Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 370



122 I 370

46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. August 1996 i.S. T.
gegen G. und Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 180 Abs. 3 IPRG; Ablehnung eines Schiedsrichters in einem
internationalen Schiedsverfahren; Zulässigkeit der staatsrechtlichen
Beschwerde.

    Ein nach Art. 180 Abs. 3 IPRG ergangener Entscheid eines kantonalen
Gerichts kann nicht selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde
angefochten werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 180 Abs. 3 IPRG (SR 291) entscheidet im Verfahren
der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit der Richter am Sitz des
Schiedsgerichts endgültig über ein Ablehnungsbegehren, soweit nicht
die Parteien das Verfahren geregelt haben. Es stellt sich die Frage,
ob diese endgültige Zuständigkeit auch die staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht ausschliesst.

    a) Der Nationalrat beschloss am 6. Oktober 1986 folgende Fassung
von Art. 171c Abs. 3 E-IPRG (heute Art. 180 Abs. 3 IPRG; Amtl.Bull. N
1986 1366):

    "Soweit die Parteien das Ablehnungsverfahren nicht geregelt haben,
   entscheidet im Bestreitungsfalle der Richter am Sitz des
   Schiedsgerichts.

    Gegen seinen Entscheid ist kein Rekurs möglich."

    Der Ständerat beschloss am 2. Juni 1987 folgende Fassung der Bestimmung
(Amtl.Bull. SR 1987 194):

    "Soweit die Parteien das Ablehnungsverfahren nicht geregelt haben,
   entscheidet im Bestreitungsfalle der Richter am Sitz des Schiedsgerichts
   endgültig."

    Der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission führte dazu aus
(Amtl.Bull. SR 1987 194):

    "Noch eine Bemerkung zu Absatz 3. Dort ersetzt Ihre Kommission die
   nationalrätliche Formulierung, wonach gegen den Entscheid kein Rekurs
   mehr möglich sein soll, durch den Ausdruck "endgültig". Inhaltlich
   aber meinen beide Formulierungen das gleiche."

    Der Nationalrat schloss sich in seiner Sitzung vom 21. September 1987
der Fassung des Ständerates diskussionslos an (Amtl.Bull. N 1987 1070 f.).

    b) Das Bundesgericht hatte bisher noch nicht zu entscheiden, ob ein
nach Art. 180 Abs. 3 IPRG ergangener kantonaler Entscheid selbständig mit
staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar ist. Immerhin erwog es bei der
Beurteilung einer Beschwerde gegen einen Entscheid betreffend Ernennung
eines Schiedsrichters (Art. 179 Abs. 3 IPRG) folgendes (BGE 118 Ia 20
E. 2a S. 23):

    "Ein Ausschluss der staatsrechtlichen Beschwerde lässt sich sodann auch
   nicht aus Art. 180 Abs. 3 IPRG ableiten. Gemäss dieser Bestimmung
   urteilt der Richter endgültig über die Ablehnung eines Schiedsrichters,
   wobei nach zutreffender Auffassung ein solcher Entscheid auch nicht mit
   staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten
   werden kann (LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage, N. 12
   zu Art.

    180 IPRG). Dabei handelt es sich indessen um einen Zwischenentscheid,
da er
   das Schiedsverfahren nicht beendet. Selbst wenn Art. 180 Abs. 3 IPRG
   aufgrund einer systematischen Auslegung auch auf das Ernennungsverfahren
   anwendbar wäre (so KARRER, Les rapports entre le tribunal arbitral, les
   tribunaux étatiques et l'institution arbitrale, in: Revue de droit des
   affaires internationales 1989, S. 766 f.), bliebe aus diesem Grund der

    Ausschluss der staatsrechtlichen Beschwerde auf die Fälle beschränkt,
wo
   sich diese gegen einen Zwischenentscheid richtet; auf Endentscheide
   liesse sich der Ausschluss dagegen mit dieser Begründung nicht
   ausdehnen."

    Allerdings lässt die Rechtsprechung zu, dass Ablehnungsgründe im Sinne
von Art. 180 Abs. 1 IPRG dem Bundesgericht noch mit Beschwerde gemäss
Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG gegen den Schiedsentscheid unterbreitet werden
können, selbst wenn sie vorgängig bereits durch ein von den Parteien
eingesetztes privates Gremium abgewiesen worden sind (BGE 118 II 359
E. 3b; nicht publ. Entscheid vom 30. Juni 1994 i.S. Hitachi Ltd. c. SMS
Schloemann Siemag AG, E. 2).

    c) In der Lehre herrscht die Auffassung vor, Art. 180 Abs. 3 IPRG
schliesse die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht aus, soweit
jedenfalls der kantonale Richter nicht eine formelle Rechtsverweigerung
durch Nichtbeurteilung des Ablehnungsbegehrens begehe (PETER/FREYMOND, in:
Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht,
N. 33 und 35 zu Art. 180 IPRG mit Hinweisen; RÜEDE/HADENFELDT,
Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Auflage, S. 187 mit Hinweisen;
HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht,
2. Auflage, Rz. 925; WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz,
S. 464 f.; unbestimmt DUTOIT, in: Droit international privé suisse,
Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, N. 7 zu Art. 180
IPRG). Minderheitsmeinungen wollen demgegenüber die staatsrechtliche
Beschwerde mit der Begründung zulassen, sie werde vom Organisationsgesetz
insoweit nicht ausdrücklich ausgeschlossen (ANDREAS BUCHER, Die neue
internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Rz. 179; vgl.
auch LALIVE/GAILLARD, Le nouveau droit de l'arbitrage international en
Suisse, S. 905 ff., 935) oder der Rechtsweg ergebe sich unmittelbar aus der
Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde, die verfassungsmässigen Rechte
der Bürger zu schützen (VISCHER, in: IPRG-Kommentar, N. 15 zu Art. 180).

    d) Der Auffassung der Unanfechtbarkeit auch mittels staatsrechtlicher
Beschwerde ist beizupflichten. Allerdings lässt sie sich nicht bereits aus
der Rechtsnatur des Ablehnungsentscheids begründen, da Zwischenentscheide
gerichtsorganisatorischer Natur nach der Rechtsprechung unmittelbar
mit staatsrechtlicher Beschwerde auch wegen Verletzung von Art. 4 BV
anfechtbar sind (BGE 116 Ia 181 E. 3a). Ausschlaggebend ist vielmehr
der klare Wille des Gesetzgebers und die allgemeine Zielsetzung der
gesetzlichen Ordnung über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, die
Anfechtungsmöglichkeiten in diesen Verfahren tunlichst zu beschränken. Die
im Gesetz ausdrücklich enthaltene endgültige Zuständigkeit des
kantonalen Richters ergäbe zudem keinen Sinn, wenn sein Entscheid
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könnte, da andere
bundesrechtliche Rechtsmittel mangels eines tauglichen Anfechtungsobjektes
ohnehin nicht offenstehen. Damit ist das obiter dictum in BGE 118 Ia
20 E. 2a zu bestätigen, wonach Entscheide nach Art. 180 Abs. 3 IPRG der
staatsrechtlichen Beschwerde nicht zugänglich sind.

    Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren, ob unbesehen
eines negativen Entscheids des staatlichen Richters der spätere
Schiedsentscheid gestützt auf Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG wegen der
Mitwirkung eines ablehnbaren Schiedsrichters angefochten werden kann oder
ob diese Anfechtungsmöglichkeit auf die Fälle beschränkt ist, in denen
ein von den Parteien ernanntes Gremium über das Ablehnungsgesuch befand
(so WALTER, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz -
offene Fragen zu Kap. 12 des IPR-Gesetzes, ZBJV 126/1990, S. 168 f.;
derselbe, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 469).