Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 176



123 III 176

30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. April 1997 i.S.
Verein Gewerkschaft X. gegen Y. AG (Berufung) Regeste

    Art. 335d ff. OR und Mitwirkungsgesetz. Massenentlassung.

    Klageberechtigung der Verbände (E. 1).

    Anwendbarkeit der Vorschriften über die Massenentlassung im Falle
der Nachlassliquidation (E. 3).

    Pflicht, die Arbeitnehmer zu konsultieren. Zeitpunkt und Dauer der
Konsultation (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Bauunternehmung Y. AG beschäftigte im Frühjahr 1995 rund 400
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bern, Sion und Freiburg. Seit längerer
Zeit kursierten Gerüchte, dass sie sich in finanziellen Schwierigkeiten
befinde.

    Am 18. Dezember 1994 gab die Y. AG in einer Pressemitteilung
bekannt, dass sie "aufgrund der aktuellen Situation am Baumarkt
sowie zur Verbesserung der geographischen Abstützung" eine künftige
enge Zusammenarbeit mit der ebenfalls im Baugewerbe tätigen Z. SA
beschlossen habe. In einem Schreiben vom gleichen Tag teilte sie dem Verein
Gewerkschaft X. mit, sie werde ihn zu gegebener Zeit über den Verlauf der
Verhandlungen orientieren. Am 17. Februar 1995 unterzeichneten die Y. AG
und die Z. SA eine Absichtserklärung. Aus den sich daran anschliessenden
Verhandlungen ging der Entwurf zu einem Grundvertrag hervor, wonach
die Z. SA die Y. AG mit Unterstützung einer Bankengruppe unter Führung
der V. Bank übernehmen sollte. Mit Schreiben vom 17. Februar 1995 legte
die V. Bank gegenüber der Z. SA die nochmals bankintern überarbeiteten
Rahmenbedingungen für die vorgesehene Übernahme fest. Am 27. März 1995
teilte die Z. SA der V. Bank und der Y. AG mit, dass sie unter den
gesetzten Bedingungen nicht zu einer Übernahme bereit sei, und schlug
neue Verhandlungen vor.

    Aufgrund dieser Antwort und der bekannten Position der Banken
betrachtete die Y. AG die Übernahmeverhandlungen als gescheitert. An ihrer
am Abend des 27. März 1995 stattfindenden Verwaltungsrats-Sitzung wurde
deshalb beschlossen, um Nachlassstundung zu ersuchen und der gesamten
Belegschaft vorsorglich zu kündigen. Das Gesuch um Nachlassstundung
wurde am 28. März 1995 eingereicht. Am gleichen Tag wurden morgens um
11 Uhr der Verein Gewerkschaft X. und nachmittags die Belegschaft über
das Scheitern der Übernahmeverhandlungen, das Gesuch um Nachlassstundung
und die drohenden Kündigungen informiert und schriftlich aufgefordert,
bis 12 Uhr des folgenden Tages Vorschläge zur Vermeidung der vorgesehenen
Kündigungen oder zu deren Beschränkung sowie zur Milderung ihrer Folgen
zu unterbreiten. Innert der gesetzten Frist ging ein solcher Vorschlag
ein, den die Y. AG allerdings nicht weiterverfolgte. Am 29. März 1995
kündigte die Y. AG allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, worüber
sie den Verein Gewerkschaft X. gleichentags orientierte. Mit Entscheid
vom 18. Mai 1995 gewährte der Gerichtspräsident IV von Bern der Y. AG
die Nachlassstundung.

    B.- Am 30. August 1995 reichte der Verein Gewerkschaft X. beim
Appellationshof des Kantons Bern Klage gegen die Y. AG ein mit
dem Begehren, es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte
die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer gemäss Art. 10 lit. c des
Mitwirkungsgesetzes verletzt habe. Der Appellationshof wies die Klage
mit Urteil vom 8. März 1996 ab.

    C.- Das Bundesgericht heisst die Berufung des Klägers gut und schützt
dessen Feststellungsbegehren.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Kläger stützt seinen Feststellungsanspruch auf Art.
15 Abs. 2 des Mitwirkungsgesetzes (SR 822.14). Nach dieser
Bestimmung sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände berechtigt, auf
Feststellung der Verletzung von gegenseitigen Rechten und Pflichten
zu klagen, die sich für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer aus dem
Mitwirkungsgesetz, insbesondere aus dessen Art. 9-14, ergeben. Mit
dieser Sonderregelung anerkennt das Gesetz ein Interesse der Verbände,
das Verhalten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerichtlich auf seine
Rechtmässigkeit hin überprüfen zu lassen. Der Nachweis eines zusätzlichen
Feststellungsinteresses ist nicht erforderlich (vgl. zur entsprechenden
Regelung von Art. 357b Abs. 1 lit. a OR BGE 111 II 358 E. 2a S. 361 sowie
VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Basel,
Bd. VII/1/III, 2. Aufl. 1994, S. 272 Fn. 54). Die Klageberechtigung des
Klägers ist somit ohne weiteres gegeben. Sie wird denn von der Beklagten
auch nicht in Abrede gestellt.

Erwägung 3

    3.- In rechtlicher Hinsicht ist zunächst streitig, ob die Vorschriften
über die Massenentlassung auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar
sind. Der Appellationshof und der Kläger bejahen die Anwendbarkeit.
Die Beklagte stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass, da die
Nachlassstundung vom Gericht habe bewilligt und der Nachlassvertrag vom
Gericht habe genehmigt werden müssen, eine "Betriebseinstellung infolge
gerichtlicher Entscheidung" vorliege, die gemäss Art. 335e Abs. 2 OR vom
Anwendungsbereich der Vorschriften über die Massenentlassung ausgenommen
sei.

    a) Die Lehre geht davon aus, dass die Vorschriften über die
Massenentlassung im Falle des Konkurses des Arbeitgebers nicht anwendbar
sind (BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl. 1996, N. 2 zu
Art. 335f und 335e OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 335e OR;
GEISER, Massenentlassung, AJP 1995, S. 1416 f. Rz. 2.17; MÜLLER, Die neuen
Bestimmungen über Massenentlassungen, ArbR 1995, S. 111; AUBERT, Die neue
Regelung über Massenentlassungen und den Übergang von Betrieben, AJP 1994,
S. 702). Demgegenüber soll ein Nachlassverfahren nach der Auffassung einer
Reihe von Autoren die Anwendung der Art. 335d ff. OR nicht ausschliessen
(AUBERT, aaO; STAEHELIN, aaO; MÜLLER, aaO; unklar BRÜHWILER, aaO). Die
Begründung, die dafür angeführt wird, überzeugt allerdings nicht ohne
weiteres. Zwar ist richtig, dass ein Nachlassverfahren nicht zwingend zur
Einstellung des Betriebes führen muss. Das gilt aber auch für den Konkurs,
ist es doch Aufgabe der Konkursverwaltung, gegebenenfalls mit Genehmigung
der Gläubigerversammlung darüber zu befinden, ob ein zur Konkursmasse
gehörender Betrieb geschlossen oder weitergeführt werden soll (vgl. GEISER,
aaO). Unter Umständen kann sogar der Gemeinschuldner ermächtigt werden,
sein Gewerbe weiter zu betreiben (Art. 237 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG).

    Weder die gerichtlichen Bewilligungsbeschlüsse im Nachlassverfahren,
noch das gerichtliche Konkurserkenntnis sind demnach Entscheide, die
selber und unmittelbar dazu führen, dass der Betrieb nicht aufrecht
erhalten werden kann. Es liegt daher höchstens im weiteren Sinne
eine "Betriebseinstellung infolge gerichtlicher Entscheidung" gemäss
Art. 335e Abs. 2 OR vor (GEISER, aaO, S. 1416 f. Rz. 2.17 f.). Im Falle
des Konkurses lässt sich der Verzicht auf die Anwendung der Art. 335d
ff. OR jedoch allenfalls damit rechtfertigen, dass die Arbeitnehmer im
Konkursverfahren als Gläubiger über Einflussmöglichkeiten verfügen, die
über die Mitwirkungsrechte hinausgehen, welche ihnen die Art. 335d ff. OR
gewähren, weshalb es kaum sinnvoll ist, parallel zum Konkursverfahren noch
ein besonderes Konsultationsverfahren gemäss Art. 335f OR durchzuführen
(GEISER, aaO). Wieweit sich ähnliche Überlegungen auch in bezug auf das
Nachlassverfahren anstellen lassen, erscheint demgegenüber fraglich. Die
Arbeitnehmer haben im Nachlassverfahren wegen ihrer Privilegierung bei
der Kollokation (Art. 219 Abs. 4 erste Klasse lit. a SchKG) nur geringe
Einflussmöglichkeiten, werden doch gemäss Art. 305 Abs. 2 SchKG die
Stimmen der privilegierten Gläubiger bei der Ermittlung der Mehrheiten,
die für das Zustandekommen des Nachlassvertrages erforderlich sind
(Art. 305 Abs. 1 SchKG), gar nicht mitgerechnet. Ob ein Nachlassverfahren
die Anwendung der Art. 335d ff. OR hinfällig werden lässt, braucht aber
für den vorliegenden Fall nicht abschliessend geprüft zu werden. Denn der
Umstand, dass die Arbeitnehmer im Nachlassverfahren Gläubigerstellung
haben und an der Gläubigerversammlung teilnehmen können (AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Aufl. 1993,
S. 445 Rz. 50), vermöchte eine Konsultation im Sinne von Art. 335f OR,
wenn überhaupt, jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt zu ersetzen, in dem die
Mitwirkungsmöglichkeit der Gläubiger aktuell wird. Die Gläubiger kommen
im Nachlassverfahren indessen erst nach der gerichtlichen Bewilligung
der Nachlassstundung im sogenannten Zustimmungsverfahren zu Wort (AMONN,
aaO, S. 443 Rz. 40). Für Massenentlassungen, die der Arbeitgeber in der
Zeit vor dem Bewilligungsentscheid konkret beabsichtigt, bleiben daher
die Art. 335d ff. OR in jedem Fall anwendbar.

    b) Vorliegend ist die Nachlassstundung erst am 18. Mai 1995 bewilligt
worden. Die konkrete Absicht, eine Massenentlassung vorzunehmen, musste
sich bei der Beklagten jedoch spätestens im Laufe des Monates März 1995
gebildet haben, wurden doch die entsprechenden Kündigungen am 28. März 1995
offiziell angekündigt und am 29. März 1995 ausgesprochen. Die Vorschriften
über die Massenentlassung haben deshalb Anwendung zu finden.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 335f Abs. 1 und 2 OR hat der Arbeitgeber, wenn er
eine Massenentlassung beabsichtigt, die Arbeitnehmervertretung oder,
falls keine solche besteht, die Arbeitnehmer zu konsultieren und ihnen
die Möglichkeit zu geben, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen
vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden
können. Nach Ansicht des Klägers hat die Beklagte gegen diese Vorschrift
verstossen, indem sie dem Kläger am 28. März 1995 eine Frist bis 12 Uhr des
folgenden Tages zur Stellungnahme gesetzt hat. Der Kläger macht geltend,
ihm und den Arbeitnehmern sei es unmöglich gewesen, innert einer derart
kurzen Frist ihre gesetzlichen Mitwirkungsrechte wahrzunehmen. Die
Beklagte stimmt dagegen der Auffassung des Appellationshofs zu, dass
keine Verletzung der Bestimmungen über die Massenentlassung vorliege,
weil die Ansetzung einer längeren Frist aufgrund der wirtschaftlichen
Sachzwänge nicht möglich gewesen sei. Im übrigen vertritt sie auch die
Meinung, das Gesetz verlange nicht, dass die Konsultationen zeitlich vor
den Kündigungen vorgenommen würden, weshalb es auch nach dem 29. März
1995 ohne weiteres noch möglich gewesen wäre, Vorschläge zur Vermeidung
von Kündigungen oder zur Milderung ihrer Folgen zu unterbreiten.

    a) Der Arbeitgeber ist nach Art. 335f Abs. 1 OR zur Einleitung der
Konsultation verpflichtet, sobald er eine Massenentlassung beabsichtigt. Er
darf somit nicht zuwarten, bis die Massenentlassung beschlossen ist. Der
Sinn der Konsultation besteht darin, den Arbeitnehmern eine Einwirkung auf
die Entscheidfindung des Arbeitgebers zu ermöglichen. Die Arbeitnehmer
sollen die Möglichkeit haben, den Arbeitgeber zu veranlassen, von ihnen
vorgeschlagene alternative Massnahmen zu prüfen, bevor er sich endgültig
zu einer Massenentlassung entschliesst. Die Konsultation muss daher
stattfinden, bevor der Arbeitgeber den definitiven Entschluss gefasst hat,
eine Massenentlassung vorzunehmen (Zusatzbotschaft I, BBl 1992 V 409). Die
Beklagte beruft sich deshalb zu Unrecht auf eine vereinzelte Äusserung,
wonach der Arbeitgeber die Mitteilung, die das Konsultationsverfahren in
Gang setzt, "entweder vor den Kündigungen oder spätestens mit diesen"
vornehmen sollte (GEISER, aaO, S. 1419 Rz. 4.3); dieser Ansicht kann
nicht gefolgt werden. Das Konsultationsverfahren ist vor den Kündigungen zu
eröffnen und zu beenden (MÜLLER, aaO, S. 126; AUBERT, aaO, S. 702 Rz. C4
und C6). Kündigungen, die vor Abschluss der Konsultation ausgesprochen
werden, sind missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 2 lit. c OR
(BRÜHWILER, aaO, N. 4 zu Art. 335f OR; MÜLLER, aaO, S. 127).

    Ausgehend davon bleibt im einzelnen folgendes festzuhalten:
Der Arbeitgeber hat die Konsultation nicht erst unmittelbar vor den
Kündigungen, sondern so frühzeitig einzuleiten, dass sie abgeschlossen
werden kann, bevor er sich endgültig entschliessen muss, ob und in
welcher Form er die in Aussicht genommene Massenentlassung vornimmt. Eine
Pflicht zur Einleitung der Konsultation besteht zwar nicht schon, wenn
der Arbeitgeber entfernt mit der Möglichkeit rechnet, in der nächsten
Zeit zu einer Massenentlassung schreiten zu müssen, wohl aber dann, wenn
er sie konkret in Aussicht nimmt. Eine solche konkrete Absicht kann dabei
durchaus auch in einem vorbehaltenen Entschluss bestehen. Als beabsichtigt
im Sinne von Art. 335f OR hat daher eine Massenentlassung insbesondere
auch dann zu gelten, wenn der Arbeitgeber sie zwar nur, aber immerhin für
den Fall konkret plant, dass andere Pläne sich nicht verwirklichen lassen.

    b) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern nach einhelliger Lehre eine
Frist zur Stellungnahme ansetzen (BRÜHWILER, aaO, N. 2 zu Art. 335f OR;
STAEHELIN, aaO, N. 3 zu Art. 335f OR; GEISER, aaO, S. 1419 Rz. 4.3; AUBERT,
aaO, S. 702 Rz. C6), was im übrigen auch dem klaren Willen des Gesetzgebers
entspricht (Amtl.Bull. NR 1993, S. 1719, Voten Marti und Frey). Bei der
Bemessung der Frist hat sich der Arbeitgeber an den Grundsatz von Treu
und Glauben zu halten. Die Arbeitnehmer müssen genügend Zeit erhalten, um
die Informationen des Arbeitgebers (vgl. Art. 335f Abs. 3 OR) verarbeiten,
konstruktive Vorschläge formulieren und sie dem Arbeitgeber zur Kenntnis
bringen zu können (Zusatzbotschaft I, BBl 1992 V, S. 410; STAEHELIN,
aaO, N. 3 zu Art. 335f OR; BRÜHWILER, aaO, N. 2 zu Art. 335f OR; AUBERT,
aaO, S. 702 Rz. C6). Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass sowohl
die Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber ein Interesse an einer raschen
Ausarbeitung der Vorschläge haben (GEISER, aaO, S. 1419 Rz. 4.3; vgl. auch
MÜLLER, aaO, S. 127 f.).

    Im übrigen lassen sich indessen darüber, welche Konsultationsfrist im
Einzelfall angemessen ist, keine allgemeinen Regeln aufstellen. Massgebend
sind vielmehr die konkreten Umstände. Ins Gewicht fällt einerseits die
Komplexität der sich stellenden Fragen. Anderseits ist die Dringlichkeit
der beabsichtigten Massenentlassung zu berücksichtigen (MÜLLER, aaO,
S. 128). Ist die Massenentlassung jedoch nur deshalb besonders dringlich
geworden, weil der Arbeitgeber das Konsultationsverfahren zu spät eröffnet
hat, so vermag die Dringlichkeit keine Verkürzung der Konsultationsfrist
zu rechtfertigen.

    Eine zu kurze Dauer der Konsultation bedeutet, dass die Arbeitnehmer
nicht rechtsgenüglich konsultiert worden sind. Lässt der Arbeitgeber
den Arbeitnehmern zuwenig Zeit zu einer sachgerechten Prüfung und
Stellungnahme, so verletzt er die Pflichten, die ihm Art. 335f OR
auferlegt. Die Kündigungen, die er im Anschluss an die ungenügende
Konsultation ausspricht, sind deshalb missbräuchlich im Sinne von Art. 336
Abs. 2 lit. c OR (MÜLLER, aaO, S. 127).

    c) Im vorliegenden Fall macht die Beklagte zu Unrecht geltend,
die Einreichung von Vorschlägen seitens der Arbeitnehmerschaft wäre
auch noch möglich gewesen, nachdem die Kündigungen bereits ausgesprochen
waren, konnte doch eine den Anforderungen von Art. 335f OR entsprechende
Konsultation nur vor den Kündigungen stattfinden. Es ist deshalb davon
auszugehen, dass der Arbeitnehmerschaft in der Tat nur die Frist zur
Verfügung stand, die ihr die Beklagte am 28. März 1995 bis 12 Uhr des
folgenden Tages angesetzt hatte. Diese Frist aber erweist sich im Lichte
des Ausgeführten (E. b hievor) jedenfalls als zu kurz, ob sie nun, wie
im angefochtenen Urteil festgehalten, 24 Stunden oder, wie der Kläger
heute geltend macht, noch weniger lang gedauert hat. Eine derart kurze
Frist liess eine auf seriöse Abklärungen gestützte Stellungnahme zum
vornherein nicht zu. Wieviel Zeit die Beklagte der Arbeitnehmerschaft
genau hätte einräumen müssen, kann offen bleiben. Eine abschliessende
Beurteilung dieser Frage hätte im übrigen auch zusätzliche tatsächliche
Feststellungen zu den konkreten Umständen vorausgesetzt. Festzuhalten
ist immerhin, dass die vom Kläger genannte Frist von mindestens vier bis
sechs Wochen erheblich zu hoch gegriffen sein dürfte. Das ändert indessen
nichts daran, dass der Kläger die von der Beklagten angesetzte Frist zu
Recht als ungenügend beanstandet.

    Entgegen der Auffassung des Appellationshofs und der Beklagten lässt
sich eine Verkürzung der Konsultationsfrist auf einen einzigen Tag auch
nicht mit dem Hinweis auf "wirtschaftliche Sachzwänge" rechtfertigen. Die
konkrete Absicht, die gesamte Belegschaft zu entlassen, falls die
Übernahmeverhandlungen mit der Z. SA scheitern sollten, bestand bei der
Beklagten offensichtlich schon einige Zeit vor dem 27. März 1995. Dass
die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt hoffte, die Massenentlassung werde
sich mit der Übernahme ihres Unternehmens durch die Z. SA abwenden
lassen, bleibt unerheblich. Die Beklagte durfte mit der Einleitung
der Konsultation nicht zuwarten, bis für ihren Verwaltungsrat die
Unumgänglichkeit der Massenentlassung endgültig feststand. Sie hätte
vielmehr die Arbeitnehmervertretung oder die Arbeitnehmer bereits vor
dem 28. März 1995 konsultieren müssen. Weshalb ihr dies nicht möglich
gewesen sein sollte, ist angesichts der Verschwiegenheitspflicht,
die Art. 14 des Mitwirkungsgesetzes der Arbeitnehmervertretung und den
Arbeitnehmern auferlegt, nicht einzusehen. Die Dringlichkeit, mit der
die Beklagte argumentiert, ist somit vor allem darauf zurückzuführen,
dass das Konsultationsverfahren zu spät eingeleitet worden ist, und
erscheint daher als weitgehend selbstverschuldet. Die Beklagte sucht
zu Unrecht glauben zu machen, "wirtschaftliche Sachzwänge" hätten sie
daran gehindert, der Arbeitnehmervertretung und den Arbeitnehmern mehr
Zeit zur Stellungnahme einzuräumen, bevor sie die Kündigungen aussprach.

    Die Beklagte hat demnach die Mitwirkungsrechte verletzt, die der
Arbeitnehmerschaft aufgrund von Art. 10 lit. c des Mitwirkungsgesetzes
in Verbindung mit Art. 335f OR zugestanden hätten. Das dahingehende
Feststellungsbegehren des Klägers ist zu schützen. Das führt zur
Gutheissung der Berufung.