das Handelsgericht hat für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt, die Parteien seien sich beim Abschluss des Sicherungsvertrags
der Frage des anwendbaren Rechts bewusst gewesen. Der Beklagten sei
bekannt gewesen, dass die Klägerinnen die Anwendung deutschen Rechts
wünschten. Die als Antrag zu verstehende Bürgschaftserklärung der Beklagten
vom 25. September 1987 verweise sodann in ihrem vertrauenstheoretischen
Verständnis auf deutsches Sachrecht, weshalb die Klägerinnen in guten
Treuen auf einen Willen auch der Beklagten zu entsprechender Anknüpfung
hätten schliessen dürfen und insoweit ein Verweisungsvertrag durch
normativen Konsens zustande gekommen sei. Dabei bleibe ohne Bedeutung,
ob die Beklagte in den vorangegangenen Verhandlungen zu erkennen gegeben
habe, sie wolle sich nur nach schweizerischem Recht verpflichten, und
ob die Klägerinnen demzufolge in den Verhandlungen nicht mehr auf der
Anwendung deutschen Rechts beharrten.

    Diese Auffassung beschlägt vorerst nicht bundesrechtliche
Auslegungsregeln, sondern die Frage, ob die Beklagte sich auf der
objektivierten Bedeutung ihrer Bürgschaftserklärung auch dann behaften
lassen muss, wenn darin vom vorangegangenen Verhandlungsergebnis abgewichen
wird. Damit wird nach der massgebenden Vertragsgrundlage gefragt. Erst
wenn diese Frage als relevant für die Bürgschaftserklärung beantwortet
wird, ist alsdann zu prüfen, ob die Vorinstanz in deren Annahme durch
die Klägerinnen rechtsfehlerfrei einen Verweisungsvertrag auf deutsches
Sachrecht erblickt hat.

    aa) Bezogen auf den Sicherungsvertrag hat die den Klägerinnen am 25.
September 1987 abgegebene Bürgschaftserklärung der Beklagten die Bedeutung
eines Antrags oder allenfalls einer Vertragsbestätigung. Untersteht die
Erklärung schweizerischem Recht, hat sie zwingend die Bedeutung eines
Antrags, da eine frühere, formgenügliche Einigung nicht festgestellt ist
(Art. 493 Abs. 1 OR) und der Antrag seinerseits der gesetzlichen Form
bedarf (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 17 zu Art 3 OR). Untersteht sie
hingegen deutschem Recht, kann sie Antrag oder Vertragsbestätigung sein,
da die Bürgschaftserklärung des Kaufmanns im Handelsverkehr formfrei
gültig ist (§ 350 HGB).

    Dasselbe gilt, soweit die Bürgschaftserklärung als
Willensäusserung der Beklagten zum Abschluss eines Verweisungsvertrags
verstanden wird. Diesfalls erschiene die Erklärung als Antrag oder
Vertragsbestätigung, und zwar unbesehen der Rechtsanknüpfung, weil der
Verweisungsvertrag auch nach früherem schweizerischem Recht grundsätzlich
formfrei gültig war (BGE 91 II 44 E. 3). In beiden Erscheinungsformen aber
entfaltet sie mit der unwidersprochenen Annahme durch die Klägerinnen nach
dem hier allein zu prüfenden schweizerischen Recht konstitutive Wirkung. Im
Fall des Antrags ergibt sich dies daraus, dass er vom grundsätzlich
unverbindlichen vorkonsensualen Verhandlungsergebnis ohne weiteres
abweichen kann und als Bürgschaftsofferte auch durch Stillschweigen
angenommen wird (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 32 zu Art. 6 OR mit
Hinweisen). Im Fall des unwidersprochenen Bestätigungsschreibens folgt
die konstitutive Wirkung nach der Rechtsprechung aus der Abgabe im
kaufmännischen Verkehr (BGE 114 II 250 E. 2a). In beiden Fällen ergibt
sich die Bindung letztlich aus dem Vertrauensgrundsatz, welcher sich im
Normalfall zwar zu Lasten des schweigenden Empfängers auswirkt (vgl. BGE
114 II 250 E. 2a S. 252; CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen
Privatrecht, München, S. 196 ff.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 6. Aufl., 1995, Rz. 1162
ff.), aber naheliegend auch dem Absender entgegenzuhalten ist, der
seinen tatsächlichen Willen nicht hinreichend deutlich erklärt hat und
sich seine Willenserklärung daher so entgegenhalten lassen muss, wie
sie vom Empfänger nach Treu und Glauben im Verkehr aufgefasst werden
durfte (BGE 69 II 319, insbesondere S. 322). Für den vorliegenden
Fall ist unwichtig, ob die bindende Wirkung des Bestätigungsschreibens
unmittelbar auf eine quasivertragliche Vertrauenshaftung oder auf die
Annahme eines vertragsändernden normativen Konsenses abgestützt wird
(zum Theorienstreit Gauch/Schluep, aaO); so oder anders greift die
Bindung unstreitig jedenfalls dort, wo die vom vorher Vereinbarten oder
Verhandelten abweichende Bestätigung sich zu Gunsten des Empfängers
auswirkt (KRAMER, Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben
und rechtsgeschäftlicher Vertrauensgrundsatz, in recht 1990 S. 99 ff.,
105). Der sich aus dem Vertrauensgrundsatz ergebenden Bindung des
Absenders auf das von ihm Offerierte oder Bestätigte kann daher weder
ein abweichendes Verhandlungsergebnis noch eine abweichende tatsächliche
Einigung entgegengehalten werden, sofern die Berufung des begünstigten
Empfängers auf den Vertrauensschutz nicht ihrerseits missbräuchlich
ist. Daher ist der Vorinstanz insoweit keine Bundesrechtsverletzung
vorzuwerfen, als sie die divergierenden Sachbehauptungen der Parteien
zum Verweisungsvertrag zufolge nachfolgender, davon unabhängiger Bindung
nicht als rechtserheblich erachtet hat.

    bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche im
Ergebnis in Art. 116 Abs. 2 Satz 1 IPRG übernommen wurde, setzt die
Annahme eines Verweisungsvertrags voraus, dass die Parteien sich der
kollisionsrechtlichen Frage bewusst waren und einen entsprechenden
Rechtswahl-Willen äussern wollten (BGE 119 II 173 E. 1b). Dies hat das
Handelsgericht im vorliegenden Fall für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt.

    Folgt die Rechtswahl sodann aus normativer Bindung, sei es
aus entsprechendem Konsens oder allenfalls davon abzugrenzendem
unwidersprochenem Bestätigungsschreiben (Erwägung 2c/aa hievor), ist
zusätzlich eine objektiv hinreichend schlüssige, ausdrückliche oder
konkludente Willenserklärung erforderlich, welche vom Empfänger nach dem
Vertrauensgrundsatz unzweideutig auf einen Verweisungsvertrag bezogen
werden darf (BGE 119 II 173 E. 1b). Diese kann auch darin erblickt werden,
dass eine Partei sich ausdrücklich auf Bestimmungen oder Institute eines
bestimmten Rechts beruft (BGE 62 II 140 E. 1; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ,
aaO, N. 14 zu Art. 116 IPRG; DUTOIT, aaO, N. 3 zu Art. 116 IPRG;
AMSTUTZ/VOGT/WANG, aaO, N. 42 zu Art. 116 IPRG).

    Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen der Vorinstanz
davon auszugehen, dass die Rechtswahl in den Vertragsverhandlungen
streitig war, die Klägerinnen die Anwendung deutschen Rechts auf den
Sicherungsvertrag wünschten und dieser sich auf eine Hauptforderung
bezog, welche in Deutschland zu erfüllen und deutschem Recht unterstellt
worden war. Diese Umstände bestimmen massgeblich auch das Verständnis der
Bürgschaftserklärung. Darin hat die Beklagte sich verpflichtet, die in
deutscher Währung vereinbarte "Bürgschaftssumme auf erste Anforderung"
hin zu bezahlen, und damit einen Ausdruck verwendet, der im deutschen
Recht für die Bezeichnung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft im Sinn
von § 773 Abs. 1 Ziff. 1 BGB geläufig ist (STAUDINGER/HORN, Kommentar,
12. Aufl., Berlin 1986, N. 2 zu § 773 BGB). Weiter hat sie auf die
Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage verzichtet
und dabei ausdrücklich auf die §§ 770 und 771 BGB Bezug genommen. Dies
ist für das objektivierte Verständnis ihrer Willenserklärung letztlich
entscheidend. Es macht keinen Sinn, in einer Vertragsurkunde unter
Nennung der einschlägigen Bestimmungen eines Sachrechts auf genau
spezifizierte Einreden zu verzichten, wenn dieses Sachrecht seinerseits
die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht erfassen soll. Dies hat sich
namentlich auch die geschäftserfahrene und international tätige Beklagte
entgegenhalten zu lassen. Das Handelsgericht hat kein Bundesrecht
verletzt, wenn es unter all diesen Umständen die Klägerinnen in ihrem
Vertrauen schützte, die Beklagte sei bei Abgabe der schriftlichen
Bürgschaftserklärung mit deren Anknüpfung an deutsches Sachrecht
einverstanden gewesen. Folgerichtig hat es eine normative Bindung der
Beklagten an ihre so verstandene Willensäusserung zu Recht bejaht.

    Was die Beklagte gegen dieses Auslegungsergebnis einwendet, dringt
nicht durch. Bauwerkvertrag und Versicherungsvertrag, auf welche sie
sich beruft, sind nicht unter denselben Parteien abgeschlossen worden
und damit für die Auslegung des Sicherungsvertrags von vornherein nicht
entscheidend. Dies gilt namentlich im Fall der Garantieversicherung
mit verselbständigter Garantieerklärung, wie sie der streitigen
Bürgschaftserklärung zugrunde liegt. Vorliegend bestimmt der
Bauwerkvertrag das Valuta- oder Grundverhältnis zwischen der A. AG und
der ARGE, der Versicherungsvertrag das Deckungsverhältnis zwischen
der A. AG und der Beklagten und der Sicherungsvertrag, erscheine er
als selbständiger Garantievertrag oder als akzessorische Bürgschaft,
das Leistungs- oder Sicherungsverhältnis zwischen der ARGE und der
Beklagten (vgl. SONJA GABI, Garantieversicherung, Diss. Zürich 1990, S. 54
f.). All diese Rechtsbeziehungen unterstehen eigener kollisionsrechtlicher
Anknüpfung und sind eigenständiger Rechtswahl zugänglich (BGE 119 II 173
E. 1b). Dies gilt namentlich auch für die Bürgschaft, welche trotz ihrer
Akzessorietät nicht unbesehen dem Sachrecht der Hauptforderung oder des
dieser zugrundeliegenden Vertrags zwischen Gläubiger und Hauptschuldner
folgt (BGE 117 II 490 E. 2). Entsprechend finden auch Allgemeine
Geschäftsbedingungen eines Versicherungsvertrags auf den Sicherungsvertrag
nur Anwendung, wenn sie im letzteren zum Vertragsinhalt erhoben wurden,
und gehen selbst dann die Individualabreden den vorformulierten vor, wie
das Handelsgericht zutreffend erkannt hat (BGE 93 II 317 E 4b; KRAMER,
Berner Kommentar, N. 210 ff. zu Art. 1 OR). So verhält es sich auch im
vorliegenden Fall. Daher kann offen bleiben, ob im Sicherungsvertrag die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsvertrags überhaupt
übernommen wurden. Ebensowenig vermag die Beklagte zu ihren Gunsten
aus hier nicht streitigen Bürgschafts- oder anderen Erklärungen Dritter
den Klägerinnen gegenüber etwas abzuleiten. Unbehelflich ist sodann die
Berufung auf die sogenannte Unklarheitsregel mit der Begründung, letztlich
hätten die Klägerinnen die Bürgschaftserklärung verfasst. Abgesehen davon,
dass die geschäftserfahrene Beklagte die Bürgschaftserklärung mindestens
äusserlich formuliert hat und sich daher kaum darauf berufen kann, sie sei
nicht deren Verfasserin, greift die Unklarheitsregel nur, wenn die übrigen
Auslegungsmittel versagen, was hier nicht der Fall ist (JÄGGI/GAUCH,
Zürcher Kommentar, N. 452 zu Art. 18 OR; vgl. auch KRAMER, Berner
Kommentar, N. 48 zu Art. 18 OR). Im weiteren wird das Auslegungsergebnis
auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sicherungsvertrag
als "Solidarbürgschaft" bezeichnet ist. Auch wenn das Bürgerliche
Gesetzbuch diesen Begriff nicht enthält, dient er in der Praxis auch
zur Bezeichnung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (STAUDINGER/HORN,
aaO, N. 2 zu § 773 BGB). Im Lichte des gesamten Kontextes und Umfelds der
Bürgschaftserklärung vermag die Vertragsbezeichnung die normative Annahme
einer Wahl deutschen Rechts nicht zu entkräften. Schliesslich versagt
auch die Berufung der Beklagten auf einen versteckten Willensdissens;
die Annahme einer normativen Bindung setzt einen solchen geradezu voraus
(GAUCH/SCHLUEP, aaO, Rz. 328).

    d) Aus all diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit
sie sich gegen die Annahme einer Rechtswahl durch die Vorinstanz
richtet. Untersteht der Sicherungsvertrag somit deutschem Sachrecht,
ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob das Handelsgericht
die Beklagte zu Recht auf dessen Erfüllung verpflichtet hat. Dies gilt
auch insoweit, als die Beklagte geltend macht, die Klägerinnen nähmen
die Bürgschaft rechtsmissbräuchlich in Anspruch, und das Handelsgericht
habe bundesrechtswidrig darüber kein Beweisverfahren durchgeführt. Art. 2
und 8 ZGB beziehen sich nur auf bundesrechtliche Ansprüche (MERZ, Berner
Kommentar, N. 79 ff. zu Art. 2 ZGB; KUMMER, Berner Kommentar, N. 49 zu
Art. 8 ZGB). Eine Missachtung des schweizerischen Ordre public durch die
Vorinstanz (MERZ, Berner Kommentar, N. 80 zu Art. 2 ZGB) wird - zu Recht -
nicht geltend gemacht.

Erwägung 3

    3.- Als Bundesrechtsverletzung rügt die Beklagte weiter, dass das
Handelsgericht auf ihre Widerklage nicht eingetreten sei. Sie beruft sich
auf Art. 8 und - sinngemäss - auf Art. 6 IPRG.

    a) Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
vom 16. September 1988 (LuganoÜbereinkommen [LugÜ], SR 0.275.11)
ist für Deutschland am 1. März 1995 und damit erst nach Erlass des
angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Die Frage des Verhältnisses von
Art. 6 Ziff. 3 LugÜ zu den Gerichtsstandsbestimmungen des Bundesgesetzes
über das Internationale Privatrecht stellt sich daher im vorliegenden
Verfahren nicht.

    b) Nach Art. 6 IPRG begründet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten
die vorbehaltlose Einlassung die Zuständigkeit des angerufenen
schweizerischen Gerichts, sofern dieses - was hier der Fall wäre -
seine Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 IPRG anzuerkennen hat. Der
Gerichtsstand der Einlassung gilt auch für die Widerklage (BERTI, in:
Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht,
N. 14 zu Art. 8 IPRG).

    Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des
Handelsgerichts haben die Klägerinnen dessen Zuständigkeit zur Beurteilung
der Widerklage "ausdrücklich und eingehend" bestritten. Insoweit liegt
klarerweise keine vorbehaltlose Einlassung vor.

    Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerinnen hätten sich
auf die Widerklage eingelassen, da sie vor dem Landgericht Konstanz die
Einrede der entsprechenden Rechtshängigkeit erhoben haben. Einlassung
ist der Verzicht auf den gesetzlichen oder ausschliesslich prorogierten
Gerichtsstand durch konkludentes Handeln in einem bereits hängigen Prozess
und erscheint dergestalt als Sonderform einer Gerichtsstandsvereinbarung
(GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 117;
OSCAR VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., 1995, S. 119). Die
Einlassung erfolgt durch die unzweideutige Bekundung der Beklagtenseite,
vor dem angerufenen Gericht zur Hauptsache zu verhandeln (BGE 87 I 131
ff.). Eine solche konkludente Willenskundgabe auf Anerkennung eines an
sich nicht gegebenen Gerichtsstands liegt indes nicht bereits darin, dass
die an zwei Gerichtsständen verfolgte Partei vor einem Gericht einwendet,
die Streitsache sei andernorts rechtshängig. Diese Annahme verbietet
sich schon daraus, dass bei streitiger Zuständigkeit des erstangerufenen
Gerichts dieses vorerst über die Unzuständigkeitseinrede zu befinden
haben wird, und dass bis zum Vorliegen dieses (Vor-)Entscheids ungewiss
ist, ob die Sache nicht unbesehen des Einwands behandelt wird. Daher
muss der beklagten Partei klarerweise offen stehen, den Einwand der
Litispendenz beim zweitangerufenen Gericht unbesehen der andernorts
hängigen Unzuständigkeitseinrede zu erheben, ohne diese dadurch zu
verwirken. Anderes lässt sich auch den von der Beklagten angerufenen
Literatur- und Entscheidstellen zum zürcherischen Prozessrecht
nicht entnehmen (STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, N. 3 zu § 12 und N. 3 zu § 15; ZR 77/1978 Nr. 101).

    Dass die Klägerinnen den schweizerischen Gerichtsstand der Widerklage
für den Fall anerkannt hätten, dass das Landgericht Konstanz ihren Einwand
der Litispendenz schützen würde, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu
entnehmen. Das entsprechende Vorbringen der Beklagten hat daher als neu
und damit als unzulässig zu gelten (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    c) Die Beklagte macht als Zessionarin der A. AG widerklageweise
Ansprüche geltend, die auf dem Bauwerkvertrag vom 15. Juli 1987
gründen. Dieser bestimmt in Ziffer 8 unter dem Titel "Erfüllungsort und
Gerichtsstand":

    "Für diesen Vertrag gilt Deutsches Recht. Das AGB-Gesetz ist soweit
möglich

    ausgeschlossen. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist - soweit gesetzlich

    zulässig - Konstanz."

    Die Gerichtsstandsvereinbarung bindet unstreitig auch die Beklagte
als Zessionarin (BGE 56 I 505 E. 1 S. 509; HESS, in: Kommentar zum
schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, N. 104 zu
Art. 5 IPRG). Die Vermutung der Ausschliesslichkeit des vereinbarten
Gerichts ist nicht widerlegt (Art. 5 Abs. 1 IPRG; BGE 118 II 188 E. 3a;
119 II 67 E. 2a und 177 E. 3d). Sie gilt auch hinsichtlich der mit der
Prorogation verbundenen Derogation gesetzlich zuständiger Gerichte
(BGE 119 II 177 E. 3d; Hans Peter Walter, Derogation c. Prorogation
- Kollisionen aus interkantonal oder international vereinbarter
Zuständigkeiten im Zivilprozess, in: Rechtskollisionen, Festschrift für
Anton Heini, S. 509 ff., 510). Zu prüfen bleibt, ob der ausschliesslich
prorogierte Gerichtsstand ebenfalls denjenigen der Widerklage nach
Art. 8 IPRG derogiert. Der Bundesrat vertrat in seiner Botschaft vom
10. November 1982 ohne nähere Begründung die Auffassung, der Gerichtsstand
der Widerklage bleibe auch dann begründet, wenn das betreffende Begehren an
sich bei einem durch Vereinbarung bezeichneten Gericht oder Schiedsgericht
anzubringen wäre (BBl 1983 I 263 ff. Ziff. 213.9). Die Meinungen in
der Literatur sind hierzu geteilt. Volken (in: Heini et al. (Hrsg.),
IPRG Kommentar, N. 14 zu Art. 8) lässt die Frage offen, scheint aber
der Auffassung beizupflichten, das Widerklageforum habe auch gegenüber
einer Prorogationsvereinbarung vorrangige Bedeutung, wenngleich er das
Vollstreckungsrisiko des Widerklägers im Ausland nicht übersieht. Nach
BERTI (aaO, N. 13 zu Art. 8 IPRG) schliesst jedenfalls eine Schiedsklausel
den staatlichen Gerichtsstand der Widerklage aus. HESS (aaO, N. 109 zu
Art. 5 IPRG) steht dem Widerbeklagten die Unzuständigkeitseinrede auch
dann zur Verfügung, wenn zufolge einer Gerichtsstandsvereinbarung eine
andere ausschliessliche Zuständigkeit gegeben ist. Im gleichen Sinn
schliesst HANS REISER (Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz
und Lugano-Übereinkommen, S. 83) die Widerklage ausserhalb des
ausschliesslich prorogierten Gerichtsstands aus. Diesen Auffassungen
ist beizupflichten. Die Widerklage ist selbständige Klage im Rahmen
eines anderen Prozesses (GERHARD WALTER, aaO, S. 120). Sie ist weder
Angriffs- noch Verteidigungsmittel, sondern Klage wie die Vorklage, ein
gegen den Angriff geführter Gegenangriff, mit welchem die Beklagtenseite
ein selbständiges Ziel verfolgt, indem sie einen von der Vorklage nicht
erfassten, unabhängigen Anspruch ins Recht legt (LEUCH/

    MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton
Bern, 2. Aufl., 1995, N. 1a zu Art. 170; KUMMER, Grundriss des
Zivilprozessrechts, 4. Aufl., 1984, S. 116). Haben die Beteiligten
diesen Anspruch parteiautonom ausschliesslich in die Zuständigkeit eines
bestimmten Gerichts gestellt, sind sie an diese Vereinbarung weiterhin
gebunden, und ist nicht einzusehen, weshalb diese Bindung - vorbehältlich
einer abweichenden Einigung - nicht mehr gelten soll, sobald ein anderer
Anspruch unter ihnen vor einem anderen Gericht streitig ist. Dies ist
besonders im internationalen Verhältnis von Bedeutung. Unterstellen die
Vertragsparteien ihre Rechtsbeziehungen einem bestimmten Sachrecht und
prorogieren sie für die Beurteilung allfälliger Streitigkeiten daraus
einen ausschliesslichen Gerichtsstand in diesem Rechtskreis, entspricht
ihrem mutmasslichen Parteiwillen, darüber ein Gericht entscheiden
zu lassen, welches das gewählte Sachrecht als Eigen- und nicht als
Fremdrecht anwendet. Dies schliesst auch eine Widerklage an einem
anderen als dem beidseits gewollten Gerichtsstand aus. Art. 5 Abs. 1 IPRG
ist daher so zu verstehen, dass die Derogationswirkung der vermuteten
Ausschliesslichkeit eines prorogierten Gerichtsstands ebenfalls eine
allfällige Widerklagezuständigkeit umfasst (so wohl HANS REISER, aaO;
demgegenüber scheint BEATRICE BRANDENBERG BRANDL, Direkte Zuständigkeit
der Schweiz im internationalen Schuldrecht, Diss. St. Gallen 1991, S. 359,
der Auffassung zu sein, der Gerichtsstand der Widerklage habe nur gegenüber
gesetzlich [generell] ausschliesslichen Zuständigkeiten zurückzutreten;
vgl. auch GERHARD WALTER, aaO, S. 115). Dieses Auslegungsergebnis
entspricht der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs, wonach
mit der Vereinbarung eines ausschliesslichen Gerichtsstands auch derjenige
der Widerklage abbedungen ist (BGHZ 59 S. 116 E. 2a).

    d) Ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts zur Beurteilung
der Widerklage bereits aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung im
Bauwerkvertrag zu verneinen, erübrigt sich zu prüfen, ob sie zu
Recht auch mangels Konnexität der Ansprüche im Sinn von Art. 8 IPRG
abgelehnt wurde. Zu erwähnen bleibt, dass auch der Versuch der Beklagten
scheitert, die Klageforderung mit den ihr abgetretenen Ansprüchen
aus dem Bauwerkvertrag zu verrechnen. Denn wie das Handelsgericht
verbindlich festgestellt hat, sind bei einer Bürgschaft auf erstes
Anfordern gemäss deutschem Recht Einwendungen gegen die materielle
Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten grundsätzlich erst nach
der Zahlung in einem Rückforderungsprozess geltend zu machen. Die
selbstschuldnerische Bürgschaft würde ihren Sinn und Zweck verlieren,
wollte man die ausgeschlossenen Einreden und Einwendungen, wozu auch die
Verrechnung gehört, auf diesem Weg gleichwohl zulassen.