Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 246



123 III 246

40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. April 1997 i.S. S.
gegen X. (Berufung) Regeste

    Änderungskündigung; Missbräuchliche Kündigung und deren Folgen
(Art. 336 ff. OR).

    Eine Änderungskündigung ist nicht bereits als solche missbräuchlich,
kann es jedoch nach den Umständen des Einzelfalls sein (E. 3-5). Kriterien
für die Festsetzung einer Entschädigung gemäss Art. 336a OR (E. 6).

Sachverhalt

    A.- S. trat am 1. September 1983 eine Stelle als Sachbearbeiterin
bei X. an. Ab 1990 traten bei ihr gesundheitliche Probleme auf,
welche verschiedene Operationen erforderlich machten und sich auf die
Arbeitsleistung negativ auswirkten. Mit Schreiben vom 10. Dezember
1993 unterbreitete ihr die X. einen neuen Arbeitsvertrag, welcher eine
Lohnreduktion von monatlich Fr. 500.-- mit Wirkung ab dem 1. Januar 1994
vorsah. Sie nahm diesen Arbeitsvertrag nicht an.

    In der Folge kündigte die X. mit Schreiben vom 28. Dezember 1993
das Arbeitsverhältnis fristgerecht auf den 30. April 1994 und bot S. am
gleichen Tag einen neuen Arbeitsvertrag für die Zeit ab dem 1. Mai 1994
an, welcher aber schlechtere Bedingungen vorsah. Dem Kündigungsschreiben
war ein handschriftlicher Text beigefügt, wonach die Änderungskündigung
zurückgezogen werde, falls S. den Brief vom 10. Dezember 1993 bis zum
30. Dezember 1993 unterzeichnet zurücksende. S. nahm die Vertragsofferte
nicht an und sandte den Brief vom 10. Dezember 1993 nicht zurück. Aufgrund
gesundheitlicher Probleme verlängerten die Parteien gestützt auf die
gesetzlichen Bestimmungen das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Oktober 1994.

    Mit Schreiben vom 21. September 1994 erhob S. bei der X. formell
Einsprache im Sinn von Art. 336b OR wegen Missbräuchlichkeit der
ausgesprochenen Kündigung. Die Parteien einigten sich in der Folge nicht
auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

    B.- Mit Klage vom 24. November 1994 verlangte S. von der X. neben der
Ausstellung eines neuen Arbeitszeugnisses die Zahlung von Fr. 18'000.--
wegen Missbräuchlichkeit der Kündigung gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. d
OR. Die Beklagte bestritt die Missbräuchlichkeit der Kündigung. Mit
Urteil vom 26. Juni 1995 verpflichtete das Arbeitsgericht des Kantons
Luzern die Beklagte zur Ausstellung eines neuen, vom Gericht formulierten
Arbeitszeugnisses und wies die Klage im übrigen ab. Im anschliessenden
Appellationsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Luzern am 11. Juni
1996 der Klägerin Fr. 5'000.-- wegen missbräuchlicher Kündigung.

    C.- Gegen das Urteil vom 11. Juni 1996 gelangt die Klägerin mit
Berufung an das Bundesgericht und beantragt im wesentlichen, der
zugesprochene Betrag sei auf Fr. 18'000.-- zu erhöhen. Die Beklagte
erklärt Anschlussberufung und verlangt die vollständige Abweisung der
Forderungsklage.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat eine Missbräuchlichkeit der Kündigung
gestützt auf Art. 336 Abs. 1 lit. d OR bejaht. Sie hat erwogen, dass
eine Änderungskündigung an sich nicht missbräuchlich sei. Die Beklagte
habe vorliegend zwar nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wohl
aber die Änderungskündigung davon abhängig gemacht, dass die Klägerin
mit sofortiger Wirkung einer Lohneinbusse von monatlich Fr. 500.--
zustimme. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung sei die unmittelbare Folge
davon, dass die Klägerin nicht bereit gewesen sei, auf Rechte aus ihrem
Arbeitsvertrag zu verzichten. Damit werde der Tatbestand von Art. 336
Abs. 1 lit. d OR erfüllt.

    Das Bundesgericht hat das Recht von Amtes wegen anzuwenden (Art. 63
Abs. 3 OG). Vorliegend ist die Überprüfung nicht auf die von der Vorinstanz
abgegebene Begründung beschränkt, sondern es ist auch zu klären, ob der
von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt allenfalls aus einem anderen
Grund eine missbräuchliche Kündigung darstellt.

Erwägung 3

    3.- Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige
Willenserklärung, die zur Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses
führt. Als Gestaltungsrecht ist sie bedingungsfeindlich. Bedingungen
hingegen, deren Eintritt allein vom Willen des Erklärungsgegners
abhängt, sind zulässig. Im Arbeitsvertragsrecht besteht die Möglichkeit
der sogenannten Änderungskündigung (REHBINDER, Berner Kommentar,
N. 1a zu Art. 335 OR). Eine Änderungskündigung im engeren Sinn liegt
vor, wenn eine Partei den Arbeitsvertrag kündigt, aber gleichzeitig
eine neue Vertragsofferte mit geänderten Bedingungen unterbreitet.
Mit der Änderungskündigung wird in erster Linie nicht die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses bezweckt, sondern dessen Weiterführung mit
veränderten Pflichten und Rechten (vgl. VISCHER, Der Arbeitsvertrag,
in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, III, S. 163). Von einer
änderungskündigung im weiteren Sinn kann gesprochen werden, wenn die beiden
Rechtsgeschäfte nicht unmittelbar miteinander verknüpft werden und einer
Partei gekündigt wird, weil sie zu einer einverständlichen Änderung der
Arbeitsbedingungen nicht bereit war. Fraglich ist, ob das Vorgehen bei
einer Änderungskündigung als missbräuchlich bezeichnet werden muss und
allenfalls unter die Regelung von Art. 336 OR fällt.

    a) Zur Frage, ob dieses Vorgehen an sich als missbräuchliche
Rachekündigung anzusehen ist, äussert sich die Rechtsprechung
uneinheitlich. Das Tribunale di appello del Ticino scheint eine
Änderungskündigung grundsätzlich als missbräuchlich anzusehen (Urteil
vom 10. Oktober 1991, in JAR 1992 S. 245 ff. E. 7; wohl auch Urteil vom
2. März 1993, in JAR 1994 S. 308 ff. E. 9.2). Demgegenüber verneinen
andere Gerichte die Missbräuchlichkeit einer Änderungskündigung im
allgemeinen und sehen einen solchen Tatbestand nur dann als gegeben,
wenn damit ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder gar rückwirkend
eine Änderung der Arbeitsbedingungen erzwungen werden soll (Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 2. September 1989, in SJZ 87/1991 S.
304 f. E. 4; Urteil des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt
vom 11. September 1989, in JAR 1992 S. 239 f.). Das Bundesgericht
hat erwogen, eine Änderungskündigung sei als missbräuchlich anzusehen,
wenn die angebotene Änderung als unbillig bezeichnet werden müsse (BGE
118 II 157 E. 4b/bb). Allerdings hat es die Frage nicht abschliessend
beantwortet, weil im konkreten Fall die Kündigung auch aus einem anderen
Grund als missbräuchlich anzusehen war (BGE 118 II 157 E. 4b/bb am
Ende und E. 4b/cc). In einem neuen Urteil hat das Bundesgericht diese
Frage wiederum aufgegriffen, jedoch auch hier nicht abschliessend
entschieden (nicht veröffentlichtes Urteil vom 17. Dezember 1996
i.S. D. und A. gegen I. SA). Während in den allgemeinen Erörterungen des
Urteils vom 17. Dezember 1996 der Auffassung zugestimmt wird, dass die
Änderungskündigung wegen des Grundsatzes der Kündigungsfreiheit nicht
rechtsmissbräuchlich sein kann (E. 4b/bb), hat das Bundesgericht im
weiteren geprüft, ob die neuen Arbeitsbedingungen wesentlich ungünstiger
waren als die alten (E. 4c/cc).

    Die Lehre geht überwiegend davon aus, dass eine Änderungskündigung
grundsätzlich zulässig ist und es nicht Aufgabe des Gerichts sein kann,
die betriebliche Angemessenheit der Änderung zu überprüfen (GEISER,
Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, in BJM 1994 S. 169 ff., 187
[zitiert: BJM 1994]; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de
travail, 2. Aufl., 1996, N. 7 zu Art. 336 OR; JÜRG BRÜHWILER, Kommentar
zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., 1996, N. 5 zu Art. 336 OR; THOMAS
KOLLER, Ordentliche, fristlose und missbräuchliche Kündigung des
Arbeitsvertrages, in AJP 1995 S. 1251 ff., 1259). Soweit ersichtlich
nimmt einzig DIETER M. TROXLER Missbräuchlichkeit an, wenn die Änderung
sachlich, d.h. betrieblich nicht gerechtfertigt erscheint (Der sachliche
Kündigungsschutz nach Schweizer Arbeitsvertragsrecht, Diss. Basel 1992,
S. 99 f.).

    b) Eine Anpassung eines Arbeitsvertrages an veränderte
wirtschaftliche oder betriebliche Bedürfnisse muss möglich und zulässig
sein. Es widerspricht sowohl dem Interesse der Parteien als auch der
Öffentlichkeit, die Arbeitgeberin vor die Alternative zu stellen, entweder
die Arbeitnehmerin zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen
oder das Arbeitsverhältnis zu beenden. Daher ist die Änderungskündigung
nicht in jedem Fall als missbräuchlich zu bezeichnen. Der zitierten
Rechtsprechung des Tribunale di appello del Ticino kann insoweit nicht
gefolgt werden. Der Grund des Missbrauchs des Kündigungsrechts liegt
bei der sogenannten Änderungskündigung darin, dass die kündigende Partei
eine Vertragsbeendigung gar nicht will und die Kündigung nur erklärt, um
eine für sie günstigere und entsprechend für die Gegenpartei schlechtere
Vertragsregelung durchzusetzen. Die Verknüpfung dieser beiden Erklärungen -
Antrag auf Vertragsänderung einerseits und (mögliche) Kündigung anderseits
- ist missbräuchlich, wenn die Kündigung als Druckmittel dient, um eine
für die Gegenseite belastende Vertragsänderung herbeizuführen, die sich
sachlich nicht rechtfertigen lässt. Das Arbeitsverhältnis ist nicht nur von
gegenseitigen Loyalitätspflichten (Treue- und Fürsorgepflicht; Art. 321a,
328 OR) geprägt, sondern auch auf Dauer angelegt. Die gesetzlichen
Kündigungsfristen (Art. 335c OR), die Lohnfortzahlungspflicht bei
unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers (Art. 324a OR) und teilweise
auch die Lohnhöhe hängen von der Anzahl der Dienstjahre ab. In einem
gewissen Umfang leisten erfahrene, mit den betrieblichen Gepflogenheiten,
den Kunden usw. vertraute Mitarbeiter in der Regel wertvollere Arbeit als
unerfahrene und neue Mitarbeiter. Wird die Kündigung ohne betriebliche
Notwendigkeit gegenüber einer Arbeitnehmerin für den Fall ausgesprochen,
dass sie eine unbillige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht
annimmt, so wird das jederzeitige und freie Kündigungsrecht ebenso
missbraucht wie dies in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen
Fällen missbräuchlicher Kündigungen (Art. 336 OR) festgehalten ist. Der
Missbrauch der Kündigung liegt darin, dass ohne sachlich schutzwürdigen
Grund die Kündigung ausgesprochen wird, dass für die Änderung der Lohn-
und Arbeitsbedingungen keine betrieblichen oder marktbedingten Gründe
bestehen. Die Aufzählung der Missbrauchstatbestände in Art. 336 OR ist
nicht abschliessend (VISCHER, aaO, S. 167; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden
zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Aufl., 1992, N. 3 zu Art. 336 OR; REHBINDER,
Berner Kommentar, N. 10 zu Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
N. 7 zu Art. 336 OR). Der Missbrauch der Kündigung zur Durchsetzung von
Lohn- und Arbeitsbedingungen, die sachlich jeder betrieblichen Begründung
entbehren, ist mindestens so verwerflich wie die Kündigung zur Verhinderung
der Entstehung von Ansprüchen, die von der Dauer des

    Arbeitsverhältnisses abhängig sind (Art. 336 Abs. 1 lit. c OR;
STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 23 zu Art. 336 OR).

Erwägung 4

    4.- Die Tatsache, dass die Beklagte vorliegend eine Änderungskündigung
mit einer erheblichen Veränderung der Arbeitsbedingungen ausgesprochen
hat, lässt nicht ohne weiteres auf die Missbräuchlichkeit der
Kündigung schliessen. Es ist zu prüfen, ob sich aus dem Umstand,
dass die Arbeitgeberin eine sofortige Lohnreduktion vorschlug, ein
Missbrauchstatbestand herleiten lässt.

    a) Sofern kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt,
kann ein auf unbestimmte Zeit geschlossenes Arbeitsverhältnis nur unter
Einhaltung der vertraglichen bzw. gesetzlichen Fristen und Termine
gekündigt werden. Während der Kündigungsfrist hat die Arbeitnehmerin
zwar keinen Anspruch auf Beschäftigung, wohl aber einen festen Anspruch
auf Lohn, sofern sie ihrerseits ihren vertraglichen Pflichten nachkommt
(vgl. Art. 324 ff. OR). Daran vermag auch der Umstand nichts zu
ändern, dass auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses während der
Kündigungsfrist trotz Art. 341 Abs. 1 OR verzichtet werden kann (BGE
118 II 58 E. 2b). Die Weigerung, eine Lohnreduktion ohne Einhaltung
der Kündigungsfrist anzunehmen, stellt somit die Geltendmachung eines
Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis dar. Die Arbeitnehmerin beharrt
auf ihrer Lohnforderung für die Dauer der Kündigungsfrist. Damit ist
die ausgesprochene Kündigung vom 28. Dezember 1993 gemäss Art. 336
Abs. 1 lit. d OR missbräuchlich (siehe auch Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 2. September 1989, in SJZ 87/1991 S. 304 f.; Urteil
des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom 11. September 1989,
in JAR 1992 S. 239 f.).

    b) Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit der Kündigung trägt
die Gekündigte (Art. 8 ZGB; BGE 121 III 60 E. 3b S. 62 oben; STREIFF/VON
KAENEL, aaO, N. 16 zu Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 36
ff. zu Art. 336 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 11 zu Art. 336 OR;
TERCIER, Les contrats spéciaux, 2. Aufl., 1995, Rz. 2862). Ob dieser
Beweis erbracht ist, betrifft die Sachverhaltsfeststellung und ist
damit im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Soweit
sich die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung gegen die Annahme der
natürlichen Kausalität zwischen der Weigerung der Klägerin, eine sofortige
Lohnreduktion anzunehmen, und der Kündigung wendet, ist sie somit nicht zu
hören. Im übrigen ist die Kausalität offensichtlich. Die Änderungskündigung
ist der Klägerin nur rund 18 Tage nach der Weigerung, eine sofortige
Lohnreduktion von Fr. 500.-- monatlich anzunehmen, zugestellt worden. Dabei
enthielt die mit der Änderungskündigung verbundene neue Vertragsofferte
nicht etwa bloss die genannte Lohnkürzung, sondern zusätzlich weitere
Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Zudem wurde der Klägerin
ausdrücklich in Aussicht gestellt, die Änderungskündigung zurückzunehmen,
wenn sie mit einer sofortigen Lohnreduktion einverstanden wäre. Damit hat
die Arbeitgeberin unmissverständlich und in rechtlich bindender Weise zum
Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis auf den in der Kündigung
genannten Termin beendet werde, wenn die Klägerin auf ihrem Lohnanspruch
während der Kündigungsfrist beharre. Die Beklagte hat sich bei dieser
Erklärung behaften zu lassen.

    c) Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass eine Entschädigung
wegen missbräuchlicher Kündigung nur geschuldet ist, wenn die von der
Kündigung betroffene Person rechtzeitig Einsprache erhebt und die darauf
folgenden Verhandlungen nicht zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
führen (Art. 336b OR). Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass
die gekündigte Person der Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unter
beliebigen Bedingungen zustimmen müsste. Es kann nicht massgebend sein, ob
die Arbeitnehmerin die veränderten Arbeitsbedingungen in gerechtfertigter
oder ungerechtfertigter Weise ablehnt. Art. 336b OR enthält nur die
Obliegenheit, der Rücknahme der Kündigung zuzustimmen; es geht nicht darum,
veränderte Arbeitsbedingungen anzunehmen. Der Klägerin kann somit nicht
entgegengehalten werden, dass sie anlässlich der Einigungsverhandlungen
nicht mit einer Weiterführung des Arbeitsverhältnisses mit veränderten
Bedingungen einverstanden war.

    Die Beklagte wirft der Klägerin vor, mit der Einsprache und anlässlich
den Einigungsverhandlungen nicht den Grund für die ihrer Ansicht nach
missbräuchliche Kündigung angegeben zu haben. In der Lehre werden an die
Formulierung der Einsprache keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es
genügt, wenn die betroffene Partei gegenüber der kündigenden Person
schriftlich zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu
sein (STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 3 zu Art. 336b OR; Staehelin, Zürcher
Kommentar, N. 3 zu Art. 336b OR; JÜRG BRÜHWILER, aaO, N. 1 zu Art. 336b
OR). Die Einsprache muss nicht begründet werden und in den nachfolgenden
Einigungsverhandlungen kann nicht verlangt werden, dass die Arbeitnehmerin
darlegt, warum sie die Kündigung für missbräuchlich hält. Zweck dieser
Verhandlungen ist es, die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses
herbeizuführen, und nicht, die Arbeitgeberin oder die Arbeitnehmerin
rechtlich zu beraten. Im übrigen handelt es sich bei der Beklagten um
ein Unternehmen mit einer eigenen Personalabteilung, welche in diesem
Bereich über genügend Rechtskenntnisse verfügen dürfte. Jedenfalls hat
die Klägerin ihre Ansprüche nicht dadurch verwirkt, dass sie nicht sofort
bekannt gegeben hat, aus welchem Grund sie die Kündigung als missbräuchlich
betrachtet hat. Vorliegend ist der Inhalt der Einigungsgespräche im
angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben und es finden sich hierüber keine
weiteren Feststellungen. Die Argumentation der Beklagten kann sich somit
nicht auf den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt stützen.

    d) Schliesslich erachtet die Beklagte die Strafzahlung gemäss Art. 336a
OR selbst dann als nicht geschuldet, wenn die Kündigung missbräuchlich
sein sollte, da das Verhalten der Klägerin als rechtsmissbräuchlich im
Sinn von Art. 2 Abs. 2 ZGB angesehen werden müsse.

    Die Beklagte stützt sich damit nicht auf den in Art. 336 Abs. 1 lit. d
OR gemachten Vorbehalt, dass die Rachekündigung nur dann missbräuchlich
ist, wenn die andere Partei "nach Treu und Glauben" Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat. Diese Formulierung präzisiert,
dass nicht nur die Geltendmachung tatsächlich bestehender Ansprüche
gemeint ist, sondern auch vermeintlicher Ansprüche. Diesfalls muss aber
die Arbeitnehmerin wenigstens in guten Treuen daran geglaubt haben,
dass ihre Ansprüche bestehen (vgl. STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 8 zu
Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 24 zu Art. 336 OR; HUMBERT,
Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1990, S. 89;
DIETER M. TROXLER, aaO, S. 95 f.). Vorliegend stellt sich die Frage
der Gutgläubigkeit insofern nicht, weil der geltend gemachte Anspruch -
Lohn während der Kündigungsfrist - unbestritten und zweifellos gegeben ist.

    Die Beklagte macht vielmehr geltend, das Verhalten der Klägerin
verstosse gegen Treu und Glauben, weil sie mit einer Veränderung der
Arbeitsbedingungen habe rechnen müssen und sich dabei nicht kooperativ
gezeigt habe. Mit diesem Vorbringen sucht die Beklagte ein weit über
Art. 2 Abs. 2 ZGB hinausgehendes zusätzliches Erfordernis für den
Entschädigungsanspruch einzuführen. Es ist - wie bereits im Zusammenhang
mit der Einsprache ausgeführt - nicht Aufgabe der Gekündigten, der
kündigenden Partei Kompromissvorschläge zu unterbreiten. Die Partei, welche
sich mit ihrer Kündigung rechtswidrig verhalten hat, kann von jener, die
von dieser Rechtswidrigkeit betroffen ist, nicht verlangen aufzuzeigen, wie
die Folgen der Rechtswidrigkeit beseitigt werden könnten. Die Betroffene
muss nicht von sich aus Vorschläge unterbreiten. Sie ist nach Art.
336b OR nur gehalten, angemessene Vorschläge der kündigenden Partei
ernstlich zu prüfen. Der Vorwurf des Verhaltens wider Treu und Glauben
ist vorliegend somit ungerechtfertigt.

    e) Gemäss den vorstehenden Ausführungen ist die Kündigung wegen
des konkreten Vorgehens der Beklagten und nicht wegen des Ausmasses
der Änderung der Arbeitsbedingungen missbräuchlich. Entsprechend kann es
nicht darauf ankommen, ob die Lohnreduktion angemessen war oder nicht. Die
Ausführungen der Beklagten darüber, dass die Entlöhnung der Klägerin im
Quervergleich mit anderen Arbeitnehmerinnen nicht mehr angemessen war,
sind unbeachtlich. Zudem handelt es sich um neue und damit unzulässige
Vorbringen.

Erwägung 5

    5.- Nach Darstellung der Beklagten war der Grund für die
Lohnreduktion und die Änderungskündigung der krankheitsbedingte
Leistungsabfall der Klägerin. Es fragt sich, ob sich daraus ein
zusätzlicher Missbrauchstatbestand ergibt. Eine Krankheit ist eine
persönliche Eigenschaft, welche gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a OR für den
Kündigungsschutz relevant sein kann (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 15
zu Art. 336 OR; VISCHER, aaO, S. 168; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 3
zu Art. 336 OR). Zu beachten ist, dass der sachliche Kündigungsschutz
entfällt, wenn die persönliche Eigenschaft die Arbeitsfähigkeit
beeinträchtigt. Insofern schränkt Art. 336 Abs. 1 lit. a OR den
Persönlichkeitsschutz ein (STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 5 zu Art. 336
OR). Die Kündigung wegen Krankheit hat zur Folge, dass für die Zukunft die
Lohnfortzahlungspflicht entfällt, wenn die Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit
führt. Insofern kann es sich um eine Vereitelungskündigung im Sinn
von Art. 336 Abs. 1 lit. c OR handeln. Aufgrund der Systematik des
gesamten Kündigungsschutzes ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber
nicht soweit gehen wollte. Daher scheint es zulässig, nach Ablauf des
zeitlichen Kündigungsschutzes jemandem wegen einer die Arbeitsleistung
beeinträchtigenden Krankheit zu kündigen (GEISER, Kündigungsschutz bei
Krankheit, in AJP 1996 S. 550 ff., 556; DIETER M. TROXLER, S. 49 ff.).

    Vorliegend ergibt sich somit aus dem für die Lohnreduktion angegebenen
Motiv keine zusätzliche Begründung für die Missbräuchlichkeit der
Kündigung.

Erwägung 6

    6.- a) Art. 336a OR sieht als Sanktion für eine missbräuchliche
Kündigung eine Strafzahlung von maximal sechs Monatslöhnen vor. Sie wird
vom Gericht nach pflichtgemässem Ermessen, aufgrund der Umstände des
Einzelfalls festgesetzt. Wie bei allen Ermessensentscheiden setzt
das Bundesgericht auch bei der vom kantonalen Gericht aufgrund von
Art. 336a OR zugesprochenen Entschädigung nicht sein Ermessen an die
Stelle desjenigen der Vorinstanz. Es greift nur mit Zurückhaltung
ein und prüft den kantonalen Entscheid insbesondere daraufhin, ob die
Vorinstanz grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten
Bemessungskriterien abgewichen ist oder Tatsachen berücksichtigt hat,
die für die Entschädigungshöhe keine Rolle hätten spielen dürfen, oder
umgekehrt Umstände beiseite gelassen hat, die zwingend zu beachten gewesen
wären. Es hebt einen auf Ermessen beruhenden Entscheid ausserdem auf,
wenn sich dieser als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise
ungerecht erweist (121 III 64 E. 3c, 119 II 157 E. 2a am Ende, 118 II 50
E. 4 S. 55 f.).

    Nach Lehre und Rechtsprechung sind für eine Entschädigung nach
Art. 336a Abs. 2 OR insbesondere die Schwere des Eingriffs in die
Persönlichkeit der gekündigten Partei, die Enge der vertraglichen
Beziehungen sowie die Art und Weise der Kündigung des vertraglichen
Verhältnisses zu berücksichtigen (BGE 118 II 157 E. 4b/ee mit
Hinweisen). Das Bundesgericht geht vom Strafcharakter der Entschädigung
aus und leitet daraus ab, dass der Betrag von der Leistungskraft der
pflichtigen Partei abhängt. Ein besonders rücksichtsloses Vorgehen
bei der Kündigung kann sich auf das Strafgeld erhöhend auswirken;
eine Mitverantwortung der gekündigten Partei kann reduzierend
berücksichtigt werden (BGE 119 II 157 E. 2b am Ende). Uneinheitlich
ist die Rechtsprechung zur Frage, ob die Dauer des Arbeitsverhältnisses
sich auf die Höhe der Entschädigung auswirken kann (bejahend: BGE 118
II 157 E. 4b/ee; verneinend: BGE 119 II 157 E. 2c); jedenfalls darf eine
besonders kurze Dauer nicht als Argument für eine Kürzung der Entschädigung
dienen. Unberücksichtigt bleiben indes die wirtschaftlichen Folgen, welche
die missbräuchliche Kündigung für die entlassene Person hat, weil diese
nach Art. 336a Abs. 2 letzter Satz OR zusätzlich zu entschädigen sind
(BGE 119 II 157 E. 2b S. 160 f.).

    b) Die Klägerin ist der Meinung, das Obergericht habe zwar die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Festsetzung der Entschädigung
nach Art. 336a OR zutreffend wiedergegeben, habe aber die einzelnen
aufgeführten Kriterien nicht konkret angewendet.

    Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil verbindlich festgestellt,
dass die Klägerin, die seit 1983 bei der Beklagten gearbeitet hatte, mit
ihren Leistungen zusehends nachgelassen und offenbar auch zu Beanstandungen
Anlass gegeben hat. Anlässlich einer Mitarbeiterqualifikation im
Juni 1993 sei die Qualität der Arbeitsleistung und die fachliche
Entwicklungsmöglichkeit als unter den Erwartungen und das persönliche
Verhalten der Klägerin als teilweise ungenügend bezeichnet worden, wobei
dieser letzte Vorwurf von der Klägerin nicht akzeptiert wurde. Diese
Vorwürfe führten schliesslich zur vorgeschlagenen Lohnreduktion. Die
Beklagte wollte mit diesem Vorschlag ihre Verantwortung als Arbeitgeberin
wahrnehmen und der Klägerin die Arbeitsstelle weiterhin zur Verfügung
stellen. Gestützt auf diese verbindlichen Feststellungen ist davon
auszugehen, dass die Beklagte die Kündigung eigentlich ausgesprochen hätte,
darauf aber letztlich im Interesse der Klägerin verzichten wollte. Hat die
Vorinstanz bei dieser Sachlage berücksichtigt, dass die vorgeschlagene
Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen zu Lasten der Klägerin
sachlich - infolge mangelnder Leistung - begründet war, und hat sie bei
der Bemessung der Entschädigung nach Art. 336a OR in Betracht gezogen,
dass allein die Modalität der Änderungskündigung, das Vorgehen der
Beklagten missbräuchlich war, hat sie ihr Ermessen nicht bundesrechtswidrig
ausgeübt. Das angefochtene Urteil ist somit zu bestätigen.