Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 220



123 III 220

37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. November 1996 i.S.
S.F.M. Services Financiers & Management SA gegen Omni Holding AG in
Nachlassliquidation (Berufung) Regeste

    Firmenrecht (Art. 944 ff. OR, 950 OR); Rechtsmissbrauch (Art.
2 Abs. 2 ZGB).

    Positive Publizitätswirkung der Eintragung im Handelsregister
(E. 3). Eine Aktiengesellschaft kann ihre Firma unter Wahrung der
allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung frei wählen; diese Grundsätze,
darunter das Täuschungsverbot, hat der Handelsregisterführer von Amtes
wegen zu beachten (Art. 955 OR). Anders die Verwechslungsgefahr (Art. 944
Abs. 1 OR), die auf Begehren eines Betroffenen hin geprüft wird. Wer gegen
die gesetzlichen Bestimmungen der Firmenbildung und -gebrauchspflicht
verstösst, haftet dem Dritten aus Art. 41 OR (E. 4a-c). Haftung aus
erwecktem Konzernverhalten (E. 4e)?

    Stellt die späte Erhebung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln
im Zivilprozess ein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar? Folgen dieses
Vorgehens (E. 4d).

Sachverhalt

    A.- a) Die S.F.M. Services Financiers & Management SA mit damaligem
Sitz in Genf erwarb mit Kaufvertrag vom 12. Mai 1991 von der Omni Holding
AG und der Omni Swiss Investments B.V. in Zaandam (Niederlande) das gesamte
Aktienkapital der Omni France SA sowie eine Kontokorrentforderung gegenüber
dieser von sFr. 774'588.10, wofür ein Kaufpreis von sFr. 150'000.--
vereinbart wurde.

    Mit Schreiben vom 4. Oktober 1991 und 4. Februar 1992 wurde der Omni
Holding AG mitgeteilt, dass eine Tochtergesellschaft der Omni France
SA, die Ets. Atlas SA, entgegen den als Vertragsgrundlage geltenden
konsolidierten Jahresrechnungen mit einem wesentlich höheren Verlust zu
Buche gestanden habe, weshalb der vereinbarte Kaufpreis nicht bezahlt
werde.

    b) Mit Zahlungsbefehl vom 23. April 1993 betrieb die sich inzwischen
in Nachlassliquidation befindliche Omni Holding AG die S.F.M. Services
Financiers & Management SA in Bern für den Kaufpreis von Fr. 150'000.--
nebst Zins. Gegenüber dem von der Betriebenen erhobenen Rechtsvorschlag
erteilte der Gerichtspräsident IV von Bern am 16. August 1993 die
provisorische Rechtsöffnung. Die dagegen eingereichte Appellation wies der
Appellationshof des Kantons Bern mit Entscheid vom 20. September 1993 ab.

    B.- Mit Klage vom 10. Dezember 1993 verlangte die S.F.M. Services
Financiers & Management SA beim Handelsgericht des Kantons Bern die
Aberkennung der in der Betreibung Nr. 9311845 erfassten Forderung
der Omni Holding AG von Fr. 150'000.-- nebst Zins. Anlässlich
des ersten Hauptverhandlungstermins vom 24. März 1995 bestritt
die Aberkennungsklägerin ihre Passivlegitimation in der genannten
Betreibung. Mit Urteil vom 17. November 1995 wies das Handelsgericht die
Aberkennungsklage ab.

    C.- Die Klägerin führt eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das
Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die in Betreibung gesetzte
Forderung abzuerkennen.

    Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach den Feststellungen des Handelsgerichts hat die S.F.M. Services
Financiers & Management SA am 16. März 1992 ihren Sitz von Genf nach
Bern verlegt. Am 15. Mai 1992 änderte sie ihre Firmenbezeichnung in
SFM & Associés SA; diese Statutenänderung wurde am 27. Juli 1992 im
Handelsregister eingetragen. Am gleichen Tag ist unter der Bezeichnung
S.F.M. Services Financiers & Management SA eine neue Aktiengesellschaft
im Handelsregister eingetragen worden, deren Statuten vom 15. Mai 1992
datieren und deren Sitz sich in Bern an der gleichen Adresse wie die SFM
& Associés SA befindet. Die neu gegründete Aktiengesellschaft war eine
100%ige Tochtergesellschaft der SFM & Associés SA; Verwaltungsratspräsident
beider Gesellschaften war Hanspeter Studer.

    Das Handelsgericht hat die am ersten Hauptverhandlungstermin
von der Aberkennungsklägerin erstmals erhobene Einrede der fehlenden
Passivlegitimation prozessual zugelassen. Hingegen hat es die Einrede
als rechtsmissbräuchlich betrachtet und die Passivlegitimation
der S.F.M. Services Financiers & Management SA bejaht, obwohl die
Beklagte den Kaufvertrag vom 12. Mai 1991 mit der nunmehr als SFM &
Associés SA firmierenden Gesellschaft geschlossen hatte. Die von
der Aberkennungsklägerin gegenüber dem Aktienkauf erhobenen Einreden
(Grundlagenirrtum, Täuschung, Sachgewährleistung) hat es verworfen. Das
Vorliegen einer Schuldübernahme hat es verneint.

    Die Klägerin rügt eine bundesrechtswidrige Rechtsanwendung, die zur
Missachtung ihrer fehlenden Passivlegitimation für die in Betreibung
gesetzte Forderung geführt habe. Gegenstand des Berufungsverfahrens
vor Bundesgericht bildet einzig die Frage der Passivlegitimation der
Aberkennungsklägerin.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 933
Abs. 1 OR vor, da aus den Eintragungen im Handelsregister ersichtlich
gewesen sei, dass sie mit der früheren S.F.M. Services Financiers &
Management SA, welche den Kaufvertrag vom 12. Mai 1991 abgeschlossen habe,
nicht identisch ist. Dies ergebe sich insbesondere aus dem eingetragenen
Datum der Statuten und der Gründung. Gemäss Art. 933 Abs. 1 OR bestehe
die Fiktion allgemeiner Kenntnis des Registerinhalts; zudem habe die
Beklagte nachweislich ins Handelsregister Einsicht genommen.

    a) Die Einwendung, eine Dritten gegenüber wirksam gewordene Eintragung
im Handelsregister nicht gekannt zu haben, ist gemäss Art. 933 Abs. 1 OR
ausgeschlossen. Dritten gegenüber wird eine Eintragung im Handelsregister
mit der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt wirksam (Art. 932
Abs. 2 OR). Diese positive Publizitätswirkung beschränkt sich indes auf die
eingetragenen Tatsachen, erstreckt sich demgemäss nicht auf die Schlüsse,
welche daraus gezogen werden können (vgl. BGE 117 II 575 E. 5b/aa; 96 II
439 E. 3b; GAUCH, Von der Eintragung im Handelsregister, ihren Wirkungen
und der negativen Publizitätswirkung, in SAG 1976 S. 141 ff., 145). Vom
Grundsatz der positiven Publizitätswirkung muss dann abgewichen werden,
wenn Treu und Glauben dies gebieten (BGE 106 II 346 E. 4a S. 351). Damit
bleibt die Einrede des Rechtsmissbrauchs vorbehalten, deren Bejahung
nicht gegen Art. 933 Abs. 1 OR verstösst.

    b) Im Handelsregisteramt Bern ist bezüglich der Klägerin lediglich
vermerkt, dass sie am 27. Juli 1992 eingetragen wurde und ihre Statuten,
welche dieser Eintragung zugrunde lagen, vom 15. Mai 1992 datieren. Über
das Verhältnis zu jener Gesellschaft, welche am 12. Mai 1991 mit der
Beklagten den Kaufvertrag abgeschlossen hatte, sind in diesem Eintrag keine
direkten Aussagen enthalten. Jene Gesellschaft ist im Handelsregisteramt
Bern unter anderem mit einer Sitzverlegung von Genf nach Bern (16. März
1992) sowie einer Änderung der Firma in SFM & Associés SA (27. Juli 1992)
eingetragen. Die Schlüsse, die ein Dritter aus der Registereintragung der
Klägerin zieht oder ziehen muss, liegen somit ausserhalb der positiven
Publizitätswirkung im Sinn von Art. 933 Abs. 1 OR.

    Im übrigen sind die Schlussfolgerungen, welche aus der Eintragung
der Klägerin im Handelsregister gezogen werden können, keineswegs so
eindeutig, wie die Klägerin dies in der Berufungsschrift darzulegen
sucht. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vom 12. Mai 1991
hatte die Vertragspartnerin der Beklagten ihren Sitz in Genf. Bereits
in den Schreiben vom 4. Oktober 1991 und 4. Februar 1992, also noch vor
der Gründung der Klägerin, hat die Vertragspartnerin die neue Adresse
in Bern angegeben, was auf eine Sitzverlegung hindeutete. Bei einer
Sitzverlegung wird im Handelsregister in der Rubrik "Eintragungsdatum"
einzig das Datum der Eintragung im neuen Kanton vermerkt. Dass bei der
Klägerin nicht bloss eine Sitzverlegung, sondern trotz der Identität
der Firmenbezeichnung eine Neugründung erfolgt ist, konnte aus ihrem
Handelsregisterauszug nur ersehen, wer weiss, dass bei einer blossen
Sitzverlegung ein entsprechender Hinweis in der Rubrik "Zweck, Bemerkungen"
erfolgt, oder dass auch bei einer Sitzverlegung das ursprüngliche Datum
der Statuten mit allen seit der Gründung erfolgten Änderungen und nicht nur
das Datum der im Zeitpunkt der Eintragung am neuen Ort geltenden Statuten
vermerkt wird. Die Unachtsamkeit der Beklagten wiegt deshalb nur leicht.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt, ob das Handelsgericht, wie die Klägerin rügt,
Art. 2 Abs. 2 ZGB verletzt hat, indem es die Berufung der Klägerin auf
ihre fehlende Passivlegitimation bzw. die fehlende Identität mit der
Vertragspartnerin der Beklagten als rechtsmissbräuchlich erachtet hat.

    a) Die Passivlegitimation ist ein Begriff der Sachlegitimation. Passiv
legitimiert ist der materiell Verpflichtete, gegen den sich ein
Anspruch richtet. Das Gegenstück ist die Aktivlegitimation. Mit der
Passivlegitimation wird das Haftungssubstrat bestimmt, welches für die
Befriedigung des an der Sache Berechtigten zur Verfügung steht. Wird
vorliegend die Passivlegitimation der Klägerin verneint, so kann
die Beklagte nicht auf deren Vermögen greifen. Der Beklagten steht
es aber offen, die nunmehr unter der Bezeichnung SFM & Associés SA
firmierende Aktiengesellschaft zu belangen und sich aus deren Vermögen
zu befriedigen. Dieses Ergebnis ist für sich keineswegs stossend
und verletzt das Gerechtigkeitsempfinden nicht, handelt es sich
doch bei der letztgenannten Gesellschaft um jenes Rechtssubjekt, mit
welchem die Beklagte bewusst den Vertrag vom 12. Mai 1991 geschlossen
hat. Eine Unklarheit über die Person der Vertragspartnerin oder eine
Verwechslungsgefahr bestanden nicht, da zu jenem Zeitpunkt allein diese
Gesellschaft existierte.

    Damit hält der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nur dann stand, wenn die
Berufung der Klägerin auf ihre fehlende Passivlegitimation unter anderen
Gesichtspunkten für die Beklagte mit Nachteilen verbunden ist. Für die
Abwendung dieser Nachteile müssen keine anderen zumutbaren Rechtsbehelfe
zur Verfügung stehen, so dass ein Verstoss gegen den Art. 2 ZGB
zugrundeliegenden Gedanken von Treu und Glauben vorliegt und das Ergebnis
der Rechtsanwendung in stossender Weise das Gerechtigkeitsempfinden
verletzt. Massgebend ist hierfür einzig das Verhalten der Klägerin sowie
ihrer Organe und nicht jenes der von ihr verschiedenen Vertragspartnerin
der Beklagten. Als solche andere Nachteile macht die Beklagte vor allem
die Verzögerung in der Rechtsverfolgung sowie die im Zusammenhang mit
der Betreibung, dem Rechtsöffnungsverfahren und der Aberkennungsklage
angefallenen Kosten geltend.

    b) Bis zur Gründung der Klägerin war hinsichtlich der S.F.M. Services
Financiers & Management SA für den Geschäftsverkehr alles klar und
eindeutig. Mit der Übernahme der bis ins letzte Detail identischen
Firmenbezeichnung, welche die vorbestehende Gesellschaft gleichentags
durch Firmenänderung aufgegeben hatte, hat die Klägerin bei ihrer
Gründung eine äusserst verwirrende Situation und ein grosses
Verwechslungs- und Täuschungspotential geschaffen. Eine Erhöhung
dieser Möglichkeit trat hinzu mit dem Domizil beider Gesellschaften
an derselben Adresse, der Übernahme des Verwaltungsratspräsidiums
in beiden Gesellschaften von Hanspeter Studer sowie ihrem zumindest
ähnlichen Zweck. Unbestrittenermassen war der Klägerin bekannt, dass ihre
Firmenbezeichnung bis zur Gründung von einer mit ihr verbundenen bzw.
verwandten Gesellschaft verwendet worden war.

    Aktiengesellschaften können ihre Firma unter Wahrung der allgemeinen
Grundsätze der Firmenbildung frei wählen (Art. 950 Abs. 1 OR). Gemäss
Art. 944 Abs. 1 OR muss der Inhalt der Firma der Wahrheit entsprechen
und darf weder geeignet sein, Täuschungen zu verursachen, noch einem
öffentlichen Interesse zuwiderlaufen. Das Täuschungsverbot ist vor
allem verletzt, wenn das Durchschnittspublikum aus der Firmenbezeichnung
unzutreffende Schlüsse hinsichtlich des Sitzes oder der Natur des
Unternehmens oder hinsichtlich der Art seiner Tätigkeit zieht (vgl.
BGE 117 II 192 E. 4b/aa S. 196 f.; 113 II 179 E. 2; 108 II 130
E. 4). Unerheblich ist, ob eine Täuschungsabsicht bestand oder die
Täuschungsgefahr den handelnden Personen bewusst war (ROLAND BÜHLER,
Grundlagen des materiellen Firmenrechts, Diss. Zürich 1991, S. 104 f.;
ACHERMANN, Die Täuschungsgefahr im Firmenrecht, in Der Bernische Notar 1985
S. 47 ff., 50). Die Einhaltung der Grundsätze der Firmenbildung ist von
den Handelsregisterführern von Amtes wegen zu beachten (Art. 955 OR). Von
der Täuschungsgefahr zu unterscheiden ist die Verwechslungsgefahr. Ob sich
eine neue Firma von den anderen bestehenden Firmen genügend unterscheidet
(Art. 946 und 951 OR), ist eine Frage des Firmenschutzes (Art. 956 OR) und
wird vom Richter lediglich auf Begehren eines Betroffenen hin geprüft (BGE
101 Ib 361 E. 5 S. 366; ROLAND BÜHLER, aaO, S. 100; ACHERMANN, aaO, S. 50;
unklar ist die Abgrenzung bei HIS, Berner Kommentar, N. 93 zu Art. 944 OR).

    Mit ihrem Vorgehen hat die Klägerin die akute Gefahr geschaffen, dass
sie von Personen, welche bereits mit der ursprünglichen S.F.M. Services
Financiers & Management SA zu tun hatten, mit dieser verwechselt
wird. Beeinträchtigt wurden damit die Interessen eines breiten
Personenkreises. Der Firmenschutz gemäss Art. 956 OR gelangt hier
von vornherein nicht zur Anwendung, da die von der Klägerin gewählte
Firmenbezeichnung im Zeitpunkt ihrer Eintragung im Handelsregister nicht
mehr von einem anderen Firmeninhaber beansprucht, sondern gleichzeitig
gelöscht wurde (vgl. His, Berner Kommentar, N. 8 zu Art. 956 OR).
In einem solchen Fall muss die geschaffene Verwechslungsgefahr unter dem
Gesichtspunkt von Art. 944 Abs. 1 OR Beachtung finden; nur auf diesem
Weg kann das Interesse des Publikums am Schutz vor Irreführung (BGE 100
II 224 E. 2) und das öffentliche Interesse an deutlich unterscheidbaren
Firmen (BGE 101 Ib 361 E. 4a am Ende) berücksichtigt werden. Ob eine
Täuschungsgefahr besteht, ist nicht abstrakt, sondern anhand der besonderen
Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGE 117 II 192 E. 4b/bb; 108 II 130
E. 4; 100 Ib 240 E. 5b). Die Klägerin hat keinerlei Massnahmen getroffen,
um eine Verwechslung mit der früheren S.F.M. Services Financiers &
Management SA zu verhindern. Vielmehr hat sie es sogar unterlassen, auf
die fehlende Identität hinzuweisen, als die Beklagte sie für Ansprüche
gegenüber der anderen Gesellschaft belangte (vgl. Erwägung 4d hiernach;
zur Aufklärungspflicht vgl. Merz, Berner Kommentar, N. 275 zu Art. 2
ZGB). Damit hat die Firmenwahl der Klägerin gegen das in Art. 944
Abs. 1 OR verankerte Täuschungsverbot verstossen. Dass die Firma trotz
der Verwechslungsgefahr offenbar ohne Beanstandung eingetragen wurde,
durfte die Klägerin nicht als Zusicherung der Rechtmässigkeit auffassen
(BGE 117 II 575 E. 5b/aa am Ende; HIS, Berner Kommentar, N. 15 zu Art. 933
OR). Faktisch verletzte das Vorgehen der Klägerin auch den Grundsatz der
Unübertragbarkeit der Firma (dazu GUHL/KUMMER/DRUEY, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 8. Aufl., 1991, S. 782; ROLAND BÜHLER, aaO, S. 126
ff.; missverständlich BGE 103 Ib 11 E. 2 S. 14). Dieser Grundsatz
muss erst recht gelten, wenn materiellrechtlich keine Rechtsnachfolge
vorliegt. Dass hinsichtlich der Übertragung der Firma zwischen den beiden
Gesellschaften keine ausdrückliche Vereinbarung abgeschlossen wurde,
ändert an der Unzulässigkeit des Vorgehens nichts.

    Hat die Klägerin gegen gesetzliche Bestimmungen über die Firmenbildung
verstossen, so haftet sie aus Art. 41 OR für den Schaden, welcher Dritten
aus der Verwendung der täuschenden Firma erwachsen ist. Voraussetzung
dafür ist ein Verschulden, wobei auch Eventualvorsatz genügt. Schaden
kann Dritten unter anderem verursacht werden, dass diese - wie die
Beklagte - gestützt auf die vermeintliche Identität Ansprüche, welche
ihnen gegenüber der früher so bezeichneten Gesellschaft zustehen,
fälschlicherweise gegenüber der neu gegründeten Gesellschaft geltend
machen. Der Schaden besteht in erster Linie aus den bis zu jenem Zeitpunkt
aufgelaufenen Verfahrenskosten, an dem die fehlende Identität zweifelsfrei
aufgedeckt wird. Sollte die Verzögerung der Rechtsverfolgung gegenüber
der tatsächlichen Schuldnerin zu einem Ausfall führen, so ist auch der
Schaden zu berücksichtigen, welcher sich aus der zwischenzeitlichen
Verschlechterung ihrer Vermögenssituation ergibt. Schuldhaft ist das
Verhalten der jüngeren Gesellschaft insbesondere auch, wenn sie im Fall
der Belangung für Verbindlichkeiten, die nicht sie betreffen, den Gläubiger
nicht unverzüglich über die fehlende Identität aufklärt.

    c) Aus der Funktion der Firma und dem firmenrechtlichen
Täuschungsverbot fliesst auch die Firmengebrauchspflicht (BGE 103 IV 202
E. 1 mit Hinweisen; GUHL/KUMMER/DRUEY, aaO, S. 787; ROLAND BÜHLER, aaO,
S. 132 ff.). Die Verletzung der Firmengebrauchspflicht ist strafbar. Bis
Ende 1994 war dies im Bundesgesetz betreffend Strafbestimmungen zum
Handelsregister- und Firmenrecht vom 6. Oktober 1923 geregelt; seit dem
1. Januar 1995 gilt Art. 326ter StGB. Strafbar macht sich insbesondere, wer
für ein im Handelsregister eingetragenes Geschäft eine Firma verwendet,
die mit der im Handelsregister eingetragenen nicht übereinstimmt und
die irreführen kann. Gegen diese Firmengebrauchspflicht haben sowohl
die Klägerin wie auch die Vertragspartnerin der Beklagten verstossen,
indem beide Gesellschaften im Geschäftsverkehr allgemein und auch
in der Korrespondenz mit der Beklagten nur die im Handelsregister
nicht eingetragene Abkürzung "S.FM AG" verwendeten. Unter dieser
Firmenbezeichnung erfolgten die Schreiben vom 4. Oktober 1991 und
4. Februar 1992, in denen die Vertragspartnerin die Zahlung des
vereinbarten Kaufpreises ablehnte. Im Februar 1993 wurde unter dem Logo
"S.FM Service Financier & Management" ein zweiseitiges Unternehmensprofil
herausgegeben, in welchem sich die Klägerin als "S.FM S.A." bzw. "S.FM AG"
bezeichnete und die nunmehrige SFM & Associés SA unzutreffenderweise als
Tochtergesellschaft anführte. Unter dem genannten Kürzel hat die Klägerin
im Rechtsöffnungsverfahren auch Rechtsschriften eingereicht.

    Diese Verletzung der Firmengebrauchspflicht stellt ebenfalls ein
widerrechtliches Verhalten dar, für welches die Klägerin der Beklagten
aus Art. 41 OR haftet. Als Schaden, welcher dadurch verursacht wurde und
zu ersetzen ist, kommen die gleichen finanziellen Nachteile in Betracht wie
bei der Verletzung des firmenrechtlichen Täuschungsverbots (vgl. Erwägung
4b hiervor).

    d) Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wirft das
Handelsgericht der Klägerin hinsichtlich ihres prozessualen Verhaltens
ein unzulässiges venire contra factum proprium vor. Sowohl in der
vorprozessualen Korrespondenz wie auch im Rechtsmittelverfahren und in der
Begründung der Aberkennungsklage habe sich die Klägerin mit dem Bestand
der Forderung der Beklagten aus dem Kaufvertrag vom 12. Mai 1991 materiell
auseinandergesetzt, Gegenansprüche zur Verrechnung angemeldet und auch
eine vergleichsweise Saldozahlung angeboten. Erst wenige Tage vor der
Hauptverhandlung habe sie erstmals erklärt, bezüglich der Forderung der
Beklagten nicht passivlegitimiert zu sein, und an der Hauptverhandlung
vom 23. März 1995 die entsprechenden Handelsregisterauszüge eingereicht.

    Der Grundsatz von Treu und Glauben und das Rechtsmissbrauchsverbot
gelten auch im Zivilprozessrecht (BGE 111 II 62 E. 3; 107 Ia 206
E. 3a; 105 II 149 E. 3, je mit Hinweisen). Betrifft der Vorwurf
des Rechtsmissbrauchs Vorschriften des kantonalen Prozessrechts,
so kann darauf im Berufungsverfahren nicht eingetreten werden (BGE
111 II 62 E. 3 am Ende). Deshalb macht die Beklagte zu Recht nicht
geltend, das Handelsgericht hätte in Abweichung von Art. 92 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung für den Kanton Bern (ZPO/BE), - welche Bestimmung
den Parteien gestattet, die Angriffs- und Verteidigungsmittel bis und
mit den Parteivorträgen in der Hauptverhandlung zu ergänzen oder zu
berichtigen - die sehr späte, aber immer noch rechtzeitige Bestreitung der
Passivlegitimation wegen des Verstosses gegen Art. 2 ZGB prozessual gar
nicht mehr zulassen dürfen. Im Bereich des Prozessrechts besteht generell
wenig Raum, infolge Rechtsmissbrauchs von klaren Verfahrensvorschriften
abzuweichen (BGE 107 Ia 206 E. 3b).

    Für das späte Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln
kennt das Zivilprozessrecht eigene Sanktionen, welche einen Rückgriff
auf Art. 2 ZGB entbehrlich machen. Insbesondere kann der sehr späte
Zeitpunkt der massgeblichen Vorbringen durch eine Prozesspartei bei der
Kostenverlegung berücksichtigt werden. Bei Fehlen einer entsprechenden
ausdrücklichen Gesetzesbestimmung besteht diese Möglichkeit, wenn das
kantonale Prozessrecht die Kostenverlegung nach Unterliegen und Obsiegen
nur "in der Regel" vorsieht und keine abschliessende Aufzählung der
Ausnahmen enthält. Die aufgelaufenen Aufwendungen können auch unnötig
verursachte Umtriebe darstellen, welche unabhängig vom Ausgang des
Verfahrens dem Verursacher aufzuerlegen sind.

    Im vorliegenden Fall werden von der Beklagten gerade die
Prozesskosten, welche wegen der sehr spät erhobenen Einrede der fehlenden
Passivlegitimation aufgelaufen sind, ins Feld geführt, um das Vorliegen
eines Rechtsmissbrauchs darzutun. Die bernische Zivilprozessordnung sieht
in Art. 58 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass vom Grundsatz der Kostenverlegung
nach Unterliegen abgewichen werden kann bei Vermehrung der Prozesskosten
durch unnötige Weitläufigkeiten. Dazu zählt die Praxis auch das späte
Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln (LEUCH/MARBACH/
KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 4. Aufl., 1995,
N. 6 zu Art. 58). Selbst wenn die hier massgebende Zivilprozessordnung
keine ausdrückliche Bestimmung enthielte, auf welche sich trotz
Gutheissung der Aberkennungsklage die Überbindung von Kosten an die
Klägerin stützen liesse, müsste berücksichtigt werden, dass die Klägerin
für die verursachten Kosten bereits aus Art. 41 OR schadenersatzpflichtig
ist (vgl. Erwägung 4b und c hiervor). Ein Kostenerstattungsbegehren
der Klägerin wäre deshalb insoweit rechtsmissbräuchlich, als sie das
Zugesprochene der Beklagten als Schadenersatz gleich wieder zurückerstatten
müsste (MERZ, Berner Kommentar, N. 365 zu Art. 2 ZGB).

    Die Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens werden im übrigen
von der Gutheissung der Aberkennungsklage nicht berührt. Das
Rechtsöffnungsverfahren ist ein in sich abgeschlossenes Verfahren,
und die Aberkennungsklage stellt nicht dessen Fortsetzung dar. Das
Rechtsöffnungsverfahren ist eine rein betreibungsrechtliche Streitigkeit,
während die Aberkennungsklage eine materiellrechtliche Klage mit
Auswirkungen auf die hängige Betreibung darstellt (FRITZSCHE/WALDER,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, 3. Aufl.,
1984, Bd. I, S. 230 und 269 f.). Diese im Bundesrecht verankerte
unterschiedliche Rechtsnatur der Klagen schliesst eine Neuverlegung der
Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens bei Gutheissung der Aberkennungsklage
nach gewährter provisorischer Rechtsöffnung aus. Den Fortbestand des
formell rechtskräftigen Kostenspruchs des Rechtsöffnungsverfahrens davon
abhängig zu machen, dass die Aberkennungsklage nur aufgrund von Tatsachen
gutgeheissen wird, die erst nach Einleitung der Betreibung eingetreten sind
(so FRITZSCHE/WALDER, aaO, S. 272), ist nicht begründet. Dem Betriebenen
steht es frei, ob er sich einem gestellten Rechtsöffnungsbegehren
widersetzen oder dieses unter Vorbehalt der Aberkennungsklage anerkennen
will. Es ist deshalb auch sachlich gerechtfertigt, ihn mit den Folgen
seines Unterliegens im Rechtsöffnungsverfahren definitiv zu belasten; eine
Gutheissung der gewöhnlichen Forderungsklage des Gläubigers nach verwehrter
Rechtsöffnung führt ebensowenig zu einer Neuverlegung der Kosten des
Rechtsöffnungsverfahrens. Sowohl die Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens
wie auch jene des erstinstanzlichen Verfahrens der Aberkennungsklage
können somit, soweit dies aufgrund des Verhaltens der Klägerin als
angezeigt erscheint, aufgrund der einschlägigen Gesetzesbestimmungen ihr
überbunden werden. Um diesbezüglich zu einem das Gerechtigkeitsempfinden
befriedigenden Ergebnis zu gelangen, ist es also nicht erforderlich,
die Einrede der fehlenden Passivlegitimation als rechtsmissbräuchlich
zu bezeichnen.

    e) Die Nichtbeachtung der fehlenden Passivlegitimation wird vom
Handelsgericht schliesslich damit begründet, dass der juristischen
Selbständigkeit beider Gesellschaften im tatsächlichen Verhalten
der Klägerin und insbesondere im Verhalten des beide Gesellschaften
beherrschenden Hanspeter Studer wenig Beachtung geschenkt worden sei. Trotz
juristischer Selbständigkeit seien die beiden Unternehmen weitgehend im
Sinn eines Konzerns als eine wirtschaftliche Einheit geführt worden.

    Hinsichtlich der Trägerschaft von Rechten und Pflichten ist auch
bei verbundenen Unternehmen von der juristischen Selbständigkeit der
einzelnen Gesellschaften auszugehen. Eine Haftung der Muttergesellschaft
gegenüber den Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaften kann sich
aus Vertrag, aus unerlaubter Handlung oder aus erwecktem Vertrauen
in das Konzernverhalten der Muttergesellschaft ergeben (BGE 120 II
331 ff.). Die Haftung aus erwecktem Konzernvertrauen beruht dabei
auf der gleichen allgemeinen Rechtsfigur wie die Haftung für culpa in
contrahendo und ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Der von der
Muttergesellschaft geschaffene Vertrauenstatbestand bezieht sich auf die
Bonität der Tochtergesellschaft sowie allenfalls deren Zuverlässigkeit und
Vertrauenswürdigkeit im Geschäftsgebaren (so BGE 120 II 331 E. 5a). Das
den Vertrauenstatbestand begründende Verhalten kann auch erst nach dem
Vertragsabschluss des Dritten mit der Tochtergesellschaft erfolgen. Die
Haftung der Muttergesellschaft aus erwecktem Konzernverhalten begründet
indes nicht eine Passivlegitimation der Muttergesellschaft anstelle
oder neben jener der Tochtergesellschaft für die gegenüber letzterer
bestehenden Forderungen; vielmehr haftet die Muttergesellschaft für
den Schaden, welcher dem Dritten aus der treuwidrigen Enttäuschung der
geweckten Erwartungen erwächst (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336 f.).

    Die Klägerin ist nicht Muttergesellschaft der Vertragspartnerin der
Beklagten, sondern deren Tochtergesellschaft. Dass unter besonderen
Umständen auch eine Tochtergesellschaft einen Vertrauenstatbestand
bezüglich ihrer Muttergesellschaft schaffen kann, ist nicht von
vornherein auszuschliessen. Gegenstand der Aberkennungsklage bildet
jedoch nicht ein Schaden, welcher der Beklagten aus einem solchen
Vertrauenstatbestand erwachsen sein soll, sondern die Forderung der
Beklagten aus dem Kaufvertrag vom 12. Mai 1991. Über einen allfälligen
Anspruch aus erwecktem Konzernvertrauen könnte aus prozessualen Gründen
im vorliegenden Verfahren daher gar nicht entschieden werden. Im übrigen
war es klarer Wille der Vertragsbeteiligten, dass für die Forderung aus
dem Kaufvertrag vom 12. Mai 1991 einzig die nunmehr als SFM & Associés SA
firmierende Gesellschaft haften sollte (vgl. Erwägung 4a hiervor). Sofern
das spätere Verhalten der Klägerin bei Auslegung nach dem Vertrauensprinzip
nicht als Schuldübernahme bzw. Schuldbeitritt oder Garantieversprechen
ausgelegt werden kann, kann auch nicht über einen angeblich erweckten
anderen Vertrauenstatbestand eine unmittelbare Haftung der Klägerin
für diese Forderung begründet werden. Weder eine irgendwie geartete
nachträgliche Sphärenvermischung noch der Umstand, dass nach der Gründung
der Klägerin die beiden Unternehmungen von den Verantwortlichen selbst als
eine Einheit betrachtet wurden, vermag eine Abweichung vom klaren Willen
der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu rechtfertigen. Die
im angefochtenen Urteil angeführten Entscheide des Handelsgerichts und des
Bundesgerichts können am Ergebnis nichts ändern, da sich die Ausgangslage
in den erwähnten Entscheiden - soweit bekannt - anders darstellte.

    f) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass keine Gründe bestehen,
deretwegen die Berufung der Klägerin auf ihre fehlende Passivlegitimation
hinsichtlich der Forderung der Beklagten aus dem Kaufvertrag vom
12. Mai 1991 als rechtsmissbräuchlich erscheint. Die Beklagte kann ihre
Forderung nach wie vor gegenüber der SFM & Associés SA als klar gewollte
tatsächliche Vertragspartnerin geltend machen. Es trifft zu, dass der
Beklagten durch das Verhalten der Klägerin erhebliche Aufwendungen,
insbesondere Prozesskosten erwachsen sind. Mit ihrem Verhalten verstiess
die Klägerin in mehrfacher Hinsicht gegen gesetzliche Bestimmungen,
so dass sie für den dadurch adäquat verursachten Schaden haftet. Die
prozessrechtlichen Bestimmungen erlauben bereits eine teilweise Überbindung
dieser Aufwendungen an die Klägerin, so dass der Beklagten insoweit gar
kein Schaden entsteht; hinsichtlich der Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens
liegt ein entsprechender endgültiger Kostenspruch vor. Über allfällige
Schadenersatzansprüche der Beklagten kann im vorliegenden Verfahren nicht
entschieden werden, da einzig ihre vertragliche Forderung Gegenstand der
Aberkennungsklage bildet. Das angefochtene Urteil des Handelsgerichts ist
somit aufzuheben und die Aberkennungsklage der Klägerin infolge fehlender
Passivlegitimation für die streitige Forderung gutzuheissen.